
Uddhacca (Ruhelosigkeit): Eine Einführung mit Verweisen auf den Palikanon
Die neunte Fessel und das vierte Hindernis: Innere Unruhe verstehen und überwinden
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Uddhacca – Die innere Unruhe verstehen
- Was ist Uddhacca ? Definition und Erklärung
- Uddhacca im Kontext: Die Fünf Hindernisse ( Pañca Nīvaraṇāni )
- Uddhacca in den Lehrreden: Ausgewählte Suttas aus Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN)
- Weitere wichtige Textstellen im Palikanon
- Tabelle: Die Fünf Hindernisse im Überblick
- Zusammenfassung und Ausblick
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Uddhacca – Die innere Unruhe verstehen
Im reichen Vokabular des frühen Buddhismus beschreiben zahlreiche Pali-Begriffe präzise mentale Zustände, die für das Verständnis des Geistes und des Pfades zur Befreiung von Leiden von zentraler Bedeutung sind. Einer dieser Begriffe ist Uddhacca, oft übersetzt als Ruhelosigkeit, Aufgeregtheit oder Zerstreutheit. Obwohl die Erfahrung eines unruhigen Geistes vielen Menschen vertraut ist, bietet die buddhistische Analyse von Uddhacca eine spezifische Perspektive auf seine Natur, seine Ursachen und seine Rolle als Hindernis für geistige Sammlung und Weisheit.
Dieser Bericht zielt darauf ab, den Begriff Uddhacca für interessierte Laien, die bereits über einige Grundkenntnisse des Buddhismus verfügen oder sich neu mit der Materie befassen, verständlich zu erklären. Er beleuchtet die Definition von Uddhacca, seinen wichtigen Kontext innerhalb der Fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni) und stellt den oft damit verbundenen Begriff Kukkucca (Reue, Gewissensunruhe) vor. Darüber hinaus werden spezifische Lehrreden (Suttas) aus den großen Sammlungen des Palikanons – Dīgha Nikāya (DN), Majjhima Nikāya (MN), Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) – benannt, die Uddhacca besonders beleuchten. Ziel ist es, Leserinnen und Lesern nicht nur eine Definition zu bieten, sondern auch konkrete Verweise auf die Primärquellen (mit Referenzen zu SuttaCentral.net) an die Hand zu geben, um ein tieferes, textbasiertes Verständnis zu ermöglichen. Das Verständnis von Uddhacca ist besonders relevant für die Meditationspraxis, da es eine der Hauptschwierigkeiten darstellt, die einem ruhigen und klaren Geist entgegenstehen.
Was ist Uddhacca ? Definition und Erklärung
Uddhacca bezeichnet einen spezifischen unheilsamen Geisteszustand (akusala cetasika), der im frühen Buddhismus als wesentliches Hindernis für geistige Entwicklung betrachtet wird. Die gängigsten deutschen Übersetzungen – Ruhelosigkeit, Aufgeregtheit, Zerstreutheit, Getriebenheit – deuten bereits auf das Kernmerkmal hin: einen Mangel an innerer Ruhe und Stabilität.
In den Texten und Kommentaren der Theravāda-Tradition wird Uddhacca als ein Zustand geistiger Unruhe oder Aufgewühltheit beschrieben, vergleichbar mit Wasser, das vom Wind aufgewühlt wird. Diese Analogie ist besonders aussagekräftig: So wie aufgewühltes Wasser keine klare Spiegelung zulässt, verhindert ein von Uddhacca bewegter Geist die klare Wahrnehmung der Realität, wie sie wirklich ist (yathābhūta ñāṇadassana). Das Wasser-Gleichnis verdeutlicht somit, dass Uddhacca nicht nur ein Gefühl der Unruhe ist, sondern fundamental die Fähigkeit zu Erkenntnis und Weisheit (paññā) beeinträchtigt.
