Gemeinschaft (Saṅgha)

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Saṅgha – Die Gemeinschaft der Übenden: Definition, Bedeutung und Lehrreden im Palikanon

Einblicke in das dritte Juwel: Die Gemeinschaft im frühen Buddhismus

(1) Einleitung: Der Saṅgha als Pfeiler der buddhistischen Praxis

Im Herzen der buddhistischen Lehre und Praxis stehen die Drei Juwelen (Tiratana): der Buddha, der Erwachte Lehrer; der Dhamma, seine Lehre von der Befreiung; und der Saṅgha, die Gemeinschaft der Praktizierenden. Diese drei bilden die Grundlage, zu der Buddhistinnen und Buddhisten Zuflucht nehmen (saraṇagamana) und an der sie ihr spirituelles Leben ausrichten. Der Saṅgha ist dabei mehr als nur eine soziale Gruppierung; er repräsentiert die lebendige Kontinuität der Lehre Buddhas über die Jahrtausende hinweg. Er ist die Gemeinschaft der Übenden, die den Dhamma nicht nur bewahrt, sondern ihn durch ihre Praxis verkörpert und für andere erfahrbar macht. Für den Einzelnen auf dem Weg ist die Auseinandersetzung mit dem Saṅgha – sei es durch Inspiration, Anleitung oder Unterstützung – ein unverzichtbarer Pfeiler. Die genaue Bedeutung dieses Begriffs, insbesondere die Unterscheidung verschiedener Ebenen von Gemeinschaft, ist jedoch essenziell für ein korrektes Verständnis und eine fruchtbare Praxis, gerade weil der Begriff „Gemeinschaft“ im allgemeinen Sprachgebrauch oft unspezifischer verwendet wird.

(2) Was bedeutet Saṅgha? Definition und Differenzierung

Um die Rolle des Saṅgha im Buddhismus zu verstehen, ist eine klare Definition und Abgrenzung seiner verschiedenen Bedeutungen notwendig.

2.1 Wörtliche Bedeutung und allgemeiner Gebrauch

Das Pali-Wort Saṅgha (Sanskrit: saṃgha) bedeutet wörtlich „Versammlung“, „Vereinigung“, „Gruppe“ oder „Gemeinschaft“. Es bezeichnet eine Gruppe von Individuen, die zu einem bestimmten Zweck zusammenkommen. Historisch wurde der Begriff in Indien auch außerhalb des Buddhismus verwendet, beispielsweise für Gilden, religiöse Schulen oder sogar für Regierungsgremien in Republiken oder Königreichen. Diese ursprüngliche, breitere Bedeutung bildet den Hintergrund für die spezifisch buddhistische Verwendung des Begriffs. Sie macht deutlich, dass der Buddhismus bei der Etablierung seiner Strukturen auf bekannte soziale Organisationsformen zurückgriff, diesen aber eine spezifische spirituelle Ausrichtung gab.

2.2 Der konventionelle Saṅgha (Sammuti-saṅgha): Mönche und Nonnen

Im häufigsten und sichtbarsten Sinne bezieht sich Saṅgha auf die Gemeinschaft der ordinierten Mönche (bhikkhu-saṅgha) und Nonnen (bhikkhunī-saṅgha). Diese Gemeinschaften wurden vom Buddha selbst begründet, um jenen einen Rahmen zu bieten, die ihr Leben ganz der Praxis des Dhamma widmen wollten, frei von den Verpflichtungen und Ablenkungen des Haushaltslebens. Die Mitgliedschaft in diesem konventionellen Saṅgha (sammuti-saṅgha oder bhikkhu/bhikkhunī-saṅgha) wird durch die formelle Ordination gemäß den Regeln des Vinaya, des Ordensrechts, begründet. Der Vinaya enthält detaillierte Verhaltensregeln, die das Zusammenleben in der Gemeinschaft und die individuelle Praxis strukturieren und auf das Ziel der Befreiung ausrichten. Die Hauptaufgaben dieses Saṅgha sind die intensive Praxis von Ethik (sīla), Konzentration (samādhi) und Weisheit (paññā), die Bewahrung und Weitergabe der Lehre Buddhas sowie die spirituelle Unterstützung der Laiengemeinschaft. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Zugehörigkeit zu diesem konventionellen Saṅgha auf der Ordination und der Einhaltung der Regeln basiert, nicht zwangsläufig auf spiritueller Verwirklichung. Es gibt Mönche und Nonnen, die noch nicht die Stufen der Heiligkeit erreicht haben.

