9. Anhaften (Upādāna)

9. Anhaften (Upādāna)
9. Anhaften (Upādāna)
9. Anhaften (Upādāna)

Upādāna – Anhaften als „Brennstoff“ des Leidens im Buddhismus

Die vier Arten des Anhaftens und ihre zentrale Rolle als neuntes Glied im Bedingten Entstehen

I. Einleitung: Upādāna – Die Wurzel des Anhaftens im Buddhismus

Der Pali-Begriff Upādāna ist ein Schlüsselkonzept im frühen Buddhismus, dessen Verständnis fundamental ist, um die buddhistische Analyse des Leidens (Dukkha) und den Weg zur Befreiung (Nibbāna) zu erfassen. Im Deutschen wird Upādāna häufig mit Begriffen wie „Anhaften“, „Ergreifen“, „Festhalten“ oder „Sich-Aneignen“ übersetzt. Diese Übersetzungen bieten eine erste Annäherung, doch sie können die Vielschichtigkeit und Tiefe des ursprünglichen Pali-Begriffs nicht vollständig abbilden. Upādāna bezeichnet nicht nur einen psychologischen Zustand des Klammerns, sondern verweist auch auf den „Brennstoff“, der den Prozess des Werdens und Leidens aufrechterhält.

Dieser Bericht zielt darauf ab, Upādāna umfassend zu definieren und seine verschiedenen Facetten zu beleuchten. Er wird die vier Arten des Anhaftens vorstellen, die enge Verbindung zu Taṇhā (Begehren) erläutern und die zentrale Rolle von Upādāna im Bedingten Entstehen (Paticcasamuppāda) darlegen. Darüber hinaus werden spezifische Lehrreden (Suttas) aus den Kernsammlungen des Palikanon vorgestellt und verlinkt, die Upādāna besonders behandeln, um interessierten Lesern einen direkten Zugang zu den Quellen und ein vertieftes Verständnis zu ermöglichen.

II. Was ist Upādāna ? Definition und Funktion

Um die volle Bedeutung von Upādāna zu erfassen, ist es hilfreich, sowohl seine wörtliche als auch seine übertragene Bedeutung zu betrachten.

Wörtliche Bedeutung: „Brennstoff“ und „Aufnehmen“

Etymologisch leitet sich Upādāna von der Wurzel √dā (geben, nehmen) mit den Präfixen upa- (nahe, hinzu) und ā- ab, was wörtlich „Aufnehmen“, „Ergreifen“, „Sich-Aneignen“ oder „Herannehmen“ bedeutet. Eine besonders wichtige wörtliche Bedeutung ist „Brennstoff“, „Nahrung“ oder „Substrat“ – also das Material, das einen aktiven Prozess am Leben erhält oder unterhält. Diese Bedeutung wird in den Lehrreden oft metaphorisch verwendet, insbesondere im bekannten Gleichnis vom Feuer: So wie ein Feuer Brennstoff (Upādāna) benötigt, um weiterzubrennen, so wird der Kreislauf des Leidens durch das Anhaften (Upādāna) genährt und aufrechterhalten. Das Anhaften selbst wird zum Brennstoff für weiteres Leiden.

Übertragene Bedeutung: „Anhaften“ und „Ergreifen“

Im psychologischen Sinne beschreibt Upādāna den mentalen Akt des Festhaltens, Klammerns und Sich-Identifizierens mit Objekten, Erfahrungen, Ansichten oder der Vorstellung eines festen Selbst. Es ist das mentale Ergreifen von Dingen, die als „Ich“ oder „mein“ betrachtet werden.

