
Detaillierte Analyse ausgewählter Gleichnisse/Narrative
Eine tiefgehende Untersuchung spezifischer Lehrbeispiele aus dem Palikanon
Inhaltsverzeichnis
- Übersicht der ausgewählten Narrative
- Einzelanalysen
- Das Gleichnis vom Tuch (Vatthūpama Sutta, MN 7)
- Das Gleichnis von der Säge (Kakacūpama Sutta, MN 21)
- Das Gleichnis von der Wasserschlange (Alagaddūpama Sutta, MN 22)
- Das Gleichnis vom Floß (Alagaddūpama Sutta, MN 22)
- Das Gleichnis vom Ameisenhaufen (Vammīka Sutta, MN 23)
- Das Gleichnis von den Postkutschen (Rathavinīta Sutta, MN 24)
- Das Gleichnis vom Köder/der Aussaat (Nivāpa Sutta, MN 25)
- Die Edle Suche (Ariyapariyesanā Sutta, MN 26)
- Das Gleichnis vom Kernholz (Cūḷa-/Mahāsāropama Sutta, MN 29/30)
- Das Gleichnis vom vergifteten Pfeil (Cūḷamālukya Sutta, MN 63)
- Das Gleichnis von den Blinden und dem Elefanten (Tittha Sutta, Ud 6.4)
- Das Gleichnis von der alten Stadt (Nagara Sutta, SN 12.65)
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Übersicht der ausgewählten Narrative
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die in diesem Bericht analysierten 12 Gleichnisse, Parabeln und narrativen Elemente aus dem Palikanon, geordnet nach ihrer primären Quelle im Suttapiṭaka.
Nr. | Sutta-Name & Referenz | Nikāya | Zentrales Bild/Thema | Kurze Kernbotschaft |
---|---|---|---|---|
1 | Vatthūpama Sutta (MN 7) | Majjhima Nikāya | Tuch & Färber / Geistige Verunreinigungen | Ein reiner Geist nimmt die Lehre gut auf, ein unreiner nicht; innere Reinigung ist entscheidend. |
2 | Kakacūpama Sutta (MN 21) | Majjhima Nikāya | Säge / Umgang mit Kränkung | Selbst bei extremer Provokation soll der Geist unerschüttert und voller Liebe bleiben. |
3 | Alagaddūpama Sutta (MN 22) | Majjhima Nikāya | Wasserschlange / Falsches Ergreifen der Lehre | Die Lehre falsch verstanden führt zu Schaden, richtig verstanden zur Befreiung. |
4 | Alagaddūpama Sutta (MN 22) | Majjhima Nikāya | Floß / Loslassen der Lehre | Die Lehre ist ein Mittel zum Zweck (Überqueren), kein Selbstzweck zum Festhalten. |
5 | Vammīka Sutta (MN 23) | Majjhima Nikāya | Ameisenhaufen / Schichten der Existenz | Der Weg zur Befreiung erfordert das Durchdringen verschiedener Schichten von Hindernissen durch Weisheit. |
6 | Rathavinīta Sutta (MN 24) | Majjhima Nikāya | Postkutschen / Stufen der Reinheit | Der Pfad besteht aus aufeinanderfolgenden Stufen, die Mittel zum Ziel (Nibbāna) sind, aber nicht das Ziel selbst. |
7 | Nivāpa Sutta (MN 25) | Majjhima Nikāya | Köder/Saat & Hirsche / Umgang mit Sinneslust | Weder Gier noch extreme Askese führen zum Ziel; Achtsamkeit und meditative Zuflucht sind nötig. |
8 | Ariyapariyesanā Sutta (MN 26) | Majjhima Nikāya | Edle vs. Unedle Suche / Buddhas Weg | Die Suche nach dem Vergänglichen ist unedel; die Suche nach dem Unvergänglichen (Nibbāna) ist edel. |
9 | Cūḷa-/Mahāsāropama Sutta (MN 29/30) | Majjhima Nikāya | Kernholz / Wahres Ziel des spirituellen Lebens | Äußerer Gewinn, Tugend, Konzentration oder Wissen sind nicht das Kernholz; unerschütterliche Herzensbefreiung ist es. |
10 | Cūḷamālukya Sutta (MN 63) | Majjhima Nikāya | Vergifteter Pfeil / Irrelevanz metaphysischer Fragen | Konzentration auf die Befreiung vom Leiden ist wichtiger als spekulative Fragen über die Welt. |
11 | Tittha Sutta (Ud 6.4) | Khuddaka Nikāya | Blinde Männer & Elefant / Begrenzte Perspektiven | Festhalten an Teilwahrheiten führt zu Streit; die Realität ist komplexer als jede einzelne Perspektive. |
12 | Nagara Sutta (SN 12.65) | Saṃyutta Nikāya | Alte Stadt / Wiederentdeckung des Edlen Pfades | Der Weg zur Befreiung (Achtfacher Pfad) ist ein alter, wiederentdeckter Weg, basierend auf Bedingtem Entstehen. |
Einzelanalysen
Das Gleichnis vom Tuch (Vatthūpama Sutta, MN 7)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 7 (MN 7). Deutsche Übersetzung auf SuttaCentral derzeit nicht verfügbar. Englische Übersetzungen: https://suttacentral.net/mn7/en/sujato, https://suttacentral.net/mn7/en/bodhi.
Zusammenfassung: Der Buddha vergleicht den Geist (citta) mit einem Stück Tuch (vattha). Ist das Tuch schmutzig und fleckig, wird es die Farbe eines Färbers nur schlecht und unrein annehmen. Ist das Tuch jedoch rein und sauber, nimmt es die Farbe gut an und erscheint in reiner Farbe. Analog dazu ist bei einem verunreinigten Geist ein unglückliches zukünftiges Daseinsziel (duggati) zu erwarten, während bei einem unbefleckten Geist ein glückliches Daseinsziel (sugati) erwartet werden kann. Daraufhin zählt der Buddha sechzehn spezifische „Verunreinigungen des Geistes“ (cittassa upakkilesā) auf: (1) Habsucht und ungerechte Gier, (2) Übelwollen, (3) Zorn, (4) Feindseligkeit/Groll, (5) Geringschätzung/Verunglimpfung, (6) Herrschsucht/Anmaßung, (7) Neid, (8) Geiz/Eifersucht, (9) Heuchelei, (10) Betrug, (11) Starrsinn, (12) Überheblichkeit/Wetteifer, (13) Dünkel/Einbildung, (14) Hochmut, (15) Stolz/Eitelkeit, (16) Lässigkeit/Nachlässigkeit. Ein Mönch, der diese Verunreinigungen als solche erkennt, gibt sie auf. Durch dieses Aufgeben gewinnt er unerschütterliches Vertrauen (aveccappasāda) in den Buddha, den Dhamma und den Sangha. Dieses Vertrauen führt zu Inspiration, Freude (pāmojja), Verzückung (pīti), körperlicher Ruhe (passaddhi), Glückseligkeit (sukha) und schließlich zur Konzentration des Geistes (samādhi). Ein so gereinigter und konzentrierter Geist ist nicht mehr durch äußere Umstände wie die Art der Nahrung behindert und kann die höheren Geisteszustände (Brahmavihāras: liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut) entfalten und zur Befreiung von den Trieben (āsavakkhaya) gelangen. Am Ende des Sutta weist der Buddha die brahmanische Vorstellung zurück, dass rituelle Waschungen in heiligen Flüssen wie der Bāhukā zur Reinigung führen könnten, und betont stattdessen die Bedeutung der inneren Reinigung durch ethisches Verhalten und Geisteskultivierung.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist das Tuch (vattha) als Metapher für den Geist. Dieses Bild ist dem Alltag (Färberhandwerk) entnommen und daher leicht verständlich. Der Prozess des Färbens steht für die Aufnahme und Manifestation der Lehre oder allgemeiner für die Prägung des Geistes durch Erfahrungen und Absichten. Der starke Kontrast zwischen dem schmutzigen und dem reinen Tuch und den entsprechenden Färbeergebnissen unterstreicht die Notwendigkeit der Geistesreinigung für ein positives Ergebnis (gute Wiedergeburt, spiritueller Fortschritt). Die „Verunreinigungen“ (upakkilesa) werden explizit als der „Schmutz“ identifiziert, der entfernt werden muss. Die Analogie wird erweitert durch den Vergleich der Geistesreinigung mit dem Waschen eines Tuches in klarem Wasser oder dem Läutern von Gold im Ofen, was die Möglichkeit der Reinigung betont. Die Ablehnung der rituellen Flussbäder stellt die innere Reinigung der äußeren gegenüber.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, die fundamentale Bedeutung der Geistesreinheit als Basis für jeglichen spirituellen Fortschritt und ein heilsames Leben zu vermitteln. Das Gleichnis motiviert zur aktiven Auseinandersetzung mit den eigenen geistigen Verunreinigungen und deren Überwindung. Die Methode ist eine Kombination aus einem einfachen, evidenten Gleichnis und einer systematischen Auflistung der konkreten Hindernisse (die 16 upakkilesa). Dies macht das Problem greifbar und zeigt einen klaren Weg auf: Erkennen → Aufgeben → Vertrauen → Meditation → Befreiung. Obwohl an Mönche gerichtet, sind die Prinzipien universell. Die unmittelbare Verständlichkeit des Tuch-Gleichnisses schafft eine starke Evidenz für die Notwendigkeit der inneren Arbeit.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
„Seyyathāpi, bhikkhave, vatthaṁ saṅkiliṭṭhaṁ malaggahitaṁ […] Evameva kho, bhikkhave, citte saṅkiliṭṭhe, duggati pāṭikaṅkhā.“: „Wie nun, Mönche, ein Tuch schmutzig und befleckt wäre […] ebenso, Mönche, ist bei verunreinigtem Geiste ein übles Daseinsziel zu erwarten.“ – Dies etabliert die Kernanalogie.
„Katame ca, bhikkhave, cittassa upakkilesā? Abhijjhāvisamalobho […] pamādo cittassa upakkileso.“: „Welches aber, Mönche, sind die Verunreinigungen des Geistes? Habsucht und Gier […] Lässigkeit sind Verunreinigungen des Geistes.“ – Benennt die konkreten psychologischen Hindernisse.
„Yato kho […] bhikkhu […] upakkileso pahīno hoti […] So buddhe aveccappasādena samannāgato hoti…“: „Wenn im Mönch […] diese Verunreinigung aufgegeben ist […] gewinnt er unerschütterliches Vertrauen zum Buddha…“ – Beschreibt den kausalen Zusammenhang zwischen Reinigung und Vertrauen.
