
Pīti: Freude und Verzückung auf dem buddhistischen Weg – Eine Erklärung mit Verweisen auf die Lehrreden des Palikanon
Die Rolle von Freude als Jhāna-Faktor und Erleuchtungsglied
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Die Bedeutung von Pīti im frühen Buddhismus
Herzlich willkommen zu dieser Einführung in den Pali-Begriff Pīti. Im Kontext des frühen Buddhismus bezeichnet Pīti einen wichtigen, aber oft vielschichtig interpretierten Geisteszustand. Er spielt eine zentrale Rolle sowohl auf dem Weg der meditativen Vertiefung, bekannt als Jhāna, als auch als einer der sieben Faktoren, die zur Erleuchtung führen, den Bojjhaṅgas. Die gängigen deutschen Übersetzungen wie „Freude“, „Entzücken“, „Verzückung“ oder auch der englische Begriff „Zest“ (Elan, Begeisterung) deuten bereits die Bandbreite dieses Phänomens an. Eine genauere Betrachtung im Licht der Lehrreden des Buddha ist daher unerlässlich, um Pīti korrekt einzuordnen.
Dieser Bericht zielt darauf ab, Pīti klar zu definieren, seine Funktion im Rahmen verwandter Konzepte wie den Jhāna-Faktoren und den Erleuchtungsgliedern zu erläutern und eine klare Abgrenzung zum verwandten Begriff Sukha (Glückseligkeit, Wohlgefühl) vorzunehmen. Darüber hinaus werden spezifische Lehrreden (Suttas) aus den vier Hauptsammlungen des Palikanon (Dīgha Nikāya, Majjhima Nikāya, Saṃyutta Nikāya, Aṅguttara Nikāya) vorgestellt, die Pīti behandeln und dem interessierten Leser als Ausgangspunkt für ein vertieftes Studium dienen können.
Definition und Erklärung von Pīti
Was ist Pīti?
Der Pali-Begriff Pīti (Sanskrit: Prīti) leitet sich vermutlich von der Wurzel √pī ab, die „erfreuen“, „lieben“ oder „gern haben“ bedeutet. Im buddhistischen Kontext bezeichnet Pīti eine Form intensiver, oft energetisierender und stimulierender Freude, ein freudiges Interesse oder eine Art Verzückung, die im Geist entsteht. Es ist ein Zustand, der den Geist belebt und erfrischt.
Entscheidend für das Verständnis ist die Klassifizierung von Pīti im Rahmen der buddhistischen Psychologie (Abhidhamma). Pīti wird als ein Cetasika (mentaler Faktor) betrachtet, der zur Gruppe der Geistesformationen (saṅkhārakkhandha) gehört. Es ist wichtig, Pīti von Sukha (Glückseligkeit, Wohlgefühl) zu unterscheiden, welches zur Gruppe der Gefühle (vedanākkhandha) zählt. Pīti ist also nicht das Gefühl selbst, sondern eher das freudige Interesse oder die Begeisterung für ein Objekt oder einen Zustand. Pīti kann sowohl mit heilsamen (kusala) als auch mit unheilsamen (akusala) oder neutralen Bewusstseinszuständen verbunden sein, obwohl im Kontext der Meditationspraxis primär die heilsame Form relevant ist.
Die Fünf Arten von Pīti
Obwohl diese detaillierte Aufschlüsselung hauptsächlich in späteren Kommentaren wie dem Visuddhimagga zu finden ist, illustriert sie die unterschiedlichen Intensitäten, mit denen Pīti erfahren werden kann:
- Khuddikā Pīti: Schwache Verzückung, leichtes Interesse, das sich z.B. nur als Gänsehaut äußern kann.
- Khaṇikā Pīti: Momentane Verzückung, die blitzartig aufleuchtet.
- Okkantikā Pīti: Wiederholt herabstürzende Verzückung, die wie Wellen über den Körper hereinbricht.
- Ubbegā Pīti: Erhebende Verzückung, eine intensive, ekstatische Freude, die das Gefühl vermitteln kann, den Körper anzuheben.
- Pharaṇā Pīti: Erfüllende, alles durchdringende Verzückung, die den gesamten Körper und Geist wie eine Flut durchströmt.
Diese Klassifikation zeigt, dass Pīti von einem subtilen Interesse bis hin zu überwältigender Ekstase reichen kann.