Die Spannung zwischen der wörtlichen Bedeutung „Brennstoff“ (als Prozess) und der übertragenen Bedeutung „Anhaften“ (als mentaler Zustand) ist dabei kein Widerspruch, sondern enthüllt eine tiefere Wahrheit: Der Prozess der leidvollen Existenz im Saṃsāra wird durch den mentalen Akt des Anhaftens aktiv genährt und aufrechterhalten. Wie ein Feuer, das ohne Brennstoff erlischt, würde auch der Kreislauf des Leidens ohne das Anhaften als „Treibstoff“ zum Stillstand kommen. Upādāna ist somit beides: der Brennstoff für das Leiden und der Akt des Ergreifens, der diesen Brennstoff bereitstellt.

Upādāna als intensiviertes Begehren ( Taṇhā )

Upādāna steht in einer engen Beziehung zu Taṇhā (Begehren, Durst, Verlangen) und wird oft als dessen intensivierte und verfestigte Form beschrieben. Während Taṇhā das grundlegende Verlangen oder Streben nach etwas noch nicht Erreichtem ist – vergleichbar mit einem Dieb, der im Dunkeln nach Beute tastet –, ist Upādāna das tatsächliche Ergreifen und Festhalten des Objekts, sobald es erreicht wurde – wie der Dieb, der seine Beute packt und nicht mehr loslässt. Es ist der Moment, in dem aus dem Wunsch ein Festhalten wird, ein bewusstes „dabei bleiben wollen“ bei einer Erfahrung oder einem Objekt.

Die Rolle im Bedingten Entstehen ( Paticcasamuppāda )

Im Rahmen der Lehre vom Bedingten Entstehen (Paticcasamuppāda), die den Prozess des Entstehens und Vergehens aller Phänomene beschreibt, nimmt Upādāna eine Schlüsselposition als neuntes Glied der zwölfteiligen Kette ein. Seine Existenz ist bedingt durch das vorangehende Glied, das Begehren: „Bedingt durch Begehren entsteht Anhaften“ (Taṇhāpaccayā upādānaṃ). Gleichzeitig ist Upādāna die notwendige Bedingung für das Entstehen des nächsten Glieds, Bhava (Werden, Existenz): „Bedingt durch Anhaften entsteht Werden“ (Upādānapaccayā bhavo).

Hier zeigt sich die kritische Funktion von Upādāna: Es ist nicht nur irgendeine Ursache, sondern die Intensivierung des Begehrens (Taṇhā), die aktiv die Weichen für die nächste Existenz stellt. Es markiert den Übergang von einem eher passiven Verlangen zu einer aktiven Verstrickung und Verpflichtung gegenüber dem weiteren Daseinskreislauf. Dieser Übergang wird durch spezifische Formen des Anhaftens – insbesondere durch das Anhaften an Sinnesfreuden (Kāmupādāna) – angetrieben und „befeuert“ die Entstehung von Bhava. An diesem Punkt wird aus dem Begehren eine Handlung (bewusstes Festhalten), die karmische Energie (Kamma) erzeugt und zur Fortsetzung des Leidenszyklus führt. Das Verständnis dieses kritischen Übergangspunktes ist entscheidend, um den Kreislauf durchbrechen zu können.

Das Anhaften (Upādāna) richtet sich dabei typischerweise auf die fünf Daseinsgruppen oder Aggregate (Khandhas): Form (Rūpa), Gefühl (Vedanā), Wahrnehmung (Saññā), Geistesformationen (Saṅkhārā) und Bewusstsein (Viññāṇa). Indem wir an diesen vergänglichen Bestandteilen unserer Erfahrung festhalten und uns mit ihnen identifizieren, werden sie zu den „fünf Aggregaten des Anhaftens“ (Pañcupādānakkhandhā) und damit zur Grundlage des Leidens.

