
Bericht: Das Dritte Jhāna (Tatiya Jhāna) im Palikanon
Detaillierte Darstellung der dritten meditativen Vertiefungsstufe, ihrer Merkmale und Relevanz im Palikanon
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Jhānas – Stufen gesammelter Vertiefung
- Das Dritte Jhāna (Tatiya Jhāna): Definition und Charakteristika
- Tatiya Jhāna im Kontext der Meditationsstufen
- Zentrale Lehrreden (Suttas) zum Dritten Jhāna
- Weitere Erwähnungen im Palikanon
- Zusammenfassung: Die Bedeutung des Dritten Jhāna
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
1. Einleitung: Die Jhānas – Stufen gesammelter Vertiefung
Im Herzen der buddhistischen Meditationspraxis stehen die sogenannten Jhānas (Pali: jhāna; Sanskrit: dhyāna), tiefgreifende Zustände geistiger Sammlung und Vertiefung. Obwohl oft vereinfachend mit „Meditation“ oder „Vertiefung“ übersetzt, bezeichnen die Jhānas spezifische, hochentwickelte und klar definierte Bewusstseinszustände, die durch systematische Schulung des Geistes erreicht werden. Sie stellen keine vagen Geisteszustände dar, sondern eine geordnete Abfolge von Stufen erhöhter Konzentration und Klarheit.
Diese Vertiefungszustände sind integraler Bestandteil des Edlen Achtfachen Pfades, wie ihn der Buddha lehrte.
Sie bilden den Kern der „Rechten Sammlung“ (sammā samādhi), des achten und letzten Gliedes dieses Pfades. Die Praxis, die zu den Jhānas führt, dient der Entwicklung von tiefem innerem Frieden und Geistesruhe (samatha) und schafft gleichzeitig eine stabile Grundlage für das Aufkommen befreiender Einsicht (vipassanā).
Der Palikanon unterscheidet primär zwischen vier „formhaften“ oder „materiellen“ Vertiefungen (rūpa jhāna) und vier darauf aufbauenden „formlosen“ Vertiefungen (arūpa jhāna oder arūpāyatana). Die vier rūpa jhānas bilden eine progressive Sequenz, bei der der Geist schrittweise von gröberen mentalen Faktoren befreit und zu immer subtileren Ebenen der Sammlung geführt wird.
Dieser Bericht konzentriert sich auf die dritte dieser formhaften Vertiefungen, das Dritte Jhāna oder Tatiya Jhāna.
Ziel ist es, diesen Zustand präzise zu definieren, seine charakteristischen Merkmale zu erläutern und zentrale Lehrreden (Suttas) aus den Hauptsammlungen des Palikanon (Dīgha Nikāya, Majjhima Nikāya, Saṃyutta Nikāya, Aṅguttara Nikāya) vorzustellen, die für ein tieferes Verständnis relevant sind.
Der Bericht richtet sich an deutschsprachige Interessierte, die ihr Wissen über diesen wichtigen Aspekt der buddhistischen Geistesschulung vertiefen und Verweise auf die Originaltexte suchen möchten.
2. Das Dritte Jhāna (Tatiya Jhāna): Definition und Charakteristika
Das Dritte Jhāna (Tatiya Jhāna) ist die dritte Stufe der formhaften Vertiefungen (rūpa jhāna).
Es wird erreicht, indem die gröberen Faktoren, die noch im Zweiten Jhāna präsent sind, insbesondere die Verzückung (pīti), zur Ruhe kommen und überwunden werden. Dieser Zustand ist durch ein tiefes, ruhiges Glücksgefühl (sukha), Gleichmut (upekkhā) und ein klares, achtsames Gewahrsein (sati-sampajañña) gekennzeichnet.
Die Standardformel (Pali & Deutsch)
Die Essenz des Dritten Jhāna wird in zahlreichen Lehrreden des Palikanon mit einer Standardformel beschrieben.
Diese lautet auf Pali:
So pītiyā ca virāgā upekkhako ca viharati sato ca sampajāno, sukhañca kāyena paṭisaṁvedeti, yaṃ taṃ ariyā ācikkhanti ‘upekkhako satimā sukhavihārī’ti tatiyaṃ jhānaṃ upasampajja viharati.
