Samādhi im Palikanon: Eine Einführung mit Lehrreden
Die Bedeutung von Sammlung und Konzentration auf dem buddhistischen Weg
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Samādhi – Das Herz der buddhistischen Meditation
- Was ist Samādhi? Definition und Erklärung
- Samādhi im Kontext des buddhistischen Pfades
- Samādhi und Jhāna (Meditative Vertiefungen)
- Lehrreden (Suttas) zu Samādhi im Palikanon
- Zusammenfassung: Sammlung als Schlüssel zur Klarheit und Einsicht
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Samādhi – Das Herz der buddhistischen Meditation
Der Pali-Begriff Samādhi ist ein zentrales Element der buddhistischen Lehre und Praxis. Oft mit „Sammlung“, „Konzentration“ oder „Vertiefung“ übersetzt, bezeichnet er einen Zustand des Geistes, der durch Ruhe, Stabilität und Fokussierung gekennzeichnet ist. Samādhi ist jedoch mehr als nur eine Meditationstechnik; es ist ein kultivierter Geisteszustand, der als unerlässlich für das Fortschreiten auf dem buddhistischen Pfad zur Befreiung (Nibbāna) gilt. Dieser Bericht zielt darauf ab, den Begriff Samādhi im Kontext des frühen Buddhismus zu definieren, seine Einbettung in das Gesamtkonzept der Lehre zu erläutern und interessierten Lesern konkrete Lehrreden (Suttas) aus dem Palikanon zugänglich zu machen, die diesen wichtigen Begriff näher beleuchten.
Besonderes Augenmerk liegt auf Beispielen aus den Sammlungen der langen (Dīgha Nikāya, DN) und mittleren Lehrreden (Majjhima Nikāya, MN), ergänzt durch Hinweise auf relevante Texte im Saṃyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN).
Was ist Samādhi? Definition und Erklärung
Wortbedeutung und Etymologie
Das Wort Samādhi setzt sich aus den Pali-Wurzeln sam („zusammen“), ā („hin“) und dhā („setzen“, „stellen“) zusammen. Es bedeutet wörtlich „zusammenbringen“, „festigen“ oder „konzentrieren“. In buddhistischen Texten wird es vielfältig übersetzt, darunter als:
- Konzentration
- Sammlung
- Meditative Vertiefung
- Einigung des Geistes (cittassa ekaggatā)
- Meditative Absorption
Kernkonzept im frühen Buddhismus
Im Kern beschreibt Samādhi einen Geisteszustand, der frei von Zerstreuung, Ablenkung und innerer Unruhe ist. Der Geist ist gesammelt, ruhig, stabil und auf ein Meditationsobjekt oder einen Erfahrungsbereich ausgerichtet. Die Kommentare beschreiben diesen Zustand oft metaphorisch: Wie ein windstiller See, dessen Oberfläche unbewegt ist und die Umgebung klar widerspiegelt, so kann ein gesammelter Geist die Phänomene der Wirklichkeit unverzerrt wahrnehmen. Dieser Zustand ist nicht das Ergebnis bloßer Willensanstrengung oder angestrengten Nachdenkens, sondern vielmehr eine Qualität von innerer Ruhe, Klarheit und oft auch Freude (pīti) und Glückseligkeit (sukha), die aus der Beruhigung der geistigen Aktivität entsteht.
Nuancen der Definition
Obwohl oft mit „Einpunktigkeit“ (ekaggatā) gleichgesetzt, legen einige Quellen nahe, dass Samādhi im frühen Buddhismus nicht ausschließlich eine enge Fokussierung auf einen einzigen Punkt bedeutet. Es kann auch einen breiteren Zustand stabiler, klarer und unterscheidender Bewusstheit beschreiben (undistractedness, broad field of awareness), der eine tiefere Untersuchung (vipassanā) der erfahrenen Phänomene erst ermöglicht. In diesem Sinne schafft Samādhi die methodische Grundlage, um die Funktionsweise des Geistes und die Natur der Realität zu erkennen, indem es verborgene oder latente Geistestendenzen (saṁskāras) ins klare Bewusstsein bringt. Die etymologische Bedeutung „zusammenbringen“ und „klar machen“ stützt diese umfassendere Sichtweise. Es ist also die Qualität des gesammelten Geistes – seine Stabilität, Klarheit und Ruhe –, die für die Entwicklung von Einsicht entscheidend ist, nicht nur die Enge des Fokus.
