Vertrauen (Saddhā)

Vertrauen (Saddha)
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Vertrauen (Saddha)

Saddhā (Vertrauen/Glaube) im frühen Buddhismus

Ein umfassender Überblick über die Bedeutung, Nuancen und Anwendung von Vertrauen (Saddhā), basierend auf den Lehrreden des Palikanon.

Einleitung

Das Studium der Originalbegriffe im Pali-Kanon ist von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung eines authentischen Verständnisses des frühen Buddhismus. Viele westliche Übersetzungen können Nuancen und tiefere Bedeutungen zentraler Konzepte verlieren. Ein solcher fundamentaler Begriff, der oft missverstanden wird, ist Saddhā. Dieser Bericht zielt darauf ab, Saddhā umfassend zu definieren, seine Rolle im buddhistischen Pfad zu beleuchten und den Zugang zu relevanten Lehrreden (Suttas) des Palikanons zu erleichtern. Damit soll interessierten Lesern, die bereits über Grundkenntnisse der Pali-Terminologie und der Struktur der Nikāyas verfügen, eine Vertiefung ihres Verständnisses ermöglicht werden, während gleichzeitig auch Menschen ohne Vorkenntnisse einen Zugang zu diesem wichtigen Thema finden können.

1. Saddhā: Eine Definition und ihre Nuancen

1.1 Was ist Saddhā? (Vertrauen, Zuversicht, Überzeugung)

Saddhā (Pāli, Sanskrit: śraddhā) wird im Buddhismus nicht als blinder Glaube im theistischen Sinne verstanden, sondern als eine „gelassene Hingabe an die Praxis der Lehre des Buddha“ und als „Vertrauen in erleuchtete oder hoch entwickelte Wesen“. Es ist eine „Zuversicht, die aus Überzeugung geboren ist“ und ein „reinigender mentaler Faktor“ im Geist. Der Begriff wird oft auch als „Vertrauen“ oder „Zuversicht“ übersetzt, insbesondere im Kontext des Vertrauens in die Lehre. Ein entscheidender Aspekt von Saddhā im frühen Buddhismus ist, dass es „begründet und in Verständnis verwurzelt“ (ākāravatī saddhā dassanamūlikā) sein sollte. Der Buddha selbst ermutigte zur „gründlichen Untersuchung“ (thorough investigation) seiner Lehre, anstatt ihr blind zu folgen. Dies unterstreicht, dass Saddhā keine passive, dogmatische Glaubenshaltung ist, sondern ein dynamischer Prozess des Vertrauensaufbaus, der durch persönliche Erfahrung und Erkenntnis gestärkt wird und sich ständig weiterentwickelt. Diese Nuance ist für das Verständnis des buddhistischen Pfades von großer Bedeutung, da sie zeigt, dass der Buddhismus keine blind zu akzeptierenden Dogmen verlangt, sondern eine aktive, forschende Haltung fördert. Es macht den Zugang zum Dharma rational und erfahrungsbasiert.

Saddhā besitzt sowohl kognitive als auch affektive Dimensionen. Kognitiv ist es das Vertrauen in die Lehre und ihre Wirksamkeit. Affektiv manifestiert es sich als Freude (pasāda) und Gelassenheit, die den Geist auf eine höhere Ebene heben. Der Pali-Begriff Pasāda (Sanskrit: Prasāda) beschreibt eine „gelassene Akzeptanz der Segnungen und Größe des Objekts der Hingabe“ und leitet sich von Wurzeln ab, die „fest in einem Zustand der Klarheit und Ruhe sitzen“ bedeuten.

Die Etymologie des Wortes śraddhā (Sanskrit-Form) leitet sich von den Wurzeln śrat („Überzeugung haben“) und dhā („aufrechterhalten“) ab. Dies deutet auf „anhaltendes Vertrauen, Standhaftigkeit oder Unterstützung des Vertrauens im Sinne des festen Bleibens“ hin.

1.2 Saddhā als Fundament des spirituellen Weges

Saddhā ist eng mit der Einsicht in die grundlegenden Realitäten des Daseins verbunden. Es ist die „Folge der Unbeständigkeit und einer weisen Wahrnehmung des Leidens (dukkha)“. Die Reflexion über Leiden und Unbeständigkeit führt zu einem Gefühl der Furcht und Erregung (saṃvega), was die Praktizierenden motiviert, Zuflucht zu den Drei Juwelen zu nehmen und Saddhā zu kultivieren.

