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Der Tathāgata im Palikanon: Definition, Bedeutung und Lehrreden

Wer ist der Tathāgata und welche Bedeutung hat dieser Titel im frühen Buddhismus?

1. Einleitung: Wer ist der Tathāgata ?

Im Palikanon, der ältesten Sammlung buddhistischer Schriften, begegnet uns immer wieder der Begriff Tathāgata. Es ist einer der bedeutendsten und am häufigsten verwendeten Ehrentitel für den Buddha, Siddhartha Gautama. Besonders auffällig ist, dass der Buddha diesen Titel oft verwendet, wenn er von sich selbst spricht, anstelle von Pronomen wie „ich“ oder „mein“. Dieses Stilmittel ist mehr als nur eine rhetorische Figur; es ist eine bewusste Wahl, die tief in der buddhistischen Lehre verwurzelt ist. Sie unterstreicht, dass der Sprechende die menschliche Bedingtheit, den endlosen Kreislauf von Wiedergeburt und Tod (saṃsāra) und das damit verbundene Leiden (dukkha) transzendiert hat. Die Selbstbezeichnung als Tathāgata verweist auf eine Realität jenseits der persönlichen Identifikation und des Ego-Bewusstseins, im Einklang mit der Kernlehre vom Nicht-Selbst (Anattā). Sie deutet auf die unpersönliche, universelle Natur der Wahrheit (Dhamma) hin, die ein Buddha verkörpert.

Das Verständnis des Begriffs Tathāgata ist daher von zentraler Bedeutung, um die buddhistische Vorstellung von Erwachen (Bodhi), die Natur eines Buddha und seine Rolle als höchster Lehrer zu erfassen. Der Titel signalisiert jemanden, der das höchste spirituelle Ziel erreicht hat und die Wahrheit vollkommen verwirklicht hat.

Dieser Bericht zielt darauf ab, den Begriff Tathāgata zu definieren und seine vielschichtige Bedeutung zu erklären. Er wird Schlüssel-Lehrreden (Suttas) aus dem Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN) vorstellen, die diesen Begriff beleuchten, ihn in den weiteren Kontext des Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) einbetten und wichtige verwandte Konzepte erläutern. Ziel ist es, interessierten Lesern einen fundierten Zugang zu diesem zentralen Begriff des frühen Buddhismus zu ermöglichen und sie zu den Originalquellen zu führen.

2. Definition und Bedeutung des Begriffs Tathāgata

Die genaue Etymologie und ursprüngliche Bedeutung von Tathāgata sind nicht mit letzter Sicherheit geklärt, was bereits in den alten Kommentaren zu verschiedenen Interpretationen führte. Der Begriff setzt sich aus zwei Teilen zusammen:

Tathā: Dieses Adverb bedeutet „so“, „also“, „auf diese Weise“. Im buddhistischen Kontext verweist es oft auf die Wirklichkeit, wie sie ist (yathābhūta), die „Soheit“ oder „Wirklichkeit“ (tathatā).

Gata oder Āgata: Gata ist das Partizip Perfekt Passiv von gam („gehen“) und bedeutet „gegangen“. Āgata ist das Partizip Perfekt Passiv von ā + gam („kommen“, „ankommen“) und bedeutet „gekommen“, „angekommen“.

Aus dieser Struktur ergeben sich die beiden häufigsten Grundinterpretationen:

  • „Der So-Gegangene“ (tathā-gata): Dies deutet auf jemanden hin, der auf diese Weise – wie alle früheren Buddhas – den Pfad zur Befreiung gegangen ist und Nibbāna erreicht hat, also saṃsāra transzendiert hat. Diese Lesart betont das Erreichen des Ziels, das Ende des Leidensweges.
  • „Der So-Gekommene“ (tathā-āgata): Dies verweist auf jemanden, der auf diese Weise – wie alle früheren Buddhas – in die Welt gekommen ist, um den Dhamma, den Weg zur Befreiung, zu lehren. Diese Interpretation hebt die mitfühlende, lehrende Funktion des Buddha hervor.