Die Kaskade von Freude → Verzückung → Ruhe → Glück → Konzentration zeigt den progressiven Pfad der meditativen Entwicklung als Ergebnis der Reinigung.
Vertiefung: Das Gleichnis steht in engem Zusammenhang mit der buddhistischen Ethik (Sīla), da viele der genannten Verunreinigungen ethische Verfehlungen bedingen oder daraus resultieren. Die Überwindung der Verunreinigungen ist zentraler Bestandteil der meditativen Praxis (Samādhi und Paññā), insbesondere der Achtsamkeitsmeditation (Satipaṭṭhāna). Die explizite Abgrenzung von rituellen Waschungen betont den buddhistischen Fokus auf innere Transformation statt äußerer Handlungen. Das Gleichnis illustriert das grundlegende buddhistische Prinzip, dass der Zustand des Geistes die Qualität der Erfahrung und das zukünftige Schicksal bestimmt. Die Analogie zum reinigbaren Tuch oder Gold vermittelt zudem eine wichtige Botschaft der Hoffnung: Der Geist ist nicht inhärent und unveränderlich schlecht, sondern seine Verunreinigungen sind hinzugekommen und können durch Praxis entfernt werden. Dies stärkt die Zuversicht in die Wirksamkeit des buddhistischen Pfades.
Das Gleichnis von der Säge (Kakacūpama Sutta, MN 21)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 21 (MN 21). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn21/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Anlass für diese Lehrrede ist das unangemessene Verhalten des Mönchs Moliya Phagguna, der zu enge Beziehungen zu Nonnen pflegt und zornig wird, wenn er oder die Nonnen kritisiert werden. Der Buddha ruft Phagguna zu sich und ermahnt ihn eindringlich, weltliche Begierden und Gedanken aufzugeben, selbst wenn er beschimpft oder tätlich angegriffen würde. Diese Ermahnung wird dann an alle Mönche gerichtet und gipfelt in dem extremen Gleichnis von der Säge: Selbst wenn Banditen einen Mönch mit einer Zweimann-Säge (kakaca) Glied für Glied zersägen würden, solle er keinen Hass im Herzen aufkommen lassen, sondern Mitgefühl und liebende Güte (Mettā) bewahren. Wer in einer solchen Situation Hass entwickle, befolge nicht die Lehre des Buddha. Um die geforderte unerschütterliche Geisteshaltung zu illustrieren, folgen weitere Gleichnisse: Man solle einen Geist entwickeln, der so unerschütterlich wie die Erde ist, die durch Graben oder Beschmutzen nicht verändert wird; wie der leere Raum, in den man keine Bilder malen kann; wie der Fluss Ganges, der durch eine Fackel nicht erhitzt werden kann; und wie ein gut gegerbter, weicher Katzenfell-Sack, der auf Reibung nicht raschelt. Abschließend erzählt der Buddha die Geschichte der Dienerin Kālī, die die vermeintliche Sanftmut ihrer Herrin Vedehikā durch wiederholtes zu spätes Aufstehen auf die Probe stellt, bis diese ihre Beherrschung verliert und Kālī verletzt. Dies zeigt, dass wahre Gelassenheit sich erst unter Provokation bewährt.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale und namensgebende Bild ist die Säge (kakaca), speziell die Zweimann-Säge, die extreme Brutalität und Schmerz symbolisiert. Dieses drastische Bild dient dazu, die absolute Notwendigkeit von Geduld und Liebe auch unter den unvorstellbarsten Umständen zu verdeutlichen. Es stellt einen radikalen Kontrast her zwischen äußerster Gewalt und der geforderten inneren Haltung des Nicht-Hassens und der liebenden Güte. Die nachfolgenden Gleichnisse von der Erde, dem Raum, dem Ganges und dem Katzenfell-Sack illustrieren positiv die Qualitäten des erstrebten Geisteszustands: unerschütterlich, unberührbar, unermesslich, nicht reaktiv. Die Geschichte von Kālī und Vedehikā verwendet eine alltägliche soziale Situation, um zu zeigen, wie leicht eine Fassade der Sanftmut unter Druck zusammenbrechen kann.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Hauptziel ist die Vermittlung der überragenden Bedeutung von Geduld (Khanti) und liebender Güte (Mettā) als Kernaspekte der buddhistischen Praxis, selbst im Angesicht größter Widrigkeiten. Ärger und Hass werden als fundamentale Abweichungen vom Pfad dargestellt. Die Lehre zielt darauf ab, eine innere Unabhängigkeit von äußeren Umständen zu kultivieren. Die Methode ist vielschichtig: Sie beginnt mit einer konkreten Ermahnung (an Phagguna), steigert sich zu einem extremen hypothetischen Szenario (Säge), illustriert die Zielqualität durch positive Natur-Metaphern und erdet die Lehre durch eine narrative Beispielgeschichte. Die primäre Zielgruppe sind Mönche, doch die Prinzipien sind universell anwendbar. Die schockierende Natur des Säge-Gleichnisses sorgt für maximale Einprägsamkeit und setzt einen hohen ethischen Standard. Die weiteren Gleichnisse bieten positive Leitbilder, während die Kālī-Geschichte zur Selbstreflexion über die eigene Belastbarkeit anregt.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
„Api ce, bhikkhave, corā āguṁcārā ubhatodaṇḍakena kakacena aṅgamaṅgāni occhindeyyuṁ, tatrāpi yo mano padūseyya, na me so tena sāsanakaroti.“ (MN 21, Pali): „Selbst wenn, Mönche, Räuber, Übeltäter, euch mit einer Zweimann-Säge Glied für Glied zersägen würden, wer auch da seinen Geist hasserfüllt werden ließe, der würde meine Weisung nicht befolgen.“ – Das zentrale, radikale Statement des Sutta.
„Evañhi vo, bhikkhave, sikkhitabbaṁ: ‘na ceva no cittaṁ vipariṇataṁ bhavissati, na ca pāpakaṁ vācaṁ nicchāressāma, hitānukampī ca viharissāma mettacittā na dosantarā’ti.“: „So sollt ihr euch schulen: ‚Unser Geist wird nicht verwandelt werden, wir werden kein böses Wort ausstoßen, sondern wir werden voller Sorge und Mitleid verweilen, mit einem Geist der Liebe, ohne inneren Hass.'“ – Die konkrete Anweisung zur Geistesschulung.
Die Aufforderung, einen Geist wie die Erde, den Raum, den Ganges oder den Katzenfell-Sack zu entwickeln, betont die Qualitäten der Unerschütterlichkeit, Weite, Unberührbarkeit und Reaktionslosigkeit.
Vertiefung: Dieses Sutta ist eine der stärksten Aussagen zur Gewaltlosigkeit (Ahiṃsā) und zur Praxis der liebenden Güte (Mettā) und Geduld (Khanti), die zu den Vollkommenheiten (Pāramitās) zählen. Es zeigt, dass die innere Haltung wichtiger ist als die äußere Situation. Die Kālī-Geschichte warnt vor Selbsttäuschung bezüglich der eigenen Tugend und betont die Notwendigkeit der Erprobung in schwierigen Situationen. Das Gleichnis von der Säge impliziert eine radikale Verlagerung des Fokus von der Kontrolle äußerer Ereignisse hin zur Meisterung der inneren Reaktion. Wahre Freiheit und Souveränität liegen im Geist, nicht in den Umständen. Leiden entsteht primär nicht durch die Aggression anderer, sondern durch die eigene hasserfüllte Reaktion darauf. Diese Lehre fordert eine tiefgreifende innere Transformation, die Unabhängigkeit von den Wechselfällen des Lebens ermöglicht.
Das Gleichnis von der Wasserschlange (Alagaddūpama Sutta, MN 22)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 22 (MN 22). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn22/de/sabbamitta.
Zusammenfassung: Der Mönch Ariṭṭha, ein ehemaliger Geiertöter, vertritt die gefährliche Ansicht, dass vom Buddha als hinderlich bezeichnete Dinge, insbesondere Sinnesfreuden, für den Praktizierenden nicht notwendigerweise ein Hindernis darstellen. Andere Mönche versuchen vergeblich, ihn von dieser Fehlinterpretation abzubringen. Der Buddha ruft Ariṭṭha zu sich, tadelt ihn streng und bekräftigt die Gefährlichkeit der Sinnesfreuden durch zehn bekannte Gleichnisse (Knochengerippe, Fleischstück, Fackel etc.). Anschließend präsentiert der Buddha das Gleichnis von der Wasserschlange (alagadda): Wer eine Schlange sucht und sie findet, aber falsch greift – am Körper oder am Schwanz –, riskiert, gebissen zu werden und dadurch Schaden oder den Tod zu erleiden. Wer sie jedoch korrekt mit einer Astgabel am Nacken fixiert und dann greift, kann sie sicher handhaben. Ebenso verhält es sich mit der Lehre (Dhamma): Wer sie falsch ergreift – etwa nur, um damit zu debattieren, andere zu kritisieren oder aus intellektueller Neugier, ohne den wahren Sinn zu erfassen –, dem wird die Lehre zu langanhaltendem Schaden und Leid gereichen. Wer sie jedoch richtig ergreift, um ihren Zweck – die Befreiung – zu verwirklichen, dem wird sie zum Nutzen sein. Darauf folgt das Gleichnis vom Floß.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist die Wasserschlange (alagadda), die für die Lehre (Dhamma) steht. Schlangen sind ambivalent: potentiell tödlich, aber auch Symbole der Weisheit und Transformation. Dies spiegelt die Natur der Lehre wider, die mächtig ist und bei falscher Anwendung schaden kann. Die Handlung des Greifens symbolisiert das Erlernen, Verstehen und Anwenden der Lehre. Der Kontrast zwischen dem falschen Griff (am Schwanz/Körper → Gefahr) und dem richtigen Griff (am Nacken mit Astgabel → Kontrolle/Nutzen) ist entscheidend. Er verdeutlicht, dass die Methode des Zugangs zur Lehre über deren Wirkung entscheidet. Die Gefahr des Schlangenbisses steht für das Leid und die negativen Konsequenzen, die aus einem falschen Verständnis oder Missbrauch der Lehre resultieren.