Ein Buddhist entwickelt Saddhā, wenn er „an die Erleuchtung des Vollendeten (des Buddha) glaubt“ oder „Zuflucht zu den Drei Juwelen (ti-ratana) nimmt“. Die Drei Juwelen sind der Buddha (der Lehrer), der Dhamma (die Lehre) und der Saṅgha (die Gemeinschaft der Praktizierenden). Unerschütterliches Vertrauen (avecca-pasāda) in die Drei Juwelen ist eine der charakteristischen Eigenschaften eines Stromeingetretenen (Sotāpanna), der die erste Stufe der Heiligkeit erreicht hat.

Saddhā wird als der „Samen“ (seed) aller heilsamen Zustände bezeichnet, da es den Geist mit Zuversicht (okappana, pasāda) und Entschlossenheit (adhimokkha) erfüllt, um „hinauszuschreiten“ (launching out) und die Flut des Saṃsāra (des Kreislaufs von Geburt, Tod und Wiedergeburt) zu überqueren. Es ist der erste Schritt zur Erreichung des Ziels des Buddhismus, des Nibbāna. Die Beschreibung von Saddhā als „Samen“ und als Qualität, die den Geist mit Zuversicht und Entschlossenheit erfüllt, deutet auf eine aktive, initiierende Rolle hin. Es ist nicht nur eine passive Annahme von Wahrheiten, sondern eine innere Überzeugung, die zu konkretem Handeln und Anstrengung auf dem spirituellen Pfad anregt. Die Verbindung zu saṃvega als Motivation zur Zufluchtnahme zeigt eine kausale Kette: Die Erkenntnis des Leidens führt zu Saddhā, die wiederum die Praxis in Gang setzt. Dies verdeutlicht, dass Saddhā im Buddhismus nicht nur eine intellektuelle oder emotionale Haltung ist, sondern eine treibende Kraft, die den Praktizierenden dazu befähigt, die notwendigen Schritte auf dem Pfad zu unternehmen. Es ist die Überzeugung, dass der Pfad funktioniert, die die Energie für die Anstrengung freisetzt.

2. Saddhā im Kontext verwandter Konzepte

2.1 Die Fünf Spirituellen Fähigkeiten (Pañca Indriyāni) und Fünf Kräfte (Pañca Balāni)

Saddhā ist die erste der fünf Spirituellen Fähigkeiten (Pañca Indriyāni) und der fünf Kräfte (Pañca Balāni), die als „Qualitäten, die zur Erleuchtung führen“ (Bodhipakkhiyadhammā) gelten. Diese Qualitäten sind eng miteinander verbunden und unterstützen sich gegenseitig auf dem spirituellen Weg.

Die fünf Qualitäten sind:

  • Saddhā (Glaube/Vertrauen/Überzeugung): Die anfängliche Begeisterung für den Pfad und das Vertrauen in Lehrer und Gemeinschaft, das zur Praxis motiviert. Es ist das Gegenmittel zu Zweifel (vicikicchā).
  • Vīriya (Energie/Anstrengung/Beharrlichkeit): Die innere Entschlossenheit, auch bei Schwierigkeiten weiterzumachen, und das Gegenmittel zu Faulheit.
  • Sati (Achtsamkeit): Das Herzstück der meditativen Praxis, die Fähigkeit, sich zu erinnern und Klarheit zu den vier Grundlagen der Achtsamkeit zu bringen. Es ist das Gegenmittel zu Unachtsamkeit.
  • Samādhi (Konzentration): Die Fähigkeit, den Geist zu sammeln und zu vereinheitlichen, um Hindernisse wie Ablenkung zu eliminieren.
  • Paññā (Weisheit/Einsicht): Die Weisheit des Entstehens und Vergehens, die zur vollständigen Beendigung des Leidens führt. Sie ist das Gegenmittel zur Unwissenheit.

Diese Qualitäten wirken in einer Abfolge: Saddhā erzeugt Vīriya, was wiederum Sati ermöglicht. Sati führt zu tiefer Samādhi, die schließlich zu Paññā führt. Es wird betont, dass Saddhā und Paññā einander ausbalancieren sollten. Ein Übermaß an Saddhā ohne Paññā könnte zu blindem Glauben führen, während zu viel Paññā ohne Saddhā zu intellektueller Trockenheit oder Zynismus führen kann. Der Buddha verglich sie mit einem Strom, der durch eine Insel geteilt wird – sie sind getrennt, aber auch eins. Sie werden als „Fähigkeiten“ bezeichnet, wenn sie ihre Einflussbereiche kontrollieren, und als „Kräfte“, wenn sie durch entgegenwirkende Kräfte unerschütterlich sind.

