
Punabbhava: Wiederwerden im Kontext der buddhistischen Lehre
Verständnis des buddhistischen Konzepts von Wiedergeburt jenseits der Seelenwanderung
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Punabbhava – Mehr als nur Wiedergeburt
- Was bedeutet Punabbhava? Definition und Erklärung
- Schlüsselkonzepte im Kontext von Punabbhava
- Lehrreden (Suttas) zu Punabbhava im Palikanon
- Zusammenfassung: Der Prozess des Wiederwerdens und der Weg zur Befreiung
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Punabbhava – Mehr als nur Wiedergeburt
Der Pali-Begriff Punabbhava ist ein zentrales Konzept im Buddhismus, das oft mit „Wiedergeburt“, „Wiederwerden“ oder „erneute Existenz“ übersetzt wird. Er beschreibt den Prozess, durch den Lebewesen nach dem Tod in einem neuen Dasein erscheinen, als Teil des endlosen Kreislaufs von Geburt, Altern, Tod und Wiedergeburt, bekannt als Saṃsāra. Dieser Kreislauf wird als grundlegend unbefriedigend und leidhaft (Dukkha) angesehen, und das höchste Ziel der buddhistischen Praxis ist die Befreiung (Nibbāna) aus diesem Zyklus durch das Auslöschen von Gier, Hass und Verblendung.
Es ist entscheidend, Punabbhava von der im Westen oft bekannteren Vorstellung der „Reinkarnation“ oder „Seelenwanderung“ zu unterscheiden, wie sie etwa im Hinduismus vorkommt. Der Buddhismus lehnt die Existenz einer ewigen, unveränderlichen Seele oder eines permanenten Selbst (Attā) fundamental ab – dies ist die Lehre des Nicht-Selbst (Anattā). Daher kann es im buddhistischen Verständnis keine „Wanderung“ einer Seele von einem Körper zum nächsten geben. Punabbhava beschreibt stattdessen die Fortsetzung eines unpersönlichen, dynamischen Prozesses, eines Stroms von miteinander verbundenen physischen und psychischen Ereignissen (den fünf Khandhas oder Daseinsgruppen: Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewusstsein). Dieser Prozess wird durch Ursachen und Bedingungen angetrieben, insbesondere durch absichtsvolles Handeln (Kamma) und das Anhaften oder Klammern (Upādāna) an die Existenz.
Die scheinbare Spannung zwischen der Kontinuität des Wiedergeburtsprozesses und der Lehre vom Nicht-Selbst (Anattā) ist ein Kernpunkt zum Verständnis von Punabbhava. Wie kann es eine Wiedergeburt geben, wenn es kein „Selbst“ gibt, das wiedergeboren wird? Die buddhistische Antwort liegt im Verständnis von Wiedergeburt nicht als Transmigration einer Entität, sondern als kausale Fortsetzung eines Prozesses. Vergleichbar mit einer Flamme, die von einer Kerze zur nächsten weitergegeben wird, oder einer Welle, die sich durch das Wasser bewegt – es ist der Prozess, die Energie, die weitergegeben wird, nicht eine substanzielle „Seele“ oder ein „Ich“. Das Wesen im neuen Leben ist weder exakt dasselbe noch völlig verschieden von dem im vorherigen Leben; es ist das Ergebnis eines kontinuierlichen, aber sich ständig verändernden Stroms von Bedingungen. Diese Sichtweise grenzt den Buddhismus sowohl von eternalistischen Ansichten (ewige Seele) als auch von annihilationistischen Ansichten (völlige Auslöschung nach dem Tod) ab.
Was bedeutet Punabbhava? Definition und Erklärung
Der Begriff Punabbhava setzt sich aus den Pali-Wörtern puna („wieder“, „erneut“) und bhava („Werden“, „Existenz“, „Sein“) zusammen. Wörtlich bedeutet es also „Wieder-Werden“ oder „erneutes Werden“, „erneute Existenz“. Diese Betonung auf dem „Werden“ (Bhava) ist signifikant.