Pädagogische Analyse: Das primäre didaktische Ziel ist die eindringliche Warnung vor einem oberflächlichen, intellektualisierten oder zweckentfremdeten Umgang mit der buddhistischen Lehre. Es wird betont, dass der Dhamma nicht nur Wissen ist, sondern eine Praxis, die korrekt verstanden und angewendet werden muss, um zur Befreiung zu führen. Die Methode kombiniert eine direkte Zurechtweisung (Ariṭṭha als negatives Beispiel) mit einem lebensnahen, emotional aufrüttelnden Gleichnis. Die Zielgruppe sind insbesondere Mönche und Studierende der Lehre, die der Gefahr ausgesetzt sind, Wissen anzuhäufen, ohne es zu verinnerlichen oder es für unheilsame Zwecke wie Debattierclubs oder intellektuellen Stolz zu missbrauchen. Die Wirkung des Gleichnisses ist stark, da es an Urängste (Schlangenbiss) appelliert und die Notwendigkeit von Sorgfalt, Respekt und der richtigen Motivation im Umgang mit der Lehre unterstreicht.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
„Idha, bhikkhave, ekacce moghapurisā dhammaṁ pariyāpuṇanti […] Te taṁ dhammaṁ pariyāpuṇitvā tesaṁ dhammānaṁ paññāya atthaṁ na bhikkhanti.“: „Hier, Mönche, lernen einige Toren die Lehre […] Nachdem sie die Lehre gelernt haben, untersuchen sie nicht weise den Sinn dieser Lehren.“ – Beschreibt das Problem des oberflächlichen Lernens.
„Seyyathāpi, bhikkhave, puriso alagaddatthiko […] Tamenaṁ bhoge vā naṅguṭṭhe vā gaṇheyya. Tassa so alagaddo paṭivattitvā […] ḍaṁseyya. So tatonidānaṁ maraṇaṁ vā nigaccheyya maraṇamattaṁ vā dukkhaṁ. Taṁ kissa hetu? Duggahitattā, bhikkhave, alagaddassa.“: „Wie wenn, Mönche, ein Mann, der eine Wasserschlange braucht […] sie am Körper oder am Schwanz packen würde. Die Schlange würde sich umdrehen und […] beißen. Davon würde er Tod oder tödliches Leid erfahren. Warum? Wegen des falschen Ergreifens der Schlange.“ – Das Gleichnis vom falschen Griff.
„Evameva kho, bhikkhave, idhekacce moghapurisā dhammaṁ pariyāpuṇanti […] Tesaṁ te dhammā duggahitā dīgharattaṁ ahitāya dukkhāya saṁvattanti. Taṁ kissa hetu? Duggahitattā, bhikkhave, dhammānaṁ.“: „Ebenso, Mönche, lernen hier einige Toren die Lehre […] Ihnen gereichen diese Lehren, falsch ergriffen, lange Zeit zu Unheil und Leid. Warum? Wegen des falschen Ergreifens der Lehren.“ – Die direkte Anwendung auf die Lehre.
Vertiefung: Das Gleichnis unterstreicht die Gefahr, die Lehre intellektuell zu erfassen, ohne sie existenziell zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Es warnt vor der Verwechslung von Wissen über den Dhamma mit der Verwirklichung des Dhamma. Es steht im Kontext der Rechten Ansicht (Sammā Diṭṭhi) und betont die Notwendigkeit, nicht nur den Buchstaben (vyañjana), sondern auch den Sinn (attha) zu erfassen. Die Darstellung der Lehre als potentiell gefährlich bei falscher Handhabung hebt ihre transformative Kraft hervor – sie kann zum Höchsten führen, aber bei Missbrauch auch schaden. Dies impliziert eine hohe Verantwortung für Lehrende und Lernende im Umgang mit spirituellen Inhalten. Ariṭṭhas Fehlinterpretation der Lehre über Sinnesfreuden dient als konkretes Beispiel für ein solches „falsches Greifen“.
Das Gleichnis vom Floß (Alagaddūpama Sutta, MN 22)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 22 (MN 22). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn22/de/sabbamitta.
Zusammenfassung: Im selben Sutta wie das Schlangengleichnis führt der Buddha das Gleichnis vom Floß (kulla) ein. Er erklärt, dass er die Lehre (Dhamma) lehrt, damit man sie wie ein Floß benutzt, um eine große Wasserfläche (den Strom des Leidens, Saṃsāra) zu überqueren und das andere, sichere Ufer (Nibbāna) zu erreichen. Ein weiser Mensch, der das andere Ufer erreicht hat, würde das Floß dort zurücklassen und nicht aus Dankbarkeit oder Anhaftung auf dem Kopf oder den Schultern weitertragen, da es nun seinen Zweck erfüllt hat und nur noch eine Last wäre. Ebenso, so der Buddha, sei die Lehre zum Überschreiten da, nicht zum Festhalten. Wer die Lehre richtig versteht, müsse selbst an den guten und heilsamen Lehren (dhammā) loslassen, sobald das Ziel erreicht ist – um wie viel mehr müsse man erst an schlechten oder falschen Dingen (adhammā) loslassen.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist das Floß (kulla), das die Lehre oder die buddhistische Praxis symbolisiert. Ein Floß ist ein funktionales Hilfsmittel für einen spezifischen Zweck: die Überquerung eines Gewässers. Der Fluss oder die „Flut“ (ogha) steht für Saṃsāra, den Kreislauf von Geburt, Tod und Leiden. Das „andere Ufer“ (pāraṁ) ist die Metapher für Nibbāna, das Ziel der Befreiung. Die Handlung des Überquerens repräsentiert den spirituellen Weg. Das paradoxe Element ist das Loslassen des nützlichen Werkzeugs: Das Weiter-Tragen des Floßes nach der Ankunft am anderen Ufer symbolisiert das Anhaften an Konzepten, Methoden, Ansichten oder sogar spirituellen Errungenschaften, die ihren Zweck erfüllt haben und nun zu Hindernissen werden. Der Kontrast liegt zwischen dem pragmatischen Nutzen während der Reise und der Notwendigkeit des Loslassens am Ziel.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, den instrumentellen und relativen Charakter der Lehre zu verdeutlichen. Sie ist ein Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst. Das Gleichnis warnt eindringlich vor Dogmatismus und dem Anhaften an Lehren, Regeln oder Praktiken, selbst wenn sie heilsam sind. Es fördert eine Haltung der Nicht-Anhaftung (Anupādāna) als Kernprinzip der Befreiung. Die Methode ist ein klares, einfaches Gleichnis, das eine tiefgründige, fast paradoxe Wahrheit vermittelt: Selbst das Gute muss losgelassen werden. Die logische Schlussfolgerung (a fortiori: wenn Gutes, dann erst recht Schlechtes) verstärkt die Botschaft. Zielgruppe sind Praktizierende, die Gefahr laufen, sich in Theorien, Methoden oder Identifikationen zu verstricken und das eigentliche Ziel aus den Augen zu verlieren. Die Wirkung ist tiefgreifend und regt zur Reflexion über die Natur der Praxis und des Ziels an. Es fördert geistige Flexibilität und beugt spirituellem Materialismus vor.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
„Kullūpamaṁ vo, bhikkhave, dhammaṁ desessāmi nittharaṇatthāya no gahaṇatthāya.“ (MN 22, Pali): „Ein Gleichnis vom Floß, Mönche, will ich euch geben, zum Überschreiten dienend, nicht zum Festhalten.“ – Klare Definition des Zwecks der Lehre.
„So […] imaṁ kullaṁ […] sīse vā āropetvā khandhe vā āropetvā pakkameyya? […] No hetaṁ, bhante.“ (MN 22, Pali): „Würde er […] dieses Floß […] auf den Kopf oder die Schulter ladend, weiterziehen? […] Wahrlich nicht, Herr.“ – Illustration der Absurdität des Festhaltens.
„Evameva kho, bhikkhave, kullūpamo mayā dhammo desito nittharaṇatthāya no gahaṇatthāya. Kullūpamaṁ vo, bhikkhave, dhammaṁ desitaṁ ājānantehi dhammāpi vo pahātabbā, pageva adhammā.“: „Ebenso, Mönche, ist die von mir gelehrte Lehre dem Floße gleich, zum Überschreiten dienend, nicht zum Festhalten. Ihr, Mönche, die ihr die Lehre als dem Floße gleich versteht, müsst selbst an den (rechten) Lehren nicht mehr haften, geschweige denn an den unrechten.“ – Die radikale Konsequenz: Loslassen selbst des Heilsamen.
Vertiefung: Das Floß-Gleichnis ist eine der berühmtesten und wichtigsten Aussagen über die Natur des Dhamma. Es steht in engem Zusammenhang mit der Lehre von der Leerheit (Suññatā), da es impliziert, dass auch die Lehre selbst keine absolute, inhärente Substanz besitzt, an der man festhalten könnte. Es unterstreicht die zentrale Rolle der Nicht-Anhaftung (Anupādāna) für die Befreiung. Es warnt davor, das Mittel (den Pfad, die Lehre) mit dem Ziel (Nibbāna) zu verwechseln. Dieses Gleichnis kann als eine Art Meta-Lehre betrachtet werden – eine Lehre über die Lehre selbst. Es zeigt eine bemerkenswerte Selbstreflexivität und einen eingebauten Schutz gegen dogmatische Erstarrung innerhalb der buddhistischen Lehre. Indem die funktionale und relative Natur des Dhamma betont wird, bleibt der Fokus auf dem letztendlichen Ziel, einer Erfahrung jenseits aller Konzepte und Worte.
Das Gleichnis vom Ameisenhaufen (Vammīka Sutta, MN 23)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 23 (MN 23). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn23/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Mönch Kumārakassapa meditiert im Dunklen Wald, als ihm spät nachts ein strahlender Deva erscheint. Dieser Deva stellt ihm ein Rätsel in Versform: Ein Ameisenhaufen (vammīka) raucht bei Nacht und flammt bei Tag. Ein Brahmane fordert einen Weisen auf, mit dem Schwert zu graben. Beim Graben entdeckt der Weise nacheinander einen Riegel (laṅgī), eine Kröte (uddhumāyika), einen Gabelweg (dvidhāpatha), ein Sieb (caṅgavāra), eine Schildkröte (kummā), ein Schlachterbeil und einen Hackklotz (asisūnā), ein Stück Fleisch (maṁsapesi) und schließlich eine Nāga-Schlange (nāga). Der Brahmane rät, die Schlange in Ruhe zu lassen und zu ehren. Der Deva fordert Kumārakassapa auf, den Buddha nach der Lösung des Rätsels zu fragen. Kumārakassapa tut dies, und der Buddha entschlüsselt die Symbole: Der Ameisenhaufen ist der menschliche Körper. Das Rauchen bei Nacht ist das Grübeln und Planen über die Taten des Tages. Das Flammen bei Tag ist das Ausführen dieser Pläne durch körperliche, verbale und geistige Handlungen. Der Brahmane ist der vollkommen erwachte Buddha. Der Weise ist der Mönch in Schulung (sekha). Das Schwert ist die edle Weisheit (paññā). Das Graben ist die energische Anstrengung (viriya). Der Riegel symbolisiert die Unwissenheit (avijjā). Die Kröte steht für Zorn und Verzweiflung (kodhūpāyāsa). Der Gabelweg repräsentiert den Zweifel (vicikicchā). Das Sieb steht für die fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni: Sinnenlust, Übelwollen, Trägheit/Mattheit, Unruhe/Sorge, Zweifel). Die Schildkröte symbolisiert die fünf Aggregate des Anhaftens (pañcupādānakkhandhā: Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewusstsein). Schlachterbeil und Hackklotz stehen für die fünf Stränge der Sinneslust (pañca kāmaguṇā). Das Fleischstück repräsentiert Freude und Gier (nandirāga). Die Nāga-Schlange schließlich symbolisiert den Mönch, der die Triebe zerstört hat, den Arahant. Die Anweisung lautet, alle Hindernisse (Riegel, Kröte etc.) zu entfernen und die Nāga (den befreiten Zustand) zu ehren und in Ruhe zu lassen (d.h. nicht daran anzuhaften).