Eine mögliche deutsche Übersetzung lautet:
„Mit dem Verblassen auch der Verzückung (pīti) verweilt er gleichmütig (upekkhako), achtsam (sato) und klarbewusst (sampajāno), und er erfährt Glückseligkeit (sukha) mit dem Körper (kāyena); er tritt in das dritte Jhāna ein und verweilt darin, von dem die Edlen (ariyā) sagen: ‚Gleichmütig und achtsam verweilt er glückselig (sukhavihārī).‘“
Diese Formel benennt die zentralen Merkmale, die im Folgenden detaillierter erläutert werden.
Detaillierte Merkmale
Das Verblassen der Verzückung (Pītiyā Virāgā)
Ein definierendes Merkmal des Übergangs zum Dritten Jhāna ist das vollständige Schwinden oder „Verblassen“ (virāga) der Verzückung (pīti). Pīti, oft als freudige Erregung, Entzücken oder intensives Interesse beschrieben, ist ein dominierender Faktor in den ersten beiden Jhānas. Es wird als energetisierend, manchmal sogar körperlich spürbar (z.B. als Kribbeln, Wellen oder Gefühl des Aufsteigens) und potenziell aufwühlend charakterisiert. Obwohl pīti eine positive und heilsame Emotion ist, die hilft, Hindernisse wie Übelwollen zu überwinden, wird sie auf dem Weg zu tieferer Sammlung als relativ grob und unruhig erkannt. Das Verblassen von pīti ist daher nicht nur ein passives Geschehen, sondern eine notwendige Entwicklung, die aus der Einsicht in dessen aufwühlende Natur entsteht.
Es ist ein aktiver Schritt der Verfeinerung, der Raum schafft für die subtileren Qualitäten des Dritten Jhāna.
Die Energie von pīti wird als Hindernis für die tiefere Ruhe und Klarheit wahrgenommen, die für sukha und upekkhā charakteristisch sind.
Glückseligkeit/Wohlgefühl (Sukha)
Nachdem die aufgeregte Freude (pīti) verblasst ist, tritt ein tiefes, ruhiges und durchdringendes Glücksgefühl oder Wohlbefinden (sukha) in den Vordergrund. Im Gegensatz zu pīti ist sukha subtiler, stabiler, friedlicher und weniger energetisch. Es wird als „Glück ohne Verzückung“ (nippītika sukha) beschrieben und als warm, zart und von Herzensqualitäten durchdrungen empfunden. Die Formel besagt, dass der Meditierende diese Glückseligkeit „mit dem Körper“ (kāyena) erfährt (paṭisaṁvedeti). Da auf dieser Stufe der Vertiefung die Aktivität der physischen Sinne weitgehend zur Ruhe gekommen ist, wird der Begriff „Körper“ (kāya) hier oft als der „mentale Körper“ (nāmakāya) interpretiert – die Gesamtheit der gleichzeitig auftretenden mentalen Faktoren (Bewusstsein, Gefühl, Wahrnehmung, Willensformationen). Das Erleben von sukha ist also tief durchdringend und ganzheitlich, es erfüllt den gesamten Geist.
Dieses sukha ist mehr als nur ein angenehmes Gefühl; es ist ein Zustand tiefen inneren Friedens, der Zufriedenheit und des Wohlbefindens.
Es stellt den Höhepunkt des angenehmen Erlebens innerhalb der vier rūpa jhānas dar, eine besonders reine Form angenehmer Empfindung (vedanā), bevor im Vierten Jhāna auch diese subtile Form des Glücks transzendiert wird und einer neutralen Empfindung Platz macht. Die Tatsache, dass die „Edlen“ (ariyā) diesen Zustand explizit als „glückseliges Verweilen“ (sukhavihārī) beschreiben, unterstreicht seine besondere Qualität.