Weitere Bilder unterstreichen diesen Aspekt der Instabilität: Uddhacca wird verglichen mit einer Flagge, die im Wind flattert, oder mit aufgewirbelter Asche, die von einem Stein getroffen wurde. Diese Vergleiche illustrieren die Funktion von Uddhacca: Es macht den Geist unstetig und verhindert, dass er bei einem Meditationsobjekt oder einer heilsamen Geisteshaltung verweilen kann. Es wird als eine Art mentale Turbulenz oder Zerstreuung beschrieben, bei der der Geist von einem Gedanken zum nächsten springt und sich leicht ablenken lässt. Die Vielfalt der Übersetzungsversuche spiegelt dabei wider, dass Uddhacca ein Spektrum mentaler Instabilität umfasst – von innerer Getriebenheit und Aufgeregtheit bis hin zu subtiler Ablenkung und einem Mangel an fokussierter Präsenz.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Uddhacca im buddhistischen Kontext nicht zwangsläufig mit negativen Gefühlen wie Abneigung oder Ärger verbunden sein muss, wie es im alltäglichen Sprachgebrauch oft der Fall ist. Uddhacca kann auch zusammen mit angenehmen Gefühlen auftreten, beispielsweise als aufgeregte Freude oder Faszination im Zusammenhang mit Sinnesobjekten oder Anhaftung (lobha). Selbst wenn man sich in einer ruhigen Umgebung befindet und angenehme Empfindungen hat, kann diese subtile Form der mentalen Erregung präsent sein. Dies unterstreicht, dass Uddhacca eine grundlegende Eigenschaft eines untrainierten Geistes ist – ein Mangel an Stabilität und Sammlung (samatha), der tiefer liegt als bloße Reaktionen auf äußere Umstände oder unangenehme Gefühle. Es führt zu einer Art Vergesslichkeit gegenüber heilsamen Geisteszuständen (kusala) und verhindert, dass man sich diesen bewusst zuwenden kann.
Zusammenfassend ist Uddhacca eine Form geistiger Unruhe und Zerstreutheit, die den Geist instabil macht, die Entwicklung von Sammlung und Weisheit behindert und die klare Sicht auf die Wirklichkeit trübt. Es ist ein fundamentaler Mangel an innerer Stille, der auch in scheinbar angenehmen Momenten präsent sein kann.
Uddhacca im Kontext: Die Fünf Hindernisse ( Pañca Nīvaraṇāni )
Um die volle Bedeutung von Uddhacca zu erfassen, muss man seinen Platz im größeren Rahmen der buddhistischen Lehre betrachten, insbesondere im Kontext der Fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni). Der Pali-Begriff nīvaraṇa bedeutet wörtlich „Bedeckung“, „Schleier“ oder „Hindernis“. Die Nīvaraṇāni sind fünf spezifische Geisteszustände, die als Haupthindernisse für die meditative Vertiefung (jhāna) und die Entwicklung von Einsicht und Weisheit (paññā) gelten. Sie „bedecken“ oder „umhüllen“ den Geist, machen ihn trüb und unfähig, die Dinge klar zu sehen. Sie werden auch als „Verunreinigungen des Geistes“ (cetaso upakkilesa) bezeichnet, die die Weisheit schwächen (paññāya dubbalīkaraṇe). Die Metapher der „Bedeckung“ oder des „Schleiers“ sowie die Beschreibung als „Parasiten des Geistes“ (ceto ajjhāruhe) verdeutlichen, dass diese Hindernisse nicht nur passive Blockaden sind, sondern aktiv die geistige Klarheit trüben und die für Einsicht notwendige mentale Kraft schwächen.
Die fünf Hindernisse sind:
- Kāmacchanda: Sinnliches Begehren – das Verlangen nach angenehmen Erfahrungen durch die fünf Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten).
- Vyāpāda (oder Byāpāda): Übelwollen, Widerwille – Gefühle von Feindseligkeit, Groll, Hass und Ärger.
- Thīna-Middha: Trägheit und Mattheit – geistige Dumpfheit und körperliche Schwere, die zu Antriebslosigkeit und Konzentrationsmangel führen.
- Uddhacca-Kukkucca: Ruhelosigkeit und Reue/Sorge – die Unfähigkeit, den Geist zu beruhigen, verbunden mit Sorgen oder Bedauern über Vergangenes.
- Vicikicchā: Skeptischer Zweifel – Mangel an Vertrauen und Überzeugung bezüglich der Lehre, der Praxis oder der eigenen Fähigkeiten.