Abgrenzung von Pāmojja (Frohsinn/Heiterkeit)
In den Lehrreden wird Pīti oft in einer Abfolge von Geisteszuständen genannt, die mit Pāmojja beginnt. Pāmojja kann als „Frohsinn“, „Heiterkeit“ oder „Freudigkeit“ übersetzt werden und entsteht typischerweise aus ethisch reinem Verhalten (sīla), Vertrauen (saddhā) in die Lehre oder dem Hören des Dhamma. Dieser anfängliche Frohsinn ist eine wichtige Voraussetzung für das tiefere, intensivere Erleben von Pīti.
Pīti im Kontext buddhistischer Praxis
Pīti ist keine isolierte Erscheinung, sondern ein integraler Bestandteil verschiedener Aspekte des buddhistischen Pfades, insbesondere der meditativen Vertiefung und der Entwicklung von Erleuchtungsqualitäten.
Pīti als Faktor der Vertiefungen (Jhāna)
Die Jhānas sind Zustände tiefer geistiger Sammlung und Absorption, die durch die Entwicklung von Konzentration (samādhi) erreicht werden. Sie stellen einen zentralen Aspekt der buddhistischen Meditationspraxis dar und ermöglichen eine tiefgreifende Beruhigung und Klärung des Geistes.
Die Fünf Jhāna-Faktoren (Jhānaṅga)
Der Eintritt in die erste Jhāna wird durch das Vorhandensein und die Stärke von fünf spezifischen mentalen Faktoren ermöglicht, die als Jhānaṅga (Vertiefungsfaktoren) bezeichnet werden. Diese Faktoren heben den Geist über die Ebene der alltäglichen Sinneswahrnehmung und der fünf Hindernisse (nīvaraṇa) hinaus.
Pali-Begriff | Deutsche Übersetzung (primär/alternativ) | Kurze Funktion/Beschreibung | Wirkt entgegen (Nīvaraṇa) |
---|---|---|---|
Vitakka | Hinwendung des Geistes / Angewandtes Denken | Das Ausrichten oder „Heben“ des Geistes auf das Meditationsobjekt. | Trägheit & Mattheit |
Vicāra | Verweilen des Geistes / Anhaltendes Denken | Das Halten und Untersuchen des Objekts durch den Geist; das „Festbinden“ am Objekt. | Zweifel |
Pīti | Verzückung / Freude / Entzücken / Zest | Freudiges, energetisches Interesse und Wohlgefallen am Objekt; belebt und erfrischt Geist und Körper. | Übelwollen / Aversion |
Sukha | Glückseligkeit / Wohlgefühl / Freude | Ruhiges, tiefes Gefühl des Glücks und der Zufriedenheit; ein angenehmes Verweilen. | Unruhe & Sorge |
Ekaggatā | Einspitzigkeit des Geistes / Sammlung | Die Vereinigung des Geistes auf einen einzigen Punkt; unerschütterliche Konzentration. | Sinnesbegehren |
Diese Tabelle verdeutlicht, dass Pīti eine spezifische Rolle im Konzert der Jhāna-Faktoren spielt. Es ist die freudige Energie, die als Gegengewicht zu Aversion und Unlust dient und den Geist für tiefere Zustände der Ruhe und Sammlung empfänglich macht.
Pīti in den ersten beiden Jhānas
Pīti ist ein charakteristisches Merkmal der ersten beiden Stufen der Jhāna:
- Erste Jhāna: Hier tritt der Meditierende ein, „ziemlich abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen“. Dieser Zustand ist gekennzeichnet durch Pīti und Sukha, die „aus der Abgeschiedenheit geboren“ sind (vivekajaṃ pītisukhaṃ), begleitet von Vitakka und Vicāra. Die Freude entsteht hier also aus der Befreiung von den Hindernissen.
- Zweite Jhāna: Mit dem „Zur-Ruhe-Kommen von Vitakka und Vicāra“ tritt der Meditierende in die zweite Jhāna ein. Dieser Zustand besitzt „inneres Vertrauen“ und „Einspitzigkeit des Geistes“, ist frei von Vitakka und Vicāra, aber weiterhin erfüllt von Pīti und Sukha, die nun „aus der Sammlung geboren“ sind (samādhijaṃ pītisukhaṃ). Die Freude wurzelt hier in der gefestigten Konzentration selbst.