Stufen der Sammlung (Kommentare)
Die buddhistischen Kommentare, insbesondere der Visuddhimagga, unterscheiden oft verschiedene Stufen auf dem Weg zur tiefen Sammlung, um die graduelle Entwicklung zu verdeutlichen. Dazu gehören:
- Vorbereitende Sammlung (parikamma-samādhi): Die anfängliche Bemühung, den Geist auf das Meditationsobjekt auszurichten.
- Zugangskonzentration (upacāra-samādhi): Ein Zustand, in dem die gröbsten Hindernisse (nīvaraṇa) vorübergehend unterdrückt sind und der Geist stabil genug ist, um nahe an die meditative Vertiefung (jhāna) heranzukommen. Das Meditationsobjekt erscheint oft klarer (als nimitta).
- Vertiefungskonzentration (appanā-samādhi): Das tatsächliche Eintreten in die Jhāna-Zustände, gekennzeichnet durch vollständige Absorption und Einigung des Geistes.
Diese Unterscheidung macht deutlich, dass Samādhi kein Zustand ist, der plötzlich erreicht wird, sondern das Ergebnis eines schrittweisen Kultivierungsprozesses. Dies kann für Praktizierende ermutigend sein, da auch Fortschritte unterhalb der Schwelle der vollen Jhāna-Absorption als wichtige Entwicklungsstufen anerkannt werden.
Samādhi im Kontext des buddhistischen Pfades
Samādhi steht nicht isoliert, sondern ist integraler Bestandteil des gesamten buddhistischen Befreiungsweges. Seine Bedeutung wird besonders im Rahmen der Drei Schulungen und des Edlen Achtfachen Pfades deutlich.
Die Drei Schulungen (Tisso Sikkhā)
Der Buddha fasste seinen Weg oft in den Drei Schulungen zusammen:
- Sīla: Ethisches Verhalten, Tugend, Sittlichkeit.
- Samādhi: Geistessammlung, Konzentration, meditative Entwicklung.
- Paññā: Weisheit, Einsicht, tiefes Verstehen.
Diese drei Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden und unterstützen sich gegenseitig. Sīla bildet die Grundlage: Ethisches Verhalten in Rede und Tat beruhigt den Geist und verhindert das Aufkommen von Reue und Unruhe, die tiefe Sammlung erschweren würden. Ein ruhiger, ethisch fundierter Lebenswandel schafft also die äußeren und inneren Voraussetzungen für Samādhi.
Samādhi wiederum ist die Basis für Paññā. Ein durch Sammlung geklärter, stabiler und von den gröbsten Hindernissen (nīvaraṇa wie Begierde, Ärger, Trägheit, Unruhe, Zweifel) gereinigter Geist ist erst in der Lage, die wahre Natur der Phänomene klar und tief zu erkennen. Die durch Samādhi gewonnene mentale Stärke und Klarheit ist das Werkzeug, mit dem Einsicht (vipassanā) in die drei Daseinsmerkmale – Vergänglichkeit (anicca), Leidhaftigkeit (dukkha) und Nicht-Selbst (anattā) – gewonnen werden kann.
Der Edle Achtfache Pfad (Ariyo Aṭṭhaṅgiko Maggo)
Der Edle Achtfache Pfad ist die detaillierte Ausformulierung des Weges zur Befreiung und wird oft in die drei Bereiche der Schulungen unterteilt:
- Weisheit (Paññā): Rechte Erkenntnis (Sammā Diṭṭhi), Rechtes Denken (Sammā Saṅkappa)
- Ethik (Sīla): Rechte Rede (Sammā Vācā), Rechtes Handeln (Sammā Kammanta), Rechter Lebenserwerb (Sammā Ājīva)
- Sammlung (Samādhi): Rechte Anstrengung (Sammā Vāyāma), Rechte Achtsamkeit (Sammā Sati), Rechte Sammlung (Sammā Samādhi).
