
Die Rolle von Frauen im frühen Buddhismus: Eine Analyse basierend auf dem Pali-Kanon und moderner Forschung
Eine Untersuchung der spirituellen Gleichheit, gesellschaftlichen Herausforderungen und der Gründung des Nonnenordens
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Stellung der Frau im Indien des 5. Jahrhunderts v. Chr. und der Aufbruch des Buddhismus
- Die Gründung des Bhikkhunī-Ordens: Ursachen, Bedingungen und Widerstände
- Buddhas Aussagen zu Frauen im Pali-Kanon: Vielfalt der Perspektiven
- Bedeutende Nonnen und Laienanhängerinnen im frühen Buddhismus
- Vinaya-Regeln: Unterschiede zwischen Bhikkhus und Bhikkhunīs
- Rezeption und Interpretation durch moderne Gelehrte
- Fazit
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
1. Einleitung: Die Stellung der Frau im Indien des 5. Jahrhunderts v. Chr. und der Aufbruch des Buddhismus
1.1 Die vorbuddhistische Gesellschaft und die Rolle der Frau
Die gesellschaftliche Stellung von Frauen im vorbuddhistischen Indien, insbesondere im brahmanischen Kontext des 5. Jahrhunderts v. Chr., war durch eine ausgeprägte Unterordnung und Devaluierung gekennzeichnet. Frauen wurden in dieser patriarchalischen Gesellschaft oft als unrein betrachtet, insbesondere während der Menstruation und Geburt, und die Geburt einer Tochter galt als Quelle des Unglücks. Ihre soziale Wertschätzung war primär an ihre Rolle als Ehefrau und Mutter eines Sohnes gebunden; kinderlose Frauen oder Witwen erfuhren erhebliche Diskriminierung und Verachtung. Religiöse Partizipation war Frauen zwar oft im Rahmen der Opferrituale ihrer Ehemänner gestattet, jedoch ohne eigenständige handlungsleitende Funktion. Texte wie die Manu Smriti schrieben eine umfassende Unterwerfung vor, reduzierten Frauen auf eine „Unterart“ und verboten ihnen Unabhängigkeit, da sie als von Natur aus verführerisch und ungeeignet für Eigenständigkeit angesehen wurden. Die Frau wurde bildhaft als „Ausdruck von Samsara“ (dem ewigen Kreislauf des Leidens) und als potenzielle Versuchung dargestellt, die zölibatäre Mönche von ihrem spirituellen Weg abbringen konnte. Ihre Existenz wurde oft als an die eines Mannes geklammert beschrieben, als Dienerin oder reproduktiver Apparat zur Befriedigung männlicher Begierden.
Dieser tief verwurzelte, repressive soziale Kontext, der Frauen als Besitz, unrein und primär auf ihre reproduktive Rolle reduziert, steht in scharfem Kontrast zur späteren Akzeptanz von Frauen in den buddhistischen Orden durch den Buddha. Diese gesellschaftliche Misogynie diente wahrscheinlich als starker Katalysator für Frauen, die alternative spirituelle Wege suchten, wodurch Buddhas Dhamma-Vinaya besonders attraktiv wurde. Die Gründung eines Bhikkhunī-Ordens, selbst mit anfänglicher Zurückhaltung und späteren Einschränkungen, stellte eine radikale soziale Reform für ihre Zeit dar. Sie forderte die vorherrschenden Normen direkt heraus und bot einen beispiellosen Weg für weibliche Autonomie und spirituelle Praxis. Dieser historische Hintergrund unterstreicht den revolutionären Charakter der Entscheidung des Buddha und positioniert den Buddhismus als progressive Kraft in einer ansonsten patriarchalischen Landschaft.
1.2 Buddhas revolutionärer Ansatz und die Vierfache Sangha
Gautama Buddha wird als bedeutender sozialer Reformer und als Verfechter der Gleichheit aller Menschen, unabhängig von Geschlecht oder Kaste, beschrieben. Seine Lehre konzentrierte sich auf die Entwicklung und Schulung des Geistes, wobei das Geschlecht für die Erlangung der Erlösung und der „Heiligkeit“ (Arhatschaft) als irrelevant betrachtet wurde. Diese Haltung bot Frauen eine einzigartige Möglichkeit zur Entfaltung ihres spirituellen Potenzials und zur Erreichung höchster Ziele, was in der damaligen Gesellschaft als revolutionär galt.