III. Die Vier Arten des Anhaftens ( Cattāri Upādānāni )

Der Palikanon unterscheidet vier Hauptformen, in denen sich Upādāna manifestiert:

  1. Kāmupādāna: Anhaften an Sinnesfreuden. Dies bezieht sich auf das Ergreifen und Festhalten an angenehmen Erfahrungen, die durch die sechs Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten und Denken) vermittelt werden. Es ist das Klammern an sinnliches Vergnügen und weltliche Genüsse.
  2. Diṭṭhupādāna: Anhaften an Ansichten. Damit ist das Festhalten an festen Meinungen, Ideologien, philosophischen Spekulationen oder Glaubenssätzen gemeint, insbesondere wenn diese extrem sind (z.B. Ewigkeitsglaube oder Nihilismus) und nicht der Wirklichkeit entsprechen.
  3. Sīlabbatupādāna: Anhaften an Regeln und Ritualen. Dies beschreibt den Glauben, dass äußere Regeln, Zeremonien, asketische Praktiken oder ethische Vorschriften an sich, rein durch ihre Ausübung, zur Läuterung oder Befreiung führen können, ohne dass eine innere Transformation von Weisheit und Mitgefühl stattfindet. Beispiele aus den Texten sind etwa die Imitation von Tierverhalten in der Hoffnung auf spirituellen Fortschritt.
  4. Attavādupādāna: Anhaften an Selbst-Lehren. Dies ist das Festhalten am Glauben an ein beständiges, unabhängiges Selbst, ein „Ich“ oder eine „Seele“ (Attā). Diese Vorstellung wird oft fälschlicherweise mit den vergänglichen fünf Aggregaten identifiziert oder als diesen innewohnend betrachtet. Dies entspricht der „Persönlichkeitsansicht“ (Sakkāyadiṭṭhi).

Die folgende Tabelle fasst die vier Arten übersichtlich zusammen:

Pali Begriff Deutsche Übersetzung Kurze Erklärung
Kāmupādāna Anhaften an Sinnesfreuden Ergreifen von angenehmen Sinnesobjekten (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten, Denken) und Festhalten an sinnlichem Vergnügen.
Diṭṭhupādāna Anhaften an Ansichten Festhalten an Meinungen, Theorien, Ideologien (z.B. Ewigkeitsglaube, Nihilismus), die nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Sīlabbatupādāna Anhaften an Regeln & Ritualen Glaube, dass äußere Regeln, Zeremonien oder asketische Praktiken (wie Tierimitationen) an sich zur Läuterung/Befreiung führen.
Attavādupādāna Anhaften an Selbst-Lehren Glaube an ein beständiges, unabhängiges Selbst („Ich“, „Seele“), das fälschlicherweise in/mit den vergänglichen Daseinsfaktoren (Aggregaten) identifiziert wird. Eng verbunden mit Sakkāyadiṭṭhi (Persönlichkeitsansicht).

Der Kommentator Buddhaghosa interpretierte diese vier Arten in einer Reihenfolge von grob zu subtil: Das Anhaften an Sinnesfreuden sei am offensichtlichsten, während das Anhaften an die Selbst-Lehre am subtilsten und tiefsten verwurzelt sei. Er sah auch eine kausale Verknüpfung: Der grundlegende Glaube an ein permanentes Selbst (Attavādupādāna) führe zu falschen Ansichten (Diṭṭhupādāna) über dessen ewige oder vergängliche Natur. Diese Ansichten wiederum bedingen das Festhalten an Ritualen (Sīlabbatupādāna) zur Selbstreinigung (im Falle des Ewigkeitsglaubens) oder das exzessive Klammern an Sinnesfreuden (Kāmupādāna) aus einer nihilistischen Haltung heraus (im Falle des Vernichtungsglaubens). Letztlich lassen sich die vier Arten auf zwei Grundprobleme zurückführen: Kāmupādāna als Ausdruck von Gier (Lobha) bzw. Begehren (Taṇhā) und die anderen drei (Diṭṭhu-, Sīlabbata-, Attavādupādāna) als Ausdruck von falscher Ansicht (Diṭṭhi).