Im Kontext des Bedingten Entstehens (Paṭiccasamuppāda) ist Bhava (Werden) der Faktor, der der Jāti (Geburt) vorausgeht. Bhava repräsentiert das durch Anhaften (Upādāna) erzeugte karmische Potenzial, während Punabbhava die Aktualisierung dieses Potenzials in einer neuen Existenz beschreibt, die dann zur physischen Geburt (Jāti) führt. Die Übersetzung als „Wieder-Werden“ fängt diese prozesshafte Natur besser ein als „Wiedergeburt“ und vermeidet die Konnotation einer wiedergeborenen Entität.
In den Lehrreden (Suttas) des Palikanons ist Punabbhava der gebräuchliche Begriff für den Prozess der Wiedergeburt. In späteren Texten, insbesondere im Abhidhamma und den Kommentaren, wird oft der Begriff Paṭisandhi verwendet, der spezifisch das „Wiederverknüpfungsbewusstsein“ bezeichnet – jenes Bewusstseinsmoment, das das Ende eines Lebens mit dem Beginn des nächsten verbindet. Andere verwandte Begriffe sind Abhinibbatti („Entstehen“, oft zusammen mit Punabbhava genannt, z.B. āyatiṃ punabbhavābhinibbatti – „zukünftiges Wiederwerden und Entstehen“) und Āgati-gati („Kommen und Gehen“).
Der Prozess des Punabbhava wird als kontinuierlich beschrieben, angetrieben durch grundlegende Unwissenheit (Avijjā) über die wahre Natur der Realität (insbesondere die Vier Edlen Wahrheiten und Anattā) und durch Begehren oder Durst (Taṇhā). Gefesselt durch diese Faktoren, finden Wesen immer wieder „hier und dort“ Gefallen an vergänglichen Erfahrungen und Zuständen und schaffen so durch ihre absichtsvollen Handlungen (Kamma) die Bedingungen für eine erneute Existenz. Es ist die Manifestation der karmischen Energie (Kamma-bhava) in einem neuen Leben (Upapatti-bhava).
Das Ende dieses Prozesses wird mit der Erlangung der Heiligkeit, dem Arahant-Zustand, erreicht. Dies wird in den Texten oft mit den Worten ausgedrückt: „Dies ist die letzte Geburt. Nun gibt es kein Wiederwerden mehr!“ (ayamantimā jāti, natthi dāni punabbhavo). Die verschiedenen Stufen der Erleuchtung (Strom-Eintritt, Einmal-Wiederkehrer, Nicht-Wiederkehrer, Arahant) kennzeichnen eine fortschreitende Reduzierung und schließlich die vollständige Beendigung zukünftiger Wiedergeburten.
Schlüsselkonzepte im Kontext von Punabbhava
Um Punabbhava vollständig zu verstehen, ist es notwendig, einige eng damit verbundene Schlüsselkonzepte der buddhistischen Lehre zu betrachten:
A. Kamma (Pali) / Karma (Sanskrit): Absichtliches Handeln
Kamma bedeutet wörtlich „Handlung“ oder „Tat“, bezieht sich aber im buddhistischen Kontext spezifisch auf absichtsvolles Handeln (cetanā) durch Körper, Sprache und Geist. Es ist nicht Schicksal oder Vorherbestimmung, sondern das universelle Gesetz von Ursache und Wirkung in Bezug auf ethische Handlungen. Jede absichtliche Handlung hinterlässt eine Spur oder Prägung im Geistesstrom, die zu zukünftigen Ergebnissen (vipāka) führt.
Kamma ist die treibende Kraft hinter Punabbhava. Es bestimmt die Qualität und den Bereich der Wiedergeburt. Heilsame oder geschickte Handlungen (kusala kamma), motiviert durch Gierlosigkeit, Hasslosigkeit und Nicht-Verblendung, führen zu günstigen Wiedergeburten in den menschlichen oder himmlischen Daseinsbereichen. Unheilsame oder ungeschickte Handlungen (akusala kamma), motiviert durch Gier, Hass und Verblendung, führen zu leidvollen Wiedergeburten in niederen Bereichen wie dem Tierreich, dem Geisterreich oder den Höllenwelten. Die Lehrreden betonen, dass Wesen „Eigner und Erben ihrer Taten“ sind (kammassakā, kammadāyādā); ihre Taten sind ihr Ursprung, ihre Verwandtschaft und ihre Zuflucht. Kamma erzeugt das Potenzial für zukünftige Existenz (Bhava), welches wiederum das Wiederwerden (Punabbhava) bedingt.
