
Der Sinnestrieb (Kāmāsava) und die Überwindung der tiefen Verunreinigungen im Buddhismus
Eine Erklärung des Sinnestriebs (Kāmāsava) und seiner Rolle im Kontext der buddhistischen Āsavas (Triebe)
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Den Sinnestrieb (Kāmāsava) im Kontext verstehen
Das Studium des frühen Buddhismus führt unweigerlich zur Begegnung mit Begriffen in der Pali-Sprache, der Sprache, in der die Lehrreden (Suttas) des Buddha hauptsächlich überliefert sind. Ein tieferes Verständnis dieser Begriffe ist kein rein akademisches Unterfangen; es ist vielmehr ein Schlüssel, um die Nuancen der Lehre zu erfassen und die eigene Praxis zu vertiefen. Ein solcher zentraler Begriff ist Kāmāsava, oft übersetzt als „Sinnestrieb“ oder „Trieb des sinnlichen Begehrens“. Er bezeichnet eine der fundamentalsten Hürden auf dem Weg zur Befreiung (nibbāna). Dieser Bericht zielt darauf ab, den Begriff Kāmāsava für interessierte Laien verständlich zu definieren und zu erklären. Er wird in den größeren Rahmen des Konzepts der Āsavas (Triebe, Einflüsse, Verunreinigungen) eingeordnet und durch Verweise auf spezifische Lehrreden aus den Sammlungen des Palikanons illustriert. Das Verständnis dieser tief verwurzelten Triebe ist essenziell, um die Natur des Leidens (dukkha) und den Weg zu seiner Überwindung zu begreifen. Der Bericht wird zunächst Kāmāsava definieren, dann das Konzept der Āsavas erläutern, relevante Lehrreden aus dem Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN) vorstellen und Hinweise auf Texte im Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) geben.
Der Sinnestrieb: Definition und Erklärung von Kāmāsava
Der Pali-Begriff Kāmāsava setzt sich aus zwei Teilen zusammen:
- Kāma: Bezieht sich auf Sinnlichkeit, Sinnesvergnügen, die Welt der fünf Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) sowie auf mentale Objekte (Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen), die Begehren auslösen können.
- Āsava: Dieser Begriff ist komplexer und wird vielfältig übersetzt: Trieb, Ausfluss, Einfluss, Fermentation, Befleckung, Verunreinigung, Gift, Rauschmittel.
Gängige deutsche Übersetzungen für Kāmāsava sind daher „Sinnestrieb“, „Trieb des sinnlichen Begehrens“ oder „Befleckung/Verunreinigung durch Sinneslust“. Die Vielfalt der Übersetzungen für āsava spiegelt die Tiefe des Konzepts wider. Es ist mehr als nur ein einfacher „Trieb“. Die Kommentare und Texte verwenden Metaphern, um seine Natur zu verdeutlichen. Āsava kann bedeuten, was „ausfließt“ (wie Eiter aus einer lange bestehenden Wunde) oder was über lange Zeit „fermentiert“ (wie berauschender Alkohol). Diese Bilder deuten auf etwas tief Eingesessenes hin, das den Geist von innen heraus korrumpiert, verunreinigt und die klare Sicht trübt – ähnlich einem Rauschmittel, das die Wahrnehmung verzerrt. Es handelt sich also nicht um eine oberflächliche Neigung, sondern um eine fundamentale Verunreinigung des Geistes.
Psychologisch beschreibt Kāmāsava die tief verwurzelte, fast automatische Neigung des Geistes, Glück, Befriedigung und Sicherheit in angenehmen Sinneserfahrungen zu suchen und daran anzuhaften. Dies umfasst nicht nur grobe materielle Genüsse, sondern auch subtilere Freuden wie angenehme Gefühle, schöne Gedanken oder wünschenswerte Geisteszustände. Es ist diese ständige Ausrichtung auf das Angenehme, das Festhalten daran und das Abwehren des Unangenehmen, das den Geist in Unruhe hält. Wichtig ist hierbei die Betonung auf dem Begehren (chanda, rāga) und dem Anhaften (upādāna) an diesen Erfahrungen, nicht auf den Sinnesobjekten oder den Sinneswahrnehmungen an sich. Die Sinneserfahrung selbst ist neutral; erst das Begehren und Festhalten daran wird zum Problem und zur Ursache von Leiden.