Gleichmut (Upekkhā) und Achtsamkeit (Sati) mit Klarbewusstsein (Sampajañña)
Ein weiteres wesentliches Merkmal des Dritten Jhāna ist das Verweilen in Gleichmut (upekkhā) bei gleichzeitiger Präsenz von Achtsamkeit (sati) und Klarbewusstsein (sampajañña). Upekkhā bedeutet hier mehr als nur ein neutrales Gefühl (vedan’upekkhā).
Es bezeichnet eine entwickelte geistige Haltung der Ausgeglichenheit, des Nicht-Reagierens und des ruhigen Beobachtens – eine spezifische geistige Neutralität (tatramajjhattatā), die als heilsamer Faktor gilt. Der Geist ist stabil und unerschütterlich, lässt sich durch das präsente Glücksgefühl nicht aus der Ruhe bringen.
Parallel dazu sind Achtsamkeit (sati) – das beständige, nicht-wertende Gewahrsein des gegenwärtigen Zustands – und Klarbewusstsein (sampajañña) – das klare Verstehen dessen, was im Geist geschieht – voll entwickelt und präsent. Die Standardformel betont dies durch die Begriffe sato (achtsam) und sampajāno (klarbewusst), und die Beschreibung durch die Edlen als upekkhako satimā (gleichmütig, achtsam). Die einzigartige Qualität des Dritten Jhāna liegt gerade in dieser Verbindung von tiefem, ruhigem Glück (sukha) mit einem wachen, klaren und gleichmütigen Gewahrsein.
Es ist kein Zustand der Trance oder geistigen Abwesenheit, sondern vielmehr ein Zustand erhöhter geistiger Klarheit, Stabilität und Präsenz inmitten tiefen Wohlbefindens. Der Geist ist „rein, durchscheinend, kultiviert, frei von Übel, geschmeidig, bereit zu handeln, fest und unerschütterlich“.
Einspitzigkeit (Ekaggatā)
Die Einspitzigkeit des Geistes (ekaggatā), also die Fähigkeit, den Geist ungeteilt und stabil auf einem Objekt oder Zustand zu halten, ist bereits im Ersten Jhāna vorhanden und wird im Zweiten Jhāna durch das Wegfallen von vitakka und vicāra erheblich gestärkt. Im Dritten Jhāna besteht diese Einspitzigkeit fort und erreicht eine noch tiefere Stabilität und Unerschütterlichkeit. Der Geist verweilt mühelos im Zustand des gleichmütigen Glücks.
3. Tatiya Jhāna im Kontext der Meditationsstufen
Die vier formhaften Vertiefungen (rūpa jhānas) stellen einen Pfad der fortschreitenden Beruhigung und Verfeinerung dar.
Mit jeder Stufe werden gröbere mentale Faktoren losgelassen, während subtilere Qualitäten hervortreten und sich stabilisieren.
Abgrenzung von den vorherigen Stufen
- Erstes Jhāna (Paṭhama Jhāna): Wird erreicht durch die vorübergehende Überwindung der fünf Hindernisse (nīvaraṇa: Sinnesverlangen, Übelwollen, Trägheit/Mattheit, Unruhe/Sorge, Zweifel). Es ist charakterisiert durch fünf Hauptfaktoren: vitakka (das anfängliche Hinwenden des Geistes zum Meditationsobjekt), vicāra (das anhaltende Verweilen des Geistes beim Objekt), pīti (Verzückung), sukha (Glückseligkeit) und ekaggatā (Einspitzigkeit). Freude und Glück sind hier „aus Abgeschiedenheit geboren“ (vivekaja).
- Zweites Jhāna (Dutiya Jhāna): Entsteht, wenn vitakka und vicāra zur Ruhe kommen. Die verbleibenden Hauptfaktoren sind pīti, sukha und ekaggatā. Hinzu kommt ein Zustand tiefer innerer Ruhe und Zuversicht (ajjhattaṃ sampasādanaṃ) und die völlige Einigung des Geistes (cetaso ekodibhāvaṃ). Freude und Glück sind hier „aus Sammlung geboren“ (samādhija).
- Übergang zum Dritten Jhāna: Der entscheidende Schritt vom Zweiten zum Dritten Jhāna ist das Erkennen der relativen Grobheit und Aufregung von pīti und dessen anschließendes Verblassen (pītiyā virāgā). Dies ermöglicht das Hervortreten des ruhigeren sukha und des stabilen Gleichmuts (upekkhā).