Weitere wichtige Interpretationen und Bedeutungsaspekte sind:

  • „Der zur Wirklichkeit/Soheit Gelangte“: Diese Deutung verbindet Tathāgata direkt mit Tathātā (Soheit, Wirklichkeit wie sie ist). Der Tathāgata ist demnach jemand, der die wahre Natur der Realität erkannt hat und verkörpert. Er ist derjenige, der die Wirklichkeit, wie sie ist, kennt und sieht (yathā bhūta ñāna dassana).
  • „Einer wie dieser“: Der Indologe Richard Gombrich schlug vor, dass -gata in Zusammensetzungen oft seine wörtliche Bedeutung verliert und eher „seiend“ bedeutet. Tathāgata wäre dann „einer wie dieser“, jemand, der diesen Zustand verkörpert, ohne eine Bewegung in eine Richtung zu implizieren.
  • Kommentariale Erklärungen: Der berühmte Kommentator Buddhaghosa (5. Jh. n. Chr.) listet acht verschiedene Erklärungen auf, die zeigen, dass schon früh über die genaue Bedeutung diskutiert wurde. Dazu gehören Bedeutungen wie: „Der die Wahrheit errungen hat“, „Der die Wahrheit erkannt hat“, „Der die Wahrheit verkündet“, „Derjenige, dessen Worte und Taten übereinstimmen“ oder „Der große Arzt, dessen Medizin allmächtig ist“.

Obwohl der Begriff wahrscheinlich schon vor dem Buddha existierte, wurde er im Buddhismus mit einer spezifischen, tiefen Bedeutung gefüllt. Er bezeichnet den vollkommen Erwachten (Sammāsambuddha), der die höchste Wahrheit (Dhamma) aus eigener Kraft wiederentdeckt und lehrt. Er ist „unermesslich“, „unergründlich“, „schwer zu ergründen“. Er hat das Anhaften an die Daseinsgruppen (khandhas) aufgegeben, das den Geist zu einer messbaren Größe macht, und ist daher selbst zu Lebzeiten von jeglicher Festlegung befreit.

Die Vieldeutigkeit und die zahlreichen Interpretationen des Wortes Tathāgata sind kein Zeichen von Unklarheit, sondern spiegeln vielmehr die Natur dessen wider, worauf der Begriff verweist: den Zustand der Buddhaschaft selbst. Dieser Zustand transzendiert die Grenzen gewöhnlicher Sprache und konventioneller Konzepte wie „Sein“ und „Nichtsein“. Die Unmöglichkeit, den Tathāgata nach dem Tod begrifflich zu fassen – eine Frage, die der Buddha wiederholt als unbeantwortbar zurückwies – unterstreicht diese Transzendenz. Der Begriff ist somit weniger eine feste Definition als vielmehr ein Fingerzeig auf eine unbeschreibliche, höchste Wirklichkeit.

3. Der Tathāgata im Dīgha Nikāya (DN) – Ausgewählte Lehrreden

Der Dīgha Nikāya, die Sammlung der „Langen Lehrreden“, enthält mehrere Suttas, die wichtige Aspekte des Tathāgata beleuchten, oft im Kontext seiner Rolle als Lehrer und der Natur seiner Lehre.

DN 29: Pāsādika Sutta (Die erfreuende Lehrrede)

Kontext und Relevanz: Diese Lehrrede wurde kurz nach dem Tod des Jain-Führers Nigaṇṭha Nātaputta gehalten, dessen Anhängerschaft daraufhin in Streit und Spaltung zerfiel. Der Buddha nutzt diesen Anlass, um die Eigenschaften seiner eigenen Lehre (Dhamma-Vinaya) hervorzuheben: Sie ist vollständig, wohlverkündet, führt zur Befreiung (Nibbāna) und ist von solcher Stabilität, dass sie auch nach seinem physischen Verlöschen (Parinibbāna) Bestand haben wird. Obwohl der Begriff Tathāgata hier nicht explizit definiert wird, charakterisiert die Sutta ihn indirekt durch die Vollkommenheit und Zeitlosigkeit seiner Lehre. Der Tathāgata erscheint als der vollendete Lehrer (satthā), dessen Lehre eine in sich geschlossene, zur Befreiung führende und dauerhafte Grundlage darstellt. Er ist die Quelle eines Pfades, der nicht mit dem Lehrer vergeht.