Analyse der Bildsprache: Das Sutta verwendet eine komplexe, vielschichtige Allegorie. Der Ameisenhaufen als zentrales Bild für den Körper/die Existenz ist treffend: äußerlich oft unscheinbar, innerlich voller Aktivität („Rauchen“ und „Flammen“), potentiell gefährlich (kann Schlangen beherbergen) und aus vergänglichem Material (Erde) gebaut. Die Handlung des Grabens mit dem Schwert der Weisheit symbolisiert den Prozess der introspektiven, meditativen Untersuchung (Vipassanā), die Energie (viriya) erfordert. Die gefundenen Objekte sind prägnante Metaphern für zentrale buddhistische Konzepte des Leidens und der Hindernisse auf dem Pfad: Der Riegel blockiert, die Kröte bläht sich auf (Zorn), der Gabelweg verwirrt (Zweifel), das Sieb filtert/hält zurück (Hindernisse), die Schildkröte ist schwer und panzert sich ein (Aggregate), das Schlachterwerkzeug zerstückelt (Sinneslust), das Fleisch lockt (Gier). Die Nāga als Symbol des Arahant ist besonders interessant: Sie ist mächtig, potenziell gefährlich (wenn man sie stört/anhaftet?), aber ehrwürdig und letztlich das Ziel der Suche, das aber nicht ergriffen, sondern respektiert werden soll.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist die Vermittlung einer Landkarte des inneren Weges zur Befreiung. Es identifiziert die wesentlichen Hindernisse und Objekte der Einsichtspraxis in einer bildhaften, leicht merkbaren Form. Die Methode ist ungewöhnlich: Ein Rätsel, gestellt von einem Deva, weckt Neugier und unterstreicht die Bedeutung der Frage. Die systematische Deutung durch den Buddha liefert den Schlüssel zum Verständnis. Die Struktur des „Grabens“ und der schichtweisen Entdeckung spiegelt den progressiven Charakter der meditativen Einsicht wider. Zielgruppe ist Kumārakassapa, der als Liebhaber von Gleichnissen bekannt war, aber die Lehre ist für alle Praktizierenden relevant. Die rätselhafte Form und die reichen Bilder machen das Sutta besonders einprägsam und regen zur tiefen Kontemplation an.
Wichtige Zitate und Erklärungen: Die zentrale Passage ist die Deutung der Symbole durch den Buddha:
„‚Vammiko’ti kho, bhikkhu, imassetaṁ cātumahābhūtikassa kāyassa adhivacanaṁ…“ („‚Ameisenhaufen‘, Bhikkhu, ist eine Bezeichnung für diesen Körper…“)
„‚Abhikkhaṇa, sumedha, satthaṁ ādāyā’ti kho, bhikkhu, vīriyārambhassetaṁ adhivacanaṁ.“ („‚Grabe, Weiser, nimm das Schwert!‘, Bhikkhu, ist eine Bezeichnung für das Aufbieten von Tatkraft.“)
„‚Satthan’ti kho, bhikkhu, ariyāyetaṁ paññāya adhivacanaṁ.“ („‚Schwert‘, Bhikkhu, ist eine Bezeichnung für die edle Weisheit.“)
„‚Laṅgī’ti kho, bhikkhu, avijjāyetaṁ adhivacanaṁ.“ („‚Riegel‘, Bhikkhu, ist eine Bezeichnung für Unwissenheit.“)… usw. für alle Symbole bis hin zu:
„‚Nāgo’ti kho, bhikkhu, khīṇāsavassetaṁ bhikkhuno adhivacanaṁ.“ („‚Nāga‘, Bhikkhu, ist eine Bezeichnung für den versiegten Mönch.“)
„Tiṭṭhatu nāgo, mā nāgaṁ ghaṭṭesi, namo karohi nāgassā’ti.“ („Lass die Nāga sein, verletze die Nāga nicht, erweise der Nāga Ehre.“) – Die Anweisung bezüglich des Ziels.
Vertiefung: Das Gleichnis illustriert eindrücklich den Prozess der Läuterung (Entfernen der Hindernisse) und der Einsicht (Erkennen der Natur der Aggregate, der Sinneslust etc.). Es betont, dass Befreiung durch aktive innere Arbeit (Graben mit Weisheit und Energie) erreicht wird. Die Symbolik wurzelt teilweise tief in der indischen Kultur (Ameisenhaufen, Nāgas). Die progressive Struktur des Gleichnisses – vom Groben (Unwissenheit) zum Feineren (Aggregate, Sinneslust) bis zum Transzendenten (Nāga/Arahant) – spiegelt die Stufen des Einsichtsprozesses wider und liefert eine implizite Struktur für die meditative Praxis.
Das Gleichnis von den Postkutschen (Rathavinīta Sutta, MN 24)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 24 (MN 24). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn24/de/mettiko.
Zusammenfassung: Nachdem Sāriputta von der hohen Wertschätzung gehört hat, die der Mönch Puṇṇa Mantāniputta genießt, sucht er diesen zum Dhamma-Gespräch auf. Sāriputta fragt Puṇṇa, ob das heilige Leben unter dem Buddha um einer der sieben spezifischen Reinheitsstufen willen geführt wird: (1) Tugendreinheit (sīla-visuddhi), (2) Geistesreinheit (citta-visuddhi, d.h. Konzentration), (3) Ansichtsreinheit (diṭṭhi-visuddhi), (4) Reinheit durch Überwindung des Zweifels (kaṅkhāvitaraṇa-visuddhi), (5) Reinheit durch Wissen und Sehen von Pfad und Nicht-Pfad (maggāmaggañāṇadassana-visuddhi), (6) Reinheit durch Wissen und Sehen des Weges (paṭipadāñāṇadassana-visuddhi), oder (7) Reinheit durch Wissen und Sehen (ñāṇadassana-visuddhi). Puṇṇa verneint dies für jede einzelne Stufe. Auf Sāriputtas Frage, wozu das heilige Leben dann geführt werde, antwortet Puṇṇa: „Um des endgültigen Verlöschens durch Nicht-Anhaften willen“ (anupādā-parinibbānatthaṁ). Er erläutert dies mit dem Gleichnis von den Postkutschen (oder Relais-Wagen, rathavinīta): Wenn König Pasenadi von Sāvatthī nach Sāketa reisen wollte, würde er eine Reihe von sieben Kutschen an verschiedenen Stationen bereithalten lassen. Er würde mit der ersten Kutsche zur zweiten fahren, dort umsteigen, mit der zweiten zur dritten usw., bis er mit der siebten Kutsche Sāketa erreicht. Jede Kutsche (jede Reinheitsstufe) dient nur dazu, die nächste zu erreichen. Keine Kutsche ist das Ziel der Reise, aber ohne die vorherige Kutsche kann die nächste Station nicht erreicht werden. Ebenso dient Tugendreinheit nur zur Erreichung der Geistesreinheit, diese zur Ansichtsreinheit usw., bis die Reinheit durch Wissen und Sehen zum endgültigen Nibbāna durch Nicht-Anhaften führt.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild sind die sieben gestaffelten Postkutschen (rathavinīta), die für die sieben Stufen der Reinheit (satta visuddhi) stehen. Dieses Bild vermittelt klar die Idee einer progressiven Reise mit notwendigen Zwischenstationen und Transportmitteln. Die Reise selbst symbolisiert den spirituellen Pfad. Der Zielort (Sāketa) steht für Nibbāna. Das Umsteigen von einer Kutsche zur nächsten illustriert das Fortschreiten von einer abgeschlossenen Stufe zur nächsten. Entscheidend ist, dass jede Kutsche nur ein Mittel zum Zweck ist, um die nächste Etappe zu ermöglichen, aber keine der Kutschen das eigentliche Reiseziel darstellt.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist die Verdeutlichung der Struktur und der progressiven Natur des buddhistischen Pfades, wie er durch die sieben Reinheitsstufen systematisiert wird. Es soll verhindert werden, dass Praktizierende eine erreichte Stufe (z.B. hohe ethische Reinheit oder tiefe Konzentration) fälschlicherweise für das Endziel halten und darin stagnieren. Das Gleichnis betont, dass alle Stufen nur relative Mittel auf dem Weg zum ultimativen Ziel, dem Nibbāna durch Nicht-Anhaften, sind. Die Methode ist ein Dialog zwischen zwei fortgeschrittenen Praktizierenden, der eine systematische Untersuchung der Pfadstruktur beinhaltet, gekrönt von einem klaren und logischen Gleichnis. Die Zielgruppe sind erfahrene Praktizierende, die die einzelnen Elemente des Pfades kennen, aber deren Zusammenspiel und relative Bedeutung im Gesamtkontext verstehen müssen. Die Wirkung ist die Schaffung von Klarheit über den Pfadverlauf und die Motivation, über erreichte Stufen hinauszustreben, bis das endgültige Ziel erreicht ist.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die wiederholte Frage Sāriputtas und Verneinung Puṇṇas bezüglich jeder einzelnen Reinheitsstufe als Ziel des heiligen Lebens.
„Anupādāparinibbānatthaṁ kho, āvuso, bhagavati brahmacariyaṁ vussatī’ti.“ (MN 24, Pali): „Um des endgültigen Verlöschens durch Nicht-Ergreifen willen, Freund, wird das heilige Leben unter dem Erhabenen geführt.“ – Die klare Definition des ultimativen Ziels.
Die detaillierte Beschreibung der Reise mit den sieben Relais-Kutschen.