Uddhacca bildet zusammen mit Kukkucca das vierte Hindernis. Kukkucca (Sanskrit: kaukṛtya) bezeichnet spezifisch Reue, Sorge, Skrupel oder Gewissensunruhe bezüglich vergangener Taten. Es ist das quälende Gefühl, etwas Falsches getan oder etwas Gutes unterlassen zu haben. Dieses Bedauern über die Vergangenheit (Kukkucca) unterscheidet sich von den heilsamen Qualitäten der moralischen Scham (hiri) und der moralischen Furcht (ottappa), die darauf abzielen, zukünftiges Fehlverhalten zu verhindern. Während hiri und ottappa als Wächter des ethischen Verhaltens gelten, ist Kukkucca oft ein unheilsames Verweilen in Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen über bereits Geschehenes, das den Geist bindet und belastet. Diese Unterscheidung ist praktisch bedeutsam: Ethische Achtsamkeit ist wichtig, aber das Festhalten an Schuldgefühlen ist selbst ein Hindernis.
Die beiden Zustände, Uddhacca und Kukkucca, werden häufig als ein einziges, zusammengesetztes Hindernis – Uddhaccakukkucca – behandelt. Dies liegt daran, dass sie oft gemeinsam auftreten und sich gegenseitig verstärken können. Uddhacca repräsentiert die eher nach außen gerichtete, oft auf Gegenwart oder Zukunft bezogene mentale und körperliche Unruhe, während Kukkucca die nach innen gerichtete, auf die Vergangenheit bezogene Sorge und Reue darstellt. Die Kommentare deuten an, dass sich innere Reue (Kukkucca) äußerlich als Ruhelosigkeit (Uddhacca) manifestieren kann. Psychologisch betrachtet legt diese Paarung nahe, dass die Unfähigkeit des Geistes, im Hier und Jetzt zur Ruhe zu kommen (Uddhacca), oft durch ungelöste oder nicht losgelassene Sorgen über die Vergangenheit (Kukkucca) genährt wird. Dies kann einen Teufelskreis schaffen: Sorgen über Vergangenes destabilisieren die Gegenwart, und die Instabilität der Gegenwart verhindert eine achtsame Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
Die Überwindung der Fünf Hindernisse ist ein zentrales Anliegen der buddhistischen Praxis. Während meditative Vertiefungen (jhāna) sie vorübergehend unterdrücken können (vikkhambhana-pahāna), werden sie erst durch das Erreichen der überweltlichen Pfade dauerhaft beseitigt (samuccheda-pahāna). Skeptischer Zweifel wird beim Stromeintritt (Sotāpatti) überwunden; sinnliches Begehren, Übelwollen und Kukkucca (hier oft als mentale Sorge verstanden) bei der Nichtwiederkehr (Anāgāmitā); Trägheit, Mattheit und Uddhacca erst bei der vollen Erwachung (Arahatta).
Uddhacca in den Lehrreden: Ausgewählte Suttas aus Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN)
Die Fünf Hindernisse, einschließlich Uddhaccakukkucca, werden in vielen Lehrreden des Palikanons als Teil der Standardbeschreibung des buddhistischen Übungsweges erwähnt. Zwei besonders grundlegende Suttas aus dem Dīgha Nikāya und Majjhima Nikāya, die diesen Aspekt beleuchten, sind:
- Dīgha Nikāya 2 – Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)
- Relevanz: Dieses Sutta gehört zu den wichtigsten Lehrreden über den buddhistischen Weg. Es beschreibt detailliert die Stufen der Übung eines Mönchs, beginnend mit Ethik (sīla), über Sinneskontrolle (indriya-saṃvara) bis hin zur Überwindung der Fünf Hindernisse und der Erlangung der meditativen Vertiefungen (jhāna). Die Hindernisse werden hier mit eindrücklichen Gleichnissen beschrieben: Sinnliches Begehren wie eine Schuld, Übelwollen wie eine Krankheit, Trägheit und Mattheit wie Gefangenschaft, Uddhaccakukkucca wie Sklaverei und Zweifel wie eine Reise durch eine gefährliche Wüste. Das Gleichnis der Sklaverei für Uddhaccakukkucca ist besonders hervorzuheben. Es verdeutlicht eindringlich das Gefühl der Unfreiheit, der inneren Getriebenheit und des Mangels an Autonomie, das mit Ruhelosigkeit und Reue verbunden ist. Man ist nicht Herr im eigenen Haus (Geist), sondern wird von diesen Zuständen beherrscht. Das Sutta zeigt auf, wie die Befreiung von diesen Hindernissen zu Freude (pāmojja), Verzückung (pīti), Ruhe (passaddhi) und Glück (sukha) führt – den notwendigen Voraussetzungen für Konzentration (samādhi). Die konsistente Verwendung dieser Gleichnisse auch in anderen Suttas unterstreicht die schwerwiegenden negativen Auswirkungen, die den Hindernissen zugeschrieben werden: Sie sind Zustände des Leidens, der Gebundenheit und des Unwohlseins.