Sammā Samādhi bildet das achte und abschließende Glied des Pfades. Es steht in enger Beziehung zu den beiden vorangehenden Gliedern, Rechter Anstrengung und Rechter Achtsamkeit.
Rechte Anstrengung bezeichnet die bewusste Bemühung, unheilsame Geisteszustände zu vermeiden und zu überwinden sowie heilsame Zustände zu entwickeln und zu erhalten. Rechte Achtsamkeit (Sammā Sati) ist das klare, nicht-urteilende Gewahrsein des gegenwärtigen Augenblicks – des Körpers, der Gefühle, des Geistes und der Geistobjekte.
Die Beziehung zwischen Achtsamkeit und Sammlung ist dynamisch und wechselseitig. Achtsamkeit bereitet den Boden für Sammlung, indem sie den Geist beruhigt und auf das Objekt lenkt. Gleichzeitig ist Achtsamkeit auch während der Sammlung präsent und wird durch die Stabilität des gesammelten Geistes verfeinert und geklärt. Die Lehrreden definieren Sammā Sati oft durch die vier Grundlagen der Achtsamkeit (Satipaṭṭhāna) und Sammā Samādhi durch die vier Jhānas. Das Cūḷavedalla Sutta (MN 44) gruppiert Rechte Anstrengung, Rechte Achtsamkeit und Rechte Sammlung explizit unter dem „Sammlungs-Aggregat“ (samādhikkhandha) und nennt die Satipaṭṭhānas die „Grundlage“ oder das „Zeichen“ für Samādhi (samādhinimitta). Dies unterstreicht die enge Verflechtung dieser drei Pfadfaktoren.
Funktion für Einsicht (Vipassanā)
Ein zentraler Aspekt, der in vielen Lehrreden betont wird, ist, dass Samādhi kein Selbstzweck ist, sondern eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung befreiender Einsicht (Vipassanā). Der durch Samādhi erreichte Zustand von Klarheit, Ruhe und Stabilität ermöglicht es dem Praktizierenden, die wahre Natur der Phänomene (yathābhūtaṁ pajānāti – „erkennt, wie es wirklich ist“) zu durchschauen. Insbesondere geht es um das Erkennen der drei Daseinsmerkmale: Anicca (Vergänglichkeit), Dukkha (Leidhaftigkeit, Unzulänglichkeit) und Anattā (Nicht-Selbst, Substanzlosigkeit) in Bezug auf alle körperlichen und geistigen Prozesse (die fünf Aggregate khandhas). Der gesammelte Geist wird so zum scharfen Instrument, das die Illusionen durchdringt und zur Befreiung führt.
Samādhi und Jhāna (Meditative Vertiefungen)
Der Begriff Samādhi ist eng mit Jhāna (Pali; Sanskrit: Dhyāna) verbunden, wobei Jhāna spezifische, fortgeschrittene Stufen meditativer Vertiefung oder Absorption bezeichnet, die durch intensive Sammlung erreicht werden.
Die vier Rūpa-Jhānas (Form-Vertiefungen)
In den Suttas, insbesondere in den Definitionen des Achtfachen Pfades, wird Sammā Samādhi (Rechte Sammlung) standardmäßig durch die vier Rūpa-Jhānas (Form-Vertiefungen) definiert. Diese Stufen beschreiben einen progressiven Prozess der Beruhigung und Verfeinerung des Geistes:
- Erstes Jhāna: Erreicht durch Zurückziehung von Sinnesvergnügen und unheilsamen Geisteszuständen. Gekennzeichnet durch gerichtetes Denken (vitakka) und prüfendes Erwägen (vicāra), begleitet von Freude/Ekstase (pīti) und Glückseligkeit (sukha), die aus der Abgeschiedenheit (viveka) geboren sind.
- Zweites Jhāna: Erreicht durch das Aufhören von vitakka und vicāra. Gekennzeichnet durch innere Stille/Vertrauen (sampasādana), Einigung des Geistes (cetaso ekodibhāva), ohne vitakka und vicāra, mit Freude (pīti) und Glückseligkeit (sukha), die aus der Sammlung (samādhi) geboren sind.
- Drittes Jhāna: Erreicht durch das Verblassen der Freude (pīti). Gekennzeichnet durch Gleichmut (upekkhā), Achtsamkeit (sati) und klares Verstehen (sampajañña). Der Übende erfährt Glückseligkeit (sukha) mit dem Körper.