Das Vorhandensein von Pīti in diesen ersten beiden Stufen und ihr Verschwinden in der dritten Jhāna deutet auf ihre Funktion als eine Art dynamische Übergangsenergie hin. Sie markiert einen Zustand gehobener Freude und Interesses, der aus der Überwindung der Hindernisse oder der Kraft der Konzentration entsteht. Diese Energie ist jedoch noch relativ aktiv und wird im weiteren Verlauf der Vertiefung durch tiefere Ruhe (passaddhi) ausgeglichen, was zum subtileren Wohlgefühl (sukha) der dritten Jhāna führt. Die Beschreibungen von Pīti als stimulierend und energetisierend stützen diese Interpretation.
Die Unterscheidung von Pīti und Sukha
Obwohl beide Begriffe oft mit „Freude“ oder „Glück“ übersetzt werden, ist ihre Unterscheidung für das Verständnis der meditativen Zustände wesentlich:
- Pīti: Ist die aktivere, energetischere Komponente. Es ist das freudige Interesse, die Begeisterung, das Entzücken oder die Verzückung, die den Geist belebt. Es wird den Geistesformationen (saṅkhārakkhandha) zugeordnet. Man könnte es als die Vorfreude oder das Erfreutsein über das Erreichen eines wünschenswerten Zustands beschreiben. Es kann sich körperlich als Kribbeln, Wellen oder ein Gefühl von Leichtigkeit äußern.
- Sukha: Ist das ruhigere, tiefere Wohlgefühl, die Glückseligkeit oder Zufriedenheit, die aus dem Zustand selbst resultiert. Es gehört zur Gefühlskategorie (vedanākkhandha). Es ist das tatsächliche Erleben des angenehmen Zustands, ein Gefühl von tiefem Frieden und Behaglichkeit.
Der Visuddhimagga verwendet die Analogie eines erschöpften Wüstenreisenden: Die Freude (Pīti), als er von einer Oase hört oder sie sieht, ist vergleichbar mit Pīti. Das tatsächliche Erleben des Schattens und des Wassers in der Oase ist vergleichbar mit Sukha. Wo Pīti ist, ist in der Regel auch Sukha (in den ersten beiden Jhānas), aber wo Sukha ist (wie im dritten Jhāna), ist nicht notwendigerweise Pīti. Das Vergehen von Pīti im dritten Jhāna, während Sukha bleibt, unterstreicht die größere Subtilität und Ruhe von Sukha.
Pīti als Faktor der Erleuchtung (Bojjhaṅga)
Über die Rolle in der meditativen Vertiefung hinaus ist Pīti auch einer der sieben Erleuchtungsglieder (Satta Bojjhaṅgā), jener Qualitäten, deren Entwicklung zur Befreiung (Nibbāna) führt.
Die Sieben Erleuchtungsglieder (Satta Bojjhaṅgā)
Diese sieben Faktoren stellen wesentliche Aspekte des achtfachen Pfades dar und unterstützen sich gegenseitig in ihrer Entfaltung.
Pali-Begriff | Deutsche Übersetzung (primär/alternativ) | Kurze Funktion/Beschreibung im Kontext des Erleuchtungsweges |
---|---|---|
Sati | Achtsamkeit | Das präsente, nicht-urteilende Gewahrsein der körperlichen und geistigen Phänomene. |
Dhammavicaya | Lehr-Ergründung / Untersuchung der Phänomene | Das weise Erforschen und Verstehen der Natur der Wirklichkeit (Dhamma), der Gesetzmäßigkeiten. |
Viriya | Energie / Willenskraft | Die tatkräftige Anstrengung und Ausdauer auf dem Weg; das Überwinden von Hindernissen. |
Pīti | Verzückung / Freude | Die freudige, belebende Energie, die aus der Praxis entsteht und motiviert. |
Passaddhi | Ruhe / Stille | Die Beruhigung und Besänftigung von Körper und Geist; das Nachlassen von Anspannung. |
Samādhi | Sammlung / Konzentration | Die Fähigkeit, den Geist gesammelt, stabil und auf ein Objekt ausgerichtet zu halten. |
Upekkhā | Gleichmut | Die Fähigkeit, Erfahrungen mit innerer Balance und Nicht-Anhaften zu begegnen; Unparteilichkeit. |
Diese Tabelle positioniert Pīti als ein entscheidendes Glied in der Kette der zur Befreiung führenden Qualitäten. Es ist nicht nur eine angenehme Begleiterscheinung der Meditation, sondern ein aktiver Faktor, der den Fortschritt auf dem Pfad unterstützt.