2.3 Der edle Saṅgha (Ariya-saṅgha): Die Gemeinschaft der Erwachten

Auf einer höheren, letztendlichen Ebene bezeichnet Saṅgha die Gemeinschaft der Edlen (ariya-saṅgha), auch als edle Schülerschaft (ariya-sāvaka-saṅgha) bekannt. Dieser Saṅgha umfasst alle Personen – seien sie ordiniert oder Laien –, die mindestens die erste Stufe der Erleuchtung, den Stromeintritt (sotāpatti), erreicht haben. Diese Individuen werden als ariya-puggala („edle Personen“) bezeichnet. Sie haben die Fesseln (saṃyojana), die an den Kreislauf der Wiedergeburten (saṃsāra) binden, zumindest teilweise durchbrochen und einen unumkehrbaren Schritt in Richtung Nibbāna (Nirvāṇa), der endgültigen Befreiung, getan.

Der ariya-saṅgha wird traditionell in vier Paare oder acht Typen von Individuen unterteilt, die den vier Stufen des Pfades (magga) und den vier Stufen der Frucht (phala) entsprechen:

  • Der auf dem Pfad zum Stromeintritt Wandelnde (sotāpatti-magga)
  • Der die Frucht des Stromeintritts Verwirklichte (sotāpatti-phala)
  • Der auf dem Pfad zur Einmalwiederkehr Wandelnde (sakadāgāmi-magga)
  • Der die Frucht der Einmalwiederkehr Verwirklichte (sakadāgāmi-phala)
  • Der auf dem Pfad zur Nichtwiederkehr Wandelnde (anāgāmi-magga)
  • Der die Frucht der Nichtwiederkehr Verwirklichte (anāgāmi-phala)
  • Der auf dem Pfad zur Arahantschaft Wandelnde (arahatta-magga)
  • Der die Frucht der Arahantschaft Verwirklichte (arahatta-phala, der Arahant)

Dieser ariya-saṅgha ist der Saṅgha im „idealen“ oder „ultimativen“ Sinn. Weil seine Mitglieder durch direkte Erfahrung die Wahrheit des Dhamma erkannt und sich dadurch irreversibel gewandelt haben, gelten sie als wahrhaft verlässlich. Daher ist es dieser edle Saṅgha, der das eigentliche Objekt der Zufluchtnahme im Rahmen der Drei Juwelen darstellt. Die Mitgliedschaft basiert allein auf spiritueller Verwirklichung und transzendiert die konventionelle Unterscheidung zwischen Ordinierten und Laien.

2.4 Abgrenzung: Parisā und Gaṇa

Der Palikanon verwendet neben Saṅgha auch andere Begriffe für Gemeinschaften von Buddhisten. Besonders wichtig ist parisā (Versammlung, Gefolgschaft), das sich spezifisch auf die „vierfache Versammlung“ (catuparisā) der Anhänger Buddhas bezieht: Mönche (bhikkhu), Nonnen (bhikkhunī), männliche Laienanhänger (upāsaka) und weibliche Laienanhängerinnen (upāsikā). Dieser Begriff umfasst also die gesamte buddhistische Gemeinschaft im weiteren Sinne. Der Begriff gaṇa kann ebenfalls eine Gruppe, Schar oder Versammlung bezeichnen, wird aber oft allgemeiner verwendet.

Es ist hilfreich, diese Unterscheidungen zu kennen, da im Westen der Begriff „Sangha“ oft undifferenziert für jede Art von buddhistischer Gemeinschaft oder Gruppe verwendet wird. Während diese Verwendung im Mahāyāna-Kontext teilweise üblich sein mag, ist sie aus der Perspektive des Palikanons unpräzise. Für eine allgemeine buddhistische Gemeinschaft wäre der Begriff parisā oft passender. Die präzise Verwendung der Begriffe hilft, die spezifische Bedeutung des Saṅgha als Ordensgemeinschaft und insbesondere als Gemeinschaft der Edlen klar zu halten.

(3) Der Saṅgha als drittes Juwel (Tiratana)

Die Drei Juwelen – Buddha, Dhamma und Saṅgha – bilden das Fundament des buddhistischen Glaubens und der Praxis. Das „Zufluchtnehmen“ (saraṇagamana) zu diesen Drei Juwelen ist der traditionelle Akt, durch den man sich zum Buddhismus bekennt. Die bekannte Pali-Formel lautet:

Buddhaṁ saraṇaṁ gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zum Buddha.)
Dhammaṁ saraṇaṁ gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zum Dhamma.)
Saṅghaṁ saraṇaṁ gacchāmi. (Ich nehme Zuflucht zum Saṅgha.)