Die Darstellung dieser fünf Fähigkeiten/Kräfte verdeutlicht, dass sie nicht isoliert existieren, sondern in einer dynamischen Beziehung zueinander stehen. Saddhā ist der Ausgangspunkt, der die anderen Qualitäten aktiviert und unterstützt. Die Notwendigkeit des Gleichgewichts zwischen Saddhā und Paññā zeigt, dass der buddhistische Pfad eine harmonische Entwicklung erfordert. Die Metapher des „Stromes, der an einer Insel vorbeifließt“ verdeutlicht ihre untrennbare Verbindung und gegenseitige Bedingtheit. Dies bietet einen tiefen Einblick in die holistische Natur des buddhistischen Pfades: Es ist nicht ausreichend, nur eine Qualität zu entwickeln; vielmehr müssen sie in Harmonie kultiviert werden. Saddhā ist somit nicht nur ein Anfang, sondern eine Qualität, die durch Weisheit ständig verfeinert und bestätigt wird, wodurch eine spiralförmige Entwicklung auf dem Weg zur Erleuchtung entsteht.

Pali-Begriff Deutsche Übersetzung Funktion/Bedeutung Antidot
Saddhā Glaube/Vertrauen/Überzeugung „Initiierung des Pfades, Motivation zur Praxis, Überwindung von Zweifel“ Zweifel ( vicikicchā )
Vīriya Energie/Anstrengung Beharrlichkeit und Entschlossenheit auf dem Pfad Faulheit
Sati Achtsamkeit „Präsenz, Erinnerung, Klarheit über Körper, Gefühle, Geist und Geistesobjekte“ Unachtsamkeit
Samādhi Konzentration „Sammlung des Geistes, Einpunktigkeit, Überwindung von Ablenkung“ Ablenkung
Paññā Weisheit/Einsicht „Erkenntnis des Entstehens und Vergehens, führt zur Beendigung des Leidens“ Unwissenheit

2.2 Weitere wichtige Konzepte

Saddhā ist auch als der erste der sieben Schätze (Dhāna) aufgeführt, was seine grundlegende Bedeutung für den spirituellen Reichtum unterstreicht.

Eine weitere wichtige Verbindung besteht zum Stromeintritt (Sotāpatti). Unerschütterliches Vertrauen (avecca-pasāda) in die Drei Juwelen wird beim Erreichen dieser ersten Stufe der Heiligkeit erlangt, wenn die Fessel des skeptischen Zweifels (vicikicchā) beseitigt ist. Dies verbindet Saddhā direkt mit den anfänglichen Stadien der Befreiung und zeigt, dass es eine Qualität ist, die sich mit dem Fortschritt auf dem spirituellen Pfad vertieft und transformiert.

Darüber hinaus beinhaltet Saddhā den Glauben an die Gesetzmäßigkeit von Kamma (Handlung und deren Folgen). Kamma-Saddhā ist der Glaube an das Gesetz des Kamma, das durch körperliche, sprachliche und geistige Handlungen praktiziert wird. Vipāka-Saddhā ist der Glaube an die Ergebnisse des Kamma, der das Verständnis und die Erinnerung an diese Ergebnisse betont. Dies ist für die ethische Ausrichtung der Praxis von großer Bedeutung.

Kommentare zum Palikanon unterscheiden zudem vier Arten von Saddhā, die die Entwicklung und Tiefe des Vertrauens auf dem Pfad verdeutlichen:

  • Āgamana-saddhā: Die Zuversicht eines Bodhisattas (zukünftigen Buddhas), die mit dem feierlichen Wunsch beginnt, ein Buddha zu werden.
  • Adhigama-saddhā: Die Zuversicht von Edlen Schülern (Ariyasāvaka), die aus direkter Verwirklichung entsteht, beispielsweise bei einem Stromeingetretenen.
  • Okappana-saddhā: Der unveränderliche Glaube an die Drei Juwelen (Buddha, Dhamma, Saṅgha).
  • Pasādasaddhā: Eine gewöhnliche Überzeugung oder gelassene Akzeptanz, die sich als Freude manifestiert.