Die Rolle von Pīti-sambojjhaṅga
Als Erleuchtungsglied entsteht Pīti oft als Frucht der angeregten Energie (Viriya) und der klaren Achtsamkeit (Sati) sowie der Untersuchung der Lehre (Dhammavicaya). Die aufkommende Freude wirkt belebend und motivierend, sie hilft, Müdigkeit und Widerstände zu überwinden und mit der Praxis fortzufahren. Gleichzeitig ist Pīti eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Passaddhi (Ruhe). Die energetische Freude ebnet den Weg für eine tiefere Beruhigung von Körper und Geist.
Allerdings birgt die Intensität von Pīti auch die Gefahr der Anhaftung. Wenn die Freude selbst zum Objekt des Begehrens wird, kann sie zu einem Hindernis werden. Daher ist es entscheidend, Pīti mit Achtsamkeit (Sati) und Weisheit (Paññā) zu betrachten, ihre vergängliche Natur (anicca) zu erkennen und sie nicht festzuhalten. Die Entwicklung von Gleichmut (Upekkhā) ist hierbei von großer Bedeutung, um die Balance zu wahren und die Freude als unterstützenden Faktor zu nutzen, ohne von ihr mitgerissen zu werden. Die Kultivierung von Pīti erfordert somit eine feine Balance zwischen aktivem Entwickeln und weisem Nicht-Anhaften.
Die Entstehung von Pīti (Kausalkette)
Mehrere Lehrreden beschreiben eine charakteristische Abfolge von Geisteszuständen, die das natürliche Entstehen von Pīti im Rahmen eines tugendhaften Lebenswandels und geistiger Schulung verdeutlichen. Eine bekannte Darstellung findet sich beispielsweise im Cetanākaraṇīyasutta (AN 11.2) und ähnlich im Upanisasutta (SN 12.23):
Sīla (Tugend, ethisches Verhalten) führt zu…
Avippaṭisāra (Reuelosigkeit, Fehlen von Gewissensbissen) führt zu…
Pāmojja (Frohsinn, Heiterkeit) führt zu…
Pīti (Verzückung, Freude) führt zu…
Passaddhi (Ruhe, Stille von Körper und Geist) führt zu…
Sukha (Glückseligkeit, Wohlgefühl) führt zu…
Samādhi (Sammlung, Konzentration des Geistes)
Diese Kausalkette zeigt eindrücklich, dass heilsame Pīti kein Zufallsprodukt ist, sondern auf einem Fundament von Ethik und geistiger Reinigung aufbaut. Die Freude erwächst natürlich aus einem Geist, der frei von Schuldgefühlen und groben Hindernissen ist. Die Formulierung, dass die Pīti der ersten Jhāna „aus Abgeschiedenheit geboren“ (vivekaja) ist, bezieht sich somit nicht nur auf die äußere Zurückgezogenheit, sondern vor allem auf die innere Abkehr von unheilsamen Geisteszuständen und Sinnesbegierden, die durch Tugend und Achtsamkeit ermöglicht wird.
Abgrenzung von Muditā (Mitfreude)
Es ist wichtig, Pīti von Muditā zu unterscheiden, auch wenn beide mit „Freude“ übersetzt werden können.
- Pīti: Ist, wie beschrieben, primär eine nach innen gerichtete Erfahrung freudiger Energie und Verzückung, die oft im Kontext der Meditation (als Jhāna-Faktor oder Bojjhaṅga) entsteht.
- Muditā: Ist eine der vier „Göttlichen Verweilungszustände“ (Brahmavihāra) und bezeichnet die altruistische, nach außen gerichtete Mitfreude am Glück, Erfolg und Wohlergehen anderer Lebewesen. Sie wird aktiv als Geisteshaltung kultiviert.
