
Brahmavihārā / Appamaññā – Die Vier Unermesslichen (Göttlichen Verweilzustände): Eine Einführung
Liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut als Pfad zu einem offenen Herzen und Geist.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Vier Unermesslichen
- Die vier unermesslichen Zustände: Eine Übersicht
- Die vier göttlichen Verweilzustände im Einzelnen
- Die Bedeutung verwandter Begriffe
- Brahmavihārās in der Praxis
- Bedeutung für friedvolles Zusammenleben
- Schlussbetrachtung
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Die Vier Unermesslichen
Die Begriffe Brahmavihārā und Appamaññā begegnen uns im frühen Buddhismus und bezeichnen vier erhabene Tugenden und die dazugehörigen Meditationspraktiken. Wörtlich bedeutet Brahmavihārā „Aufenthaltsorte Brahmas“ oder „göttliche Verweilzustände“, interpretiert als „erhabene Geisteshaltungen“. Appamaññā bedeutet „die Unermesslichen“ oder „grenzenlose Zustände“ und wird synonym verwendet. Die Verbindung zu Brahma zielt nicht primär auf Wiedergeburt in seiner Welt, sondern auf die Entwicklung eines gütigen, unermesslichen Geisteszustands, ähnlich dem „Leben mit Brahman“ hier und jetzt.
Diese vier Zustände sind ethische Richtlinien und kraftvolle Meditationsobjekte. Ihre Entwicklung erfordert aktive Schulung des Geistes, um diese natürlichen menschlichen Fähigkeiten zu stärken.
Die vier unermesslichen Zustände: Eine Übersicht
Die vier Brahmavihārās oder Appamaññās sind:
- Mettā (Pāli): Liebende Güte
- Karuṇā (Pāli): Mitgefühl
- Muditā (Pāli): Mitfreude
- Upekkhā (Pāli): Gleichmut
Sie können als die vier „Gesichter des Herzens“ betrachtet werden, untrennbar verbunden. Auch als vier göttliche Emotionen oder erhabene Geisteshaltungen bezeichnet.
Pali-Begriff | Deutscher Begriff | Kernaspekt |
---|---|---|
Mettā | Liebende Güte | Wunsch nach Glück und Wohlergehen für alle |
Karuṇā | Mitgefühl | Wunsch, Leid zu beenden |
Muditā | Mitfreude | Freude über das Glück anderer |
Upekkhā | Gleichmut | Unparteilichkeit und Gelassenheit |
Die vier göttlichen Verweilzustände im Einzelnen
Liebende Güte (Mettā)
- Definition: Aktive, bedingungslose Güte, Wohlwollen, Wunsch nach Glück für alle Wesen ohne Ausnahme. Anders als persönliche Zuneigung. Grundlegendes Wohlwollen auch für Unsympathische.
- Pali-Zitate:
- DN 13 (Tevijjasutta): Beschreibt, wie man Gemeinschaft mit Brahmā durch Durchdringen der Welt mit Mettā erreicht: „…die ganze Welt durchdringt er überall und gleichmäßig mit einem Geist voller liebender Güte, reich, weit, unermesslich, frei von Feindschaft und Übelwollen.“
- MN 127 (Anuruddhasutta): Definiert grenzenlose Befreiung des Herzens, die Mettā einschließt, mit ähnlicher Formulierung.
- Kanonisches Gleichnis (Kp 9 / Snp 1.8, Mettā Sutta): „Wie eine Mutter ihr einziges Kind mit ihrem Leben beschützen würde, so sollte man auch ein grenzenloses Herz gegenüber allen Lebewesen entwickeln.“ Verdeutlicht tiefe, selbstlose Fürsorge. (Alternative Interpretation: Eigene Güte schützen wie Mutter Kind.)
- Moderne Analogie: Universelles Wohlwollen, Wunsch nach Leidfreiheit für alle; wie Sonnenlicht, das alle ohne Unterschied umarmt.
Mitgefühl (Karuṇā)
- Definition: Entsteht bei Wahrnehmung von Leid anderer; aufrichtiger Wunsch, dass Leid aufhört. Mehr als Mitleid; aktive Anteilnahme, Motivation zu helfen.
- Pali-Zitate (MN 127): Analog zu Mettā wird grenzenlose Befreiung durch Durchdringen der Welt mit Mitgefühl beschrieben.
- Kanonisches Gleichnis: Buddha pflegt kranken Mönch – Beispiel für aktives Kümmern.
- Moderne Analogie: Empathie, Nachempfinden von Schmerz; Wunsch, Not zu lindern, wie Arzt, der heilen will.