Diese hierarchische Sichtweise hat wichtige Implikationen für die buddhistische Praxis. Während grobe Anhaftungen wie die an Sinnesfreuden vielleicht zuerst ins Auge fallen und angegangen werden können, erfordert die vollständige Befreiung die Auseinandersetzung mit der subtilsten und fundamentalsten Form des Anhaftens: dem Glauben an ein beständiges Selbst (Attavādupādāna). Die Überwindung dieser tief verwurzelten Identifikation ist nur durch die Entwicklung von Weisheit (Paññā) möglich, insbesondere durch das Verständnis der Lehre vom Nicht-Selbst (Anattā).

Dies unterstreicht die zentrale und einzigartige Stellung der Anattā-Lehre im Buddhismus. Während andere philosophische oder religiöse Traditionen durchaus Konzepte von Anhaftung und Loslösung kennen und vielleicht sogar Phänomene beschreiben, die den ersten drei Arten des Upādāna ähneln, ist die spezifische Identifizierung und Betonung des Attavādupādāna als Kernproblem und dessen Überwindung durch die Einsicht in Anattā ein Alleinstellungsmerkmal der buddhistischen Lehre.

IV. Upādāna in den Lehrreden des Palikanon: Ausgewählte Beispiele

Die tiefsten Einsichten in Upādāna finden sich in den Lehrreden (Suttas) des Buddha und seiner frühen Schüler, die im Palikanon gesammelt sind. Die Lektüre dieser Primärtexte ist für ein umfassendes Verständnis unerlässlich. Die Online-Ressource SuttaCentral (https://suttacentral.net/) bietet Zugang zu diesen Texten in Pali und vielen Übersetzungen, einschließlich Deutsch, soweit verfügbar.

Im Folgenden werden einige Schlüssel-Suttas aus den vier Haupt-Nikāyas vorgestellt, die Upādāna zentral behandeln.

Dīgha Nikāya (DN): Die langen Lehrreden

DN 15: Mahānidāna Sutta (Die große Lehrrede über die Ursachen)

  • Relevanz: Dieses Sutta ist eine der ausführlichsten Darlegungen der Kette des Bedingten Entstehens (Paticcasamuppāda). Es erklärt detailliert, wie jedes Glied das nächste bedingt und zeigt explizit die Verbindungen „Bedingt durch Begehren entsteht Anhaften“ (Taṇhāpaccayā upādānaṃ) und „Bedingt durch Anhaften entsteht Werden“ (Upādānapaccayā bhavo) auf. Es verdeutlicht, dass Upādāna eine notwendige Bedingung für die Fortsetzung des leidvollen Daseinskreislaufs ist.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/dn15/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/dn15/en/sujato | https://suttacentral.net/dn15/en/bodhi

Majjhima Nikāya (MN): Die mittleren Lehrreden

MN 9: Sammādiṭṭhi Sutta (Rechte Ansicht)

  • Relevanz: Der Ehrwürdige Sāriputta erklärt hier grundlegende buddhistische Lehren als Bestandteile der Rechten Ansicht, dem ersten Glied des Edlen Achtfachen Pfades. Das korrekte Verständnis von Upādāna, seinem Ursprung (nämlich Taṇhā), seinem Aufhören und dem Weg, der zu seinem Aufhören führt (dem Achtfachen Pfad), wird hier als integraler Aspekt der Rechten Ansicht definiert.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/mn9/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/mn9/en/sujato

MN 11: Cūḷasīhanāda Sutta (Die kurze Löwenruf-Lehrrede)

  • Relevanz: Dieses Sutta stellt die vier Arten des Anhaftens (Kāmupādāna, Diṭṭhupādāna, Sīlabbatupādāna, Attavādupādāna) explizit vor. Es erhebt den Anspruch, dass nur die Lehre des Buddha das vollständige Verständnis und die Überwindung aller vier Arten ermöglicht, insbesondere des subtilen Anhaftens an Selbst-Lehren (Attavādupādāna), welches anderen Lehren verborgen bleibe. Das Sutta verbindet das Aufhören des Anhaftens direkt mit dem Ende von Furcht und Besorgnis und dem Erreichen von Nibbāna.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/mn11/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/mn11/en/sujato