Diese Formel wird üblicherweise dreimal wiederholt, um die Entschlossenheit zu bekräftigen. Dieses Zufluchtnehmen ist keine passive Unterwerfung, sondern eine bewusste Ausrichtung des eigenen Lebens auf die Ideale, die durch die Drei Juwelen repräsentiert werden: die Erleuchtung des Buddha, die Wahrheit seiner Lehre und die verwirklichte Praxis der Gemeinschaft der Edlen.

Wie bereits erwähnt, bezieht sich die Zuflucht zum Saṅgha im tiefsten Sinne auf den ariya-saṅgha, die Gemeinschaft derer, die den Pfad beschritten und seine Früchte verwirklicht haben. Ihre Mitglieder haben die Lehren des Buddha nicht nur verstanden, sondern durch eigene Erfahrung bestätigt und verkörpern die Qualitäten, die aus dieser Verwirklichung erwachsen. Sie sind lebende Beweise für die Wirksamkeit des Dhamma und dienen daher als verlässliche Führer und Quellen der Inspiration auf dem Weg zur Befreiung. Ihre Existenz gibt Praktizierenden die Gewissheit, dass das Ziel erreichbar ist.

(4) Qualitäten des edlen Saṅgha (Ariya-saṅgha)

Um die Bedeutung des ariya-saṅgha als Zuflucht weiter zu vertiefen, kennt die buddhistische Tradition die Praxis der Saṅghānussati, der „Achtsamen Betrachtung des Saṅgha“. Diese meditative Übung beinhaltet das Erinnern und Kontemplieren der herausragenden Eigenschaften der edlen Gemeinschaft. Die Standardformulierung, wie sie in vielen Suttas vorkommt (z.B. in den bekannten Anussati-Passagen), listet neun Qualitäten auf:

  • Suppaṭipanno bhagavato sāvakasaṅgho: Die Gemeinschaft der Schüler des Erhabenen praktiziert den guten Weg (den Weg, der im Einklang mit dem Dhamma steht).
  • Ujuppaṭipanno bhagavato sāvakasaṅgho: Sie praktiziert den geraden Weg (den Mittleren Pfad, frei von Extremen und Verbiegungen).
  • Ñāyappaṭipanno bhagavato sāvakasaṅgho: Sie praktiziert den methodischen/wahren Weg (den Weg, der zur Erkenntnis und zu Nibbāna führt).
  • Sāmīcippaṭipanno bhagavato sāvakasaṅgho: Sie praktiziert den richtigen/angemessenen Weg (den Weg, der der Ehrerbietung würdig ist). Yadidaṁ cattāri purisayugāni aṭṭha purisapuggalā, esa bhagavato sāvakasaṅgho: Das heißt, diese vier Paare von Personen, die acht Arten von Individuen – dies ist die Gemeinschaft der Schüler des Erhabenen.
  • Āhuneyyo: Sie ist würdig der Gaben (Opfergaben, die auch von fern dargebracht werden).
  • Pāhuneyyo: Sie ist würdig der Gastfreundschaft (Gaben für geschätzte Gäste).
  • Dakkhiṇeyyo: Sie ist würdig der Spenden (religiöse Gaben für das spirituelle Wohl).
  • Añjalikaraṇīyo: Sie ist würdig des ehrfürchtigen Grußes (mit zusammengelegten Händen).
  • Anuttaraṃ puññakkhettaṃ lokassa: Sie ist das unübertreffliche Feld für Verdienste in der Welt (der Ort, an dem gute Taten die größte Frucht tragen).

Die ersten vier Qualitäten beschreiben die Art und Weise ihrer Praxis (paṭipadā), während die letzten fünf ihre daraus resultierende Stellung und Bedeutung für die Welt charakterisieren – ihre Würdigkeit, Unterstützung und Verehrung zu empfangen, weil das Geben an sie von höchstem Nutzen ist. Die Betrachtung dieser Qualitäten stärkt das Vertrauen (saddhā) in die Drei Juwelen, klärt den Geist von Gier, Hass und Verblendung und führt zu Freude (pāmojja), Begeisterung (pīti), körperlicher Ruhe (passaddhi), Glück (sukha) und schließlich zu geistiger Sammlung (samādhi). Die Suttas selbst (z.B. AN 11.12, AN 11.13) beschreiben Saṅghānussati als eine Praxis, die zur Vertiefung der Meditation und sogar zur Befreiung führen kann. Während spätere Kommentare die erreichbare Vertiefung oft auf die Zugangskonzentration (upacāra-samādhi) beschränken, deuten die ursprünglichen Texte ein höheres Potenzial an.