Dieser Trieb ist eng verwandt mit kāma-taṇhā, dem „Durst nach Sinnesfreuden“, einer der drei Arten des Begehrens (taṇhā), die der Buddha in der Zweiten Edlen Wahrheit als Ursache des Leidens identifiziert hat. Kāmāsava ist somit keine isolierte Verunreinigung, sondern eine spezifische und tiefgreifende Manifestation jenes grundlegenden „Durstes“, der den leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten (saṃsāra) antreibt und aufrechterhält.
Die tiefere Dimension: Kāmāsava im Kontext der Āsavas
3.1 Das Konzept der Āsavas
Die Āsavas sind eine Gruppe von fundamentalen mentalen Verunreinigungen oder Trieben, die als die tiefsten Wurzeln des Leidens und der Wiedergeburt im saṃsāra gelten. Sie „fließen“ aus dem Geist heraus, „beflecken“ ihn und „berauschen“ ihn, sodass die wahre Natur der Wirklichkeit nicht erkannt werden kann. Ihre vollständige Zerstörung (āsavakkhaya) ist gleichbedeutend mit der Erlangung der Arhatschaft, dem Endziel des buddhistischen Pfades.
Die Āsavas werden oft als grundlegender oder tiefer liegend betrachtet als andere Gruppen von mentalen Hindernissen, wie die fünf Hindernisse (nīvaraṇa – Sinnesbegehren, Übelwollen, Trägheit/Stumpfheit, Unruhe/Sorge, Zweifel) oder die zehn Fesseln (saṃyojana – z.B. Persönlichkeitsglaube, Zweifel, Anhaften an Regeln, Sinneslust, Übelwollen etc.). Während die Fesseln eher als statische Bindungen beschrieben werden, die den Fortschritt auf dem Pfad blockieren, suggeriert der Begriff Āsava mit seiner Konnotation des „Fließens“ oder „Fermentierens“ einen aktiveren, sich selbst erhaltenden Prozess der Verunreinigung, der das Erleben ständig färbt und beeinflusst. Die Praxis zielt daher nicht nur darauf ab, statische Blockaden zu durchbrechen, sondern einen fortlaufenden, subtilen Prozess der Verunreinigung zu erkennen und zu beenden.
3.2 Die Vier (oder Drei) Āsavas
Traditionell werden vier Āsavas genannt, obwohl in manchen Texten auch nur drei aufgeführt werden (wobei Diṭṭhāsava dann oft weggelassen oder unter Avijjāsava subsumiert wird). Die vier sind:
- Kāmāsava: Der Trieb/die Befleckung des sinnlichen Begehrens, wie oben beschrieben.
- Bhavāsava: Der Trieb/die Befleckung des Werdens oder der Existenz. Dies ist das tief verwurzelte Verlangen nach Fortexistenz, nach Wiedergeburt in den verschiedenen Daseinsbereichen (von den grobstofflichen bis zu den feinstofflichen und formlosen Welten), das Anhaften am Leben selbst und die Identifikation mit einem dauerhaften Selbst.
- Diṭṭhāsava: Der Trieb/die Befleckung der Ansichten. Dies bezieht sich auf das Festhalten an falschen, spekulativen oder dogmatischen Ansichten (diṭṭhi), insbesondere über die Natur eines Selbst (attā), die Welt (ewig oder nicht ewig etc.) und metaphysische Fragen, die von der direkten Erfahrung wegführen und die Entwicklung Rechter Ansicht behindern.