Die umfassende Vision des Buddha umfasste eine „vierfache Sangha“ – bestehend aus männlichen Mönchen (Bhikkhus), weiblichen Nonnen (Bhikkhunīs), männlichen Laienanhängern (Upāsakas) und weiblichen Laienanhängerinnen (Upāsikās). Diese Struktur wurde als unabdingbares Fundament für das Gedeihen und die Beständigkeit seiner Lehre betrachtet. Die „vierfache Sangha“ war nicht nur eine beschreibende Organisationsstruktur, sondern ein idealisierter Zustand für die Bewahrung und Verbreitung des Dhamma. Das Fehlen oder die Schwächung eines dieser vier Pfeiler, insbesondere des Bhikkhunī-Ordens, wurde von Gelehrten wie Analayo als ein grundlegender Mangel oder ein „verkrüppelter“ Zustand des Buddhismus beschrieben. Dies zeigt eine direkte Verbindung: Die Gesundheit und Vollständigkeit der Sangha sind direkt mit der Präsenz und aktiven Beteiligung aller vier Gruppen verbunden. Für die moderne Zeit bedeutet dies, dass die Bemühungen zur Wiederherstellung der Bhikkhunī-Linie nicht nur auf Geschlechtergleichheit abzielen, sondern darauf, Buddhas ursprüngliche Vision einer robusten und vollständigen buddhistischen Gemeinschaft zu erfüllen. Dies ist für die langfristige Bewahrung und Verbreitung der Lehren von entscheidender Bedeutung.
2. Die Gründung des Bhikkhunī-Ordens: Ursachen, Bedingungen und Widerstände
2.1 Mahāpajāpatī Gotamī: Die treibende Kraft
Mahāpajāpatī Gotamī, die Stiefmutter und Tante des Buddha, wird als die erste Frau anerkannt, die die Ordination für Frauen beantragte und damit zur Gründerin des Nonnenordens wurde. Nach dem Tod von König Suddhodana, Buddhas Vater, war sie von tiefer Trauer erfüllt und entschloss sich, die Ordination unter dem Buddha zu suchen. Ihre Entschlossenheit zeigte sich, als sie trotz anfänglicher dreimaliger Ablehnung des Buddha zusammen mit 500 Sakya-Damen zu Fuß nach Vesali reiste. Sie rasierte sich den Kopf und legte gelbe Roben an, um ihren unerschütterlichen Willen zum Ausdruck zu bringen, dem monastischen Leben beizutreten.
Mahāpajāpatīs wiederholte Bitten und ihre anstrengende Reise mit 500 Frauen zeigen ein außergewöhnliches Maß an Entschlossenheit und Eigeninitiative, insbesondere im restriktiven sozialen Kontext des alten Indien. Dies ist nicht nur eine historische Tatsache, sondern eine thematische Verbindung zum breiteren Kampf um die spirituellen Rechte von Frauen. Ihre Beharrlichkeit, trotz anfänglicher Ablehnungen, unterstreicht, dass die Gründung des Bhikkhunī-Ordens keine passive Gewährung war, sondern eine hart erkämpfte Errungenschaft, die durch weibliche Initiative vorangetrieben wurde. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass Frauen nicht nur Empfängerinnen des Dhamma waren, sondern aktive Akteurinnen bei der Gestaltung der frühen Sangha, die einen Präzedenzfall für zukünftige Generationen von Frauen schufen, die ein volles monastisches Leben anstrebten.
2.2 Ānandas Fürsprache und Buddhas anfängliche Zurückhaltung
Ānanda, Buddhas Cousin und persönlicher Begleiter, spielte eine entscheidende Rolle bei der Fürsprache für die Frauen. Er fragte den Buddha direkt, ob Frauen in der Lage seien, die verschiedenen Stufen der Heiligkeit zu erreichen, worauf der Buddha explizit bejahte, dass Frauen Männern in ihrem Potenzial zur Erleuchtung gleichwertig sind und Arhatschaft erlangen können.
Buddhas anfängliche Zurückhaltung, die Frauen zu ordinieren – er lehnte Mahāpajāpatīs Bitte dreimal ab – wird unterschiedlich interpretiert:
- Traditionelle und schützende Sichtweisen legen nahe, dass Buddhas Zögern aus Mitgefühl für die Nonnen resultierte. Er machte sich Sorgen um die Härten des monastischen Lebens, wie das Almosensammeln in einer Zeit ohne Klöster und das Leben unter Bäumen und in Höhlen. Auch die Sicherheit der Frauen, insbesondere die Gefahr von Vergewaltigung, war ein Anliegen. Zudem befürchtete er gesellschaftliche Kritik, da die Aufnahme von Frauen als „Zerstörung der Familieneinheit“ wahrgenommen werden könnte. Das Fehlen einer etablierten Infrastruktur für die Ausbildung und Unterbringung einer großen Gruppe von Nonnen könnte ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
- Kritisch-historische und feministische Sichtweisen hinterfragen die Authentizität dieser anfänglichen Ablehnung und der damit verbundenen Prophezeiung, dass der Dharma nach der Aufnahme von Frauen nur 500 Jahre währen würde. Diese wird oft als spätere monastische Interpolation angesehen, die die Vorbehalte der Mönche widerspiegelt, die den Vinaya später aufzeichneten und der Frauenordination kritisch gegenüberstanden.