Quelle: DN 29, Pāsādika Sutta (Die erfreuende Lehrrede), siehe suttacentral.net/dn29.

DN 16: Mahāparinibbāna Sutta (Die Lehrrede vom Großen Verlöschen)

Kontext und Relevanz: Dieses umfangreiche Sutta beschreibt die letzten Monate im Leben des Buddha, seinen Tod und sein Eingehen ins endgültige Nibbāna. Es enthält die berühmte Aussage, dass der Tathāgata die Lehre ohne Zurückhaltung, ohne eine „geballte Lehrerfaust“ (ācariyamuṭṭhi), dargelegt hat. Alles Notwendige für den Weg zur Befreiung wurde offenbart. Dies unterstreicht die Rolle des Tathāgata als eines großzügigen und vollkommen transparenten Lehrers. Das Sutta erwähnt auch die Fähigkeit des Tathāgata, seine Lebensspanne zu verlängern, was auf seine überragende Meisterschaft hinweist. Insgesamt wird der Tathāgata hier als die Verkörperung des vollendeten Pfades dargestellt, dessen physisches Ableben die Wirksamkeit des von ihm gelehrten Dhamma nicht schmälert.

Quelle: DN 16, Mahāparinibbāna Sutta (Die Lehrrede vom Großen Verlöschen), siehe suttacentral.net/dn16.

(Kurzer Verweis) DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)

Relevanz: In dieser Lehrrede werden die „nicht erklärten Punkte“ (avyākata) erwähnt, zu denen auch die Fragen nach der Existenz des Tathāgata nach dem Tod gehören. Dies bildet einen frühen Kontext für die spätere, vertiefte Auseinandersetzung mit der Transzendenz des Tathāgata.

Quelle: DN 2, Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens), siehe suttacentral.net/dn2.

Die Beispiele aus dem Dīgha Nikāya betonen somit stark die Funktion des Tathāgata als des vollkommenen, unersetzlichen Lehrers. Seine Identität ist untrennbar mit der von ihm entdeckten und verkündeten Lehre verbunden, die als vollständiger und ausreichender Weg zur Befreiung auch über seinen Tod hinaus Bestand hat.

4. Der Tathāgata im Majjhima Nikāya (MN) – Ausgewählte Lehrreden

Der Majjhima Nikāya, die Sammlung der „Mittellangen Lehrreden“, vertieft das Verständnis des Tathāgata, indem er stärker auf seine einzigartigen Fähigkeiten und die philosophischen Dimensionen seiner Existenz eingeht.

MN 12: Mahāsīhanāda Sutta (Die große Lehrrede vom Löwengebrüll)

Kontext und Relevanz: Der Buddha antwortet hier auf die Anschuldigung des ehemaligen Schülers Sunakkhatta, er besäße keine übermenschlichen Fähigkeiten und seine Lehre sei lediglich auf logischem Denken aufgebaut. Dieses Sutta ist fundamental für das Verständnis des Tathāgata. Der Buddha widerlegt Sunakkhatta, indem er detailliert die Zehn Kräfte eines Tathāgata (Dasabalañāṇa) und die Vier Arten der Unerschrockenheit/Selbstsicherheit (Vesārajja) darlegt. Diese einzigartigen Fähigkeiten – wie das Wissen um Karmafolgen, die Bestimmungsorte der Wesen, die Fähigkeiten anderer, vergangene Leben und die Versiegung der Triebe (āsava) – bilden die Grundlage für sein „Löwengebrüll“ (sīhanāda): seine furchtlose, autoritative Verkündigung des Dhamma in jeder Versammlung. Der Tathāgata wird hier durch spezifische, außergewöhnliche kognitive und spirituelle Kapazitäten definiert, die ihn von allen anderen Wesen unterscheiden.