- Avijjāsava: Der Trieb/die Befleckung der Unwissenheit (avijjā). Dies ist die fundamentalste Verblendung, die grundlegende Unkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten, des Bedingten Entstehens (paṭiccasamuppāda) und der drei Daseinsmerkmale (tilakkhaṇa: Vergänglichkeit – anicca, Leidhaftigkeit – dukkha, Nicht-Selbst – anattā). Avijjāsava wird oft als die Wurzel der anderen Āsavas und des gesamten Leidenszyklus betrachtet.
Die Āsavas sind untrennbar mit der Unwissenheit (avijjā) verbunden. Sie entstehen durch Unwissenheit und erhalten diese gleichzeitig aufrecht. Ein Text im Samyutta Nikāya formuliert es prägnant: „Mit dem Entstehen der Triebe entsteht Unwissenheit, mit dem Aufhören der Triebe hört Unwissenheit auf“. Ihre Überwindung erfordert daher zwingend die Entwicklung von Weisheit (paññā) durch Einsicht (vipassanā), die durch ethisches Verhalten (sīla) und geistige Sammlung (samādhi) unterstützt wird.
Die folgende Tabelle fasst die vier Āsavas zusammen:
Pali-Begriff | Deutsche Übersetzung | Kurze Beschreibung | Überwindung & Pfadstufe (typisch) |
---|---|---|---|
Kāmāsava | Sinnestrieb | Begehren nach/Anhaften an angenehmen Sinnes- und Geistobjekten | Durch Nicht-Anhaften, Einsicht in Vergänglichkeit & Leidhaftigkeit von Sinnesfreuden (führt zur Nichtwiederkehr) |
Bhavāsava | Werdenstrieb | Begehren nach Fortexistenz, Anhaften am Leben, Identifikation mit einem Selbst | Durch tiefere Einsicht in Anattā (Nicht-Selbst), Vergänglichkeit aller Daseinsformen (führt zur Arhatschaft) |
Diṭṭhāsava | Ansichtentrieb | Festhalten an falschen, spekulativen Ansichten (über Selbst, Welt etc.) | Durch Entwicklung Rechter Ansicht (Verständnis der Vier Edlen Wahrheiten) (führt zum Stromeintritt) |
Avijjāsava | Unwissenheitstrieb | Fundamentale Unkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten, der wahren Natur der Realität | Durch vollständige Entwicklung von Weisheit (Paññā), Durchdringung der Realität (führt zur Arhatschaft) |
Diese Tabelle verdeutlicht auch eine gewisse Hierarchie oder unterschiedliche Tiefe der Āsavas. Falsche Ansichten (Diṭṭhāsava) gelten als das erste Hindernis, das auf dem Pfad überwunden wird, typischerweise mit dem Erreichen des Stromeintritts. Der Sinnestrieb (Kāmāsava) wird erst auf der Stufe des Nichtwiederkehrers vollständig beseitigt. Das tiefste Begehren nach Existenz (Bhavāsava) und die fundamentale Unwissenheit (Avijjāsava) werden erst mit der vollen Erleuchtung, der Arhatschaft, entwurzelt. Diese Staffelung zeigt, dass Kāmāsava tiefer sitzt als intellektuelle Fehlannahmen, aber weniger fundamental ist als das grundlegende Existenzbegehren und die Unwissenheit selbst. Dies ist für Praktizierende relevant, um den schrittweisen Fortschritt auf dem Pfad zu verstehen.
Schlüsseltexte zu den Āsavas im Palikanon
Die folgenden Lehrreden sind besonders relevant für das Verständnis von Kāmāsava und dem Konzept der Āsavas.