- Viertes Jhāna: Erreicht durch das Aufgeben von Glück (sukha) und Leid (dukkha) sowie das frühere Schwinden von Freude (somanassa) und Kummer (domanassa). Gekennzeichnet durch weder-schmerzhaft-noch-angenehmes Gefühl (adukkhamasukha) und die Reinheit von Gleichmut und Achtsamkeit (upekkhāsatipārisuddhi). Es beinhaltet vollkommene Einpunktigkeit (ekaggatā).
Die Arūpa-Jhānas (Formlose Vertiefungen)
Über die vier Form-Jhānas hinaus beschreiben die Suttas vier weitere, noch tiefere Stufen der Sammlung, die als die formlosen Bereiche oder formlosen Vertiefungen (arūpa-jhānas oder arūpāyatanas) bekannt sind:
- Bereich des unendlichen Raumes (ākāsānañcāyatana)
- Bereich des unendlichen Bewusstseins (viññāṇañcāyatana)
- Bereich des Nichts (ākiñcaññāyatana)
- Bereich von weder Wahrnehmung noch Nicht-Wahrnehmung (nevasaññānāsaññāyatana)
Obwohl diese Zustände höchste Stufen der Sammlung darstellen und in einigen Suttas (wie AN 9.36) als Basis für die Beendigung der Triebe (āsavakkhaya) genannt werden, werden sie in der Standarddefinition von Sammā Samādhi im Achtfachen Pfad (wie in SN 45.8) üblicherweise nicht explizit aufgeführt.
Interpretationsunterschiede
Es ist wichtig zu wissen, dass es innerhalb der buddhistischen Tradition unterschiedliche Interpretationen und Betonungen bezüglich der Jhānas gibt. Einige Lehrer und Traditionen, oft basierend auf den Kommentaren wie dem Visuddhimagga, betonen die Tiefe der Absorption, in der die Sinneswahrnehmung stark reduziert oder aufgehoben ist. Andere, die sich stärker an den Suttas orientieren, beschreiben Jhāna als einen Zustand, der auch bei erhaltener Achtsamkeit und Klarheit zugänglicher sein kann und eher eine Entwicklung von wacher, gleichmütiger Beobachtung darstellt. Diese unterschiedlichen Verständnisse beeinflussen, wie Sammā Samādhi gelehrt und praktiziert wird, und erklären, warum verschiedene Meditationsschulen unterschiedliche Schwerpunkte setzen können, obwohl sie sich alle auf die Kultivierung von Samādhi beziehen.
Lehrreden (Suttas) zu Samādhi im Palikanon
Zahlreiche Lehrreden im Palikanon behandeln Samādhi direkt oder indirekt. Die folgende Auswahl konzentriert sich auf Suttas aus dem Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN), die den Begriff besonders hervorheben oder erklären, ergänzt um wichtige Beispiele aus dem Saṃyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN). Die Referenzen folgen dem Format: Nikāya + Nummer, Pali-Name, Deutscher Name (Übersetzung oder gängiger Name), und eine kurze Beschreibung der Relevanz. Die Hauptquelle für die Sutta-Referenzen und -texte ist SuttaCentral.net.