Buddhas explizite Bestätigung der spirituellen Fähigkeit von Frauen steht in direktem Kontrast zu seiner anfänglichen Zurückhaltung und der anschließenden Auferlegung der Garudhammas. Dies verdeutlicht eine tiefgreifende Spannung: Während der Kern des Dhamma in Bezug auf das Befreiungspotenzial von Natur aus egalitär ist, musste die praktische Umsetzung der Sangha die zutiefst patriarchalischen sozialen Normen des alten Indien berücksichtigen. Gesellschaftliche Vorurteile und Sicherheitsbedenken beeinflussten wahrscheinlich die Form des monastischen Ordens für Frauen und führten zu Regeln, die oberflächlich diskriminierend erscheinen. Dies bedeutet, dass die frühe buddhistische Gemeinschaft, obwohl revolutionär, nicht völlig immun gegenüber den kulturellen Vorurteilen ihrer Zeit war. Moderne Wissenschaft, repräsentiert durch Gelehrte wie Analayo und Bhikkhunī Dhammanandā, setzt sich aktiv mit dieser Spannung auseinander und versucht, zwischen Buddhas ursprünglicher, befreiender Absicht und späteren, von patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen beeinflussten Hinzufügungen zu unterscheiden.
2.3 Die Acht Garudhammas (Acht wichtige Regeln): Bedingung der Ordination
Nach Ānandas beharrlicher Fürsprache stimmte der Buddha der Frauenordination unter der Bedingung zu, dass Mahāpajāpatī die Acht Garudhammas akzeptierte. Diese Regeln wurden als „Girlande zur Zierde“ für die Nonnen beschrieben.
Inhalte der Garudhammas und ihre Implikationen:
Die Garudhammas legten eine klare Unterordnung der Nonnen unter die Mönche fest.
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Regel 1: Eine Nonne, selbst wenn sie hundert Jahre ordiniert ist, muss einem Mönch, der erst einen Tag ordiniert ist, respektvoll begegnen und sich vor ihm erheben. Es existieren jedoch Vinaya-Texte, die Ausnahmen enthalten, welche besagen, dass Nonnen unwürdigen Mönchen keinen Respekt zollen müssen. Mahāpajāpatī Gotamī bat den Buddha später, dass Respektbezeugungen und Pflichten zwischen Bhikkhus und Bhikkhunīs gleichberechtigt nach Seniorität erfolgen sollten. Dies wurde jedoch nicht gewährt.
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Regel 2: Nonnen dürfen keine Regenzeitklausur (Vassa) an einem Ort verbringen, an dem sich keine Mönche befinden. Dies sicherte die Abhängigkeit der Nonnen vom Bhikkhu-Sangha für Belehrung und Anleitung.
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Regel 3: Nonnen müssen zweimal im Monat vom Mönchs-Sangha Anweisungen in Bezug auf das Uposatha-Ritual und die Dhamma-Lehre erhalten. Dies unterstreicht die Rolle der Mönche als spirituelle Autoritäten für die Nonnen.
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Regel 4: Nach Beendigung der Regenzeitklausur muss die Nonne die Pavāraṇā-Zeremonie (Einladung zur Kritik) sowohl vor dem Bhikkhu-Sangha als auch vor dem Bhikkhunī-Sangha durchführen. Mönche hingegen müssen dies nur vor ihrem eigenen Orden tun. Dies verstärkte die Überprüfung und Aufsicht durch die Mönche.
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Regel 5: Eine Nonne, die eine schwere Verfehlung begangen hat (ein Sanghādisesa-Vergehen), muss die Buße (Mānatta) sowohl vor dem Bhikkhu-Sangha als auch vor dem Bhikkhunī-Sangha vollziehen. Für Mönche reichte die Buße vor dem eigenen Orden.