(5) Lehrreden (Suttas) zum Saṅgha im Palikanon

Der Palikanon enthält zahlreiche Lehrreden, die sich direkt oder indirekt mit dem Saṅgha befassen. Die folgende Auswahl konzentriert sich auf die vom Nutzer angefragten Sammlungen Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN), ergänzt um Hinweise zu Saṃyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN). Alle Referenzen folgen der Zählung auf SuttaCentral.net.

5.1 Dīgha Nikāya (DN)

Im Dīgha Nikāya, der Sammlung der langen Lehrreden, ist besonders eine Rede hervorzuheben:

DN 16: Mahāparinibbāna Sutta (Die Große Lehrrede vom Endgültigen Erlöschen)
Diese umfangreiche und bewegende Lehrrede berichtet von den letzten Monaten und dem Verlöschen (Parinibbāna) des Buddha. Im ersten Teil legt der Buddha dar, unter welchen Bedingungen Gemeinschaften – zunächst am Beispiel der Vajjī-Republikaner, dann übertragen auf den buddhistischen Orden – gedeihen und nicht dem Niedergang verfallen (aparihānīyā dhammā). Für den Mönchs-Saṅgha nennt er mehrere Sätze von jeweils sieben Bedingungen, darunter:

  • Regelmäßige und einträchtige Versammlungen abhalten.
  • In Harmonie zusammenkommen, beraten und auseinandergehen.
  • Bestehende Regeln achten und keine unautorisierten neuen Regeln einführen.
  • Die erfahrenen Älteren ehren und auf ihren Rat hören.
  • Nicht von Begierde überwältigt werden.
  • Die Abgeschiedenheit schätzen und nicht an weltlichen Aktivitäten, Geschwätz oder Gesellschaft Gefallen finden.
  • Die sieben Erleuchtungsglieder (bojjhaṅga) und andere heilsame Qualitäten wie Achtsamkeit und Weisheit kultivieren.

Diese Rede zeigt die große Sorge des Buddha um die Stabilität, Reinheit und Langlebigkeit des von ihm gegründeten Ordens über seinen Tod hinaus. Die genannten Prinzipien – Harmonie, Disziplin, Respekt, Achtsamkeit und das Streben nach Befreiung – sind zeitlose Grundlagen für das Gedeihen jeder spirituellen Gemeinschaft.

5.2 Majjhima Nikāya (MN)

Der Majjhima Nikāya, die Sammlung der mittellangen Lehrreden, enthält mehrere Suttas, die sich mit dem Zusammenleben und der Harmonie im Saṅgha beschäftigen:

MN 48: Kosambiya Sutta (Die Lehrrede in Kosambi)
Diese Rede entstand im Kontext eines berüchtigten Streits unter den Mönchen von Kosambi. Der Buddha legt hier sechs „Prinzipien der Herzlichkeit“ (sārāṇīyā dhammā) dar, die zu Zuneigung, Respekt, Eintracht und Harmonie führen:

  • Liebevolle Körperhandlungen gegenüber den Mitbrüdern (öffentlich und privat).
  • Liebevolle Wortäusserungen.
  • Liebevolle Gedanken.
  • Teilen von rechtmäßig erhaltenen Gaben.
  • Teilen einer gemeinsamen Ethik (ununterbrochene, reine Tugend).
  • Teilen einer gemeinsamen rechten Ansicht, die zur Befreiung führt.

Diese Prinzipien betonen sowohl die innere Haltung (mettā) als auch konkrete Handlungen des Teilens und der gemeinsamen Ausrichtung auf den Dhamma-Vinaya als Basis für ein harmonisches Zusammenleben.