B. Saṃsāra: Der Kreislauf des Werdens
Saṃsāra bedeutet wörtlich „das Herumwandern“. Es bezeichnet den endlosen Zyklus von Geburt, Altern, Krankheit, Tod und Wiedergeburt, den alle unerleuchteten Wesen durchlaufen. Dieser Kreislauf umfasst verschiedene Daseinsbereiche (die sechs Bereiche: Götter, Halbgötter/Titanen, Menschen, Tiere, hungrige Geister, Höllenwesen). Saṃsāra wird als inhärent leidhaft (Dukkha) beschrieben, da er von Vergänglichkeit (Anicca), Leiden (Dukkha) und Nicht-Selbst (Anattā) geprägt ist. Die treibenden Kräfte, die die Wesen in diesem Kreislauf gefangen halten, sind Unwissenheit (Avijjā) und Begehren (Taṇhā). Punabbhava ist der Mechanismus, durch den dieses endlose Wandern im Saṃsāra stattfindet. Das Ziel des buddhistischen Pfades ist Nibbāna, das Verlöschen der Ursachen für Saṃsāra und damit die Befreiung aus diesem Kreislauf.
C. Paṭiccasamuppāda: Bedingtes Entstehen – Der Mechanismus
Paṭiccasamuppāda, oft übersetzt als „Bedingtes Entstehen“ oder „Entstehen in Abhängigkeit“, ist eine der tiefgründigsten Lehren des Buddha. Sie beschreibt die grundlegende Bedingtheit aller Phänomene – nichts existiert unabhängig, alles entsteht und vergeht in Abhängigkeit von Ursachen und Bedingungen. Das Kernprinzip lautet: „Wenn dieses ist, entsteht jenes; durch das Entstehen dieses entsteht jenes. Wenn dieses nicht ist, entsteht jenes nicht; durch das Aufhören dieses hört jenes auf.“.
Die bekannteste Formulierung des Paṭiccasamuppāda ist die Kette der zwölf Glieder (nidāna), die erklärt, wie Leiden und Wiedergeburt entstehen und wie sie beendet werden können. Die für Punabbhava relevante Sequenz lautet (vereinfacht):
- Unwissenheit (Avijjā) bedingt
- Willensregungen/Formationen (Saṅkhāra) bedingen
- Bewusstsein (Viññāṇa) bedingt
- Geist-und-Form/Name-und-Form (Nāma-rūpa) bedingt
- Sechs Sinnesgrundlagen (Saḷāyatana) bedingen
- Kontakt (Phassa) bedingt
- Gefühl (Vedanā) bedingt
- Begehren/Durst (Taṇhā) bedingt
- Anhaften/Ergreifen (Upādāna) bedingt
- Werden/Existenz (Bhava) bedingt
- Geburt (Jāti) bedingt
- Altern und Tod (Jarāmaraṇa), Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer und Verzweiflung.
Paṭiccasamuppāda liefert somit den detaillierten Mechanismus, der erklärt, wie Unwissenheit und Begehren über die Kette der Bedingungen zum Anhaften (Upādāna) führen, welches wiederum das karmische Potenzial für zukünftiges Werden (Bhava) schafft, das sich als Punabbhava (erneutes Werden) manifestiert und zur Geburt (Jāti) führt. Das Durchschauen dieser Kette ist der Schlüssel zur Befreiung.
D. Bhava: Werden/Existenz – Die Brücke zur Wiedergeburt
Bhava, das zehnte Glied im Paṭiccasamuppāda, ist die unmittelbare Bedingung für die Geburt (Jāti) und wird selbst durch das Anhaften (Upādāna) bedingt. Bhava bedeutet „Werden“, „Existenz“ oder „Sein“ und repräsentiert sowohl den aktiven Prozess des Werdens als auch den Zustand der Existenz, der durch Kamma und Upādāna geschaffen wird.
In den Kommentaren und auch in den Suttas (wie AN 3.76) wird oft zwischen zwei Aspekten von Bhava unterschieden:
- Kamma-bhava (Handlungs-Werden): Der aktive Aspekt, der karmische Prozess, der durch absichtsvolle Handlungen (motiviert durch Upādāna) entsteht und das Potenzial für zukünftige Existenzen schafft.