Die Existenz von „unerschütterlichem Vertrauen“ beim Stromeintritt und die „vier Arten von Saddhā“ zeigen, dass Saddhā keine statische Eigenschaft ist, sondern sich mit dem Fortschritt auf dem spirituellen Pfad vertieft und transformiert. Es beginnt als eine anfängliche, „vorläufige Akzeptanz“ und entwickelt sich zu einer „festen Überzeugung, die auf eigener Erfahrung basiert“. Der Übergang von Okappana-saddhā (unveränderlicher Glaube) zu Adhigama-saddhā (Zuversicht aus direkter Verwirklichung) zeigt eine qualitative Steigerung des Vertrauens. Dies bietet den Lesern eine Perspektive auf die Entwicklung ihrer eigenen Saddhā. Es ist nicht nur eine Startbedingung, sondern eine Qualität, die sich mit zunehmender Praxis und Einsicht vertieft und verfeinert und somit ein Indikator für den spirituellen Reifegrad ist. Es ermutigt zu einer langfristigen Perspektive auf die Praxis.

3. Saddhā in den Lehrreden des Palikanons

Die folgenden Lehrreden beleuchten verschiedene Facetten von Saddhā und sind über die Hauptquelle(https://suttacentral.net/) zugänglich.

3.1 Dīgha Nikāya (DN) – Die Sammlung der langen Lehrreden

Der Dīgha Nikāya ist bekannt für seine langen Lehrreden und ist „hauptsächlich für jene mit vorherrschendem saddhā indriya gedacht, die detaillierte Erklärungen benötigen“.

DN 28: Sampasādanīya Sutta (Die Lehrrede vom heiteren Vertrauen)

Kontext: In dieser Lehrrede, die in Nālandā gehalten wurde, drückt der Ehrwürdige Sāriputta sein unerschütterliches Vertrauen in die Erleuchtung des Buddha sowie in die tiefe Natur des Dhamma und die Reinheit des Saṅgha aus. Der Buddha fragt Sāriputta nach der Grundlage seines Vertrauens, da Sāriputta die Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht persönlich gekannt hat.

Kernbotschaft zu Saddhā: Sāriputtas Vertrauen ist keine blinde Verehrung, sondern eine „gelassene Zuversicht“ (sampasādanīya), die aus seinem tiefen Verständnis der Lehre und der unvergleichlichen Qualitäten des Buddha resultiert. Er erklärt, dass alle Buddhas die fünf Hindernisse beseitigt, die vier Grundlagen der Achtsamkeit geübt und die sieben Faktoren der Erleuchtung verwirklicht haben. Die Lehrrede erwähnt auch „jemanden, der durch Glauben befreit ist“ (saddhā vimutto). Sie betont, dass Saddhā durch das Verstehen und Erfahren des Dhamma zu innerem Frieden führt. Dieses Sutta zeigt, dass authentisches Vertrauen im Buddhismus aus der Einsicht in die universellen Prinzipien der Erleuchtung und die Wirksamkeit des Pfades entsteht, nicht aus persönlicher Bekanntschaft oder blinder Annahme.

Quelle: (https://suttacentral.net/dn28/de/sujato)

DN 11: Kevaṭṭa Sutta (Die Lehrrede an Kevaṭṭa)

Kontext: Ein Hausbesitzer namens Kevaṭṭa bittet den Buddha, ein übermenschliches Wunder (psychische Kraft) zu vollbringen, um mehr Anhänger zu gewinnen und die Menschen in Nālandā noch gläubiger zu machen.

Kernbotschaft zu Saddhā: Der Buddha lehnt die „Demonstration psychischer Kraft“ (iddhipāṭihāriya) und die „Demonstration des Gedankenlesens“ (ādesanāpāṭihāriya) als Grundlage für wahres Vertrauen ab und bezeichnet sie als „Nachteile“ oder „Ekel erregend“. Er erklärt, dass solche Phänomene irreführend sein können und nichts mit wahrem spirituellem Wachstum zu tun haben. Stattdessen betont er die „Demonstration der Unterweisung“ (anusāsanīpāṭihāriya) als das wahre Wunder. Diese Unterweisung führt zur „Verwirklichung der Befreiung des Geistes und der Befreiung durch Weisheit“. Wahre Saddhā entsteht nicht durch externe Wunder oder übernatürliche Fähigkeiten, sondern durch die transformative Kraft der Lehre selbst, wenn sie praktiziert wird und zur Beendigung der Geistesverunreinigungen führt. Dieses Sutta ist ein Schlüsseltext, der explizit darlegt, worauf Saddhā nicht basieren sollte (übernatürliche Kräfte, externe Wunder) und worauf sie tatsächlich beruht (die transformative Kraft der Lehre, die zur Befreiung führt). Dies ergänzt die Betonung der „begründeten“ Natur von Saddhā und die Notwendigkeit der „Untersuchung“. Es zeigt, dass der Buddha aktiv gegen oberflächliche Formen des Glaubens argumentierte und stattdessen eine tiefere, erfahrungsbasierte Überzeugung förderte. Dies ist eine wichtige Botschaft für moderne Leser, die möglicherweise skeptisch gegenüber religiösen Wundern sind. Es positioniert den Buddhismus als einen Pfad, der nicht auf Aberglauben, sondern auf der überprüfbaren Wirksamkeit seiner Lehren zur inneren Transformation basiert.