Abgrenzung vom Vierten Jhāna (Catuttha Jhāna)
Der Übergang vom Dritten zum Vierten Jhāna ist durch das Aufgeben (pahāna) und Verschwinden (atthaṅgama) von sukha (Glückseligkeit) und dukkha (Leid), sowie von vorausgegangener Freude (somanassa) und Traurigkeit (domanassa) gekennzeichnet. Damit wird die letzte Stufe des angenehmen Erlebens transzendiert.
Im Vierten Jhāna verbleiben nur noch zwei Hauptfaktoren: upekkhā (Gleichmut) und ekaggatā (Einspitzigkeit). Der Zustand wird beschrieben als „weder-schmerzhaft-noch-angenehm“ (adukkhamasukha) und durch „Reinheit der Achtsamkeit aufgrund von Gleichmut“ (upekkhā-sati-pārisuddhi) charakterisiert.
Dieser Übergang markiert somit den Wechsel von der höchsten Stufe angenehmen Erlebens (sukha im Dritten Jhāna) zu einem Zustand reinen, unerschütterlichen Gleichmuts, der jenseits der Polarität von Angenehm und Unangenehm liegt.
Das Vierte Jhāna wird oft als die stabilste und klarste Plattform für die Entwicklung durchdringender Einsicht (vipassanā) betrachtet, da selbst die subtile Anhaftung an das Glück des Dritten Jhāna überwunden ist. Der Buddha selbst empfahl das Vierte Jhāna als besonders geeigneten Zustand für die tiefere Untersuchung der Daseinsmerkmale.
Tabelle der Jhāna-Faktoren
Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über die zentralen mentalen Faktoren, die in den vier rūpa jhānas präsent sind oder wegfallen, und verdeutlicht die progressive Verfeinerung, die im Dritten Jhāna einen wichtigen Punkt erreicht:
Jhāna Stufe | Vorhandene Faktoren | Fehlende/Überwundene Faktoren | Hauptmerkmal |
---|---|---|---|
1. (Paṭhama) | vitakka, vicāra, pīti, sukha, ekaggatā | Sinnesverlangen, Übelwollen etc. (5 Hindernisse) | Freude & Glückseligkeit aus Abgeschiedenheit |
2. (Dutiya) | pīti, sukha, ekaggatā (innere Zuversicht) | vitakka, vicāra | Freude & Glückseligkeit aus Sammlung |
3. (Tatiya) | sukha, ekaggatā (mit upekkhā, sati, sampajañña) | pīti | Gleichmütige Glückseligkeit, achtsam & klar |
4. (Catuttha) | upekkhā, ekaggatā (upekkhā-sati-pārisuddhi) | sukha (und dukkha, somanassa, domanassa) | Reiner Gleichmut & Achtsamkeit, jenseits von L/S |
4. Zentrale Lehrreden (Suttas) zum Dritten Jhāna
Die Standardformel zur Beschreibung der vier Jhānas, einschließlich des Dritten Jhāna, findet sich in zahlreichen Lehrreden (Suttas) der vier Hauptsammlungen (Nikāyas) des Palikanon.
Sie erscheint oft als integraler Bestandteil der Darstellung des buddhistischen Weges zur Befreiung, der über Ethik (sīla) und Sammlung (samādhi) zu Weisheit (paññā) führt.
Im Folgenden werden einige besonders relevante Suttas aus dem Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN) vorgestellt, die das Dritte Jhāna prominent behandeln oder die Standardformel enthalten.
Ausgewählte Suttas aus DN und MN
DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)
Relevanz: Dieses Sutta gilt als eine der grundlegendsten Darlegungen des buddhistischen „graduellen Trainings“ (anupubbasikkhā).
Es beschreibt den Weg eines Mönchs von der Ordination über die Entwicklung von Tugend (sīla), Sinneskontrolle (indriyasaṃvara), Achtsamkeit und Klarbewusstsein (sati-sampajañña), der Überwindung der fünf Hindernisse (nīvaraṇa) bis hin zum Erreichen der vier Jhānas und der höheren Erkenntnisse (z.B. Wissen über frühere Leben, das göttliche Auge, Zerstörung der Triebe).