Dīgha Nikāya (DN) – Die Sammlung der langen Lehrreden
- DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)
- Beschreibung: Diese bedeutende Lehrrede schildert ausführlich den stufenweisen Übungsweg (anupubbasikkhā) eines Mönchs. Nach der Kultivierung von Tugend (Sīla), Sinnenzurückhaltung (indriyasaṃvara) und Achtsamkeit mit klarem Verstehen (satisampajañña) folgt die Überwindung der fünf geistigen Hindernisse (nīvaraṇa). Dies führt zu Freude (pāmojja), Ekstase (pīti), körperlicher Ruhe (passaddhi) und Glück (sukha), was den Geist auf natürliche Weise in die Sammlung (samādhi) münden lässt, die in den vier Jhānas ihren Höhepunkt findet. Das Sutta illustriert eindrücklich, wie Samādhi als Frucht der Läuterung und Beruhigung des Geistes entsteht.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/dn2
- DN 22: Mahāsatipaṭṭhāna Sutta (Die Große Lehrrede über die Grundlagen der Achtsamkeit)
- Beschreibung: Dies ist die zentrale und ausführlichste Lehrrede zur Praxis der Achtsamkeit (satipaṭṭhāna). Im Abschnitt über die Betrachtung des Geistes (cittānupassanā) wird explizit die Fähigkeit des Übenden genannt, zu erkennen, ob der eigene Geist gerade gesammelt (samāhitaṁ cittaṁ) oder ungesammelt (asamāhitaṁ cittaṁ) ist. Dies zeigt die enge Verbindung und das Zusammenspiel von Achtsamkeitspraxis und dem Gewahrsein von Samādhi-Zuständen.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/dn22 (Inhaltlich weitgehend identisch mit MN 10, aber mit ausführlicherer Erklärung der Vier Edlen Wahrheiten)
Majjhima Nikāya (MN) – Die Sammlung der mittleren Lehrreden
- MN 44: Cūḷavedalla Sutta (Die Kleine Lehrrede mit Fragen und Antworten)
- Beschreibung: In diesem Dialog erklärt die Nonne Dhammadinnā dem Laienanhänger Visākha tiefgründige Aspekte der Lehre. Sie ordnet die Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades den drei Schulungen (Sīla, Samādhi, Paññā) zu. Dabei gruppiert sie Rechte Anstrengung (Sammā Vāyāma), Rechte Achtsamkeit (Sammā Sati) und Rechte Sammlung (Sammā Samādhi) unter dem Begriff des Sammlungs-Aggregats (samādhikkhandha). Sie definiert Samādhi als Einigung des Geistes (cittassa ekaggatā) und nennt die vier Grundlagen der Achtsamkeit (cattāro satipaṭṭhānā) als dessen Grundlage oder Zeichen (samādhinimitta).
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/mn44
- MN 118: Ānāpānasati Sutta (Die Lehrrede über die Achtsamkeit auf den Atem)
- Beschreibung: Diese Lehrrede bietet eine detaillierte, sechzehnstufige Anleitung zur Entwicklung der Achtsamkeit durch Atembetrachtung (ānāpānasati). Die dritte Tetrade (Schritte 9-12) konzentriert sich auf den Geist und beinhaltet explizit das „Sammeln des Geistes“ (cittaṁ samādahaṁ) als elften Schritt. Das Sutta zeigt auf, wie die systematische Kultivierung der Atemachtsamkeit zur Entwicklung von Sammlung führt und wie diese Praxis die vier Satipaṭṭhānas und die sieben Erleuchtungsfaktoren (bojjhaṅga) erfüllt.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/mn118
Saṃyutta Nikāya (SN) – Die Sammlung der gruppierten Lehrreden
Hinweis: Obwohl es im Saṃyutta Nikāya kein eigenes Kapitel (Saṃyutta) gibt, das ausschließlich Samādhi gewidmet ist, finden sich zahlreiche relevante Lehrreden in verschiedenen Kapiteln. Besonders hervorzuheben sind:
- SN 22: Khandha Saṃyutta (Kapitel über die Aggregate): Dieses Kapitel enthält Lehrreden, die die Bedeutung von Samādhi für das Verständnis der fünf Daseinsgruppen (khandhas) betonen.
- SN 22.5: Samādhisutta (Lehrrede über die Sammlung)
- Beschreibung: Der Buddha fordert die Mönche auf: „Entwickelt Sammlung, ihr Mönche. Ein gesammelter Mönch versteht die Dinge, wie sie wirklich sind“ (samādhiṁ, bhikkhave, bhāvetha. samāhito, bhikkhave, bhikkhu yathābhūtaṁ pajānāti). Was er wirklich versteht, ist der Ursprung und das Vergehen der fünf Aggregate (Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewusstsein). Diese kurze, prägnante Rede verdeutlicht den erkenntnistheoretischen Zweck von Samādhi als Mittel zur Einsicht.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/sn22.5
- SN 45: Magga Saṃyutta (Kapitel über den Pfad): Dieses Kapitel enthält grundlegende Definitionen der acht Pfadfaktoren.