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Regel 6: Eine zweijährige Probezeit als Sikkhamana (Lernende Nonne, die sechs Regeln einhält) und die höhere Ordination (Upasampadā) durch beide Orden (Bhikkhu- und Bhikkhunī-Sangha) sind erforderlich. Dies steht im Widerspruch zur direkten Ordination Mahāpajāpatīs durch den Buddha, bei der es noch keine Sikkhamana-Ordination gab. Dies deutet auf eine spätere Entwicklung dieser Regel hin, möglicherweise um den Prozess der Frauenordination zu standardisieren und zu erschweren.
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Regel 7: Ein Mönch darf eine Nonne unter keinen Umständen tadeln oder zurechtweisen, während es Nonnen untersagt ist, Mönche in irgendeiner Weise zu tadeln oder zu beschimpfen. Dies steht im Widerspruch zu Suttas, in denen der Buddha Nonnen lobte, die Dhamma-Vorträge hielten, und ihre Lehren sogar als vorbildlich anerkannte. Die Regel schützte die Autorität der Mönche.
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Regel 8: Nonnen dürfen keine Mönche in irgendeiner Weise tadeln oder beschimpfen. Dies ist eine Spezifizierung der vorherigen Regel und unterstreicht die strikte Hierarchie.
Kontroverse um die Authentizität:
Die Authentizität der Garudhammas als direkte Worte des Buddha wird von vielen modernen Gelehrten und Praktizierenden stark angezweifelt. Argumente gegen ihre direkte Buddha-Urheberschaft umfassen die genannten Widersprüche zu anderen Suttas und zur historischen Ordinationspraxis. Die Buddha zugeschriebene Prophezeiung des Dharma-Verfalls nach 500 Jahren wird ebenfalls als spätere monastische Interpolation angesehen, die die Ablehnung der Frauenordination durch die Aufzeichnenden widerspiegelt. Bhikkhu Analayo stellt die Historizität der Garudhammas als „eher zweifelhaft“ dar, obwohl sie in allen Vinayas vorhanden sind. Er argumentiert, dass der Buddha die Möglichkeit offenließ, dass Mönche allein Nonnen ordinieren können, wenn keine Nonnenlinie existiert.
Die Garudhammas sind trotz ihrer kontroversen Natur und wissenschaftlicher Zweifel an ihrer direkten Herkunft vom Buddha in allen Vinaya-Traditionen vorhanden. Dies weist darauf hin, dass sie keine zufälligen Hinzufügungen waren, sondern eine historische Funktion erfüllten. Ihre Auferlegung, sei es durch den Buddha, um „gesellschaftliche Normen zu beschwichtigen“, oder durch spätere monastische Kompilatoren, um „mehr Akzeptanz“ für den Bhikkhunī-Orden zu ermöglichen, könnte eine Überlebensstrategie in einem feindseligen sozialen Umfeld gewesen sein. Diese Regeln, obwohl scheinbar diskriminierend, könnten ein notwendiger Kompromiss gewesen sein, um die Existenz des Bhikkhunī-Ordens überhaupt zu sichern, wenn auch auf Kosten der vollen Gleichheit. Diese Perspektive fügt ihrer Interpretation eine Schicht der Komplexität hinzu, die über eine einfache „gut gegen schlecht“-Dichotomie hinausgeht und die sozio-politischen Realitäten der frühen buddhistischen Gemeinschaft anerkennt.