Die Standardformel für das Dritte Jhāna ist hier vollständig enthalten.
Quelle: https://suttacentral.net/dn2/de/sabbamitta (Eine deutsche Übersetzung von Bhikkhu Mettiko ist verfügbar. Falls der Link nicht direkt zur deutschen Version führt, kann diese auf SuttaCentral gesucht werden. Alternativ englische Übersetzungen: https://suttacentral.net/dn2/en/sujato, https://suttacentral.net/dn2/en/bodhi).
MN 77: Mahāsakuludāyi Sutta (Die längere Lehrrede an Sakuludāyin)
Relevanz: In diesem Dialog erklärt der Buddha dem Wanderasketen Sakuludāyin die wahren Gründe, warum seine Schüler ihn verehren.
Es sind nicht äußerliche Praktiken wie Genügsamkeit oder Zurückgezogenheit allein, sondern fünf höhere Qualitäten, darunter die Fähigkeit des Buddha, den Weg zu den Jhānas und zur Befreiung zu lehren und selbst zu verkörpern.
Das Sutta enthält die Standardformeln für die vier Jhānas, einschließlich des Dritten Jhāna. Es ist jedoch anzumerken, dass vergleichende Studien mit der chinesischen Parallele (Madhyama Āgama 207) darauf hindeuten, dass der ausführliche Abschnitt über die Jhānas und andere Pfadaspekte in der Pali-Version möglicherweise eine spätere Erweiterung darstellt, da er in der chinesischen Version fehlt. Dies schmälert nicht die Bedeutung der Beschreibung selbst, gibt aber einen Hinweis auf die Textgeschichte.
Quelle: https://suttacentral.net/mn77/en/sujato (Eine deutsche Übersetzung scheint auf SuttaCentral derzeit nicht verfügbar zu sein. Englische Übersetzungen von Bhikkhu Sujato und Bhikkhu Bodhi sind vorhanden: https://suttacentral.net/mn77/en/sujato, https://suttacentral.net/mn77/en/bodhi).
(Optional/Alternativ) MN 52: Aṭṭhakanāgara Sutta (Der Mann aus Aṭṭhakanāgara)
Relevanz: Der ehrwürdige Ānanda erklärt dem Hausbesitzer Dasama auf dessen Frage nach einem Dhamma, das zur Befreiung führt, elf verschiedene „Tore zur Todlosigkeit“.
Dazu gehören die vier Jhānas, die vier Unermesslichen (brahmavihāra) und die ersten drei formlosen Bereiche.
Entscheidend ist hierbei, dass das Verweilen in jedem dieser Zustände zur Befreiung führen kann, wenn der Meditierende den erreichten Zustand als bedingt (saṅkhata), willentlich erzeugt (abhisaṅkharita) und somit als vergänglich und dem Aufhören unterworfen erkennt (anicca, nirodhadhamma) und sich davon löst (nibbindati, virājeti). Dies verbindet die Jhāna-Praxis explizit mit der Entwicklung von Einsicht (vipassanā).
Die Standardformel für das Dritte Jhāna wird hier genannt und in diesen Kontext der Befreiung gestellt.
Quelle: https://suttacentral.net/mn52/en/bodhi (Eine deutsche Übersetzung scheint auf SuttaCentral derzeit nicht verfügbar zu sein. Englische Übersetzungen von Bhikkhu Sujato und Bhikkhu Bodhi sind vorhanden: https://suttacentral.net/mn52/en/sujato, https://suttacentral.net/mn52/en/bodhi).
5. Weitere Erwähnungen im Palikanon
Neben den ausführlichen Darstellungen in DN und MN wird das Dritte Jhāna auch in den anderen Nikāyas erwähnt, oft im Kontext spezifischer Lehrthemen.