MN 44: Cūḷavedalla Sutta (Die kürzere Reihe von Fragen und Antworten)

  • Relevanz: In diesem Dialog erklärt die weise Nonne Dhammadinnā dem Laienanhänger Visākha zentrale Begriffe. Sie definiert die „Persönlichkeit“ (Sakkāya) als die fünf Aggregate des Anhaftens (Pañcupādānakkhandhā) und identifiziert das Begehren (Taṇhā) als deren Ursprung. Obwohl die vier Arten von Upādāna nicht explizit genannt werden, legt das Sutta die Grundlage für das Verständnis des Anhaftens an die Selbst-Lehre (Attavādupādāna), indem es zeigt, wie die Identifikation mit den vergänglichen Aggregaten entsteht und auf Begehren basiert.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/mn44/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/mn44/en/sujato

Samyutta Nikāya (SN): Die gruppierten Lehrreden

Der Samyutta Nikāya enthält eine Fülle kurzer Suttas, die thematisch geordnet sind (Samyutta bedeutet „gruppiert“ oder „verbunden“). Viele dieser Kapitel behandeln Aspekte, die für das Verständnis von Upādāna relevant sind.

SN 12: Nidāna Saṃyutta (Kapitel über Ursachen/Bedingtes Entstehen)

  • Relevanz: Dieses Kapitel ist die Hauptquelle für die Lehre vom Paticcasamuppāda im Palikanon und enthält zahlreiche Suttas, die die einzelnen Glieder, einschließlich Upādāna, und ihre Beziehungen zueinander erläutern.

SN 12.52: Upādāna Sutta (Anhaften)

  • Relevanz: Dieses Sutta verwendet das eindringliche Gleichnis vom Feuer, um die Dynamik des Anhaftens zu illustrieren. So wie ein großes Feuer ständig neuen Brennstoff (Upādāna im wörtlichen Sinn) benötigt, um weiterzubrennen, so wird das Leiden durch das Anhaften (Upādāna im übertragenen Sinn) genährt. Dieses Anhaften wiederum wird durch das Betrachten des Angenehmen und Anziehenden (Assāda) in den Dingen, an die man sich klammern kann (die Aggregate), stimuliert. Umgekehrt führt das Betrachten der Nachteile und Gefahren (Ādīnava) dieser Dinge zum Nachlassen des Begehrens und damit zum Erlöschen des Anhaftens und des Leidens – so wie ein Feuer erlischt, wenn kein Brennstoff mehr nachgelegt wird.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/sn12.52/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/sn12.52/en/sujato | https://suttacentral.net/sn12.52/en/bodhi

SN 22: Khandha Saṃyutta (Kapitel über die Daseinsgruppen/Aggregate)

  • Relevanz: Dieses Kapitel widmet sich den fünf Aggregaten (Khandhas), die, wie bereits erwähnt, die primären Objekte des Anhaftens sind und daher als Pañcupādānakkhandhā (die fünf Aggregate des Anhaftens) bezeichnet werden.

SN 22.7: Upādāparitassanā Sutta (Furcht durch Anhaften)

  • Relevanz: Dieses Sutta erklärt sehr direkt den psychologischen Mechanismus, wie Anhaften zu Leiden führt. Es zeigt auf, dass, wenn eine ungeschulte Person die vergänglichen Aggregate (Form, Gefühl, Wahrnehmung, Formationen, Bewusstsein) als „Ich“, „mein“ oder „mein Selbst“ betrachtet (Upādāna, insbesondere Attavādupādāna), sie unweigerlich in Furcht, Sorge und Besorgnis (Paritassanā) gerät, sobald sich diese Aggregate verändern und vergehen. Das Problem liegt also nicht in den Aggregaten selbst, sondern in unserer Beziehung zu ihnen – dem Ergreifen und Identifizieren. Wer hingegen die Aggregate als das erkennt, was sie sind – unbeständig, leidhaft und ohne Selbst – und nicht an ihnen anhaftet, bleibt frei von dieser Furcht und Besorgnis, auch wenn die Aggregate sich verändern. Diese Unterscheidung zwischen den Phänomenen an sich und dem Anhaften an ihnen ist fundamental für das Verständnis des buddhistischen Weges.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/sn22.7/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/sn22.7/en/sujato

Aṅguttara Nikāya (AN): Die nummerierten Lehrreden

Der Aṅguttara Nikāya ordnet die Lehrreden nach der Anzahl der behandelten Punkte (von Eins bis Elf).