- Majjhima Nikāya 39 – Mahā-Assapura Sutta (Die große Lehrrede in Assapura)
- Relevanz: In dieser Lehrrede legt der Buddha dar, welche Qualitäten einen wahren Asketen (samaṇa) und Brahmanen (brāhmaṇa) im Sinne seiner Lehre ausmachen. Zentral ist hierbei die Reinigung des Geistes von unheilsamen Zuständen. Die Überwindung der Fünf Hindernisse wird als wesentlicher Schritt dieser Reinigung beschrieben. Auch hier findet sich die Standardbeschreibung der Hindernisse und der befreienden Wirkung ihrer Aufgabe, oft unter Verwendung derselben Gleichnisse wie in DN 2. Das Sutta betont, dass die Kultivierung höherer Geisteszustände erst möglich wird, wenn der Geist von diesen „Befleckungen“ (upakkilesa) gereinigt ist.
Diese beiden Suttas bieten eine klassische Darstellung der Fünf Hindernisse und ihrer Überwindung als integralen Bestandteil des buddhistischen Pfades. Sie zeigen Uddhaccakukkucca als einen Zustand, der nicht nur unangenehm ist, sondern aktiv den Zugang zu tieferem Frieden, Glück und befreiender Einsicht blockiert.
Weitere wichtige Textstellen im Palikanon
Neben den ausführlichen Darstellungen in DN 2 und MN 39 finden sich auch im Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) wichtige Lehrreden, die spezifische Aspekte von Uddhacca und den Hindernissen beleuchten.
- Samyutta Nikāya (SN): Obwohl es kein eigenes Kapitel (Saṃyutta) gibt, das ausschließlich den Nīvaraṇāni gewidmet ist, behandelt das Bojjhaṅga Saṃyutta (SN 46), das Kapitel über die Sieben Erwachungsglieder (Satta Bojjhaṅgā), die Hindernisse ausführlich als Gegenpol zu den Faktoren, die zur Befreiung führen. Viele Suttas in SN 46 stellen die verdunkelnde Wirkung der Hindernisse der erhellenden Kraft der Erwachungsglieder gegenüber.
- Eine besonders hervorzuhebende Lehrrede ist hier das SN 46.51 – Āhāra Sutta (Nahrung).
- Relevanz: Dieses Sutta ist von großer praktischer Bedeutung, da es die „Nahrung“ (āhāra) beschreibt, die jedes der fünf Hindernisse nährt und aufrechterhält, sowie die „Entnährung“ (anāhāra), die sie zum Schwinden bringt. Für Uddhaccakukkucca wird als Nahrung die „unsystematische Aufmerksamkeit“ (ayoniso manasikāra) auf die geistige Unruhe selbst genannt. Das bedeutet, dass das Hindernis dadurch genährt wird, dass man sich auf unweise Art und Weise mit der aufkommenden Ruhelosigkeit oder Sorge beschäftigt – indem man sich davon mitreißen lässt, dagegen ankämpft oder sich damit identifiziert. Die Entnährung bzw. das Gegenmittel ist entsprechend die „systematische Aufmerksamkeit“ (yoniso manasikāra) auf die Beruhigung des Geistes (ceto-samatha). Dieses Konzept der „Nahrung“ bietet ein kraftvolles Kausalmodell: Hindernisse sind keine festen Entitäten, sondern Prozesse, die durch unsere eigenen geistigen Gewohnheiten aufrechterhalten oder geschwächt werden. Die klare Anweisung lautet: Ändere die Art deiner Aufmerksamkeit, um den Geisteszustand zu ändern.
- Eine besonders hervorzuhebende Lehrrede ist hier das SN 46.51 – Āhāra Sutta (Nahrung).