Quelle: MN 12, Mahāsīhanāda Sutta (Die große Lehrrede vom Löwengebrüll), siehe suttacentral.net/mn12.

MN 63: Cūḷamālukya Sutta (Die kürzere Lehrrede an Māluṅkyāputta)

Kontext und Relevanz: Der Mönch Māluṅkyāputta fordert vom Buddha Antworten auf spekulative Fragen, darunter die berühmte vierfache Frage nach dem Zustand des Tathāgata nach dem Tod: Existiert er? Existiert er nicht? Existiert er sowohl als auch? Existiert er weder noch?. Die Weigerung des Buddha, diese Fragen direkt zu beantworten, da sie nicht zur Befreiung führen, ist lehrreich. Sie illustriert die Grenzen konventioneller Sprache und Logik („existiert“ / „existiert nicht“), wenn sie auf den unbedingten Zustand (asaṅkhata) eines Tathāgata angewendet werden, der jenseits der bedingten Daseinsgruppen (khandhas) liegt. Es unterstreicht die Vorstellung, dass der Tathāgata die Kategorien des gewöhnlichen Seins transzendiert.

Quelle: MN 63, Cūḷamālukya Sutta (Die kürzere Lehrrede an Māluṅkyāputta), siehe suttacentral.net/mn63.

(Kurzer Verweis) MN 22: Alagaddūpama Sutta (Das Gleichnis von der Wasserschlange)

Relevanz: Dieses Sutta behandelt das falsche Ergreifen von Ansichten, einschließlich Ansichten über ein Selbst (attā). Es erwähnt die Schwierigkeit, den Tathāgata selbst zu Lebzeiten zu „finden“, wenn man ihn innerhalb der fünf Aggregate sucht. Dies bekräftigt die Lehre von Anattā und die Unfassbarkeit des Tathāgata als einer festen Entität.

Quelle: MN 22, Alagaddūpama Sutta (Das Gleichnis von der Wasserschlange), siehe suttacentral.net/mn22.

Die Texte des Majjhima Nikāya rücken somit die einzigartigen Wissensfähigkeiten (ñāṇa) des Tathāgata und seine Beziehung zur ultimativen Wirklichkeit stärker in den Vordergrund. MN 12 definiert ihn positiv durch das, was er weiß und kann (Kräfte, Unerschrockenheiten), während MN 63 ihn negativ definiert, durch das, was über ihn in konventionellen Begriffen nicht gesagt werden kann. Beide Ansätze heben seine höchste Erkenntnis und seine Transzendenz gegenüber der gewöhnlichen, bedingten Existenz hervor.

5. Weitere Erwähnungen im Palikanon: Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN)

Die Sammlungen der „Gruppierten Lehrreden“ (Samyutta Nikāya) und der „Angereihten Lehrreden“ (Aṅguttara Nikāya) enthalten ebenfalls wichtige Aussagen über den Tathāgata, die sein Verständnis weiter kontextualisieren.

Samyutta Nikāya (SN):