Die Anwendung des Gleichnisses: „Evameva kho, āvuso, sīlavisuddhi yāvadeva cittavisuddhatthā […] ñāṇadassanavisuddhi yāvadeva anupādāparinibbānatthā.“ (MN 24, Pali): „Ebenso nun, Freund, dient die Tugendreinheit nur bis zur Geistesreinheit […] die Reinheit durch Wissen und Sehen nur bis zum endgültigen Verlöschen durch Nicht-Ergreifen.“ – Zeigt die instrumentelle Funktion jeder Stufe für die jeweils nächste.
Vertiefung: Die sieben Reinheitsstufen (satta visuddhi) sind ein bedeutendes Schema zur Systematisierung des Theravāda-Pfades, das später im Visuddhimagga von Buddhaghosa ausführlich dargestellt wurde. Das Gleichnis illustriert das Prinzip des Bedingten Entstehens (Paṭiccasamuppāda) angewandt auf den Pfad selbst: Jede Stufe ist eine notwendige Bedingung für die Entstehung der nächsten. Es harmoniert mit dem Floß-Gleichnis (MN 22), da beide betonen, dass die Mittel des Pfades nicht mit dem Ziel verwechselt und nicht festgehalten werden dürfen. Das Gleichnis lehrt eine subtile Balance: Jede Stufe muss vollständig entwickelt und gemeistert werden (man muss die Kutsche nutzen), aber gleichzeitig darf man nicht daran anhaften oder sie für das Endziel halten. Dies spiegelt die Notwendigkeit von engagierter Praxis bei gleichzeitigem Loslassen wider, um Stagnation zu vermeiden und das letztendliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Das Gleichnis vom Köder/der Aussaat (Nivāpa Sutta, MN 25)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 25 (MN 25). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn25/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Buddha erzählt das Gleichnis von einem Sämann (nevāpika), der Saat oder Köder (nivāpa) für Hirschherden (migajātā) auslegt. Sein Ziel ist nicht, die Hirsche zu ernähren, sondern sie anzulocken, durch den Genuss der Saat unachtsam und berauscht zu machen, um sie dann nach Belieben fangen zu können. Vier verschiedene Hirschherden reagieren unterschiedlich auf diese Falle: Die erste Herde stürzt sich gierig und unachtsam auf die Saat, wird berauscht und nachlässig und gerät so vollständig in die Macht des Sämanns. Die zweite Herde erkennt die Gefahr, meidet die Saat vollständig und flieht tief in die Wildnis. Dort jedoch gehen ihnen in der Trockenzeit Gras und Wasser aus, sie werden extrem abgemagert, verlieren ihre Kraft und Energie und damit auch ihre „Herzensbefreiung“. Geschwächt kehren sie zur Saat zurück und werden ebenfalls Opfer des Sämanns. Die dritte Herde beschließt, nahe der Saat zu leben, aber vorsichtig und achtsam zu fressen, um nicht berauscht und nachlässig zu werden. Sie bleiben zwar zunächst frei von Berauschung, aber der Sämann und seine Helfer entdecken ihr Versteck und umstellen es mit Fallen (Stockschlingen), sodass auch diese Herde nicht der Macht des Sämanns entkommt. Die vierte Herde wählt einen Wohnplatz, der für den Sämann und seine Helfer unerreichbar ist. Von diesem sicheren Ort aus gehen sie zur Saat, fressen achtsam und ohne Gier, werden nicht berauscht oder nachlässig und kehren sicher in ihr Versteck zurück. Der Sämann kann ihnen nichts anhaben und gibt die Verfolgung schließlich auf. Der Buddha deutet das Gleichnis: Die Saat/Köder steht für die fünf Stränge der Sinneslust (pañca kāmaguṇā). Der Sämann ist Māra, der Böse/Versucher. Seine Helfer sind Māras Gefolge. Die Hirschherden repräsentieren vier Gruppen von Asketen und Brahmanen (spirituell Suchende). Die erste Gruppe ergibt sich hemmungslos den Sinnesfreuden. Die zweite praktiziert extreme Askese, scheitert aber an deren Härten und fällt zurück. Die dritte praktiziert Achtsamkeit im Umgang mit Sinnesreizen, bleibt aber in deren gefährlicher Nähe und wird letztlich doch gefangen. Die vierte Gruppe findet Sicherheit, indem sie einen Zustand jenseits der Reichweite Māras kultiviert (implizit die meditativen Vertiefungen, Jhānas) und von dort aus achtsam mit der Welt interagiert.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist die Saat/der Köder (nivāpa) als Metapher für die Sinnesfreuden. Nahrung ist lebensnotwendig, aber dieser Köder ist trügerisch und gefährlich. Māra als der listige Sämann/Fallensteller symbolisiert die verführerische und zerstörerische Kraft der Begierde und Anhaftung. Die Hirsche stehen für die spirituell Suchenden, die sowohl anfällig für Verlockungen als auch fähig zur Weisheit sind. Die vier unterschiedlichen Reaktionen der Herden (Gier, Flucht/Askese, vorsichtige Nähe, Rückzug in Sicherheit) bilden die verschiedenen Strategien im Umgang mit der Sinnlichkeit ab. Die Orte – das Saatfeld (Māras Reich), die Wildnis (asketischer Rückzugsort mit Mängeln) und das unerreichbare Versteck (meditative Zuflucht) – symbolisieren unterschiedliche Ebenen der Praxis und deren Gefahren bzw. Sicherheit.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, die Gefahren der Sinnesverhaftung aufzuzeigen und verschiedene Strategien im Umgang damit zu bewerten. Es warnt vor den Extremen der Zügellosigkeit (erste Herde) und der selbstzerstörerischen Askese (zweite Herde). Es zeigt auch die Begrenztheit einer rein auf Achtsamkeit im Alltag beruhenden Strategie auf, wenn sie nicht durch tiefere meditative Zustände gestützt wird (dritte Herde). Der Erfolg der vierten Herde weist auf die Notwendigkeit hin, Geisteszustände zu kultivieren, die jenseits des Zugriffs der Sinneswelt liegen (Jhānas), um wahre Sicherheit zu erlangen. Die Methode ist ein komplexes, allegorisches Gleichnis, das durch die Differenzierung in vier Gruppen eine nuancierte Analyse ermöglicht. Die Zielgruppe sind Praktizierende, die sich mit der allgegenwärtigen Herausforderung der Sinnesbegierden auseinandersetzen. Das Gleichnis bietet durch die Identifikationsmöglichkeiten mit den vier Herden eine Grundlage zur Selbstreflexion und weist klar den Weg zur Sicherheit durch meditative Vertiefung.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die Deutung der Allegorie durch den Buddha: „‘Nivāpo’ti kho, bhikkhave, pañcannetaṁ kāmaguṇānaṁ adhivacanaṁ […] ‘Nevāpiko’ti kho, bhikkhave, mārassetaṁ pāpimato adhivacanaṁ […] ‘Migajātā’ti kho, bhikkhave, samaṇabrāhmaṇānametaṁ adhivacanaṁ.“ (MN 25, Pali): „‚Saat/Köder‘, Mönche, ist eine Bezeichnung für die fünf Stränge der Sinneslust […] ‚Sämann‘, Mönche, ist eine Bezeichnung für Māra, den Bösen […] ‚Hirschherde‘, Mönche, ist eine Bezeichnung für Asketen und Brahmanen.“
Das Scheitern der zweiten Herde: „Balavīriye parihīne cetovimutti parihāyi. Cetovimuttiyā parihīnāya tameva nivāpaṁ […] paccāgamiṁsu“ (MN 25, Pali): „Als Kraft und Energie schwanden, schwand die Herzensbefreiung. Als die Herzensbefreiung geschwunden war, kehrten sie zu eben jener Saat […] zurück.“ – Illustriert das Scheitern extremer Askese.
Der Erfolg der vierten Herde: „Te […] anupakhajja amucchitā bhojanāni bhuñjiṁsu […] amattā samānā appamādaṁ āpajjiṁsu, appamattā samānā na yathākāmakaraṇīyā ahesuṁ mārassa […] Evañhi te, bhikkhave, catutthā migajātā parimucciṁsu mārassa iddhānubhāvā.“ (MN 25, Pali): „Sie fraßen die Nahrung, ohne sich zu berauschen […] wurden nicht lässig und gerieten so nicht in die Willkür Māras […] So entkam, Mönche, die vierte Hirschherde der Macht Māras.“ – Zeigt den Weg zur Sicherheit durch Achtsamkeit aus einem Zustand der Unberührbarkeit.
Vertiefung: Das Gleichnis ist eine klare Darstellung des Mittleren Weges, der die Extreme von Kama-sukhallikanuyoga (Hingabe an Sinnesfreuden) und Attakilamathanuyoga (Selbstquälerei) vermeidet. Es unterstreicht die Bedeutung von Samatha-Meditation und den Jhānas als „sicheres Versteck“ vor den Verlockungen und Gefahren der Sinneswelt. Die Darstellung Māras als listiger Verführer betont die Notwendigkeit ständiger Wachsamkeit. Die Analyse der vier Herden zeigt, dass weder blinde Gier noch reine Vermeidung oder oberflächliche Achtsamkeit allein ausreichen. Wahre Sicherheit erfordert die Kultivierung eines inneren Zustands, der immun gegen die Verlockungen ist – eine grundlegende Transformation des Geistes durch meditative Vertiefung.