MN 103: Kinti Sutta (Was meint ihr? / Wie sollen wir üben?)
Hier gibt der Buddha Anweisungen, wie Mönche mit Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Lehre (Dhamma) oder der Ordensdisziplin (Vinaya) umgehen sollen. Er betont die Notwendigkeit, sich gemeinsam auf die authentischen Lehren zu besinnen, Abweichungen ruhig und sachlich zu diskutieren und in Übereinstimmung mit dem vom Buddha Gelehrten zu einer Lösung zu kommen, ohne Streit zu verursachen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Lehre selbst als oberste Autorität bei der Klärung von Differenzen.

Weitere relevante MN-Suttas:

  • MN 31: Cūḷagosiṅga Sutta (Die kürzere Lehrrede in Gosiṅga): Beschreibt eindrucksvoll das harmonische und von gegenseitigem Respekt geprägte Zusammenleben dreier herausragender Mönche (Anuruddha, Nandiya, Kimbila), die trotz unterschiedlicher Fähigkeiten in Eintracht praktizieren.
  • MN 122: Mahāsuññata Sutta (Die Große Lehrrede über Leerheit): Warnt vor den Gefahren übermäßiger Geselligkeit und Anhaftung an die Gemeinschaft, die die meditative Vertiefung behindern können. Der Buddha betont den Wert der Zurückgezogenheit für die Entwicklung von Konzentration und Einsicht.
  • MN 128: Upakkilesa Sutta (Die Lehrrede über die Befleckungen/Störungen): Nutzt den Streit in Kosambi als Hintergrund, um zu illustrieren, wie Disharmonie und Uneinigkeit die spirituelle Praxis behindern und als „Befleckungen“ des Geistes wirken können.

Diese Suttas liefern sehr konkrete Anleitungen und Beispiele dafür, wie Harmonie im Saṅgha aktiv kultiviert und wie mit unvermeidlichen Konflikten konstruktiv umgegangen werden kann.

5.3 Übersichtstabelle: Ausgewählte Lehrreden aus DN und MN

Die folgende Tabelle fasst die genannten Lehrreden zusammen und dient als Orientierung für das weitere Studium:

Nikāya Sutta Nr. Pali Name Deutscher Titel (gebräuchlich) Fokus Bezug Saṅgha
DN 16 Mahāparinibbāna Sutta Die Große Lehrrede vom Endgültigen Erlöschen Bedingungen für Wohlergehen & Nicht-Niedergang des Saṅgha
MN 31 Cūḷagosiṅga Sutta Die kürzere Lehrrede in Gosiṅga Beispiel harmonischen Zusammenlebens von Mönchen
MN 48 Kosambiya Sutta Die Lehrrede in Kosambi Prinzipien für Harmonie & Konfliktlösung im Saṅgha
MN 103 Kinti Sutta Was meint ihr? / Wie sollen wir üben? Umgang mit Meinungsverschiedenheiten im Saṅgha
MN 122 Mahāsuññata Sutta Die Große Lehrrede über Leerheit Gefahren der Geselligkeit, Wert der Zurückgezogenheit
MN 128 Upakkilesa Sutta Die Lehrrede über die Befleckungen (der Störung) Disharmonie (Streit in Kosambi) als Hindernis für die Praxis

5.4 Saṃyutta Nikāya (SN)

In der Saṃyutta Nikāya, der Sammlung der gruppierten Lehrreden, gibt es kein eigenständiges Kapitel (saṃyutta), das explizit dem Saṅgha gewidmet ist. Die Organisation des SN folgt thematischen Gruppierungen wie Ursachenketten (Nidāna Saṃyutta, SN 12), Aggregaten (Khandha Saṃyutta, SN 22) oder Pfadfaktoren (Magga Saṃyutta, SN 45). Lehrreden, die den Saṅgha erwähnen, sind in diese thematischen Kontexte eingebettet.

Von besonderer Relevanz für das Verständnis des ariya-saṅgha ist jedoch das SN 55: Sotāpatti Saṃyutta (Das Kapitel über den Stromeintritt). Dieses Kapitel behandelt ausführlich die erste Stufe der Heiligkeit, den Stromeintritt, und die Qualitäten eines Stromeingetretenen (sotāpanna), der das erste Mitglied des ariya-saṅgha darstellt. Es beschreibt die vier Faktoren des Stromeintritts: unerschütterliches Vertrauen in Buddha, Dhamma und Saṅgha sowie die von den Edlen gepriesene Tugendhaftigkeit.