Schlüsselereignisse der Gründung des Bhikkhunī-Ordens
Ereignis | Zeitpunkt (ca.) | Beschreibung | Relevante Quellen |
---|---|---|---|
Gründung des Bhikkhu-Ordens | 5 Jahre nach Buddhas Erleuchtung | Der Buddha etabliert die Gemeinschaft der voll ordinierten männlichen Mönche. | Vinaya-Texte |
Tod von König Suddhodana | Nach Gründung des Bhikkhu-Ordens | Mahāpajāpatī Gotamī, Buddhas Stiefmutter, entscheidet sich, das weltliche Leben aufzugeben und die Ordination zu suchen. | Therīgāthā, Vinaya |
Anfängliche Ablehnung durch den Buddha | Nach Mahāpajāpatīs Bitte | Der Buddha lehnt Mahāpajāpatīs Wunsch nach Ordination dreimal ab. Dies wird später als Sorge um die Sicherheit der Frauen, die Härten des monastischen Lebens und gesellschaftliche Kritik interpretiert. | Vinaya Piṭaka |
Mahāpajāpatīs Entschlossenheit | Nach Ablehnung, vor Vesali | Mahāpajāpatī rasiert sich den Kopf, legt Roben an und reist zusammen mit 500 Sakya-Damen zu Fuß nach Vesali, um ihre Entschlossenheit zu demonstrieren. | Vinaya Piṭaka |
Ānandas Fürsprache | In Vesali | Ānanda fragt den Buddha, ob Frauen die spirituellen Ziele der Erlösung erreichen können. Der Buddha bestätigt die volle spirituelle Fähigkeit von Frauen. | Vinaya Piṭaka |
Bedingte Akzeptanz der Ordination | Nach Ānandas Fürsprache | Der Buddha stimmt der Ordination von Frauen unter der Bedingung zu, dass Mahāpajāpatī die Acht Garudhammas (schwere Regeln) akzeptiert. | Vinaya Piṭaka |
Gründung des Bhikkhunī-Ordens | Ca. 7-8 Jahre nach dem Bhikkhu-Orden | Mahāpajāpatī Gotamī wird die erste Bhikkhunī, gefolgt von den 500 Sakya-Damen. Der Orden der voll ordinierten Nonnen wird etabliert. | Vinaya Piṭaka |
Mahāpajāpatīs Parinirvana | Im hohen Alter von 120 Jahren | Mahāpajāpatī erreicht die Arhatschaft und tritt ins Nirvana ein, nachdem sie übernatürliche Kräfte demonstriert hat, um die spirituellen Fähigkeiten von Frauen zu beweisen. | Therīgāthā, Apadāna |
3. Buddhas Aussagen zu Frauen im Pali-Kanon: Vielfalt der Perspektiven
3.1 Suttas, die die spirituelle Gleichwertigkeit betonen
Der Kern der buddhistischen Lehre konzentriert sich auf die Entwicklung und Schulung des Geistes, wobei das Geschlecht für die Erlangung der Erlösung und der „Heiligkeit“ (Arhatschaft) als irrelevant erachtet wird. Frauen können die höchsten spirituellen Ziele erreichen.
Eine der prägnantesten Aussagen zur spirituellen Gleichheit findet sich im Soma Sutta (SN 5.2). In diesem Sutra versucht Māra, der Verkörperung der Täuschung, die Nonne Soma zu entmutigen, indem er ihre spirituelle Fähigkeit aufgrund ihrer „Zwei-Finger-Weisheit“ (eine abfällige Bezeichnung für begrenzte weibliche Intelligenz) in Frage stellt. Soma widerlegt ihn jedoch eloquent und entgegnet, dass das Geschlecht irrelevant ist, wenn der Geist konzentriert ist und das Dhamma richtig erkannt wird. Sie betont, dass nur derjenige, der sich als „Frau“ oder „Mann“ identifiziert, für Māra ansprechbar ist, und dass die Befreiung jenseits solcher binären Kategorien liegt. Diese Erwiderung wird von Gelehrten als eine definitive Erklärung der Geschlechtergleichheit im Buddhismus angesehen.
Die Therīgāthā, eine einzigartige Sammlung von Gedichten älterer Nonnen (Therīs), ist eine unverzichtbare Primärquelle für die weiblichen Stimmen im frühen Buddhismus. Die Gedichte feiern die Freude an der Freiheit und dem Meditationsleben, drücken stolze und freudige Proklamationen ihrer spirituellen Errungenschaften aus und zeigen Dankbarkeit gegenüber anderen Nonnen als ihren Lehrerinnen und Führerinnen. Sie belegen eindrücklich, dass Frauen die Erlösung erlangt haben und ihre Erfahrungen in poetischer Form festhielten.
Die klare Bestätigung der spirituellen Fähigkeit von Frauen in Texten wie dem Soma Sutta und der Therīgāthā widerspricht direkt anderen Passagen, die Frauen negativ darstellen. Dieser Widerspruch innerhalb des Pali-Kanons selbst ist eine entscheidende Beobachtung. Er deutet darauf hin, dass der Kanon kein monolithischer Text ist, sondern eine Kompilation, die verschiedene Perspektiven und historische Schichten widerspiegelt. Das zugrunde liegende Thema ist der Kampf, den radikalen Egalitarismus des Dhamma, der sich auf den Geist und nicht auf Körper oder Geschlecht konzentriert, mit den tief verwurzelten patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen der Zeit in Einklang zu bringen. Diese interne textliche Spannung impliziert, dass die „Aussagen des Buddha“ nicht immer direkte Zitate sind, sondern spätere Interpretationen oder gesellschaftliche Vorurteile enthalten können, die in die mündliche und später schriftliche Überlieferung integriert wurden.