AN 4.10: Yoga Sutta (Die Joche/Bande)

  • Relevanz: Dieses Sutta präsentiert ein Konzept, das eng mit den vier Arten des Anhaftens verwandt ist: die vier „Joche“ oder „Bande“ (Yoga), die Lebewesen an den Kreislauf der Wiedergeburten (Saṃsāra) binden. Diese sind: das Joch der Sinnlichkeit (Kāmayoga), das Joch des Werdens (Bhavayoga), das Joch der Ansichten (Diṭṭhiyoga) und das Joch der Unwissenheit (Avijjāyoga). Diese vier Joche entsprechen inhaltlich weitgehend den vier Upādānas. Das Sutta erklärt, dass das wahre Verständnis ihres Ursprungs, ihres Endes, ihrer (trügerischen) Befriedigung, ihrer Gefahr und des Entkommens aus ihnen zur Befreiung von diesen Jochen (Visaṁyoga) führt. Wer von diesen Jochen befreit ist, erreicht Yogakkhema – „Sicherheit vor dem Joch“ – ein Synonym für Nibbāna. Dieses Sutta verstärkt die zentrale Botschaft über die Notwendigkeit, die Fesseln des Anhaftens in all ihren Formen zu durchschauen und zu lösen.
  • Link (Deutsch): https://suttacentral.net/an4.10/de/mettiko
  • Link (Englisch): https://suttacentral.net/an4.10/en/sujato | https://suttacentral.net/an4.10/en/bodhi

V. Zusammenfassung: Verstehen und Loslassen als Weg

Upādāna – das Anhaften, Ergreifen und Sich-Identifizieren – erweist sich als ein zentrales Element im buddhistischen Verständnis von Leiden und Befreiung. Genährt durch das tief sitzende Begehren (Taṇhā) und die grundlegende Unwissenheit (Avijjā) über die wahre Natur der Wirklichkeit (insbesondere Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Nicht-Selbst), wirkt Upādāna in seinen vier Formen (Anhaften an Sinnesfreuden, Ansichten, Regeln/Ritualen und Selbst-Lehren) als der entscheidende „Brennstoff“, der das Feuer des Leidens (Dukkha) und den Kreislauf der Wiedergeburten (Saṃsāra) unaufhörlich am Brennen hält.

Der Weg zur Befreiung liegt im Verstehen und Loslassen dieses Anhaftens. Die in diesem Bericht vorgestellten Lehrreden des Palikanon bieten unschätzbare Einblicke in die Natur, die Ursachen und die Folgen von Upādāna. Das Studium dieser Texte, verbunden mit der Kultivierung des Edlen Achtfachen Pfades – insbesondere der Entwicklung von Rechter Ansicht, Achtsamkeit (Sati) und Weisheit (Paññā) – ermöglicht es, die Mechanismen des Anhaftens zu durchschauen und schrittweise loszulassen.

Indem der „Brennstoff“ entzogen wird, kann das Feuer des Leidens erlöschen und Nibbāna, die endgültige Befreiung, erreicht werden.

Es ist daher eine Ermutigung an alle Leserinnen und Leser, die bereitgestellten Verweise zu nutzen und die Lehrreden auf SuttaCentral selbst zu erforschen. Möge dieses Studium dazu beitragen, das eigene Verständnis von Upādāna zu vertiefen und den Pfad des Loslassens und der Befreiung vom Leiden zu beschreiten.

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