Samyutta Nikāya (SN)
Im Saṃyutta Nikāya, der Sammlung der „gruppierten“ oder „verbundenen“ Lehrreden, gibt es kein eigenes Kapitel (Saṃyutta), das ausschließlich den Jhānas gewidmet ist, so wie etwa das Nidāna Saṃyutta (SN 12) dem Bedingten Entstehen oder das Magga Saṃyutta (SN 45) dem Achtfachen Pfad. Dennoch finden sich wichtige Erwähnungen der Jhānas, einschließlich des Dritten Jhāna, in verschiedenen Kapiteln:
- SN 45.8 (Magga Saṃyutta – Pfad-Kapitel): Dieses Sutta ist von grundlegender Bedeutung, da es die „Rechte Sammlung“ (sammā samādhi), das achte Glied des Edlen Achtfachen Pfades, explizit durch die Standardformeln der vier rūpa jhānas definiert. Dies unterstreicht die zentrale Stellung der Jhānas im buddhistischen Befreiungsweg. Das Dritte Jhāna wird hier mit der üblichen Formel beschrieben.
Quelle: https://suttacentral.net/sn45.8/de/sabbamitta - SN 36.11 (Vedanā Saṃyutta – Gefühls-Kapitel): In dieser Lehrrede beschreibt der Buddha das sukzessive Aufhören (nirodha) bzw. Beruhigen (paṭippassaddhi) verschiedener Faktoren mit dem Erreichen der jeweiligen Jhāna-Stufe: Sprache (vacā) hört im Ersten Jhāna auf, Denken und Überlegen (vitakka-vicāra) im Zweiten, Verzückung (pīti) im Dritten, und Ein- und Ausatmen (assāsa-passāsa) im Vierten Jhāna. Dies illustriert eindrücklich die fortschreitende Verfeinerung und Stilllegung mentaler und körperlicher Aktivitäten.
Quelle: https://suttacentral.net/sn36.11/de/sabbamitta - SN 16.9 (Kassapa Saṃyutta – Kassapa-Kapitel): Hier vergleicht der Buddha seine eigene Fähigkeit, die vier Jhānas, die vier formlosen Bereiche und die höheren Erkenntnisfähigkeiten (abhiññā) nach Belieben zu erreichen, mit der des ehrwürdigen Mahākassapa, um dessen Meisterschaft zu würdigen. Das Sutta listet die Standardformeln für alle Stufen auf, einschließlich des Dritten Jhāna.
Quelle: https://suttacentral.net/sn16.9/en/bodhi (Deutsche Übersetzung nicht verfügbar).
Aṅguttara Nikāya (AN)
Im Aṅguttara Nikāya, der Sammlung der „angereihten“ Lehrreden, findet sich eine besonders wichtige und häufig zitierte Lehrrede, die das Verhältnis von Jhāna und Befreiung beleuchtet:
- AN 9.36: Jhānasutta (Die Vertiefungen / Abhängig von Vertiefung)
Relevanz: Dieses Sutta ist von herausragender Bedeutung, da es explizit darlegt, dass die vier rūpa jhānas sowie die ersten drei formlosen Bereiche als notwendige Grundlage oder Stütze (nissāya) für die endgültige Zerstörung der Triebe bzw. fundamentalen Verunreinigungen (āsavakkhaya) dienen können. Es beschreibt, wie ein Meditierender, der eine dieser Stufen erreicht hat, die darin enthaltenen Phänomene (Form, Gefühl, Wahrnehmung, Willensformationen, Bewusstsein – die fünf Aggregate/Khandhas) als vergänglich (anicca), leidhaft (dukkha) und nicht-selbst (anattā) betrachten soll. Indem er den Geist von diesen bedingten Phänomenen abwendet (paṭivāpetvā) und ihn auf das „Todlose Element“ (amatāya dhātuyā) – Nibbāna – ausrichtet (upasaṃharati), kann er die Befreiung erlangen. Die Struktur des Sutta legt nahe, dass diese Einsichtspraxis (vipassanā) direkt auf der Basis der jeweiligen Jhāna-Erfahrung erfolgen kann, ohne dass ein vollständiges Auftauchen aus dem Zustand zwingend erforderlich ist (zumindest für die ersten sieben Stufen). Dies bietet eine Perspektive, die von einigen späteren kommentariellen Interpretationen abweicht, welche oft eine striktere Trennung zwischen der reinen Sammlungspraxis (samatha in Jhāna) und der Einsichtspraxis (vipassanā nach dem Austritt) betonen. AN 9.36 unterstreicht somit die Jhānas als kraftvolle Plattformen, von denen aus die befreiende Einsicht entwickelt werden kann.