- Upapatti-bhava (Wiedergeburts-Werden): Der passive, resultierende Aspekt; die Existenz selbst, die als Ergebnis von vergangenem Kamma-bhava entsteht und sich in einer bestimmten Daseinsform manifestiert.
Upādāna bedingt Kamma-bhava, welches wiederum Upapatti-bhava (und damit Jāti) bedingt. Bhava kann sich in drei Daseinsbereichen manifestieren: Kāma-bhava (sinnliche Existenz, umfasst Höllen-, Geister-, Tier-, Menschen- und niedere Götterwelten), Rūpa-bhava (feinstoffliche Form-Existenz, höhere Götter-/Brahma-Welten) und Arūpa-bhava (formlose Existenz, höchste immaterielle Bereiche). Bhava ist somit die entscheidende Brücke, die das durch Anhaften genährte karmische Potenzial in eine erneute Existenz (Punabbhava) überführt.
Ein zentrales Verständnis ergibt sich daraus, dass Kamma zwar den „Treibstoff“ für die Wiedergeburt liefert, es aber das Upādāna (Anhaften, Ergreifen) ist, das diesen Treibstoff „zündet“ und zum Entstehen von Bhava und damit Punabbhava führt. Upādāna ist eine intensivierte Form des Begehrens (Taṇhā) – das aktive Festhalten an angenehmen Erfahrungen, das Abwehren unangenehmer, das Klammern an Ansichten, Regeln oder Vorstellungen eines Selbst. Dieses aktive Ergreifen, genährt durch Taṇhā und verwurzelt in Avijjā, erzeugt Kamma-bhava. Selbst wenn vergangenes Kamma vorhanden ist, entsteht ohne Upādāna im gegenwärtigen Moment (insbesondere im Todesmoment, wie im Fall eines Arahants) kein neues Bhava, und der Prozess des Punabbhava kommt zum Stillstand. Dies unterstreicht die Bedeutung der psychologischen Verfassung im Hier und Jetzt: Befreiung ist möglich, indem das Anhaften jetzt durchbrochen wird.
Lehrreden (Suttas) zu Punabbhava im Palikanon
Die folgenden Lehrreden aus den vier Hauptsammlungen (Nikāyas) des Palikanons – Dīgha Nikāya (DN), Majjhima Nikāya (MN), Saṃyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) – sind besonders relevant für das Verständnis von Punabbhava und den damit verbundenen Konzepten. Die Referenzen verweisen auf SuttaCentral.net, eine umfassende Quelle für buddhistische Texte.
A. Dīgha Nikāya (DN) & Majjhima Nikāya (MN): Zentrale Lehrreden
- DN 15: Mahānidāna Sutta (Die große Lehrrede über die Ursachen)
- Relevanz: Diese Lehrrede bietet eine ausführliche Darlegung des Paṭiccasamuppāda, wenn auch in einer leicht abgewandelten Form (ohne Avijjā, Saṅkhāra, Saḷāyatana). Sie untersucht tiefgehend die wechselseitige Abhängigkeit von Bewusstsein (Viññāṇa) und Name-und-Form (Nāma-rūpa) und zeigt auf, wie Anhaften (Upādāna) das Werden (Bhava) bedingt, welches wiederum zur Geburt (Jāti), Altern, Tod und dem gesamten Leiden führt. Sie wird auch als Quelle für die Aussage genannt, dass mit der Arahantschaft kein Wiederwerden (Punabbhava) mehr stattfindet.
- MN 38: Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta (Die große Lehrrede über die Auflösung des Begehrens)
- Relevanz: Diese Rede ist von zentraler Bedeutung, da sie direkt die irrige Ansicht des Mönchs Sāti widerlegt, dass ein und dasselbe Bewusstsein (Viññāṇa) von Leben zu Leben wandert. Der Buddha bekräftigt hier nachdrücklich, dass Bewusstsein abhängig entstanden (paṭiccasamuppanna) ist und ohne Bedingungen nicht entstehen kann. Der Prozess der Wiedergeburt wird anhand der vier Arten von Nahrung (āhāra) erklärt, wobei das Begehren (Taṇhā) als „Feuchtigkeit“ oder „Nahrung“ dient, die es dem Bewusstsein ermöglicht, sich in einer neuen Existenz (punabbhava) zu etablieren und zu wachsen. Sie verbindet Kamma, Viññāṇa und Taṇhā explizit mit zukünftigem Wiederwerden (punabbhavābhinibbatti).