4.1 Zentrale Lehrreden aus Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN)
MN 2: Sabbāsava Sutta (Die Lehrrede über alle Triebe / Alle Einflüsse)
Diese Lehrrede ist der zentrale Text zum Thema Āsavas. Der Buddha erklärt hier, dass die Überwindung der Āsavas durch „Wissen und Sehen“ (ñāṇa-dassana) geschieht, was auf „weiser Erwägung“ (yoniso manasikāra) basiert. Unweise Erwägung (ayoniso manasikāra) hingegen – wie das Grübeln über die eigene Identität in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder das Festhalten an spekulativen Ansichten – nährt die Āsavas und lässt sie anwachsen. Die Sutta präsentiert sieben Methoden, wie die verschiedenen Āsavas zu überwinden sind:
- Durch Sehen/Einsicht (dassanā): Erkennen der Vier Edlen Wahrheiten und Überwindung falscher Ansichten (Diṭṭhāsava).
- Durch Zügelung/Kontrolle (saṃvarā): Achtsame Kontrolle der Sinnesfakultäten (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist), um das Entstehen von Gier und Abneigung zu verhindern.
- Durch Gebrauch/Nutzen (paṭisevanā): Achtsamer und reflektierter Gebrauch der lebensnotwendigen Dinge (Kleidung, Nahrung, Unterkunft, Medizin), nur für den notwendigen Zweck, nicht für Genuss oder Anhaftung.
- Durch Ertragen/Geduld (adhivāsanā): Geduldiges Ertragen von unangenehmen äußeren Bedingungen (Kälte, Hitze, Hunger, Durst, Insektenstiche) und schmerzhaften Gefühlen oder Worten.
- Durch Vermeiden (parivajjanā): Bewusstes Meiden von Gefahren (wilde Tiere, gefährliche Orte) und schädlichen Einflüssen (ungeeignete Gesellschaft, schlechte Freunde).
- Durch Beseitigen/Vertreiben (vinodanā): Aktives Aufgeben und Vertreiben von bereits entstandenen unheilsamen Gedanken (Gedanken der Sinneslust, des Übelwollens, der Grausamkeit).
- Durch Entfalten/Entwicklung (bhāvanā): Kultivierung der sieben Erleuchtungsglieder (bojjhaṅga: Achtsamkeit, Wirklichkeitsergründung, Energie, Freude, Ruhe, Sammlung, Gleichmut).
Diese differenzierte psychologische Herangehensweise zeigt, dass nicht alle Verunreinigungen auf dieselbe Weise beseitigt werden können. Manche erfordern direkte Einsicht, andere Management und Anpassung, wieder andere Kultivierung von Gegenmitteln. Dies unterstreicht die psychologische Raffinesse der Lehre.
Quelle: MN 2, Sabbāsava Sutta (Alle Triebe). Verfügbar auf SuttaCentral: https://suttacentral.net/mn2/de/mettiko
DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens / Die Lohnfrüchte des Asketentums)
Diese bedeutende Lehrrede beschreibt den gesamten buddhistischen Weg der Praxis, beginnend mit ethischem Verhalten (sīla), über die Entwicklung von Konzentration (samādhi) bis hin zur Entfaltung von Weisheit (paññā). Als eine der höchsten „Früchte“ oder Ergebnisse dieses spirituellen Weges, die noch in diesem Leben sichtbar werden können, nennt die Sutta das Erlangen von „Wissen und Vision“ (ñāṇa-dassana), das direkt zur Zerstörung der Āsavas (āsavakkhaya) führt. Die Sutta stellt die Beseitigung der Āsavas (explizit genannt werden oft kāmāsava, bhavāsava, avijjāsava) als den Höhepunkt der spirituellen Entwicklung dar – die Befreiung des Geistes. Sie rahmt die Überwindung der Āsavas als das ultimative Ziel und die wertvollste Frucht des gesamten buddhistischen Pfades ein und zeigt, dass dies das Ergebnis eines umfassenden Trainings von Körper, Rede und Geist ist.