Quelle: https://suttacentral.net/an9.36/en/sujato (Deutsche Übersetzung scheint auf SuttaCentral nicht verfügbar zu sein. Englische Übersetzungen von Bhikkhu Sujato und Thanissaro Bhikkhu sind vorhanden: https://suttacentral.net/an9.36/en/sujato, https://suttacentral.net/an9.36/en/thanissaro).
6. Zusammenfassung: Die Bedeutung des Dritten Jhāna
Das Dritte Jhāna (Tatiya Jhāna) stellt eine fortgeschrittene und bedeutsame Stufe auf dem buddhistischen Meditationsweg dar.
Es ist charakterisiert durch das vollständige Verblassen der energetischen Verzückung (pīti) und das Hervortreten eines tiefen, ruhigen und durchdringenden Glücksgefühls (sukha).
Dieses Glück wird jedoch nicht passiv genossen, sondern von einem klaren, stabilen Geisteszustand begleitet, der durch Gleichmut (upekkhā), beständige Achtsamkeit (sati) und klares Verstehen (sampajañña) gekennzeichnet ist.
Die Einspitzigkeit des Geistes (ekaggatā) erreicht hier eine hohe Stufe der Festigkeit.
Im Kontext der vier formhaften Vertiefungen markiert das Dritte Jhāna den Höhepunkt des angenehmen Erlebens, bevor im Vierten Jhāna auch dieses subtile Glück transzendiert wird zugunsten eines reinen, unerschütterlichen Gleichmuts.
Es dient als wichtige Brücke zu den noch subtileren Zuständen der Sammlung und bildet, wie insbesondere AN 9.36 zeigt, eine kraftvolle Basis für die Entwicklung befreiender Einsicht (vipassanā) in die Natur der Wirklichkeit.
Es ist wichtig zu verstehen, dass das Erreichen der Jhānas fortgeschrittene Meditationspraxis erfordert und Teil eines umfassenden spirituellen Weges ist, der auch ethisches Verhalten (sīla) und die Kultivierung von Weisheit (paññā) einschließt. Die Jhānas sind, wie der Buddha betonte, wertvolle Werkzeuge und Zustände des Wohlbefindens, aber sie sind Mittel zum Zweck der Befreiung, nicht das endgültige Ziel selbst.
Interessierten Lesern wird empfohlen, die in diesem Bericht genannten Lehrreden mithilfe der angegebenen SuttaCentral-Links weiter zu erforschen, um ein tieferes Verständnis direkt aus den Quellen zu gewinnen.
Die korrekte Darstellung und das Verständnis der Pali-Begriffe sind dabei für eine präzise Auseinandersetzung mit der Lehre des Buddha von großer Bedeutung.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- Wikipedia (en): Dhyana in Buddhism
- SuttaCentral
- Access to Insight: The Jhanas in Theravada Buddhist Meditation
- Universal Path: Jhana
- Wisdom Library: Jhana
- Dhamma Wiki: 9 Jhanas
- Dhamma Wheel Buddhist Forum
- Yogapedia: Tatiya Jhana
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Viertes Jhāna (Catuttha)
Dies ist die höchste Stufe der Form-Vertiefungen, erreicht durch das Aufgeben von Freude und Leid (sukha und dukkha). Entdecke den Zustand vollkommener Reinheit der Achtsamkeit durch Gleichmut (upekkhāsatipārisuddhiṁ) und unerschütterlicher Einspitzigkeit (ekaggatā). Erfahre, warum dieser Zustand des Weder-Schmerzhaft-noch-Angenehm (adukkhamasukha) als ideale Basis für höhere Erkenntnisse und den Übergang zu den formlosen Bereichen gilt.