Die Edle Suche (Ariyapariyesanā Sutta, MN 26)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 26 (MN 26). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn26/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Buddha trifft eine Gruppe von Mönchen und fragt sie nach ihrem Gespräch. Sie berichten, dass sie über den Buddha selbst sprachen. Daraufhin erläutert der Buddha den Unterschied zwischen der „unedlen Suche“ (anariyā pariyesanā) und der „edlen Suche“ (ariyā pariyesanā). Die unedle Suche besteht darin, dass jemand, der selbst der Geburt, dem Altern, der Krankheit, dem Tod, dem Kummer und der Befleckung unterworfen ist, nach Dingen sucht, die ebenfalls diesen vergänglichen Bedingungen unterliegen (z.B. Partner, Kinder, Besitz, Status). Die edle Suche hingegen bedeutet, dass jemand, der diese Bedingtheiten bei sich selbst erkennt, nach dem Ungeborenen, Alternlosen, Krankheitslosen, Todlosen, Kummerlosen und Unbefleckten sucht – dem Nibbāna, der höchsten Sicherheit vor dem Joch. Anschließend schildert der Buddha seine eigene edle Suche: seinen Entschluss, trotz des Widerstands seiner Familie in die Hauslosigkeit zu ziehen; sein Studium bei den Lehrern Āḷāra Kālāma und Uddaka Rāmaputta, deren Lehren (Erreichen der Sphäre des Nichts bzw. der Sphäre weder Wahrnehmung noch Nichtwahrnehmung) er zwar meisterte, aber als unzureichend für die endgültige Befreiung erkannte; seine Zeit der extremen Askese, die er ebenfalls als Irrweg aufgab; seine Entdeckung des Mittleren Weges und die schließliche Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum; sein anfängliches Zögern, die tiefgründige Lehre zu verkünden, und die Bitte des Brahmā Sahampati, es doch zu tun; seine Entscheidung, zuerst seine früheren Lehrer aufzusuchen, die jedoch bereits verstorben waren; seine Begegnung mit dem Asketen Upaka, der seine Erleuchtung nicht erkennt; und schließlich seine Ankunft in Benares, wo er die fünf Asketen, seine früheren Gefährten, trifft und ihnen die erste Lehrrede über das In-Bewegung-Setzen des Rades der Lehre hält. Das Sutta schließt mit einer Warnung vor den Gefahren der fünf Stränge der Sinneslust, verglichen mit Māras Schlingen.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale konzeptuelle Bild ist die „Suche“ (pariyesanā). Der Kontrast zwischen „unedel“ (anariyā) und „edel“ (ariyā) rahmt die gesamte Erzählung. Die unedle Suche wird durch konkrete Beispiele vergänglicher Objekte der Anhaftung illustriert (Partner, Kinder, Besitz etc.). Die edle Suche zielt auf das Nibbāna, das durch negative Attribute (ungeboren, unvergänglich etc.) beschrieben wird, was seine transzendente Natur andeutet. Die autobiographische Erzählung des Buddha selbst dient als narratives Gleichnis für die edle Suche. Bilder innerhalb dieser Erzählung umfassen: das Verlassen des Hauses trotz weinender Eltern (Dringlichkeit), das schnelle Meistern, aber als ungenügend Erkennen der Lehren Kālāmas und Rāmaputtas (Notwendigkeit, über hohe meditative Zustände hinauszugehen), die Bitte Brahmās (kosmische Bedeutung der Lehre), die Begegnung mit Upaka (Schwierigkeit, Erleuchtung zu erkennen) und das „In-Bewegung-Setzen des Rades der Lehre“ (Beginn der Verbreitung des Dhamma). Die Sinnesfreuden werden am Ende als „Māras Köder“ oder „Schlingen“ bezeichnet.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist vielfältig: Es definiert das Ziel der buddhistischen Praxis (Nibbāna) im Kontrast zu weltlichen Zielen. Es legitimiert den buddhistischen Weg durch die persönliche Geschichte und Autorität des Buddha. Es illustriert die Schwierigkeiten und notwendigen Schritte auf dem Pfad (Überwindung von Hindernissen, Erkennen von Irrwegen). Es motiviert die Mönche zur eigenen edlen Suche. Die Methode ist eine Kombination aus konzeptueller Definition (edel vs. unedel) und einer ausführlichen autobiographischen Erzählung, die als Vorbild und Anleitung dient. Die Zielgruppe sind primär Mönche, die sich dem heiligen Leben verschrieben haben, aber die Unterscheidung zwischen edler und unedler Suche ist universell relevant. Die Wirkung ist inspirierend und orientierend. Die persönliche Geschichte des Buddha macht den abstrakten Pfad greifbar und menschlich.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die Definitionen der unedlen und edlen Suche: „Katamā ca, bhikkhave, anariyā pariyesanā? Idha, bhikkhave, ekacco attanā jātidhammo samāno jātidhammaṁyeva pariyesati […] Ayaṁ, bhikkhave, anariyā pariyesanā. Katamā ca, bhikkhave, ariyā pariyesanā? Idha, bhikkhave, ekacco attanā jātidhammo samāno jātidhamme ādīnavaṁ viditvā ajātaṁ anuttaraṁ yogakkhemaṁ nibbānaṁ pariyesati […] Ayaṁ, bhikkhave, ariyā pariyesanā.“ (MN 26, Pali): „Was, Mönche, ist die unedle Suche? Da sucht jemand, selbst der Geburt unterworfen, eben das, was der Geburt unterworfen ist […] Das ist die unedle Suche. Was aber, Mönche, ist die edle Suche? Da sucht jemand, selbst der Geburt unterworfen, nachdem er die Gefahr im der Geburt Unterworfensein erkannt hat, das Ungeborene, die höchste Sicherheit vor dem Joch, Nibbāna […] Das ist die edle Suche.“
Buddhas Erkenntnis über die Lehren seiner Lehrer: „So kho panāyaṁ dhammo na nibbidāya na virāgāya na nirodhāya na upasamāya na abhiññāya na sambodhāya na nibbānāya saṁvattati, yāvadeva […] ākiñcaññāyatanūpapattiyā / nevasaññānāsaññāyatanūpapattiyā.“ (MN 26, Pali): „Diese Lehre führt nicht zur Ernüchterung, nicht zur Entsagung, nicht zur Aufhebung, nicht zur Beruhigung, nicht zum höheren Wissen, nicht zum Erwachen, nicht zum Nibbāna, sondern nur zur Wiedergeburt in der Sphäre des Nichts / der Sphäre weder Wahrnehmung noch Nichtwahrnehmung.“
Brahmās Bitte: „Desetu, bhante, bhagavā dhammaṁ, desetu sugato dhammaṁ. Santi sattā apparajakkhajātikā, assavaṇatā dhammassa parihāyanti. Bhavissanti dhammassa aññātāro’ti.“ (MN 26, Pali): „Möge der Erhabene die Lehre darlegen, Herr! Möge der Sugata die Lehre darlegen! Es gibt Wesen mit wenig Staub in den Augen; durch Nicht-Hören der Lehre gehen sie zugrunde. Es wird Verstehende der Lehre geben!“
Vertiefung: Das Sutta liefert eine der wichtigsten autobiographischen Darstellungen des Buddha im Kanon und begründet die Authentizität seiner Lehre durch seine persönliche Erfahrung. Die Unterscheidung zwischen edler und unedler Suche ist fundamental für die buddhistische Motivation und Praxis. Die Ablehnung der höchsten meditativen Zustände als Endziel ist bedeutsam für das Verständnis von Nibbāna als etwas, das über reine Bewusstseinszustände hinausgeht. Das Zögern des Buddha zu lehren und die Intervention Brahmās ist ein wichtiges narratives Element, das die Tiefe der Lehre und die Notwendigkeit von Mitgefühl für ihre Verbreitung betont.
Das Gleichnis vom Kernholz (Cūḷa-/Mahāsāropama Sutta, MN 29/30)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 29 & 30 (MN 29, MN 30). Deutsche Übersetzung: MN 29 https://suttacentral.net/mn29/de/mettiko, MN 30 https://suttacentral.net/mn30/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Buddha erklärt (in MN 30 gegenüber dem Brahmanen Piṅgalakoccha, in MN 29 gegenüber den Mönchen nach Devadattas Abfall), dass jemand, der aus Glauben in die Hauslosigkeit zieht, um das Leiden zu beenden, verschiedene Stufen erreichen kann. Er vergleicht dies mit einem Mann, der Kernholz (sāra) sucht. Manche erlangen nur Gewinn, Ehre und Ansehen (lābhasakkārasiloka). Sie sind damit zufrieden, preisen sich selbst und verachten andere. Sie gleichen dem Mann, der nur Zweige und Blätter für Kernholz hält. Manche gehen weiter und erreichen Vollendung in der Tugend (sīlasampadā). Sie sind damit zufrieden und halten dies für das Ziel. Sie gleichen dem Mann, der die Rinde (taca) für Kernholz hält. Manche gehen weiter und erreichen Vollendung in der Konzentration (samādhisampadā). Sie sind damit zufrieden und halten dies für das Ziel. Sie gleichen dem Mann, der das Splintholz (pheggu) für Kernholz hält. Manche gehen weiter und erreichen Wissen und Sehen (ñāṇadassana). Sie sind damit zufrieden und halten dies für das Ziel. Sie gleichen dem Mann, der das Weichholz (papaṭika?) für Kernholz hält. Der Buddha betont, dass all dies – Gewinn/Ehre, Tugend, Konzentration, Wissen/Sehen – nicht das eigentliche Ziel, das „Kernholz“ des heiligen Lebens ist. Das wahre Ziel ist die unerschütterliche Herzensbefreiung (akuppā cetovimutti), die weder durch diese Zwischenstufen erreicht wird, noch identisch mit ihnen ist. Wer diese Zwischenstufen als Selbstzweck betrachtet oder sich damit zufriedengibt, verfehlt das eigentliche Kernholz. Nur wer diese Stufen als Mittel nutzt und unermüdlich weiterstrebt, ohne sich selbst zu erhöhen oder andere herabzusetzen, kann die endgültige Befreiung erreichen. Diese Befreiung ist das wahre Kernholz. MN 30 fügt hinzu, dass selbst Wissen und Sehen noch übertroffen werden durch die meditativen Vertiefungen (Jhānas) und die Aufhebung von Wahrnehmung und Gefühl (saññāvedayitanirodha) in Verbindung mit der Zerstörung der Triebe.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist der Baum mit seinen verschiedenen Schichten: Zweige/Blätter (oberflächlichster Nutzen), Rinde (äußerer Schutz/Regeln), Splintholz (strukturelle Stütze, aber nicht der Kern), Weichholz (innerer, aber noch nicht fester Teil) und schließlich das Kernholz (sāra), der innerste, festeste und wertvollste Teil des Baumes. Diese Schichten stehen allegorisch für die verschiedenen möglichen Errungenschaften auf dem spirituellen Weg: äußerer Gewinn, Ethik, Konzentration, Wissen/Sehen. Das Kernholz symbolisiert das Endziel, die unerschütterliche Befreiung. Die Handlung des Suchenden, der die äußeren Schichten mit dem Kernholz verwechselt, illustriert die Gefahr der Selbstzufriedenheit und des Verfehlens des eigentlichen Ziels. Nur der, der das Kernholz erkennt und gezielt herausschneidet, erreicht sein Ziel.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, Praktizierende davor zu warnen, sich mit vorläufigen Erfolgen auf dem spirituellen Weg zufriedenzugeben und diese für das Endziel zu halten. Es soll der Fokus auf das höchste Ziel – die endgültige Befreiung (akuppā cetovimutti) – gelenkt werden. Die Methode ist ein klares, hierarchisches Gleichnis, das die verschiedenen Stufen der Praxis und ihre relative Wertigkeit illustriert. Die Wiederholung der Struktur (Mann sucht Holz, findet Schicht X, ist zufrieden vs. Mann sucht Holz, findet Kernholz) verstärkt die Botschaft. Die Zielgruppe sind Mönche und Praktizierende, die bereits Fortschritte gemacht haben, aber Gefahr laufen, in Stolz, Selbstzufriedenheit oder falscher Zielsetzung stecken zu bleiben. Die Wirkung ist ernüchternd und motivierend zugleich: Es relativiert erreichte Erfolge und spornt an, weiterzugehen bis zum eigentlichen Kern.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die wiederkehrende Struktur der Vergleiche: „Seyyathāpi […] puriso sāratthiko […] sākhāpalāsaṁ chetvā ādāya pakkameyya ’sāran’ti maññamāno […] Evameva kho […] idhekacco kulaputto saddhā agārasmā anagāriyaṁ pabbajito […] so tena lābhasakkārasilokena attānukkaṁseti paraṁ vambheti.“ (MN 29/30, Pali): „Wie wenn […] ein Mann, der Kernholz braucht […] Zweige und Blätter abschneiden und mitnehmen würde, meinend, es sei Kernholz […] Ebenso […] zieht hier mancher Edle aus Glauben von zu Hause fort […] und erhebt sich selbst wegen dieses Gewinns, dieser Ehre und dieses Ruhms und setzt andere herab.“ – Dies wird für jede Stufe (Zweige/Blätter = Gewinn; Rinde = Sīla; Splint = Samādhi; Weichholz = Ñāṇadassana) wiederholt.