  • Es gibt kein eigenes Kapitel (Saṃyutta), das explizit dem Tathāgata gewidmet ist. Jedoch finden sich relevante Diskussionen in verschiedenen anderen Kapiteln.
  • Besonders wichtig ist SN 22: Khandha Saṃyutta (Gruppierte Lehrreden über die Daseinsgruppen).
  • SN 22.58: Sammāsambuddha Sutta (Der Vollkommen Erwachte) stellt explizit den Tathāgata als den Entdecker und Urheber des Pfades dem befreiten Mönch gegenüber, der diesem Pfad folgt. Dies unterstreicht die einzigartige, grundlegende Rolle des Tathāgata.
  • Die Anurādha Suttas (SN 22.85 & SN 22.86) behandeln, ähnlich wie MN 63, die Frage nach dem Tathāgata nach dem Tod und betonen seine Unauffindbarkeit innerhalb oder außerhalb der Aggregate.
  • Im SN 12: Nidāna Saṃyutta (Gruppierte Lehrreden über Bedingtes Entstehen) verknüpft SN 12.21: Dasabalasutta (Die Zehn Kräfte) die zehn Kräfte und vier Unerschrockenheiten des Tathāgata direkt mit seiner Fähigkeit, das Bedingte Entstehen (Paṭiccasamuppāda) und die Natur der Aggregate zu lehren.
  • SN 56.11: Dhammacakkappavattana Sutta (Die Lehrrede vom Ingangsetzen des Rades der Lehre) ist die erste Lehrrede, in der der Buddha als Tathāgata den Mittleren Weg und die Vier Edlen Wahrheiten verkündet.

Aṅguttara Nikāya (AN):

  • AN 4.33: Sīhasutta (Der Löwe) verwendet die kraftvolle Metapher des Löwengebrülls. So wie Tiere vom Gebrüll des Löwen erfasst werden, so werden selbst mächtige Götter von der Wahrheit der Vergänglichkeit ergriffen, wenn der Tathāgata den Dhamma (hier spezifisch über Identität/Selbst) lehrt. Dies betont die tiefgreifende Wirkung und Autorität seiner Lehre.
  • AN 10.21: Dasabalasutta (Die Zehn Kräfte) ist eine weitere zentrale Lehrrede, die die zehn Kräfte des Tathāgata auflistet und diese als definierende Merkmale bekräftigt.
  • AN 4.23 (parallel zu Iti 112) liefert weitere Definitionen bzw. Erklärungen des Tathāgata, die Wahrhaftigkeit und die Übereinstimmung von Wort und Tat betonen („Wie er spricht, so tut er; wie er tut, so spricht er“).

Die Verweise in SN und AN bekräftigen die Identität des Tathāgata durch seine einzigartige Funktion als Pfad-Entdecker (SN 22.58), seine spezifische Wissensgrundlage (Zehn Kräfte, verknüpft mit Kernelementen der Lehre wie Paṭiccasamuppāda in SN 12.21, AN 10.21) und die unvergleichliche Wirkung seiner Lehre (Löwengebrüll in AN 4.33). Sie differenzieren ihn konsequent von selbst höchst verwirklichten Schülern (Arahants) und heben seine grundlegende Rolle für die Entstehung und Verbreitung des Befreiungsweges hervor.

6. Verwandte Begriffe und Konzepte zum Verständnis des Tathāgata

Um die Tiefe des Begriffs Tathāgata zu erfassen, ist es hilfreich, einige zentrale Konzepte des frühen Buddhismus zu betrachten, die eng mit ihm verbunden sind. Diese Begriffe bilden ein Netzwerk, in dessen Zentrum der Tathāgata als lebendige Verkörperung steht.