Quelle: (https://suttacentral.net/dn11/de/sujato)

3.2 Majjhima Nikāya (MN) – Die Sammlung der mittleren Lehrreden

Der Majjhima Nikāya enthält „mittellange“ Lehrreden, die Anweisungen auf einem Niveau zwischen Dīgha Nikāya und Khuddaka Nikāya bieten.

MN 47: Cūḷadhammasamādāna Sutta (Die kürzere Lehrrede über die Übernahme der Lehre / The Inquirer)

Kontext: Der Buddha legt in dieser Lehrrede dar, wie ein Mönch den Tathāgata (den Buddha) selbst „prüfen“ (scrutinize) sollte, um festzustellen, ob er tatsächlich vollständig erwacht ist.

Kernbotschaft zu Saddhā: Das Cūḷadhammasamādāna Sutta ist ein bemerkenswertes Plädoyer für „freie Untersuchung“ (free inquiry). Es ermutigt dazu, den Lehrer anhand seiner körperlichen Handlungen und seiner Rede auf „verunreinigte oder gemischte Zustände des Geistes“ zu prüfen. Es wird auch ermutigt, den Lehrer direkt nach seinen mentalen Zuständen zu fragen. Wenn das Vertrauen eines Schülers „durch diese Gründe, Begriffe und Phrasen im Tathāgata gepflanzt, verwurzelt und etabliert ist, wird sein Glaube als begründet, in Einsicht verwurzelt und fest bezeichnet; er ist unbesiegbar“. Anfänglicher Zweifel (vicikicchā) wird hier als zentral für das Wachstum des Glaubens angesehen und soll durch „persönliche kritische Untersuchung“ beseitigt werden. Dieses Sutta zeigt, dass Vertrauen im Buddhismus nicht blind ist, sondern durch eine aktive, kritische Auseinandersetzung mit der Lehre und dem Lehrer entsteht und sich festigt.

Quelle: (https://suttacentral.net/mn47/de/sujato)

MN 95: Caṅkī Sutta (Die Lehrrede an Caṅkī)

Kontext: Der junge Brahmane Kāpaṭhika fragt den Buddha nach der Grundlage, auf der man eine Wahrheit als „die Eine Wahrheit“ annehmen sollte.

Kernbotschaft zu Saddhā: Der Buddha erklärt, dass „Glaube, Zustimmung, mündliche Überlieferung, Denken und akzeptierte Theorien“ unzuverlässige Grundlagen für die Beurteilung der Wahrheit sind, wenn man sie als die einzige Wahrheit betrachtet. Er warnt davor, sich ausschließlich auf diese Quellen zu verlassen, da sie falsch sein können. Stattdessen sollte man einen Lehrer auf das Vorhandensein von Gier, Hass und Verblendung untersuchen. Der „richtige Weg, zur Erkenntnis und zum Sehen der Wahrheit zu gelangen“, ist ein Prozess, der mit dem Hören des Dhamma beginnt, es im Gedächtnis behält, es prüft, akzeptiert und schließlich zu Entschlossenheit und persönlicher Verwirklichung in diesem Leben führt. Dieses Sutta betont, dass Saddhā ein notwendiger, aber vorläufiger Schritt ist, der zu direkter Erfahrung und Weisheit führen muss. MN 47 und MN 95 sind von entscheidender Bedeutung für das Verständnis der erkenntnistheoretischen Basis von Saddhā. Sie lehnen blinde Akzeptanz explizit ab und befürworten stattdessen eine empirische Überprüfung und kritische Untersuchung sowohl des Lehrers als auch der Lehren. Der Buddha ermutigt seine Schüler, ihn zu „prüfen“ (MN 47) und warnt davor, dass „Glaube… falsch sein kann“ (MN 95). Dies positioniert den frühen Buddhismus als einen Pfad der Selbstentdeckung und überprüfbaren Wahrheit, der nicht auf Dogmen, sondern auf persönlicher Einsicht und Erfahrung beruht. Die „unzuverlässigen Grundlagen für die Beurteilung“ stellen konventionelle Autoritätsquellen in Frage. Dies ist für ein modernes, aufgeklärtes Publikum von großer Relevanz, da es Skepsis gegenüber religiösen Behauptungen anspricht und die rationale, erfahrungsbasierte Dimension des buddhistischen Pfades hervorhebt. Es ermächtigt den Einzelnen, durch eigene Praxis und kritische Reflexion zum eigenen Richter der Wahrheit zu werden.