Die Definition des Ziels: „Yaṁ kho […] brahmacariyassa attho, yaṁ sāro, yaṁ pariyosānaṁ, taṁ anabhisambhuṇāti. […] Ayaṁ […] akuppā cetovimutti – etadattho […] ayaṁ sāro, idaṁ pariyosānaṁ.“ (MN 29/30, Pali): „Was aber […] der Zweck des heiligen Lebens ist, was der Kern, was das Endziel, das erreicht er nicht. […] Diese unerschütterliche Herzensbefreiung – das ist der Zweck […], das der Kern, das das Endziel.“
Die Aufforderung zum Weiterstreben: „So […] anolīnavuttiko ca hoti asāthaliko […] chandaṁ janeti vāyamati […] ye aññe dhammā uttaritarā ca paṇītatarā ca.“ (MN 29/30, Pali): „Er […] ist nicht schlaff und nachlässig […] erzeugt den Wunsch und bemüht sich […] um jene anderen Dinge, die höher und erhabener sind.“
Vertiefung: Das Gleichnis vom Kernholz ist eine wichtige Ergänzung zum Gleichnis von den Postkutschen (MN 24). Während MN 24 die Notwendigkeit jeder Stufe betont, warnt MN 29/30 davor, sich auf einer Stufe niederzulassen. Es illustriert die Gefahr des spirituellen Stolzes und der Selbstzufriedenheit. Die „unerschütterliche Herzensbefreiung“ (akuppā cetovimutti) als Kernholz verweist auf die Endgültigkeit und Unumkehrbarkeit der Arahantschaft. MN 30 geht sogar noch über das „Wissen und Sehen“ hinaus und ordnet die meditativen Vertiefungen (Jhānas) und die höchste Erreichung (Nirodha Samāpatti) als dem Kernholz noch näher oder ihm gleichwertig ein.
Das Gleichnis vom vergifteten Pfeil (Cūḷamālukya Sutta, MN 63)
Quellenangabe: Majjhima Nikāya 63 (MN 63). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/mn63/de/mettiko.
Zusammenfassung: Der Mönch Māluṅkyaputta ist unzufrieden, weil der Buddha bestimmte metaphysische Fragen nicht beantwortet hat (die sog. „unerklärten Punkte“, avyākata): Ist die Welt ewig oder nicht ewig? Ist sie endlich oder unendlich? Sind Seele und Körper dasselbe oder verschieden? Existiert ein Tathāgata (Erleuchteter) nach dem Tod, existiert er nicht, beides oder keines von beiden? Māluṅkyaputta beschließt, den Buddha aufzufordern, diese Fragen zu beantworten; andernfalls werde er das Mönchsleben aufgeben. Der Buddha entgegnet, dass er niemals versprochen habe, solche Fragen zu beantworten, und dass das Führen des heiligen Lebens nicht von der Beantwortung dieser Fragen abhänge. Um die Irrelevanz dieser Fragen für das eigentliche Ziel zu verdeutlichen, erzählt er das Gleichnis vom Mann, der von einem vergifteten Pfeil getroffen wurde. Dessen Freunde holen einen Arzt, doch der Verwundete weigert sich, den Pfeil entfernen zu lassen, bevor er nicht alle möglichen Details über den Schützen (Name, Stand, Aussehen, Wohnort), den Bogen, die Sehne, den Pfeilschaft und die Pfeilspitze erfahren hat. Der Buddha erklärt, dass der Mann sterben würde, bevor er all diese Informationen erhalten hätte. Ebenso sei es mit den metaphysischen Fragen: Ob die Welt ewig ist oder nicht, das Leiden (Geburt, Alter, Tod, Kummer etc.) existiert trotzdem. Der Buddha lehrt nur das, was zur Überwindung dieses Leidens notwendig ist: die Vier Edlen Wahrheiten (Leiden, Leidensursache, Leidensende, der Pfad zum Leidensende). Diese Dinge habe er erklärt, weil sie heilsam sind und zur Befreiung führen. Die anderen Fragen habe er nicht erklärt, weil sie nicht heilsam sind und nicht zur Befreiung führen.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist der Mann, der von einem vergifteten Pfeil (salla) getroffen wurde. Der Pfeil symbolisiert das existenzielle Leiden (Dukkha), insbesondere Geburt, Alter und Tod. Das Gift repräsentiert die Dringlichkeit und Lebensbedrohlichkeit der Situation. Die Weigerung des Mannes, den Pfeil entfernen zu lassen, bevor seine Neugier auf irrelevante Details befriedigt ist, steht für das Festhalten an metaphysischen Spekulationen anstatt sich der dringenden Aufgabe der Leidensüberwindung zu widmen. Der Arzt symbolisiert den Buddha oder die heilsame Lehre/Praxis. Der Tod des Mannes vor der Beantwortung seiner Fragen illustriert die Nutzlosigkeit und Gefahr einer solchen Haltung.
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, den pragmatischen Fokus der buddhistischen Lehre zu betonen und die Schüler von unfruchtbaren metaphysischen Spekulationen abzuhalten. Es soll verdeutlicht werden, dass das Verständnis und die Überwindung des Leidens oberste Priorität haben. Die Methode ist eine Kombination aus direkter Zurückweisung der Fragen Māluṅkyaputtas und einem äußerst eindringlichen Gleichnis, das die Dringlichkeit der Situation und die Absurdität der Ablenkung durch Irrelevantes aufzeigt. Die Zielgruppe sind Praktizierende, die dazu neigen, sich in intellektuellen oder philosophischen Fragen zu verlieren, anstatt sich auf die Kernpraxis der Befreiung zu konzentrieren. Die Wirkung des Gleichnisses ist stark und überzeugend, da es die existenzielle Dringlichkeit des Leidens betont und die metaphysischen Fragen als nebensächlich und potenziell lebensgefährlich (im spirituellen Sinne) darstellt.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die Liste der zehn unerklärten Punkte (avyākata).
Die Weigerung des Verwundeten: „‘Nāhaṁ tāva imaṁ sallaṁ āharāpessāmi, yāva na taṁ purisaṁ jānāmi yena-mhi viddho – khattiyo vā brāhmaṇo vā vesso vā suddo vā’ti […]“ (MN 63, Pali): „‚Ich werde diesen Pfeil nicht entfernen lassen, solange ich nicht weiß, ob der Mann, der mich verwundet hat, ein Adliger, ein Brahmane, ein Bürger oder ein Arbeiter war‘ […]“ – Fortgesetzt mit vielen weiteren irrelevanten Fragen.
Buddhas Schlussfolgerung aus dem Gleichnis: „Evameva kho, mālukyaputta, yo evaṁ vadeyya: ‘na tāvāhaṁ bhagavati brahmacariyaṁ carissāmi, yāva me bhagavā na byākarissati – sassato loko’ti vā […]’ti, abyākatametaṁ, mālukyaputta, tathāgatena bhaveyya, atha kho so puggalo kālaṅkareyya.“ (MN 63, Pali): „Ebenso, Māluṅkyaputta, wenn jemand sagen würde: ‚Ich werde das heilige Leben unter dem Erhabenen nicht führen, solange mir der Erhabene nicht erklärt – ob die Welt ewig ist […]‘, so würde dies vom Tathāgata unerklärt bleiben, und inzwischen würde jene Person sterben.“
Die Begründung für das Nicht-Erklären: „Kasmā cetaṁ, mālukyaputta, mayā abyākataṁ? Na hetaṁ, mālukyaputta, atthasaṁhitaṁ nādibrahmacariyakaṁ, na nibbidāya na virāgāya na nirodhāya […] na nibbānāya saṁvattati.“ (MN 63, Pali): „Und warum wurde dies von mir nicht erklärt, Māluṅkyaputta? Weil dies nicht heilsam ist, nicht zum Fundament des heiligen Lebens gehört, nicht zur Ernüchterung, nicht zur Entsagung, nicht zur Aufhebung […] nicht zum Nibbāna führt.“
Die Begründung für das Erklären der Vier Edlen Wahrheiten: „Kiñca, mālukyaputta, mayā byākataṁ? ‘Idaṁ dukkhan’ti […] ‘ayaṁ dukkhanirodhagāminī paṭipadā’ti […] Idaṁ kho […] atthasaṁhitaṁ […] nibbānāya saṁvattati.“ (MN 63, Pali): „Und was wurde von mir erklärt, Māluṅkyaputta? ‚Dies ist das Leiden‘ […] ‚Dies ist der Pfad, der zur Aufhebung des Leidens führt‘ […] Dies ist heilsam […] führt zum Nibbāna.“
Vertiefung: Dieses Gleichnis ist ein klassisches Beispiel für den pragmatischen Ansatz des Buddha. Es illustriert das Prinzip, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Energie nicht auf unfruchtbare Spekulationen zu verschwenden. Es steht im Einklang mit der Betonung der Rechten Ansicht (Sammā Diṭṭhi), die sich auf das Verständnis von Leiden und dessen Überwindung konzentriert. Die zehn unerklärten Punkte wurden zu einem festen Topos in der buddhistischen Philosophie, der die Grenzen des konzeptuellen Denkens und die Notwendigkeit direkter Erfahrung aufzeigt.
Das Gleichnis von den Blinden und dem Elefanten (Tittha Sutta, Ud 6.4)
Quellenangabe: Udāna 6.4 (Ud VI.4), Khuddaka Nikāya. Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/ud6.4/de/seidenstuecker.
