
Frühere Lehrer
Die Meister, von denen Siddhartha Gautama vor seiner Erleuchtung lernte
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Auf seiner Suche nach Befreiung vom Leiden (dukkha), bevor er zum Buddha erwachte, begab sich der Bodhisatta Siddhartha Gautama nach dem Verlassen des Palastes zunächst auf den traditionellen Weg indischer Wahrheitssucher: Er suchte nach Lehrern, die ihn auf dem spirituellen Pfad unterweisen konnten. Der Pali-Kanon berichtet von zwei besonders bedeutenden Lehrern, denen er begegnete: Āḷāra Kālāma und Uddaka Rāmaputta.
Diese beiden Meister waren Vertreter hochentwickelter meditativer Traditionen ihrer Zeit und lehrten den Bodhisatta fortgeschrittene Stufen der Geisteskonzentration, die sogenannten formlosen Vertiefungen (arūpa-jhāna). Āḷāra Kālāma unterwies ihn in der Erreichung der „Sphäre des Nichts“ (ākiñcaññāyatana), während Uddaka Rāmaputta ihn zur „Sphäre von Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung“ (nevasaññānāsaññāyatana) führte, dem höchsten Bewusstseinszustand, der durch Konzentrationsmeditation allein erreichbar ist. Der Bodhisatta meisterte diese anspruchsvollen Techniken mit Leichtigkeit und erreichte schnell das Niveau seiner Lehrer, die ihn sogar baten, ihre Gemeinschaften mit ihnen zu leiten.
Doch der Bodhisatta erkannte, dass selbst diese erhabenen meditativen Zustände nicht das Ende des Leidens bedeuteten. Sie führten zwar zu einer zeitweiligen Befreiung von groben mentalen Zuständen und zu einer Wiedergeburt in den formlosen Brahma-Welten, aber sie entwurzelten nicht die grundlegenden Ursachen von dukkha – Gier, Hass und Verblendung – und führten nicht zum endgültigen Verlöschen (Nibbāna). Diese Erkenntnis markiert einen entscheidenden Punkt: Der Buddha baute auf den meditativen Errungenschaften seiner Zeit auf, erkannte aber ihre Begrenztheit und die Notwendigkeit eines weiteren Schrittes – der Entwicklung von durchdringender Weisheit (paññā) durch die Einsicht in die wahre Natur der Phänomene (Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit, Nicht-Selbst).
Obwohl er ihre Lehren als unzureichend für die endgültige Befreiung erkannte, schätzte der Buddha seine früheren Lehrer. Nach seiner Erleuchtung dachte er zuerst daran, Āḷāra Kālāma und Uddaka Rāmaputta aufzusuchen, um ihnen den neu entdeckten Dhamma mitzuteilen, da er sie aufgrund ihrer hohen geistigen Entwicklung für besonders empfänglich hielt. Seine Hellsicht zeigte ihm jedoch, dass beide kurz zuvor verstorben waren. Die Begegnungen mit diesen Lehrern sind somit ein wichtiger Teil der Vorgeschichte der Erleuchtung und verdeutlichen die spezifische Natur des buddhistischen Weges im Kontext der damaligen indischen Spiritualität.
Āḷāra Kālāma – Lehrer meditativer Formlosigkeit
Biografie und Lehre: Āḷāra Kālāma war ein angesehener Eremit und Meditationslehrer, der als erster Lehrer des Bodhisatta Siddhartha Gautama nach dessen „Großer Entsagung“ gilt. Er lehrte eine fortgeschrittene Meditationspraxis, die zur Erreichung der „Sphäre des Nichts“ (ākiñcaññāyatana) führte. Dies ist die dritte der vier formlosen Vertiefungen (arūpa-jhāna) und die siebte der insgesamt acht meditativen Stufen (Jhānas), die im Buddhismus beschrieben werden. Sie stellt einen Zustand dar, in dem die Wahrnehmung von Objekten und sogar des unendlichen Raumes oder Bewusstseins transzendiert wird und nur noch die Erkenntnis von „Nichts“ übrigbleibt.
Begegnung mit dem Bodhisatta: Der Bodhisatta suchte Āḷāra Kālāma auf und bat darum, sein Schüler zu werden. Er erlernte dessen Lehre und meisterte die meditative Technik zur Erreichung der Sphäre des Nichts in kurzer Zeit. Āḷāra Kālāma war von den Fähigkeiten seines Schülers so beeindruckt, dass er ihn als sich ebenbürtig anerkannte und ihm anbot, die Gemeinschaft der Schüler gemeinsam zu leiten. Der Bodhisatta erkannte jedoch, dass dieser Zustand, obwohl sehr erhaben, nicht zur endgültigen Befreiung vom Kreislauf der Wiedergeburten (saṃsāra) und vom Leiden führte, sondern lediglich zu einer Wiedergeburt in der entsprechenden formlosen Brahma-Welt. Da sein Ziel das vollkommene Verlöschen (Nibbāna) war, verließ er Āḷāra Kālāma, um seine Suche fortzusetzen. Nach seiner Erleuchtung erinnerte sich der Buddha an Āḷāra Kālāma und wollte ihm als Erstem den Dhamma verkünden, doch er erkannte durch seine übersinnlichen Fähigkeiten, dass dieser bereits sieben Tage zuvor verstorben war. Ein späterer Schüler Āḷāra Kālāmas war Pukkusa, der Maller, der später dem Buddha begegnete und dessen Schüler wurde.