Während die Kultivierung von Muditā durchaus zur Entstehung von Pīti führen kann, sind die Konzepte selbst klar voneinander getrennt. Pīti bezieht sich auf die eigene meditative Erfahrung, Muditā auf die wohlwollende Freude am Glück anderer. Diese Unterscheidung ist wesentlich für das Verständnis der verschiedenen Facetten buddhistischer Geistesschulung.
Lehrreden (Suttas) zu Pīti im Palikanon
Die folgenden Lehrreden aus den vier Hauptsammlungen des Palikanon bieten vertiefte Einblicke in das Verständnis und die Praxis von Pīti. Die Referenzen folgen dem Format: Sammlungs-Kürzel und Sutta-Nummer, Pali-Name, gebräuchlicher deutscher Titel (basierend auf Übersetzungen, die auf SuttaCentral.net zu finden sind).
Dīgha Nikāya (DN) – Die Sammlung der langen Lehrreden
- DN 2: Sāmaññaphalasutta (Die Früchte des Asketenlebens)
- Relevanz: Diese grundlegende Lehrrede beschreibt den stufenweisen Weg des buddhistischen Praktizierenden, der in den meditativen Vertiefungen (Jhānas) gipfelt. Die erste Jhāna wird hier kanonisch definiert als ein Zustand, der von Pīti und Sukha, geboren aus Abgeschiedenheit (vivekajaṃ pītisukhaṃ), durchdrungen ist. Das Sutta bietet somit den klassischen Kontext für Pīti als Jhāna-Faktor.
- DN 22: Mahāsatipaṭṭhānasutta (Die Große Lehrrede über die Grundlagen der Achtsamkeit)
- Relevanz: Als zentrale Lehrrede zur Achtsamkeitspraxis behandelt sie im Abschnitt über die Achtsamkeit auf Geistobjekte (dhammānupassanā) ausführlich die sieben Erleuchtungsglieder (Bojjhaṅgas). Es wird erklärt, wie Pīti als Erleuchtungsfaktor (pīti-sambojjhaṅga) im Rahmen der Achtsamkeitspraxis entsteht, wie es kultiviert wird und wie es zur Befreiung beiträgt.
Majjhima Nikāya (MN) – Die Sammlung der mittleren Lehrreden
- MN 111: Anupadasutta (Lehrrede von der schrittweisen Betrachtung)
- Relevanz: Dieses Sutta beschreibt detailliert, wie der Ehrwürdige Sāriputta die Jhānas und die darauf folgenden formlosen Bereiche meisterte. Bemerkenswert ist, wie er unmittelbar nach dem Austreten aus jeder Stufe die darin enthaltenen mentalen Faktoren – einschließlich Pīti, Sukha, Vitakka, Vicāra usw. – einzeln erkannte und analysierte. Dies unterstreicht die Bedeutung der achtsamen Untersuchung dieser Zustände für die Entwicklung von Einsicht.
- MN 118: Ānāpānassatisutta (Lehrrede über die Achtsamkeit beim Atmen)
- Relevanz: Eine der wichtigsten Lehrreden zur Atembetrachtung. Sie verbindet die 16 Schritte der Ānāpānasati-Praxis direkt mit der Entfaltung der vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipaṭṭhāna) und der sieben Erleuchtungsglieder (Bojjhaṅgas). Schritte wie „die Pīti erfahrend ein-/ausatmen“ und „den Geist erfreuend ein-/ausatmen“ zeigen explizit, wie Pīti durch die Atempraxis kultiviert und als Erleuchtungsfaktor zur Reife gebracht wird.
Samyutta Nikāya (SN) – Die Sammlung der gruppierten Lehrreden
- SN 46: Bojjhaṅga Saṃyutta (Gruppierte Lehrreden über die Erleuchtungsglieder)
- Relevanz: Dieses gesamte Kapitel (Saṃyutta) mit über 180 kurzen Lehrreden ist ausschließlich den sieben Erleuchtungsgliedern gewidmet. Es ist die umfangreichste Quelle zu den Bedingungen für das Entstehen, die Entwicklung und die Wirkung der Bojjhaṅgas, einschließlich Pīti. Viele Suttas hier erklären, wie verschiedene Praktiken (Achtsamkeit, Energie, Untersuchung) zur Entfaltung von Pīti führen und wie Pīti wiederum Ruhe und Sammlung fördert.