- SN 45.8: Magga-vibhaṅga Sutta (Analyse des Pfades)
- Beschreibung: Liefert die maßgebliche Definition aller acht Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades. Sammā Samādhi (Rechte Sammlung) wird hier explizit und ausschließlich durch die vier Jhānas definiert. Dies ist eine Schlüsselstelle für das korrekte Verständnis der Rechten Sammlung im Rahmen des Pfades.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/sn45.8
Aṅguttara Nikāya (AN) – Die Sammlung der angereihten Lehrreden
Hinweis: Der Aṅguttara Nikāya, nach ansteigender Zahl von Lehrpunkten geordnet, enthält viele kurze, aber wichtige Suttas zu spezifischen Aspekten von Samādhi.
- AN 4.41: Samādhibhāvanā Sutta (Die Entwicklung der Sammlung)
- Beschreibung: Dieses Sutta beschreibt vier unterschiedliche Arten oder Ziele der Entwicklung von Sammlung (samādhibhāvanā):
- Für ein glückseliges Verweilen im Hier und Jetzt (diṭṭhadhammasukhavihāra), erreicht durch die vier Jhānas.
- Zur Erlangung von Wissen und Vision (ñāṇadassana), z.B. durch die Licht-Meditation (ālokasañña).
- Zur Kultivierung von Achtsamkeit und klarem Verstehen (satisampajañña), indem das Entstehen, Bestehen und Vergehen von Gefühlen, Wahrnehmungen und Gedanken beobachtet wird.
- Zur Auflösung der Triebe/Befleckungen (āsavakkhaya), erreicht durch die Einsichtsmeditation (vipassanā) über das Entstehen und Vergehen der fünf Aggregate.
Diese Lehrrede zeigt eindrücklich die vielfältigen Anwendungsbereiche und Früchte der Sammlungs-Praxis, die über die reine Jhāna-Erfahrung oder Vipassanā hinausgehen und verschiedene Aspekte des Pfades unterstützen.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/an4.41
- Beschreibung: Dieses Sutta beschreibt vier unterschiedliche Arten oder Ziele der Entwicklung von Sammlung (samādhibhāvanā):
- AN 5.28: Pañcaṅgika Sutta (Die fünf Faktoren / Mit fünf Gliedern)
- Beschreibung: Beschreibt die Entwicklung der „Edlen Rechten Sammlung mit fünf Faktoren“ (ariyassa pañcaṅgikassa sammāsamādhissa bhāvanā). Die ersten vier Faktoren sind die vier Jhānas, deren durchdringende Qualität jeweils mit einem anschaulichen Gleichnis beschrieben wird: eine mit Wasser durchtränkte Badekugel (1. Jhāna), ein von einer Quelle gespeister See (2. Jhāna), im Wasser gedeihende Lotosblumen (3. Jhāna) und ein mit einem weißen Tuch bedeckter Mann (4. Jhāna). Der fünfte Faktor ist die Rückschau-Erkenntnis (paccavekkhaṇānimitta), die nach der Vertiefung reflektiert wird. Das Sutta betont, wie diese entwickelte Sammlung die Basis für höhere Geisteskräfte (abhiññā) bildet.
- SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/an5.28
(Optional sei auch AN 9.36: Jhāna Sutta (Lehrrede über die Vertiefungen) erwähnt, das betont, dass die Beendigung der Triebe (āsavakkhaya) von den Jhānas (einschließlich der formlosen Bereiche) abhängt. SuttaCentral Link: https://suttacentral.net/an9.36)
Übersicht ausgewählter Lehrreden zu Samādhi
Nikāya | Sutta Nr. | Pali-Name | Deutscher Name (Beispiel) | Relevanz für Samādhi |
---|---|---|---|---|
DN | 2 | Sāmaññaphala Sutta | Die Früchte des Asketenlebens | Beschreibt die Entwicklung von Samādhi (und Jhānas) als Teil des graduellen Pfades nach Überwindung der Hindernisse. |
DN | 22 | Mahāsatipaṭṭhāna Sutta | Große Lehrrede über Achtsamkeit | Nennt das Erkennen von gesammeltem/ungesammeltem Geist (samāhitaṁ/asamāhitaṁ cittaṁ) bei der Geistbetrachtung. |
MN | 44 | Cūḷavedalla Sutta | Kleine Lehrrede mit Fragen & Antworten | Definiert Samādhi als cittassa ekaggatā, gruppiert Pfadfaktoren zum samādhikkhandha, nennt Satipaṭṭhāna als samādhinimitta. |
MN | 118 | Ānāpānasati Sutta | Lehrrede über die Achtsamkeit auf den Atem | Beschreibt das „Sammeln des Geistes“ (cittaṁ samādahaṁ) als Schritt der Atembetrachtung. |
SN | 22.5 | Samādhisutta | Lehrrede über die Sammlung | Betont Samādhi als Voraussetzung, um Ursprung und Vergehen der Aggregate (khandhas) zu verstehen (yathābhūtaṁ). |
SN | 45.8 | Magga-vibhaṅga Sutta | Analyse des Pfades | Definiert Sammā Samādhi (Rechte Sammlung) explizit durch die vier Jhānas. |
AN | 4.41 | Samādhibhāvanā Sutta | Entwicklung der Sammlung | Nennt vier Zwecke der Samādhi-Entwicklung (Glück, Wissen/Vision, Achtsamkeit, Triebversiegung). |
AN | 5.28 | Pañcaṅgika Sutta | Mit fünf Gliedern | Beschreibt die vier Jhānas mit Gleichnissen als Faktoren der Edlen Rechten Sammlung. |
Zusammenfassung: Sammlung als Schlüssel zur Klarheit und Einsicht
Samādhi, die Sammlung oder Konzentration des Geistes, ist ein fundamentaler Pfeiler der buddhistischen Praxis. Es bezeichnet einen Zustand, in dem der Geist ruhig, klar, stabil und frei von Zerstreuung ist. Im Rahmen der Drei Schulungen bildet Samādhi die Brücke zwischen ethischem Verhalten (Sīla) und befreiender Weisheit (Paññā). Sīla schafft die Grundlage für einen ruhigen Geist, während Samādhi die notwendige Klarheit und Stabilität kultiviert, damit Paññā – die Einsicht in die wahre Natur der Wirklichkeit – entstehen kann.
Innerhalb des Edlen Achtfachen Pfades repräsentiert Sammā Samādhi (Rechte Sammlung), oft definiert durch die meditativen Vertiefungen der Jhānas, den Höhepunkt der meditativen Schulung. Sie baut auf Rechter Anstrengung und Rechter Achtsamkeit auf und steht in einem dynamischen Wechselspiel mit diesen.
Die Kultivierung von Samādhi ist kein Selbstzweck, sondern dient primär dazu, den Geist zu einem effektiven Werkzeug für die Einsichtsmeditation (Vipassanā) zu machen. Ein gesammelter Geist ist fähig, die Vergänglichkeit (anicca), die Leidhaftigkeit (dukkha) und die Substanzlosigkeit (anattā) aller Phänomene zu durchschauen und so den Weg zur Befreiung zu beschreiten.
Die hier vorgestellten Lehrreden aus den vier Haupt-Nikāyas bieten einen wertvollen Einblick in die verschiedenen Facetten von Samādhi und seiner Bedeutung im Palikanon. Sie laden dazu ein, durch das Studium der Originaltexte das eigene Verständnis zu vertiefen und Inspiration für die eigene Meditationspraxis zu finden.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- Lion’s Roar (Samadhi)
- Buddho.org (Morality)
- Wikipedia (Samadhi)
- Encyclopedia of Buddhism (Samādhi)
- Reddit Buddhism (Right Samadhi)
- Buddhism.net (Noble Eightfold Path)
- Reddit Theravada (Jhana vs Samadhi)
- SuttaCentral (DN Guide)
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Gleichmut (Upekkhā – Bojjhaṅga)
Als Kulmination der Erleuchtungsglieder entsteht Upekkhā, der Gleichmut. Dies ist ein Zustand vollkommener geistiger Ausgeglichenheit, Unparteilichkeit und Nicht-Anhaftens gegenüber allen Erfahrungen, frei von Anziehung und Abstoßung. Erfahre, wie dieser stabile, klare Geisteszustand die Sammlung perfektioniert und dich vor den Wechselfällen des Lebens schützt.