Quelle: (https://suttacentral.net/mn95/de/sujato)

3.3 Samyutta Nikāya (SN) – Die Sammlung der verbundenen Lehrreden

Der Samyutta Nikāya enthält „verbundene Lehrreden“, die nach Themen geordnet sind. Die Suttas in diesem Nikāya sind besonders für jene mit dominierendem sati indriya (Achtsamkeitsfähigkeit) geeignet.

SN 48: Indriya-Saṃyutta (Das Kapitel über die Fähigkeiten)

Kontext: Dieses gesamte Saṃyutta ist den fünf spirituellen Fähigkeiten (indriya) gewidmet, von denen Saddhā die erste ist. Es behandelt ausführlich die Natur und das Zusammenspiel dieser grundlegenden Qualitäten.

Kernbotschaft zu Saddhā: SN 48.10 definiert saddhā indriya als „Glauben an die Erleuchtung des Vollendeten“. SN 48.43 erklärt, dass die fünf Kräfte und die fünf Fähigkeiten im Wesentlichen dasselbe sind und sich gegenseitig verstärken. SN 48.50 beschreibt, wie ein edler Schüler, der von Saddhā durchdrungen ist, keinen Zweifel am Tathāgata hat. Dies führt dazu, dass er „Beharrlichkeit für das Aufgeben unheilsamer und das Annehmen heilsamer Geisteszustände aufbringt“, achtsam wird, Konzentration erlangt und schließlich „Einsicht in das Entstehen und Vergehen“ gewinnt, was zur Beendigung des Leidens führt. Es zeigt die spiralförmige Entwicklung der Fähigkeiten, bei der Saddhā der anfängliche Funke ist, der den gesamten Prozess der spirituellen Entwicklung in Gang setzt und weiterhin verfeinert wird. Die Widmung eines ganzen Saṃyutta (SN 48) an die Indriyas hebt Saddhā von einem isolierten Konzept zu einer fundamentalen, systemischen Komponente des buddhistischen Pfades. Ihre explizite Verbindung zu Vīriya, Sati, Samādhi und Paññā zeigt, dass Saddhā nicht nur eine einzelne Tugend ist, sondern die initiierende und ausgleichende Kraft für die gesamte spirituelle Entwicklung. Die Beschreibung der „spiralförmigen Entwicklung“ verdeutlicht, dass Saddhā eine kontinuierliche und sich vertiefende Rolle spielt, die sich mit den anderen Faktoren gegenseitig verstärkt. Dies vermittelt ein umfassendes Bild von Saddhā innerhalb des buddhistischen Rahmens und zeigt, dass es integraler Bestandteil der Kultivierung aller anderen heilsamen Qualitäten ist und somit unerlässlich für das Erreichen der Erleuchtung. Es betont die Ganzheitlichkeit des Pfades.

Quelle: (https://suttacentral.net/sn48/de/sujato)

SN 1.36: Saddhā Sutta (Die Lehrrede über Vertrauen)

Kontext: In dieser kurzen Lehrrede rezitiert eine Gottheit dem Buddha einen Vers.

Kernbotschaft zu Saddhā: Der prägnante Vers lautet: „Saddhā dutiyā purisassa hoti – Glaube ist der Begleiter eines Menschen“. Er besagt weiter, dass, wenn Unglaube nicht verweilt, Ruhm und Ansehen entstehen und man nach dem Tod in den Himmel gelangt. Obwohl es sich um eine kurze Lehrrede handelt, hebt sie die grundlegende Rolle von Saddhā als einen förderlichen und führenden Faktor auf dem spirituellen Weg hervor, der zu positiven Ergebnissen im Leben und darüber hinaus führt. Es unterstreicht die traditionelle Sichtweise von Saddhā als einer Tugend, die Wohlstand und gute Wiedergeburt begünstigt.

Quelle: (https://suttacentral.net/sn1.36/de/sujato)

3.4 Aṅguttara Nikāya (AN) – Die Sammlung der numerischen Lehrreden

Der Aṅguttara Nikāya konzentriert sich auf „fundamentale Prinzipien“ und ist in numerischen Listen organisiert. Die Suttas sind „relativ kurz“ und für Menschen geeignet, die „schnell zu samādhi gelangen können“.