- MN 135: Cūḷakammavibhaṅga Sutta (Die kleine Lehrrede über die Darlegung der Handlungen)
- Relevanz: Diese Lehrrede erklärt auf sehr anschauliche Weise, wie spezifische Handlungen (Kamma) zu spezifischen Ergebnissen in zukünftigen Leben führen, sowohl in Bezug auf den Wiedergeburtsort als auch auf die Merkmale im menschlichen Dasein (z.B. Töten führt zu kurzem Leben, Nicht-Schädigen zu Gesundheit, Freigebigkeit zu Reichtum, Hochmut zu niederer Geburt, Respekt zu hoher Geburt, etc.). Sie illustriert das Prinzip „Wesen sind Eigner ihrer Taten, Erben ihrer Taten“ (kammassakā sattā kammadāyādā) und wie Kamma die Wesen in niedere und höhere Daseinsformen unterteilt. Obwohl sie Punabbhava nicht philosophisch definiert, zeigt sie dessen Wirkungsweise durch Kamma sehr klar auf.
B. Samyutta Nikāya (SN): Dediziertes Kapitel
- SN 12: Nidāna Saṃyutta (Gruppierte Sammlung über die Ursachen / Kausalität)
- Relevanz: Dieses gesamte Saṃyutta (Kapitel oder Gruppierung) ist dem Prinzip des Paṭiccasamuppāda gewidmet. Es enthält Dutzende von Suttas, die die zwölf Glieder der Kette, einschließlich Bhava und seiner Bedingungen, aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Das Nidāna Saṃyutta liefert die grundlegende Erklärung für den gesamten Prozess des Werdens, Leidens und der Wiedergeburt. Zum Beispiel gibt SN 12.2 (Vibhaṅga Sutta) eine Standardanalyse der zwölf Glieder. SN 12.64 erklärt, wie durch Begehren nach den vier Nahrungen Bewusstsein sich etabliert und zu zukünftigem Wiederwerden (punabbhava) führt.
C. Aṅguttara Nikāya (AN): Berühmte Lehrrede
- AN 3.76: Bhava Sutta (Lehrrede über das Werden)
- Relevanz: Diese kurze, aber einflussreiche Lehrrede enthält das berühmte Gleichnis, das erklärt, wie Bhava (Werden) zur Wiedergeburt (punabbhavābhinibbatti) führt. Sie vergleicht Kamma mit einem Feld (khetta), Bewusstsein (Viññāṇa) mit dem Samen (bīja) und Begehren (Taṇhā) mit der Feuchtigkeit (sneha), die den Samen im Feld der Existenz zum Keimen und Wachsen bringt und so eine neue Existenz erzeugt. Dieses Gleichnis verdeutlicht prägnant das Zusammenspiel der Schlüsselfaktoren, die Punabbhava antreiben.
(Optional kann auch AN 10.176, das Cundasutta an den Schmied Cunda, erwähnt werden, da es die zehn heilsamen und unheilsamen Handlungspfade (kammapatha) und ihre reinigende bzw. verunreinigende Wirkung darlegt und so die Verbindung von Handlung und Konsequenz unterstreicht.)