5.5 Aṅguttara Nikāya (AN)

Die Aṅguttara Nikāya, die Sammlung der angereihten Lehrreden, ist eine besonders reiche Quelle für Belehrungen über den Saṅgha, insbesondere über seine Qualitäten und die Praxis der Saṅgha-Betrachtung (Saṅghānussati). Einige hervorzuhebende Reden sind:

  • AN 11.12: Dutiyamahānāmasutta (Die zweite Lehrrede an Mahānāma) und AN 11.13: Nandiyasutta (Die Lehrrede an Nandiya): Diese beiden sehr ähnlichen Suttas sind zentrale Texte zur Praxis der sechs Betrachtungen (anussati). Sie beschreiben detailliert, wie Laienanhänger (Mahānāma und Nandiya) die Betrachtung des Buddha, des Dhamma, des Saṅgha, der eigenen Tugend (sīla), der eigenen Freigebigkeit (cāga) und der Gottheiten (devatā) kultivieren sollen. Bei der Saṅghānussati wird explizit auf die Gemeinschaft der vier Paare bzw. acht edlen Personen verwiesen und die positiven Auswirkungen dieser Praxis auf den Geist beschrieben: Überwindung von Gier, Hass, Verblendung, Ausrichtung des Geistes, Erlangen von Inspiration und Freude, was zu Ruhe, Glück und Sammlung führt. Diese Suttas sind oft zitierte Quellen für die neun Qualitäten des Saṅgha.
  • AN 8.13: Dutiyājānīyasutta (Die zweite Lehrrede vom edlen Pferd): Diese Rede vergleicht die acht Qualitäten eines würdigen Mönchs mit denen eines edlen königlichen Vollblutpferdes. Zu den Qualitäten des Mönchs gehören u.a. Tugendhaftigkeit, Gelehrsamkeit, Energie, Achtsamkeit, Konzentration, Weisheit, das Eingestehen eigener Fehler und eine umgängliche Art, die andere nicht verärgert. Ein solcher Mönch wird als würdig der Gaben und als unübertreffliches Verdienstfeld bezeichnet. Dies beleuchtet die Ideale, die auch an den konventionellen Saṅgha gestellt werden.
  • AN 1.296-305: Diese kurzen Texte listen die Saṅghānussati als eine von zehn Betrachtungen auf, die, wenn entwickelt und gepflegt, ausschließlich zu Ernüchterung, Entsagung, Aufhören, Frieden, Einsicht, Erwachen und Nibbāna führen. Dies unterstreicht das hohe transformative Potenzial dieser Praxis.

Die Struktur des AN mit seinen nummerierten Aufzählungen und seinem Fokus auf verschiedene Typen von Personen macht ihn besonders geeignet, um spezifische Qualitäten und Praktiken im Zusammenhang mit dem Saṅgha darzustellen.

(6) Verwandte Begriffe und Konzepte

Das Verständnis des Saṅgha wird durch die Kenntnis einiger verwandter Begriffe vertieft:

6.1 Ariya-puggala (Die Edlen Personen)

Wie bereits erwähnt, sind die ariya-puggala die „Edlen Personen“, welche die Mitgliedschaft im ariya-saṅgha definieren. Es sind Individuen, die durch die Entwicklung von Einsicht (vipassanā) eine der vier überweltlichen Stufen der Heiligkeit erreicht haben. Diese Stufen sind durch das schrittweise Überwinden der zehn Fesseln (saṃyojana) gekennzeichnet, die an den Daseinskreislauf binden:

  • Stromeingetretener (Sotāpanna): Hat die ersten drei Fesseln überwunden: Persönlichkeitsglaube (sakkāya-diṭṭhi), skeptischer Zweifel (vicikicchā) und Anhaften an Regeln und Ritualen (sīlabbata-parāmāsa). Er wird höchstens noch siebenmal im menschlichen oder himmlischen Bereich wiedergeboren, bevor er Nibbāna erreicht.
  • Einmalwiederkehrer (Sakadāgāmi): Hat die ersten drei Fesseln überwunden und die nächsten beiden – sinnliches Begehren (kāma-rāga) und Übelwollen (vyāpāda) – stark abgeschwächt. Er kehrt nur noch einmal in diese Sinnenwelt zurück.
  • Nichtwiederkehrer (Anāgāmī): Hat die ersten fünf Fesseln vollständig überwunden. Er wird nicht mehr in der Sinnenwelt wiedergeboren, sondern erscheint in einer hohen himmlischen Sphäre (den Reinen Gefilden, suddhāvāsa), von wo aus er Nibbāna erreicht.
  • Arahant (Der Heilige, Würdige): Hat alle zehn Fesseln überwunden, einschließlich der letzten fünf: Begehren nach feinkörperlicher Existenz (rūpa-rāga), Begehren nach unkörperlicher Existenz (arūpa-rāga), Dünkel (māna), Rastlosigkeit (uddhacca) und Unwissenheit (avijjā). Er hat Nibbāna in diesem Leben verwirklicht und wird nach dem Tod nicht wiedergeboren.