AN 8.54: Dīghajāṇu Sutta (Die Lehrrede an Dīghajāṇu / Vyagghapajja Sutta)

Kontext: Der Buddha unterweist einen Hausbesitzer namens Dīghajāṇu (auch bekannt als Vyagghapajja) in acht Persönlichkeitsmerkmalen, die zu Glück und Wohlbefinden in diesem und zukünftigen Leben führen.

Kernbotschaft zu Saddhā: Dieses Sutta ist „einer der Schlüsseltexte im Pali-Kanon zum Verständnis der buddhistischen Laienethik“. Es identifiziert vier Eigenschaften, die zum Glück in zukünftigen Leben führen (samparāyahitāya saṁvattanti samparāyasukhāya):

  • Saddhā (Glaube/Vertrauen): Vertrauen in den vollständig erwachten Buddha und seine Qualitäten.
  • Sīla (Tugend): Einhaltung der Fünf Sittlichkeitsregeln.
  • Cāga (Großzügigkeit): Freigebigkeit und Spendenfreudigkeit.
  • Paññā (Weisheit): Einsicht in das Entstehen und Vergehen der Dinge.

Es hebt die praktische Bedeutung von Saddhā für Laien hervor und verankert sie in ethischem Verhalten und weisem Verständnis für langfristiges Wohlbefinden und spirituellen Fortschritt. Es zeigt, dass Saddhā eine grundlegende Tugend für das tägliche Leben ist.

Quelle: (https://suttacentral.net/an8.54/de/sujato)

AN 5.38: Saddhasutta (Die Lehrrede über Vertrauen)

Kontext: Der Buddha beschreibt die fünf Vorteile, die einem „Sippenangehörigen, der mit Glauben ausgestattet ist“ (saddhe kulaputte) zuteilwerden.

Kernbotschaft zu Saddhā: Die fünf Vorteile sind:

  1. Gute Menschen zeigen ihm zuerst Mitgefühl.
  2. Sie nähern sich ihm zuerst.
  3. Sie nehmen zuerst Almosen von ihm an.
  4. Sie lehren ihn zuerst den Dhamma.
  5. Nach dem Tod wird er in einem guten Bestimmungsort, in einer Himmelswelt, wiedergeboren.

Der Buddha vergleicht eine Person mit Saddhā mit einem „großen Banyanbaum an einem ebenen Kreuzweg“, der „vielen Vögeln ringsum Zuflucht wird“. Ebenso wird ein gläubiger Sippenangehöriger „vielen Menschen Zuflucht“. Dieses Sutta betont die sozialen und karmischen Vorteile von Saddhā. Es zeigt, dass Saddhā nicht nur ein innerer Zustand ist, sondern auch positive äußere Konsequenzen hat, die zu günstigen Interaktionen und zukünftigen Existenzen führen. Es unterstreicht die Ausstrahlung und den Nutzen einer Person, die Saddhā kultiviert hat. AN 8.54 und AN 5.38 adressieren Saddhā explizit im Kontext des Laienlebens und seiner greifbaren Vorteile. Dies erweitert das Verständnis von Saddhā über rein monastische oder auf Befreiung ausgerichtete Aspekte hinaus. AN 8.54 integriert Saddhā in einen Katalog von Tugenden für „Glück in diesem und zukünftigen Leben“, während AN 5.38 die sozialen und karmischen „Vorteile“ einer Person mit Saddhā hervorhebt, die zu einer „Zuflucht für viele“ wird. Dies zeigt, dass Saddhā nicht nur eine innere spirituelle Qualität ist, sondern auch eine, die sich positiv auf die Interaktionen mit der Welt und das eigene Schicksal auswirkt. Dies macht Saddhā für die Zielgruppe der Laienbuddhismus-Interessierten besonders relevant und zugänglich. Es demonstriert, dass die Kultivierung von Saddhā unmittelbare und langfristige Vorteile im persönlichen und zwischenmenschlichen Bereich hat, was die Motivation zur Praxis stärken kann.