- Beispiel-Sutta aus SN 46: SN 46.51: Ānāpānasatisutta (Achtsamkeit beim Atmen)
- Relevanz: Analog zu MN 118, aber in kürzerer Form, bekräftigt dieses Sutta, dass die systematische Entwicklung der Achtsamkeit auf den Atem zur vollständigen Entfaltung aller sieben Erleuchtungsglieder führt, Pīti eingeschlossen.
Aṅguttara Nikāya (AN) – Die Sammlung der angereihten Lehrreden
- AN 11.2: Cetanākaraṇīyasutta (Was willentlich zu tun ist / Absicht) (Titel kann variieren)
- Relevanz: Diese sehr bekannte und häufig zitierte Lehrrede beschreibt die oben erwähnte Kausalkette heilsamer Geisteszustände als einen natürlichen, nicht willentlich herbeizuzwingenden Prozess: Von Reuelosigkeit (avippaṭisāra) über Frohsinn (pāmojja) zu Pīti, weiter zu Ruhe (passaddhi), Glückseligkeit (sukha) und schließlich Sammlung (samādhi). Sie verdeutlicht eindrücklich die Position von Pīti als Brücke zwischen anfänglicher Freude und tiefer meditativer Ruhe.
Zusammenfassung und Ausblick
Pīti ist ein facettenreicher und bedeutender Geisteszustand im frühen Buddhismus. Es bezeichnet eine energetische Freude oder Verzückung, die sowohl in tiefen meditativen Zuständen (Jhānas) als auch als wesentlicher Faktor auf dem Weg zur Erleuchtung (Bojjhaṅga) eine Rolle spielt.
Als Jhāna-Faktor ist Pīti charakteristisch für die ersten beiden Vertiefungsstufen und unterscheidet sich klar von der ruhigeren Glückseligkeit (Sukha), die im dritten Jhāna vorherrscht. Als Erleuchtungsglied (Pīti-sambojjhaṅga) dient Pīti als belebendes Element, das aus Energie erwächst und zu tiefer Ruhe führt.
Die Lehrreden zeigen, dass heilsame Pīti nicht willkürlich auftritt, sondern das Ergebnis eines schrittweisen Prozesses ist, der mit ethischem Verhalten (sīla) beginnt und über Reuelosigkeit (avippaṭisāra) und Frohsinn (pāmojja) zu Pīti führt. Sie ist oft „aus Abgeschiedenheit“ geboren – der Abgeschiedenheit von unheilsamen Geisteszuständen.
Gleichzeitig ist im Umgang mit Pīti Achtsamkeit geboten. Ihre Intensität kann zur Anhaftung verleiten. Daher ist es unerlässlich, sie mit Weisheit zu betrachten, ihre Vergänglichkeit zu erkennen und sie durch Gleichmut auszubalancieren.
So wird Pīti zu einem wertvollen Werkzeug auf dem Pfad, das motiviert und den Geist erhebt, ohne ihn zu fesseln.
Die in diesem Bericht genannten Lehrreden bieten einen hervorragenden Ausgangspunkt für alle, die ihr Verständnis von Pīti und den damit verbundenen Aspekten des buddhistischen Weges vertiefen möchten. Das eigene Studium der Suttas, verbunden mit der Meditationspraxis, ist der beste Weg, um diese heilsamen Geisteszustände nicht nur intellektuell zu verstehen, sondern auch erfahrungsbasiert zu erschließen und zu kultivieren.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- Wikipedia (Pīti)
- Pure Dhamma Forum
- Wisdom Library (Piti)
- Dhamma Wheel Forum (Pamojja/Piti Etymology)
- SuttaCentral Definitions (pīti)
- Reddit Theravada (Goosebumps/Piti)
- Dhamma Wheel Forum (sabbakayam/piti/sukha)
- Dhamma Wheel Forum (Pīti page 2)
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Ruhe (Passaddhi – Bojjhaṅga)
Auf die oft intensive Freude folgt Passaddhi, die Gestilltheit, Ruhe und Entspannung von Körper und Geist. Dieser Faktor überwindet Unruhe und Anspannung (Uddhacca-kukkucca) und schafft eine friedvolle, stabile Grundlage für tiefere Konzentration. Erfahre hier, wie sich diese Beruhigung anfühlt und wie sie den Geist für die nächste Stufe vorbereitet.