Das Verständnis dieser Stufen macht den ariya-saṅgha greifbarer und zeigt den progressiven Charakter des buddhistischen Pfades zur Befreiung.

6.2 Upāsaka / Upāsikā (Laienanhänger*innen)

Upāsaka (männlich) und Upāsikā (weiblich) sind die Pali-Begriffe für Laienanhängerinnen und -anhänger des Buddha. Wörtlich bedeutet upāsaka/upāsikā „nahe Sitzender“ oder „Dienender“. Es bezeichnet jene Anhänger, die formell Zuflucht zu den Drei Juwelen genommen und sich zur Einhaltung der Fünf Silas (pañcasīla) verpflichtet haben:

  • Keine Lebewesen töten.
  • Nichtgegebenes nicht nehmen (nicht stehlen).
  • Kein sexuelles Fehlverhalten begehen.
  • Nicht lügen.
  • Keine berauschenden Mittel zu sich nehmen, die zur Unachtsamkeit führen.

Upāsakas und Upāsikās praktizieren den Dhamma im Rahmen des Haushalts- und Berufslebens. Sie bilden zusammen mit den Mönchen und Nonnen die vierfache Versammlung (catuparisā). Ihre wichtige Rolle besteht darin, den Dhamma im Alltag umzusetzen und den Ordens-Saṅgha materiell durch die Bereitstellung der vier Notwendigkeiten (Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Medizin) zu unterstützen. Obwohl sie nicht dem Saṅgha im engeren Sinne (als Ordensgemeinschaft) angehören, können sie durchaus Mitglieder des ariya-saṅgha sein, wenn sie die entsprechenden Stufen der Heiligkeit erreichen. Der Palikanon berichtet von zahlreichen Laienanhängern, die hohe spirituelle Verwirklichungen erlangten. Die Unterscheidung zwischen Laien und Ordinierten ist somit eine Frage der Lebensform, nicht zwangsläufig des erreichbaren spirituellen Ziels.

(7) Zusammenfassung: Die Gemeinschaft als Weg und Ziel

Der Pali-Begriff Saṅgha bezeichnet im Kern die „Gemeinschaft der Übenden“, jedoch mit zwei wesentlichen Bedeutungsebenen. Der konventionelle Saṅgha (sammuti-saṅgha) ist die Gemeinschaft der ordinierten Mönche (bhikkhu) und Nonnen (bhikkhunī), die ihr Leben der Vollzeitpraxis und der Bewahrung des Dhamma-Vinaya widmen. Der edle Saṅgha (ariya-saṅgha) ist die Gemeinschaft aller Praktizierenden – ob ordiniert oder Laie –, die durch eigene Erfahrung mindestens die erste Stufe der Heiligkeit (Stromeintritt) erreicht haben. Dieser ariya-saṅgha, charakterisiert durch neun herausragende Qualitäten wie gute, gerade und richtige Praxis sowie Würdigkeit der Verehrung, ist das eigentliche Objekt der Zuflucht und das unübertreffliche Feld für Verdienste.

Die Lehrreden des Palikanon, insbesondere im Dīgha und Majjhima Nikāya, betonen die Bedeutung von Harmonie, Disziplin und gegenseitigem Respekt für das Gedeihen des konventionellen Saṅgha (z.B. DN 16, MN 48, MN 103). Der Aṅguttara Nikāya hebt die Praxis der Saṅghānussati hervor, die Betrachtung der Qualitäten des edlen Saṅgha, als Weg zur Inspiration und Vertiefung der eigenen Praxis (z.B. AN 11.12).

Der Saṅgha ist somit sowohl Teil des Weges – als unterstützende Gemeinschaft und als Vorbild – als auch Ausdruck des Ziels – in Form der verwirklichten edlen Personen. Die Auseinandersetzung mit dem Saṅgha in seinen verschiedenen Dimensionen ist daher ein integraler Bestandteil des buddhistischen Pfades zur Befreiung.

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