Quelle: DN 2, Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens). Verfügbar auf SuttaCentral: https://suttacentral.net/dn2/de/kusalagnana-maitrimurti-traetow
4.2 Hinweise zum Samyutta Nikāya (SN)
Eine Durchsicht der Kapitelstruktur des Samyutta Nikāya zeigt, dass es kein eigenes Kapitel (Saṃyutta) gibt, das explizit den Titel „Āsava Saṃyutta“ trägt oder sich ausschließlich diesem Thema widmet. Dennoch ist das Thema der Āsavas und ihrer Überwindung in vielen Suttas des SN präsent. Besonders relevant ist das SN 12: Nidāna Saṃyutta, die Sammlung zum Bedingten Entstehen (Paṭiccasamuppāda). Hier wird die fundamentale Rolle der Unwissenheit (avijjā) als Bedingung für die Entstehung leidvoller Erfahrungen dargelegt, und die Āsavas werden als Nährboden oder Treibstoff für die Unwissenheit verstanden. Die Überwindung der Āsavas ist somit eng mit dem Durchschauen der Kette des Bedingten Entstehens verknüpft.
Auch andere Kapitel, wie SN 56 über die Vier Edlen Wahrheiten oder SN 45 über den Edlen Achtfachen Pfad, behandeln implizit die Methoden zur Überwindung der Āsavas.
Quelle (Kontext): SN 12, Nidāna Saṃyutta (Bedingtes Entstehen). Verfügbar auf SuttaCentral: https://suttacentral.net/sn12
4.3 Eine wichtige Lehrrede aus dem Aṅguttara Nikāya (AN)
AN 6.58: Āsava Sutta (Die Lehrrede über die Triebe / Einflüsse)
Diese Sutta im „Buch der Sechser“ des Aṅguttara Nikāya ist eine wertvolle Ergänzung zu MN 2. Sie listet sechs der sieben Methoden zur Überwindung der Āsavas aus MN 2 erneut auf (die Methode „durch Sehen/Einsicht“ wird hier ausgelassen, da der Fokus auf den fortlaufenden Praktiken liegt) und beschreibt sie detailliert. Der Buddha erklärt, dass ein Mönch (oder Praktizierender), der diese sechs Arten von Āsavas durch die entsprechenden Methoden – Zügelung, Gebrauch, Ertragen, Vermeiden, Beseitigen und Entfalten – überwunden hat, höchster Verehrung würdig ist und ein unübertreffliches Feld für Verdienst darstellt. Die Sutta bekräftigt die Bedeutung dieser oft alltäglich erscheinenden Achtsamkeitspraktiken für die tiefgreifende Reinigung des Geistes von den Āsavas. Sie zeigt, dass die Überwindung dieser tiefen Verunreinigungen keine rein meditative oder intellektuelle Übung ist, sondern eine umfassende Transformation erfordert, die alle Aspekte des Lebens durchdringt – vom Umgang mit den Sinnen über den Gebrauch materieller Dinge bis hin zur Kultivierung heilsamer Geisteszustände.
Quelle: AN 6.58, Āsava Sutta (Triebe). Verfügbar auf SuttaCentral: https://suttacentral.net/an6.58/de/sabbamitta
Zusammenfassung und Ausblick
Kāmāsava, der Trieb des sinnlichen Begehrens, ist eine tief verwurzelte mentale Verunreinigung, die den Geist an die Welt der Sinne fesselt und eine Hauptursache für Leiden und Wiedergeburt darstellt. Er ist Teil des umfassenderen Konzepts der Āsavas, zu denen auch das Begehren nach Existenz (Bhavāsava), das Festhalten an falschen Ansichten (Diṭṭhāsava) und die fundamentale Unwissenheit (Avijjāsava) gehören. Diese Āsavas sind die grundlegendsten Hindernisse auf dem buddhistischen Pfad. Ihre Überwindung (āsavakkhaya) ist das erklärte Ziel der buddhistischen Praxis und führt zur endgültigen Befreiung (nibbāna).