Mitfreude (Muditā)
- Definition: Mitfühlende/altruistische Freude am Glück/Erfolg anderer. Gegenteil von Neid. Kultiviert Wohlwollen und Anerkennung.
- Pali-Zitate (MN 127): Analog zu Mettā/Karuṇā wird grenzenlose Befreiung durch Durchdringen der Welt mit Mitfreude beschrieben.
- Kanonisches Gleichnis: Kein einzelnes prägnantes Gleichnis, aber Betonung der Freude über Tugend/Glück anderer.
- Moderne Analogie: Aufrichtige Freude über Erfolg eines Freundes, ohne Missgunst. Vermehrt Freude im Leben durch Anteilnahme.
Gleichmut (Upekkhā)
- Definition: Unparteilichkeit, Gelassenheit; Annehmen angenehmer/unangenehmer Erfahrungen ohne Anhaftung/Ablehnung. Nicht Gleichgültigkeit, sondern ausgeglichene Reaktionsfähigkeit.
- Pali-Zitate (MN 127): Analog zu den anderen wird grenzenlose Befreiung durch Durchdringen der Welt mit Gleichmut beschrieben.
- Kanonisches Gleichnis: Mutter beobachtet Kinder, bereit zum Eingreifen, aber ohne unnötige Einmischung. Beobachtende, nicht anhaftende Aufmerksamkeit.
- Moderne Analogie: Ruhe in schwierigen Situationen; Akzeptanz von Lob/Tadel mit innerer Ruhe; inneres Gleichgewicht bewahren.
Die Bedeutung verwandter Begriffe
Entwicklung der Brahmavihārās ist verbunden mit:
- Geistessammlung (Samādhi): Konzentration, Versenkung. Grundlage für Kultivierung der Brahmavihārās (Stabilität, Fokus). Brahmavihārās können auch Meditationsobjekte zur Vertiefung von Samādhi sein.
- Achtsamkeit (Sati): Bewusste, nicht-wertende Aufmerksamkeit im Moment. Entscheidend, um Gedanken/Emotionen wahrzunehmen und Brahmavihārās zu erkennen/fördern.
Zusammenhang: Achtsamkeit (Sati) ermöglicht bewusstes Kultivieren der Brahmavihārās. Sammlung (Samādhi) liefert Energie, um sie aufrechtzuerhalten und auszudehnen. Entwicklung unterstützt sich gegenseitig.
Brahmavihārās in der Praxis
Entwicklung ist schrittweiser Prozess, erfordert Übung. Traditionelle Methode: Jede Haltung erst auf sich selbst, dann auf Geliebte, Neutrale, Schwierige, schließlich alle Wesen richten. Regelmäßige Kultivierung und Intention zur Verwirklichung im Alltag sind wichtig. Da natürliche Fähigkeiten, können sie durch Anstrengung gestärkt werden.
Die Bedeutung der Brahmavihārās für ein friedvolles Zusammenleben
Kultivierung hat positive Auswirkungen auf eigenes Wohlbefinden und trägt zu friedvollerem Zusammenleben bei. Verbessert Beziehungen, reduziert Konflikte, fördert Harmonie. Helfen, mit schwierigen Emotionen/Situationen heilsam umzugehen.
Schlussbetrachtung
Die Brahmavihārās (vier unermessliche Zustände) sind tiefgründige, transformative Praxis. Kultivierung von liebender Güte, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut verbessert eigenen Geist und leistet positiven Beitrag zur Welt. Weg zu innerem Frieden und mitfühlenderer Gesellschaft.
Quellenverzeichnis
(Wichtige Suttas siehe SuttaCentral.net): DN 13, MN 127, Kp 9 / Snp 1.8.
- Brahmavihara – Wikipedia
- Brahmavihara, Brahma-vihara…: 16 definitions – Wisdom Library
- Brahmavihara – Tibetan Buddhist Encyclopedia
- Definitions for: appamaññā – SuttaCentral
- Apramāṇa – Encyclopedia of Buddhism
- appamaññā – Digital Pāḷi Dictionary
- appamaññā – Dictionary | Buddhistdoor
- The Four Immeasurable Minds – Phapnhan.org
Weiter in diesem Bereich mit …
Jhāna (Meditative Vertiefungen)
Gibt es Zustände tiefer geistiger Versenkung? Die Jhānas sind meditative Vertiefungen – Zustände tiefer Konzentration, Stille und Absorption, die durch fortgeschrittene Samatha-Praxis erreicht werden können. Lerne die vier Hauptstufen der Jhānas kennen, ihre charakteristischen Merkmale wie Freude (Pīti) und Gleichmut (Upekkhā) und ihre Bedeutung als „angenehme Verweilzustände“ und Basis für tiefe Einsicht auf dem buddhistischen Pfad.