Quelle: (https://suttacentral.net/an5.38/de/sujato)

Nikāya Sutta-Nummer Pali-Name Gebräuchlicher Deutscher Name Kernbotschaft zu Saddhā SuttaCentral-Link (DE)
DN DN 28 Sampasādanīya Sutta Die Lehrrede vom heiteren Vertrauen Saddhā als begründete Zuversicht in die Drei Juwelen, basierend auf Verständnis und Erfahrung. (https://suttacentral.net/dn28/de/sujato)
DN DN 11 Kevaṭṭa Sutta Die Lehrrede an Kevaṭṭa Wahre Saddhā entsteht nicht durch Wunder, sondern durch die transformative Kraft der Lehre (anusāsanīpāṭihāriya). (https://suttacentral.net/dn11/de/sujato)
MN MN 47 Cūḷadhammasamādāna Sutta Die kürzere Lehrrede über die Übernahme der Lehre / The Inquirer Saddhā wächst durch freie Untersuchung und kritische Prüfung des Lehrers und der Lehre. MN 47
MN MN 95 Caṅkī Sutta Die Lehrrede an Caṅkī Saddhā ist ein notwendiger, aber vorläufiger Schritt, der zu direkter Erfahrung und Weisheit führen muss; Ablehnung blinder Akzeptanz. MN 95
SN SN 48 Indriya-Saṃyutta Das Kapitel über die Fähigkeiten Saddhā als erste der fünf spirituellen Fähigkeiten und Kräfte, die den gesamten Pfad initiiert und ausbalanciert. (https://suttacentral.net/sn48/de/sujato)
SN SN 1.36 Saddhā Sutta Die Lehrrede über Vertrauen Saddhā als grundlegender Begleiter eines Menschen, der zu Ruhm und guten Wiedergeburten führt. (https://suttacentral.net/sn1.36/de/sujato)
AN AN 8.54 Dīghajāṇu Sutta Die Lehrrede an Dīghajāṇu / Vyagghapajja Sutta Saddhā als eine von vier Eigenschaften, die zu Glück in diesem und zukünftigen Leben für Laien führt. AN 8.54
AN AN 5.38 Saddhasutta Die Lehrrede über Vertrauen Die fünf Vorteile von Saddhā im sozialen und karmischen Kontext; eine Person mit Saddhā wird zur Zuflucht für andere. AN 5.38

Schlussfolgerung

Saddhā im frühen Buddhismus ist ein vielschichtiger und dynamischer Begriff, der weit über die westliche Vorstellung von „Glaube“ hinausgeht. Es ist kein blinder Glaube, sondern ein Vertrauen, das in Verständnis, kritischer Untersuchung und persönlicher Erfahrung verwurzelt ist. Es beginnt als eine anfängliche Zuversicht, die durch die Reflexion über das Leiden und die Zufluchtnahme zu den Drei Juwelen motiviert wird. Diese Zuversicht entwickelt sich zu einer tiefen, persönlich verifizierten Überzeugung, die als „Samen“ für alle heilsamen Geisteszustände dient und den Praktizierenden dazu befähigt, die Fluten des Saṃsāra zu überqueren.

Die Untersuchung der Lehrreden des Palikanons, insbesondere aus dem Dīgha Nikāya, Majjhima Nikāya, Samyutta Nikāya und Aṅguttara Nikāya, verdeutlicht die zentrale Rolle von Saddhā. Texte wie das Sampasādanīya Sutta (DN 28) und das Kevaṭṭa Sutta (DN 11) zeigen, dass wahres Vertrauen auf der Wirksamkeit der Lehre und der Verwirklichung innerer Transformation basiert, nicht auf äußeren Wundern. Das Cūḷadhammasamādāna Sutta (MN 47) und das Caṅkī Sutta (MN 95) betonen die Notwendigkeit der freien Untersuchung und die Ablehnung unbegründeter Annahmen, wodurch Saddhā als ein rationaler und erfahrungsbasierter Prozess etabliert wird. Das Indriya-Saṃyutta (SN 48) positioniert Saddhā als die erste der fünf spirituellen Fähigkeiten, die den gesamten Pfad initiiert und in einem dynamischen Gleichgewicht mit Weisheit steht. Schließlich zeigen das Dīghajāṇu Sutta (AN 8.54) und das Saddhasutta (AN 5.38) die praktischen und ethischen Vorteile von Saddhā für das Laienleben, indem sie seine positiven Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden, die sozialen Beziehungen und zukünftige Existenzen hervorheben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Saddhā ein integraler und sich entwickelnder Bestandteil des buddhistischen Pfades ist, der sowohl die anfängliche Motivation als auch die fortlaufende Stärkung der Praxis untermauert. Es ist eine Qualität, die sich mit zunehmender Einsicht vertieft und verfeinert, und somit ein Indikator für den spirituellen Reifegrad. Es wird den Lesern nachdrücklich empfohlen, diese Texte selbst auf SuttaCentral.net zu studieren, um ihr Verständnis dieses tiefgründigen Pali-Begriffs weiter zu vertiefen und die Lehren des Buddha in ihrer ursprünglichen Klarheit zu erfahren.

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