Wie die zentralen Lehrreden, insbesondere das Sabbāsava Sutta (MN 2), das Sāmaññaphala Sutta (DN 2) und das Āsava Sutta (AN 6.58), aufzeigen, geschieht dies nicht durch einen einzelnen Akt, sondern durch einen umfassenden Weg, der ethisches Verhalten (sīla), geistige Sammlung (samādhi) und vor allem die Entwicklung von Weisheit (paññā) durch Einsicht (vipassanā) beinhaltet. Die Lehre bietet dabei differenzierte Methoden an, um den verschiedenen Aspekten dieser tiefen Triebe im täglichen Leben und in der Meditation zu begegnen.
Das Erkennen und schrittweise Loslassen dieser Triebe, insbesondere des allgegenwärtigen Sinnestriebs Kāmāsava, ist somit ein wesentlicher Aspekt der buddhistischen Praxis. Es erfordert Geduld, Achtsamkeit und die Bereitschaft, die Funktionsweise des eigenen Geistes ehrlich zu untersuchen. Die Auseinandersetzung mit den hier vorgestellten Lehrreden kann dabei eine wertvolle Unterstützung sein, um ein tieferes Verständnis zu gewinnen und die Methoden zur Überwindung der Āsavas in der eigenen Praxis anzuwenden, was letztlich zu größerem inneren Frieden und zur Befreiung vom Leiden führt.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Die folgenden Lehrreden wurden im Text erwähnt. Die Links führen zu deutschen Übersetzungen auf SuttaCentral.net, sofern verfügbar:
- DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens) https://suttacentral.net/dn2/de/kusalagnana-maitrimurti-traetow
- MN 2: Sabbāsava Sutta (Alle Triebe) https://suttacentral.net/mn2/de/mettiko
- SN 12: Nidāna Saṃyutta (Bedingtes Entstehen) https://suttacentral.net/sn12 (Kontext)
- AN 6.58: Āsava Sutta (Triebe) https://suttacentral.net/an6.58/de/sabbamitta
Hinweis zur Pali-Transkription: Die Pali-Begriffe in diesem Bericht werden gemäß der internationalen Norm IAST (International Alphabet of Sanskrit Transliteration) wiedergegeben. Die korrekte Darstellung der diakritischen Zeichen (z.B. ā, ī, ū, ṁ, ṇ, ñ, ṣ, ṭ, ḍ) ist wichtig für die korrekte Aussprache und Unterscheidung von Begriffen. Es wird empfohlen, eine Schriftart zu verwenden, die Unicode vollständig unterstützt (z.B. „Noto Serif“, „Gentium Plus“, „Charis SIL“).
Weiterführende Referenzen:
- Pali Canon – Wikipedia
- Pali canon | Definition, Contents, & Facts – Britannica
- Four Noble Truths – Wikipedia
- Āsrava – Encyclopedia of Buddhism
- Kamasava, Kama-asava, Kāmāsava: 3 definitions – Wisdom Library
- Buddhist Dictionary – Manual of Buddhist Terms & Doctrines (4th Edition)
- Āśrava – Oxford Reference
- Āsava: The Root Cause of Saṁsāra – ThaiJO
- Definitions for: āsava – SuttaCentral
- „Seeing“ the Āsavas – Barre Center for Buddhist Studies
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Daseinstrieb (Bhavāsava)
Dieser Abschnitt widmet sich dem Daseinstrieb (Bhavāsava). Dabei geht es um das tiefsitzende Verlangen nach Existenz, nach Fortdauer und Wiedergeburt, sei es in dieser oder einer anderen Welt. Du erfährst, wie dieser Trieb nicht nur den Wunsch nach ewigem Leben, sondern auch die Angst vor der Vernichtung umfasst und wie er eng mit der Identifikation mit einem vermeintlich beständigen „Ich“ oder „Selbst“ zusammenhängt. Verstehe, warum dieser Trieb als einer der Hauptantriebe für den saṃsāra gilt.