3.2 Suttas, die Frauen negativ darstellen oder als Hindernis beschreiben
Trotz der egalitären Aussagen finden sich im Pali-Kanon auch Passagen, die Frauen in einem negativen Licht darstellen oder sie als potenzielle Hindernisse für die Mönche beschreiben. Moderne Forschung neigt dazu, diese kritisch zu hinterfragen und als spätere Hinzufügungen oder Reflexionen gesellschaftlicher Vorurteile zu interpretieren.
Im Anguttara Nikaya (AN) finden sich mehrere Suttas, die als frauenfeindlich interpretiert werden können.
- AN 4.80 (Kamboja Sutta): In diesem Sutra werden Frauen als reizbar, eifersüchtig, geizig und unintelligent beschrieben, was als Grund dafür angeführt wird, dass sie nicht an Ratsversammlungen teilnehmen, Geschäfte machen oder reisen. Kritische Interpretationen sehen diese Aussagen als Beobachtungen der damaligen sozialen Realität und der vorherrschenden Vorurteile, nicht als Buddhas Billigung. Es wird auch die Möglichkeit einer späteren Interpolation diskutiert, da solche Aussagen oft nur im Anguttara Nikaya vorkommen und Parallelen fehlen.
- AN 5.229: Hier werden Frauen mit einer schwarzen Schlange verglichen und als unrein, stinkend, feige, furchterregend und verräterisch beschrieben. Auch hier wird die Authentizität angezweifelt und die Passage als mögliche spätere Hinzufügung eines Mönchs mit Vorurteilen gegen Frauen interpretiert, da sie dem liberaleren Geist anderer Nikāyas widerspricht.
- AN 5.55: Dieses Sutra, oft im Kontext sexueller Versuchung interpretiert, beschreibt Frauen als „Falle des Māra“, die den Geist eines Mannes besetzen und ein Hindernis für die Erlangung der Erlösung darstellen können. Die vorherrschende Interpretation ist, dass diese Aussagen als Warnungen an Mönche im Kontext des Zölibats zu verstehen sind, nicht als generelle Abwertung von Frauen. Es wird auch spekuliert, dass symmetrische Warnungen für Nonnen bezüglich Männern existiert haben könnten, die nicht überliefert wurden.
Im Mahāparinibbāna Sutta (DN 16), einem der letzten Diskurse des Buddha, betrifft eine der letzten Fragen Ānandas das Verhalten gegenüber Frauen, worauf der Buddha antwortet: „Nicht anschauen“, „nicht ansprechen“, „Achtsamkeit bewahren“. Diese Passage wird von Gelehrten wie B.R. Ambedkar als spätere monastische Interpolation angesehen, da sie im Widerspruch zu Buddhas und Ānandas bekanntem Umgang mit Frauen steht, die sie oft trafen und mit denen sie sprachen.
Das Majjhima Nikaya 115.15 enthält eine Aussage, die besagt, dass es für eine Frau unmöglich ist, ein voll erleuchteter Buddha zu werden, aber für einen Mann möglich. Diese Aussage steht im direkten Widerspruch zur allgemeinen buddhistischen Lehre der spirituellen Gleichheit und der Fähigkeit von Frauen zur Arhatschaft.
Das Vorhandensein scheinbar frauenfeindlicher Passagen neben egalitären deutet auf einen komplexen Entwicklungsprozess des Pali-Kanons hin. Dies ist nicht nur ein Widerspruch, sondern ein verborgenes Muster textueller Schichtung. Das konsistente wissenschaftliche Argument, dass negative Darstellungen wahrscheinlich spätere Interpolationen oder Reflexionen gesellschaftlicher Vorurteile sind und nicht ursprüngliche Buddha-Lehren, impliziert, dass der Vinaya und bestimmte Suttas durch die sozialen Ängste und patriarchalischen Neigungen der monastischen Kompilatoren nach dem Tod des Buddha geformt wurden. Dies bedeutet, dass ein kritisch-historischer Ansatz für das Verständnis der frühen buddhistischen Texte unerlässlich ist, um zwischen dem zeitlosen Dhamma und kulturell bedingten Elementen zu unterscheiden. Diese Erkenntnis beeinflusst, wie moderne Buddhisten diese Texte interpretieren und anwenden, insbesondere in Bezug auf Geschlechterrollen und die Wiederherstellung der Bhikkhunī-Linie.
4. Bedeutende Nonnen und Laienanhängerinnen im frühen Buddhismus
4.1 Bedeutende Nonnenfiguren
Die Geschichten bedeutender Nonnen im frühen Buddhismus liefern wichtige Belege für die spirituelle Gleichwertigkeit von Frauen und ihre Fähigkeit, höchste Errungenschaften zu erzielen.