Sutta-Referenzen: Die Begegnung wird hauptsächlich in den Berichten über den Weg des Buddha zur Erleuchtung erwähnt.
- MN 26 (Ariyapariyesanā Sutta): Enthält die ausführlichste Beschreibung der Begegnung des Bodhisatta mit Āḷāra Kālāma, seiner Lehre und dem Grund für das Verlassen.
- MN 36 (Mahāsaccaka Sutta): Der Buddha erwähnt seine Zeit bei Āḷāra Kālāma im Gespräch mit dem Debattierer Saccaka.
- DN 14 (Mahāpadāna Sutta): Erwähnung im Kontext der Lebensgeschichten früherer Buddhas.
Uddaka Rāmaputta – Lehrer höchster Bewusstseinszustände
Biografie und Lehre: Uddaka Rāmaputta war der zweite bedeutende Meditationslehrer, den der Bodhisatta Siddhartha Gautama auf seiner Suche aufsuchte, nachdem er Āḷāra Kālāma verlassen hatte. Uddaka Rāmaputta war der Sohn oder Schüler eines Lehrers namens Rāma, der die höchste damals bekannte meditative Errungenschaft, die „Sphäre von Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung“ (nevasaññānāsaññāyatana), erreicht hatte. Uddaka Rāmaputta selbst lehrte diesen Zustand, den er von Rāma übernommen hatte. Dies ist die vierte und höchste der formlosen Vertiefungen (arūpa-jhāna) und die achte Stufe der meditativen Leiter. Sie beschreibt einen extrem subtilen Bewusstseinszustand jenseits von Wahrnehmung und Nicht-Wahrnehmung.
Begegnung mit dem Bodhisatta: Der Bodhisatta erlernte auch diese Technik sehr schnell und verwirklichte den Zustand von Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung. Uddaka Rāmaputta erkannte die außergewöhnlichen Fähigkeiten des Bodhisatta, stellte ihn auf die Stufe seines eigenen (verstorbenen) Lehrers Rāma und bot ihm die alleinige Leitung seiner großen Schülergemeinschaft an. Doch auch hier erkannte der Bodhisatta, dass dieser Zustand, obwohl der höchste erreichbare Zustand reiner Konzentration, immer noch Teil des bedingten Daseins war und nicht zur endgültigen Befreiung vom Leiden und vom Kreislauf der Wiedergeburten führte, sondern lediglich zu einer Wiedergeburt in der höchsten formlosen Brahma-Welt. Daher verließ er auch Uddaka Rāmaputta, unzufrieden mit dessen Lehre, und beschloss, den Weg zur Erleuchtung allein durch eigene Anstrengung zu suchen. Nach seiner Erleuchtung dachte der Buddha als Zweites an Uddaka Rāmaputta als jemanden, der den Dhamma schnell verstehen würde, musste aber erkennen, dass auch dieser bereits am Vortag verstorben war. Der Buddha kritisierte später Uddakas Behauptung, er habe das Leiden vollständig überwunden und alles durchschaut, da dessen Lehre nicht zur endgültigen Befreiung führte.
Sutta-Referenzen: Ähnlich wie Āḷāra Kālāma wird Uddaka Rāmaputta hauptsächlich im Kontext der spirituellen Suche des Buddha erwähnt.
- MN 26 (Ariyapariyesanā Sutta): Bietet die detaillierteste Darstellung der Begegnung, der Lehre und der Gründe für das Verlassen Uddaka Rāmaputtas.
- MN 36 (Mahāsaccaka Sutta): Der Buddha berichtet Saccaka von seiner Zeit bei Uddaka Rāmaputta.
- SN 35.103 (Uddaka Sutta): Der Buddha widerlegt Uddakas Anspruch auf vollständige Erkenntnis und Befreiung.
- AN 4.123 & AN 4.124: Erwähnen König Eleyya als Anhänger von Rāmaputta, der diesen hoch schätzte.
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Familie & persönliches Umfeld
Wie wirkte sich der Weg des Buddha auf seine eigene Familie aus? Dieser Abschnitt beleuchtet die Menschen aus Siddharthas nächstem Umfeld: seinen Vater König Suddhodana, seine Ziehmutter Mahāpajāpatī Gotamī, seine Ehefrau Yasodharā und seinen Sohn Rāhula. Entdecke ihre individuellen Reaktionen auf seine Entsagung und Erleuchtung und wie sie selbst den Dhamma auf unterschiedliche Weise annahmen und praktizierten – ein berührendes Zeugnis der Spannung und Verbindung von weltlichen Banden und spiritueller Suche.