Übersichtstabelle relevanter Lehrreden
Nikāya & Nr. | Pali-Titel | Deutscher Titel | Kernrelevanz für Punabbhava/Bhava/Kamma | SuttaCentral Link (Deutsch) |
---|---|---|---|---|
DN 15 | Mahānidāna Sutta | Die große Lehrrede über die Ursachen | Detaillierte Erklärung von Paṭiccasamuppāda; Beziehung Viññāṇa ↔ Nāma-rūpa; Bhava als Bedingung für Jāti. | Link |
MN 38 | Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta | Die große Lehrrede über die Auflösung des Begehrens | Widerlegung der Seelenwanderung (Viññāṇa); Bewusstsein als bedingt entstanden; Taṇhā als Nahrung für Punabbhava. | Link |
MN 135 | Cūḷakammavibhaṅga Sutta | Die kleine Lehrrede über die Darlegung der Handlungen | Anschauliche Erklärung der spezifischen Wirkungen von Kamma auf die Wiedergeburt und Lebensumstände; Kamma als Erbe der Wesen. | Link |
SN 12 | Nidāna Saṃyutta | Gruppierte Sammlung über die Ursachen | Gesamte Sammlung zu Paṭiccasamuppāda; Analyse der 12 Glieder, inkl. Bhava als Bedingung für Jāti und Punabbhava. | Link |
AN 3.76 | Bhava Sutta | Lehrrede über das Werden | Gleichnis von Feld (Kamma), Samen (Viññāṇa) und Feuchtigkeit (Taṇhā) zur Erklärung von Bhava und Punabbhava. | Link |
Zusammenfassung: Der Prozess des Wiederwerdens und der Weg zur Befreiung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Punabbhava im frühen Buddhismus nicht die Wanderung einer unsterblichen Seele beschreibt, sondern einen dynamischen, unpersönlichen Prozess des „Wieder-Werdens“. Dieser Prozess ist vollständig im Rahmen des Bedingten Entstehens (Paṭiccasamuppāda) zu verstehen. Er wird angetrieben durch absichtsvolle Handlungen (Kamma), die wiederum von tiefer liegenden Faktoren wie Begehren (Taṇhā) und Anhaften (Upādāna) genährt werden, welche ihrerseits in der grundlegenden Unwissenheit (Avijjā) über die wahre Natur der Wirklichkeit wurzeln.
Dieser Prozess entfaltet sich innerhalb des leidhaften Kreislaufs des Saṃsāra. Die Kette des Bedingten Entstehens zeigt auf, wie das Anhaften (Upādāna) zum Werden (Bhava) – dem Potenzial für eine neue Existenz – führt, welches sich dann als erneutes Werden (Punabbhava) manifestiert und in der Geburt (Jāti) eines neuen Lebens resultiert, das unweigerlich wieder Altern, Tod und Leiden mit sich bringt.
Die Befreiung von diesem Kreislauf ist das zentrale Anliegen des Buddhismus. Sie wird erreicht, indem die Ursachen für das Wiederwerden durchtrennt werden. Durch die Kultivierung von Weisheit (Paññā) auf dem Edlen Achtfachen Pfad wird die Unwissenheit (Avijjā) beseitigt. Durch ethisches Verhalten (Sīla) und geistige Sammlung (Samādhi) werden Begehren (Taṇhā) und Anhaften (Upādāna) überwunden. Wenn diese Bedingungen aufhören, hört auch das Entstehen von Bhava auf. Damit endet der Prozess des Punabbhava, und es kommt zu keiner weiteren Geburt mehr (natthi dāni punabbhavo). Dies ist Nibbāna – das endgültige Verlöschen, die Befreiung vom Leiden und vom Kreislauf der Wiedergeburten.
Das Studium der in diesem Bericht genannten Lehrreden bietet eine wertvolle Grundlage, um dieses tiefgründige und zentrale Konzept des Buddhismus weiter zu erforschen und seine Bedeutung für den buddhistischen Befreiungsweg zu verstehen.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Ausgewählte Referenzen:
- Rebirth (Buddhism) – Wikipedia
- Wiedergeburt (Buddhismus) – Wikipedia
- What are the overlaps and differences between Buddhism’s “reincarnation” and “rebirth” terms? : r/theravada – Reddit
- punabbhava – Dictionary – Buddhistdoor
- Punabbhava (“re-becoming”) – Dhamma Wheel Buddhist Forum
- Buddhismus – Wikipedia
- punarbhava – Dictionary | Buddhistdoor
- Part 11 – Dependent Origination: Paṭiccasamuppāda
- Upādāna and Its Influence on Bhava – International Journal of Research and Innovation in Social Science
- Punabbhava for beginners, relevent suttas etc, help? – Dhamma Wheel Buddhist Forum
- Punabbhava: Significance and symbolism
- Punabbhava: 2 definitions
- The Concept of Existence (Bhava) in Early Buddhism Pranab Barua
- Paticcasamuppada – Buddhivihara.org
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Saṃsāra – Kreislauf der Wiedergeburten
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