- Aṅguttara Nikāya (AN): Der Aṅguttara Nikāya, die „Sammlung der nummerierten Lehrreden“, listet die Fünf Hindernisse in verschiedenen Kontexten auf. Zwei Suttas sind hier besonders relevant:
- AN 5.193 – Āvaraṇa Sutta / Saṅgārava Sutta (Hindernisse / An den Brahmanen Saṅgārava)
- Relevanz: In dieser Lehrrede fragt der Brahmane Saṅgārava, warum ihm manchmal lange geübte Hymnen nicht in den Sinn kommen. Der Buddha erklärt dies anhand der Fünf Hindernisse und verwendet dabei die eindringlichen Wasser-Gleichnisse. Ein von Uddhaccakukkucca getrübter Geist wird mit Wasser verglichen, das vom Wind bewegt wird, aufgewühlt ist und Wellen schlägt, sodass man sein Spiegelbild nicht erkennen kann. Dieses Sutta illustriert eindrücklich, wie die Hindernisse nicht nur die Meditation stören, sondern auch die alltägliche geistige Klarheit, das Gedächtnis und die Fähigkeit zur Selbstreflexion beeinträchtigen.
- AN 9.64 – Nīvaraṇa Sutta (Hindernisse)
- Relevanz: Dieses kurze, aber bedeutsame Sutta stellt eine direkte Verbindung zwischen den Fünf Hindernissen und der zentralen Meditationspraxis des Buddhismus her. Es besagt klar: „Zur Aufgabe dieser fünf Hindernisse, Mönche, sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit (Cattāro Satipaṭṭhānā) zu entfalten.“. Damit wird die Achtsamkeitspraxis – das achtsame Beobachten von Körper, Gefühlen, Geisteszuständen und Geistesobjekten – als spezifisches Gegenmittel zur Überwindung von Uddhacca und den anderen Hindernissen benannt. Achtsamkeit fungiert hier als die „Entnährung“ (vgl. SN 46.51), indem sie die unsystematische, reaktive Aufmerksamkeit durch eine weise, nicht-wertende Präsenz ersetzt und so den Hindernissen den Nährboden entzieht.
- AN 5.193 – Āvaraṇa Sutta / Saṅgārava Sutta (Hindernisse / An den Brahmanen Saṅgārava)
Darüber hinaus wird Uddhacca nicht nur als eines der Fünf Hindernisse (Nīvaraṇa), sondern auch als eine der Zehn Fesseln (Saṁyojana) aufgeführt, die an den Kreislauf der Wiedergeburten binden. Als neunte Fessel wird Uddhacca erst auf der höchsten Stufe der Heiligkeit, der Arahantschaft, vollständig beseitigt. Dies deutet darauf hin, dass Uddhacca auf einem Kontinuum existiert: Während die grobe Ruhelosigkeit, die die Meditation behindert, früher überwunden werden kann, bleibt eine subtilere Form geistiger Unstetigkeit bis kurz vor der endgültigen Befreiung bestehen. Dies unterstreicht die Tiefe der geistigen Beruhigung, die für Nibbāna erforderlich ist, und weist darauf hin, dass eine gewisse Grundunruhe ein tief verwurzeltes Merkmal des unerleuchteten Geistes ist.