- Mahāpajāpatī Gotamī ist nicht nur als Gründerin des Nonnenordens bekannt, sondern auch als eine der ersten Frauen, die die Arhatschaft erlangte. Berichten zufolge demonstrierte sie übernatürliche Kräfte, um Zweiflern die Fähigkeit von Frauen zur Erleuchtung zu beweisen, was ihre spirituelle Meisterschaft unterstreicht. Ihr Parinirvana erfolgte im hohen Alter von 120 Jahren, was ihre lange und erfüllte spirituelle Reise symbolisiert.
- Khemā war eine der beiden Hauptschülerinnen des Buddha, die für ihre außergewöhnliche Weisheit und ihr tiefes Verständnis des Abhidhamma bekannt war. Als Gemahlin von König Bimbisāra erlangte sie die Befreiung, nachdem der Buddha ihr die Vergänglichkeit des Körpers vor Augen führte. Ihre Geschichte ist im Therīgāthā enthalten und belegt ihre herausragende Stellung.
- Uppalavaṇṇā, die andere Hauptschülerin des Buddha, war bekannt für ihre übernatürlichen Kräfte und ihre Schönheit. Auch ihre Geschichte, einschließlich eines Vorfalls, der zur Einführung von Schutzregeln für Nonnen führte, ist im Vinaya und Therīgāthā überliefert.
- Soma schließlich, deren prägnante Widerlegung Māras im Soma Sutta (SN 5.2) in Abschnitt 3.1 ausführlich dargestellt wurde, ist ein starkes Zeugnis für die spirituelle Gleichwertigkeit von Frauen und ihre Fähigkeit zur Erleuchtung.
Die detaillierten Berichte über Mahāpajāpatī Gotamī, die die Arhatschaft erlangte und übernatürliche Kräfte demonstrierte, Khemās tiefe Weisheit und Somas eloquente Widerlegung Māras dienen als mächtige empirische Beweise innerhalb des Pali-Kanons selbst, dass Frauen in der Lage waren, die höchsten spirituellen Ziele zu erreichen. Dies widerspricht direkt allen textuellen Behauptungen weiblicher spiritueller Minderwertigkeit. Die gelebten Erfahrungen und spirituellen Errungenschaften dieser prominenten Bhikkhunīs bestätigen die Kernlehre des Buddha von der Geschlechtsneutralität der Befreiung und liefern eine starke Gegenerzählung zu späteren patriarchalischen Interpretationen oder Interpolationen im Vinaya.
4.2 Darstellung weiblicher Laienanhängerinnen
Neben den ordinierten Nonnen spielten auch weibliche Laienanhängerinnen eine entscheidende Rolle im frühen Buddhismus.
- Visakha (Migāramāta) war eine wohlhabende Aristokratin und die wichtigste weibliche Laienpatronin des Buddha. Sie gründete das Migāramātupāsāda-Kloster in Savatthi, das neben dem Jetavana-Kloster eines der beiden wichtigsten Zentren zu Buddhas Zeiten war. Visakha war bekannt für ihre außergewöhnliche Großzügigkeit und spielte eine entscheidende Rolle bei der Konvertierung ihres Schwiegervaters zum Buddhismus, was ihr den Beinamen Migāramāta („Migāras Mutter“) einbrachte. Die Religionswissenschaftlerin Nancy Falk bezeichnet sie als die „große Heldin der buddhistischen Erzählungen“, die nie Nonne wurde, aber eine zentrale Rolle in der frühen Gemeinschaft spielte.
- Suppiyā, eine weitere prominente Laienanhängerin aus Varanasi, wurde vom Buddha als diejenige bezeichnet, die Kranke am besten tröstet. Ihre extreme Großzügigkeit zeigte sich in der Geschichte, in der sie sich selbst Fleisch abschnitt, um einen kranken Mönch zu versorgen. Dieser Vorfall führte zur Einführung einer Regel, die Mönchen den Verzehr von Menschenfleisch verbietet.
- Khujjuttarā war eine Laienfrau, der die Überlieferung des Itivuttaka zugeschrieben wird, einer Sammlung kurzer Lehrreden. Sie wurde als die gelehrteste der Laienanhängerinnen bezeichnet, da sie die Lehren des Buddha auswendig lernte und weitergab.