  • Bodhi (Erwachen): Bezeichnet das höchste Wissen und die vollständige Erleuchtung, die ein Buddha erlangt. Es ist das Erwachen aus der Unwissenheit (avijjā) und beinhaltet das vollständige Verständnis der Vier Edlen Wahrheiten und des Bedingten Entstehens. Der Tathāgata ist per definitionem derjenige, der vollkommene Bodhi (sammā-sambodhi) erreicht hat; dies ist die Grundlage seines Status.
  • Nibbāna (Verlöschen, Befreiung): Das letztendliche Ziel der buddhistischen Praxis. Es bedeutet das Verlöschen der „Feuer“ von Gier, Hass und Verblendung und damit das Ende des Leidens (dukkha). Es ist der unbedingte (asaṅkhata), ungeborene, ungewordene Zustand jenseits von saṃsāra. Es wird oft als höchster Frieden, höchste Sicherheit und höchstes Glück beschrieben. Man unterscheidet das Nibbāna mit Restsubstrat (sa-upādisesa-nibbāna, erreicht zu Lebzeiten eines Arahant) vom Nibbāna ohne Restsubstrat (anupādisesa-nibbāna oder Parinibbāna, nach dem Tod eines Arahant). Der Tathāgata ist derjenige, der Nibbāna vollständig verwirklicht hat und den Weg dorthin lehrt.
  • Dhamma (Lehre, Wirklichkeit, Phänomen): Ein vielschichtiger Begriff mit zentraler Bedeutung. Er bezeichnet:
    • Die Lehre des Buddha, den Weg zur Befreiung.
    • Die Wahrheit, die Natur der Dinge, die kosmische Gesetzmäßigkeit.
    • Phänomene, Daseinsfaktoren, geistige oder körperliche Zustände oder Qualitäten.
    Der Tathāgata ist derjenige, der den Dhamma in seiner Tiefe vollkommen verstanden hat (pariyatti), ihn praktiziert (paṭipatti) und durchdrungen hat (paṭivedha). Er verkörpert den Dhamma, und es heißt, wer den Dhamma (insbesondere das Bedingte Entstehen) sieht, der sieht den Tathāgata.
  • Dasabalañāṇa (Die Zehn Kräfte eines Tathāgata): Dies sind die zehn einzigartigen Wissenskräfte, die ausschließlich einem vollkommen erwachten Buddha zukommen und die seine Allwissenheit in Bezug auf den Befreiungsweg und die Funktionsweise der Wirklichkeit begründen. Sie werden prominent in MN 12 und AN 10.21 dargelegt und bilden die Basis für seine unerschrockene Lehrtätigkeit.
Nr. Pali-Begriff (Kurzform) Kurze Beschreibung (Deutsch) Englische Entsprechung
1 Ṭhānāṭhāna-ñāṇa Wissen um Möglichkeit und Unmöglichkeit (Ursache und Wirkung) Knowledge of the possible & impossible
2 Kammavipāka-ñāṇa Wissen um die Reifung von Handlungen (Karma) über Zeit und Umstände hinweg Knowledge of karmic results
3 Sabbatthagāminī-paṭipadā-ñāṇa Wissen um die zu allen Zielen führenden Wege (Pfade zu verschiedenen Existenzen & Nibbāna) Knowledge of the paths to all destinations
4 Nānādhātu-ñāṇa Wissen um die Welt mit ihren vielen und verschiedenen Elementen (physisch & mental) Knowledge of the world’s diverse elements
5 Nānādhimutti-ñāṇa Wissen um die verschiedenen Neigungen und Absichten der Wesen Knowledge of beings‘ diverse inclinations
6 Indriyaparopariyatta-ñāṇa Wissen um den Reifegrad der Fähigkeiten (spirituelle Fakultäten) anderer Wesen Knowledge of faculties‘ maturity
7 Jhānādivimokkha-ñāṇa Wissen um Befleckung, Reinigung und Austritt bezüglich Meditationen, Befreiungen etc. Knowledge regarding meditative states
8 Pubbenivāsānussati-ñāṇa Wissen um die Erinnerung an zahllose frühere Existenzen Knowledge of past lives
9 Cutūpapāta-ñāṇa Wissen um Tod und Wiedergeburt der Wesen gemäß ihrem Karma (himmlisches Auge) Knowledge of death & rebirth (divine eye)
10 Āsavakkhaya-ñāṇa Wissen um die vollständige Versiegung der Triebe (Gier, Hass, Verblendung) und die Befreiung Knowledge of the destruction of defilements
  • Tathātā (Soheit, Wirklichkeit): Bezeichnet den Zustand der Dinge, wie sie an sich sind (yathābhūta), die Wirklichkeit frei von konzeptuellen Überlagerungen. Der Tathāgata wird etymologisch als derjenige verstanden, der zu dieser „Soheit“ gelangt ist oder sie verkörpert. Im Theravāda wird Tathātā als die Natur der Existenz betrachtet, deren Erkenntnis das Sehen von Vergänglichkeit (anicca), Leidhaftigkeit (dukkha), Nicht-Selbst (anattā), Leerheit (suññatā) und Bedingtheit (idappaccayatā) einschließt. Obwohl der Begriff im Palikanon seltener vorkommt (prominent in SN 12.20), bietet er eine tiefere philosophische Dimension zum Verständnis des Tathāgata als Verkörperung der grundlegenden Realität.