Tabelle: Die Fünf Hindernisse im Überblick
Die folgende Tabelle fasst die Fünf Hindernisse (Pañca Nīvaraṇāni) zusammen, um ihre Merkmale und ihre Rolle im Kontext von Uddhacca zu verdeutlichen:
Pali Name (Nīvaraṇa) | Deutsche Übersetzung | Kurzbeschreibung | Typisches Gleichnis (DN 2 / AN 5.193) | Überwindung auf dem Pfad (Endgültig) |
---|---|---|---|---|
Kāmacchanda | Sinnliches Begehren | Verlangen nach Angenehmem über die fünf Sinne. | Schuldner / Mit Farbe vermischtes Wasser | Nichtwiederkehr (Anāgāmitā) |
Vyāpāda | Übelwollen | Feindseligkeit, Ärger, Hass, Ablehnung. | Kranker / Kochendes, sprudelndes Wasser | Nichtwiederkehr (Anāgāmitā) |
Thīna-Middha | Trägheit & Mattheit | Geistige Dumpfheit, körperliche Schwere, Antriebslosigkeit. | Gefangener / Von Algen bedecktes Wasser | Arahantschaft (Arahatta) |
Uddhacca-Kukkucca | Ruhelosigkeit & Reue | Geistige Unruhe, Zerstreutheit; Sorge, Bedauern über Vergangenes. | Sklave / Vom Wind bewegtes, welliges Wasser | Arahantschaft (Arahatta) (Uddhacca); Nichtwiederkehr (Anāgāmitā) (Kukkucca als Sorge) |
Vicikicchā | Skeptischer Zweifel | Unsicherheit, Mangel an Vertrauen in Lehre, Praxis, Lehrer. | Reisender in gefährlicher Wüste / Trübes, schlammiges Wasser in Dunkelheit | Stromeintritt (Sotāpatti) |
Zusammenfassung und Ausblick
Uddhacca, die geistige Ruhelosigkeit oder Aufgeregtheit, ist ein zentraler Begriff im frühen Buddhismus zur Beschreibung eines Geistes, dem es an Stabilität und Sammlung mangelt. Es ist mehr als nur alltägliche Nervosität; es ist ein grundlegendes Hindernis (nīvaraṇa), das die Entwicklung von geistiger Ruhe (samatha) und befreiender Weisheit (paññā) blockiert. Oft tritt es im Verbund mit Kukkucca (Reue, Sorge) auf, wobei vergangene Belastungen die gegenwärtige Unruhe nähren können.
Die Lehrreden des Palikanons, insbesondere das Sāmaññaphala Sutta (DN 2) und das Mahā-Assapura Sutta (MN 39), beschreiben Uddhaccakukkucca als Teil der Fünf Hindernisse, die den Geist bedecken und seine Klarheit trüben. Das Āhāra Sutta (SN 46.51) erklärt, wie unsystematische Aufmerksamkeit dieses Hindernis nährt, während das Āvaraṇa Sutta (AN 5.193) seine sichtbehindernde Wirkung mit dem Bild von windbewegtem Wasser illustriert. Von besonderer praktischer Relevanz ist das Nīvaraṇa Sutta (AN 9.64), das die Vier Grundlagen der Achtsamkeit (Satipaṭṭhāna) als direktes Mittel zur Überwindung der Hindernisse benennt.
Die Tatsache, dass Uddhacca auch als eine der letzten Fesseln (Saṁyojana) gilt, die erst mit der Arahantschaft vollständig beseitigt wird, zeigt die Tiefe dieses Phänomens.
Für Praktizierende und Studierende des Buddhismus bietet das Verständnis von Uddhacca und seiner Dynamik wertvolle Ansatzpunkte. Es ermutigt dazu, Zustände von Unruhe und Zerstreutheit nicht nur als lästig abzutun, sondern sie als Manifestationen spezifischer geistiger Muster zu erkennen, die durch Achtsamkeit und weise Aufmerksamkeit (yoniso manasikāra) untersucht und transformiert werden können. Die in diesem Bericht genannten Lehrreden und die Ressource SuttaCentral.net bieten eine solide Grundlage für alle, die tiefer in das Studium dieser wichtigen Aspekte der buddhistischen Lehre eintauchen möchten, um so schrittweise zu mehr innerer Ruhe, Klarheit und Freiheit zu gelangen.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Ausgewählte Referenzen:
- Uddhacca: 8 definitions
- Buddhadatta’s Concise Pali English Dictionary – Ancient Buddhist Texts
- Auddhatya – Wikipedia
- Definitions for: uddhacca – SuttaCentral
- Uddhaccakukkucca – The Minding Centre
- AN 5.193: Saṅgāravasutta—Bhikkhu Sujato – SuttaCentral
- Are we invoking the right metaphor for “hindrances”? – Discussion – SuttaCentral
- Five hindrances – Wikipedia
- Definitions for: nīvaraṇa – SuttaCentral
- Pañca Nīvaraṇa And Sensual Pleasures (Kāma Rāga) – Pure Dhamma
- Five hindrances – Encyclopedia of Buddhism
- Definitions for: āvaraṇa – SuttaCentral
- Nivarana, Nīvaraṇa, Nivāraṇa, Nivaraṇa: 27 definitions – Wisdom Library
- The Buddhist critique of shame | Love of All Wisdom
- Definitions for: kukkucca – SuttaCentral
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