Zusammenfassung: Mönche berichten dem Buddha, dass in Sāvatthī viele Asketen und Brahmanen verschiedener Schulen leben, die unterschiedliche und widersprüchliche Ansichten über metaphysische Fragen vertreten (Welt ewig/nicht ewig, endlich/unendlich etc.) und darüber streiten. Der Buddha antwortet mit dem Gleichnis von einem König, der einst alle von Geburt an Blinden der Stadt versammeln ließ. Er ließ ihnen einen Elefanten vorführen. Einigen ließ er den Kopf betasten, anderen das Ohr, den Stoßzahn, den Rüssel, den Körper, das Bein, das Hinterteil, den Schwanz oder die Schwanzquaste. Anschließend fragte der König die Blinden, wie ein Elefant sei. Jene, die den Kopf betastet hatten, sagten, er sei wie ein Topf. Jene, die das Ohr betastet hatten, sagten, er sei wie ein Worfelkorb. Jene, die den Stoßzahn betastet hatten, sagten, er sei wie eine Pflugschar. Jene mit dem Rüssel verglichen ihn mit einer Deichsel; jene mit dem Körper mit einem Speicher; jene mit dem Bein mit einer Säule; jene mit dem Hinterteil mit einem Mörser; jene mit dem Schwanz mit einem Stößel; und jene mit der Schwanzquaste mit einem Besen. Da jeder auf seiner Beschreibung beharrte („So ist ein Elefant, nicht so!“), gerieten sie in Streit und schlugen mit Fäusten aufeinander ein, was den König amüsierte. Der Buddha schließt, dass die streitenden Asketen und Brahmanen ebenso blind seien, die Wahrheit nicht erkennen und, da sie nur einen Teilaspekt sehen, in Streit geraten. Er fasst dies im Udāna-Vers zusammen: „An diesen Dingen hängen manche Asketen und Brahmanen; sie streiten und hadern, die Menschen, die nur einen Teil sehen.“
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild ist der Elefant, der die komplexe Realität oder Wahrheit repräsentiert. Elefanten sind groß, vielgestaltig und in Indien Symbole für Stärke und Weisheit. Die Blindheit der Männer steht für die begrenzte Wahrnehmungsfähigkeit und das Unvermögen, die Gesamtheit zu erfassen, insbesondere aufgrund von Unwissenheit oder dogmatischer Voreingenommenheit. Das Betasten einzelner Körperteile symbolisiert die Erfahrung oder das Verständnis nur eines Teilaspekts der Realität. Die unterschiedlichen Beschreibungen (Topf, Worfelkorb, Pflugschar etc.) repräsentieren die verschiedenen, scheinbar widersprüchlichen Lehren und Ansichten der verschiedenen Schulen. Der Streit der Blinden illustriert die Konflikte, die aus dem Festhalten an begrenzten Perspektiven und deren Absolutsetzung entstehen. Der amüsierte König könnte die ironische Distanz desjenigen symbolisieren, der das Ganze sieht (oder den Buddha selbst).
Pädagogische Analyse: Das didaktische Ziel ist es, die Relativität und Begrenztheit dogmatischer Ansichten aufzuzeigen und vor den Konflikten zu warnen, die aus dem Festhalten an solchen Teilwahrheiten entstehen. Es soll Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen gefördert und zur Suche nach einem umfassenderen Verständnis angeregt werden. Die Methode ist ein anschauliches, fast humorvolles Gleichnis, das die Absurdität dogmatischer Streitereien vor Augen führt. Die Zielgruppe sind die Mönche, die mit der Vielfalt religiöser und philosophischer Ansichten ihrer Zeit konfrontiert waren, aber die Lehre ist universell auf alle Formen von Dogmatismus und Perspektivenverengung anwendbar. Die Wirkung ist erhellend und demaskierend. Das Gleichnis lädt dazu ein, die eigene Perspektive zu hinterfragen und die Möglichkeit anzuerkennen, dass andere ebenfalls einen Teil der Wahrheit erfasst haben könnten, auch wenn ihre Beschreibung anders lautet.
Wichtige Zitate und Erklärungen:
Die Beschreibungen des Elefanten durch die Blinden: „‘Kumbhūpamo, mahārāja, hatthī’ti […] ‘Suppūpamo, mahārāja, hatthī’ti […] ‘Naṅgalūpamo, mahārāja, hatthī’ti […]“ (Ud 6.4, Pali): „‚Wie ein Topf, Majestät, ist der Elefant‘ […] ‚Wie ein Worfelkorb, Majestät, ist der Elefant‘ […] ‚Wie eine Pflugschar, Majestät, ist der Elefant‘ […]“ – Zeigt die Vielfalt der Perspektiven basierend auf begrenzter Erfahrung.
Der Streit: „Te ‘ediso hatthī, nediso hatthī; nediso hatthī, ediso hatthī’ti aññamaññaṁ pāṇīhipi saṅkāmiṁsu.“ (Ud 6.4, Pali): „Sie gerieten mit den Fäusten aneinander, (schreiend) ‚So ist ein Elefant, nicht so! Nicht so ist ein Elefant, so ist er!'“ – Illustriert die Konsequenz des Festhaltens an Teilansichten.
Buddhas Anwendung auf die streitenden Asketen: „Evameva kho, bhikkhave, te titthiyā andhā acakkhukā […] bhaṇḍanajātā kalahajātā vivādāpannā aññamaññaṁ mukhasattīhi vitudantā viharanti: ‘ediso dhammo, nediso dhammo; nediso dhammo, ediso dhammo’ti.“ (Ud 6.4, Pali): „Ebenso, Mönche, sind jene Andersgläubigen blind, ohne Augen […] zänkisch, hadernd, streitsüchtig verletzen sie einander mit Wortspeeren: ‚So ist die Lehre, nicht so! Nicht so ist die Lehre, so ist sie!'“
Der abschließende Udāna-Vers: „Imesu kira sajjanti, eke samaṇabrāhmaṇā; Vigayha vivadantettha, janā ekāṅgadassino”ti.“ (Ud 6.4, Pali): „An diesen Dingen hängen fürwahr manche Asketen und Brahmanen; sie streiten und hadern hier, die Menschen, die nur einen Teil sehen.“ – Fasst die Kernbotschaft zusammen.
Vertiefung: Das Gleichnis ist eines der bekanntesten buddhistischen Gleichnisse und wurde auch in anderen indischen Traditionen wie dem Jainismus verwendet. Es illustriert meisterhaft das Problem der begrenzten menschlichen Perspektive und die Gefahr, relative Wahrheiten zu verabsolutieren. Es kann als Plädoyer für intellektuelle Bescheidenheit und Toleranz interpretiert werden. Im buddhistischen Kontext warnt es vor dem Anhaften an Ansichten (diṭṭhi-upādāna), einer der vier Arten des Anhaftens. Es legt nahe, dass die volle Wahrheit (der ganze Elefant) möglicherweise jenseits der einzelnen, durch Sinneserfahrung oder Intellekt erfassbaren Aspekte liegt und nur durch eine umfassendere, vielleicht meditative Einsicht zugänglich wird.
Das Gleichnis von der alten Stadt (Nagara Sutta, SN 12.65)
Quellenangabe: Saṃyutta Nikāya 12.65 (SN XII.65). Deutsche Übersetzung: https://suttacentral.net/sn12.65/de/sabbamitta.
Zusammenfassung: Der Buddha beschreibt seinen eigenen Weg zur Erleuchtung. Bevor er erwachte, reflektierte er über das Leiden von Geburt, Altern und Tod und suchte nach dessen Ursache und nach einem Ausweg. Durch achtsame Untersuchung entdeckte er die Kette des Bedingten Entstehens (Paṭiccasamuppāda) in aufsteigender Reihenfolge: Altern und Tod sind durch Geburt bedingt, Geburt durch Werden, Werden durch Anhaften, Anhaften durch Verlangen, Verlangen durch Gefühl, Gefühl durch Kontakt, Kontakt durch die sechs Sinnesgrundlagen, diese durch Name-und-Form (Geist und Materie), und Name-und-Form durch Bewusstsein. Er erkannte auch die wechselseitige Bedingtheit von Bewusstsein und Name-und-Form. Anschließend untersuchte er den Weg zur Aufhebung des Leidens, indem er die Kette in absteigender Reihenfolge verfolgte: Mit der Aufhebung der Geburt hören Altern und Tod auf; mit der Aufhebung des Werdens hört die Geburt auf, usw., bis zur Erkenntnis, dass mit der Aufhebung von Name-und-Form das Bewusstsein aufhört und umgekehrt. Diesen Weg zur Befreiung vergleicht der Buddha mit der Entdeckung eines alten, vergessenen Pfades, der zu einer alten, verfallenen Stadt führt. Ein Wanderer entdeckt diesen Pfad, folgt ihm und findet die Ruinen einer einst prächtigen Stadt. Er berichtet dem König davon, der die Stadt wiederaufbauen lässt, sodass sie erneut erblüht. Ebenso, sagt der Buddha, habe er einen alten Pfad wiederentdeckt, den bereits frühere vollkommen Erwachte gegangen waren. Dieser Pfad sei der Edle Achtfache Pfad (Rechte Ansicht, etc.). Indem er diesem Pfad folgte, erlangte er das Wissen um das Bedingte Entstehen und dessen Aufhebung und erreichte die Befreiung.
Analyse der Bildsprache: Das zentrale Bild…
(Hinweis: Die Einzelanalyse für das Gleichnis von der alten Stadt wurde im Quelldokument nicht vollständig ausgeführt. Der obige Text ist bis zum Punkt „Das zentrale Bild“ dem Quelldokument entnommen.)
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- Ist der Palikanon eine buddhistische „Bibel“ oder ein heiliger Text? – BuddhaStiftung
- Buddha (Der Lehrer) – Theravada Schule der Österreichisch Buddhistischen Religionsgesellschaft
- Der Pali-Kanon ( Buddhismus, Sutras ) – Ursula Gräfe – YouTube
- Pali-Kanon – Wikipedia
- Buddha – Yoga Vidya
- Gleichnis – Wikipedia
- Nine Similes for Tathāgatagarbha – Buddha-Nature
- bodhibaum.de / Kurt Schmidt: Buddhas Lehre – Palikanon
- Heilige Schriften im Buddhismus | Religionen Entdecken
- Drei Körbe: Symbolik und Bedeutung – Wisdomlib.org
- Ein Grundriß der Buddha-Lehre – Palikanon
- Suttapitaka: Significance and symbolism – Wisdomlib.org
- Suttapitaka – Wikipedia
- Sutta Piṭaka – Wikipedia
- Sutta Pitaka – The Pali Canon Online
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