Diese Konzepte sind untrennbar miteinander verwoben: Die Bodhi des Tathāgata ist die Verwirklichung des Dhamma, die im Nibbāna gipfelt, sich durch die Dasabalañāṇa manifestiert und auf dem Verständnis der Tathātā beruht. Der Tathāgata ist der lebendige Schnittpunkt dieser Kernprinzipien.

7. Zusammenfassung

Der Titel Tathāgata ist weit mehr als nur eine Bezeichnung für den Buddha. Er ist ein tiefgründiger Begriff, der auf das Herz der buddhistischen Lehre verweist: auf das Erwachen zur wahren Natur der Wirklichkeit, die Transzendenz des Leidens und die Fähigkeit, anderen den Weg dorthin zu weisen.

Die verschiedenen Interpretationen – „Der So-Gegangene“, „Der So-Gekommene“, „Der zur Wirklichkeit Gelangte“ – beleuchten unterschiedliche Facetten dieses vollendeten Zustands: das Erreichen des Ziels, die mitfühlende Lehrtätigkeit und die Verkörperung der Wahrheit selbst.

Die Analyse ausgewählter Lehrreden aus dem Dīgha Nikāya (wie DN 29 und DN 16) und Majjhima Nikāya (insbesondere MN 12 und MN 63) sowie Verweise auf den Samyutta und Aṅguttara Nikāya (z.B. SN 22.58, AN 4.33, AN 10.21) zeigen ein konsistentes Bild: Der Tathāgata zeichnet sich durch seine einzigartige Rolle als Entdecker und Lehrer des Dhamma aus, durch seine unübertroffenen Wissenskräfte (Dasabalañāṇa) und seine Unerschrockenheit (Vesārajja), die sein „Löwengebrüll“ begründen, sowie durch seine Transzendenz konventioneller Kategorien.

Das Verständnis verwandter Begriffe wie Bodhi, Nibbāna, Dhamma, Dasabalañāṇa und Tathātā ist unerlässlich, um die volle Tragweite des Titels Tathāgata zu ermessen. Er steht im Zentrum eines Netzwerks von Konzepten, die den Kern des buddhistischen Befreiungsweges ausmachen.

Die Beschäftigung mit dem Begriff Tathāgata öffnet somit eine Tür zum tieferen Verständnis zentraler buddhistischer Lehren wie Anattā, Nibbāna und der Natur der Erleuchtung. Es wird empfohlen, die in diesem Bericht genannten Lehrreden mithilfe von Ressourcen wie suttacentral.net selbst zu studieren, um ein persönliches und vertieftes Verständnis der Worte des Buddha, des Tathāgata, zu entwickeln.

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Das zweite Juwel ist der Dhamma – die Lehre des Buddha und die universelle Wahrheit. Tauche tiefer ein in die Kernlehren wie die Vier Edlen Wahrheiten und den Edlen Achtfachen Pfad. Erforsche die grundlegenden Prinzipien von Vergänglichkeit (anicca), Leidhaftigkeit (dukkha) und Nicht-Selbst (anattā). Verstehe, warum der Dhamma als zeitlos, direkt erfahrbar und zum Ziel führend beschrieben wird (sandiṭṭhiko, akāliko, ehipassiko, opanayiko) und wie du ihn durch deine eigene Praxis überprüfen kannst.