Die Prominenz von Laienfrauen wie Visakha, Suppiyā und Khujjuttarā zeigt eine entscheidende, aber oft übersehene, komplementäre Rolle in der frühen buddhistischen Gemeinschaft. Ihre Beiträge waren nicht nur passive Unterstützung, sondern aktive Patronage, intellektuelles Engagement (Khujjuttarā als Dharma-Bewahrerin) und praktische Fürsorge. Dies verdeutlicht, dass die Stabilität und das Wachstum der Sangha tief von der Großzügigkeit und aktiven Beteiligung der Laiengemeinschaft, einschließlich der Frauen, abhingen. Die „vierfache Sangha“ funktionierte tatsächlich als ein interdependes System, in dem Laienfrauen wesentliche materielle und intellektuelle Unterstützung leisteten, die es den Monastischen ermöglichte, sich auf Praxis und Lehre zu konzentrieren und so das Überleben und die Verbreitung des Dhamma zu sichern.
5. Vinaya-Regeln: Unterschiede zwischen Bhikkhus und Bhikkhunīs
5.1 Anzahl und Art der Regeln (Patimokkha)
Der Vinaya Piṭaka, der den monastischen Kodex für Mönche und Nonnen enthält, ist ein zentraler Bestandteil des Pali-Kanons. Der Suttavibhaṅga, der die Patimokkha-Regeln und einen detaillierten Kommentar zu jeder Regel enthält, ist in zwei Teile unterteilt: 227 Regeln für Mönche (Bhikkhus) und 311 Regeln für Nonnen (Bhikkhunīs). Obwohl die Mehrheit der Regeln für beide Orden gleich ist, sind 130 Regeln spezifisch für Nonnen und 46 spezifisch für Mönche. Ein signifikanter Unterschied liegt in der Anzahl der Parajika-Regeln (Regeln, die zum Ausschluss aus der Sangha führen): Mönche haben 4 solcher Regeln, während Nonnen 8 haben, wobei 3 der zusätzlichen 4 für Nonnen sexuelles Fehlverhalten betreffen.
Die historische Entwicklung dieser Regeln zeigt eine Asymmetrie: Für Bhikkhus wurde das Patimokkha relativ früh „geschlossen“, und zusätzliche Regeln wurden in den Khandhakas gesammelt. Im Gegensatz dazu wurden zusätzliche Regeln für Bhikkhunīs über Jahrhunderte nach Buddhas Parinirvana in ihr Patimokkha aufgenommen, bevor sie schließlich ebenfalls in die Bhikkhunī-Khandhakas verlagert wurden. Diese unterschiedliche Entwicklung trägt wesentlich zur Diskrepanz in der Anzahl der Regeln bei.
Die zahlenmäßige Disparität in den Vinaya-Regeln und die höhere Anzahl der Ausschlussregeln für Nonnen ist ein signifikanter Befund. Dies deutet auf eine asymmetrische historische Entwicklung der monastischen Kodizes hin. Die Tatsache, dass das Bhikkhu-Pātimokkha relativ früh „geschlossen“ wurde, während zusätzliche Regeln für Bhikkhunīs über Jahrhunderte nach dem Tod des Buddha in ihr Pātimokkha aufgenommen wurden, oft als Reaktion auf neue Situationen oder wahrgenommene Bedürfnisse nach „Schutz“, impliziert, dass der Vinaya, insbesondere für Nonnen, ein lebendiges Dokument war, das sich unter dem Einfluss gesellschaftlicher Zwänge und der Vorurteile späterer Kompilatoren entwickelte, anstatt eine statische Sammlung von Regeln direkt vom Buddha zu sein. Eine rein wörtliche oder fundamentalistische Interpretation des Vinaya ohne historische und kritische Analyse kann Geschlechterungleichheiten aufrechterhalten, die möglicherweise nicht die ursprüngliche Absicht des Buddha widerspiegeln.
5.2 Die Acht Garudhammas im Detail und ihre Kontroverse
Die Acht Garudhammas sind eine Reihe von „schweren Regeln“ (Guru-Dharmas), die zusätzlich zu den Patimokkha-Regeln für Bhikkhunīs gelten. Sie sind ein zentraler Streitpunkt in der modernen Debatte, da sie Nonnen eine untergeordnete Rolle zuweisen und ihre Authentizität als direkte Worte des Buddha stark angezweifelt wird.
Beispiele und Implikationen der Garudhammas:
- Regel 1: Eine Nonne, selbst wenn sie hundert Jahre ordiniert ist, muss einem Mönch, der erst einen Tag ordiniert ist, respektvoll begegnen und sich vor ihm erheben. Die Vinaya-Texte selbst enthalten jedoch Ausnahmen, die besagen, dass Nonnen unwürdigen Mönchen keinen Respekt zollen müssen. Mahāpajāpatī Gotamī bat den Buddha später, dass Respektbezeugungen und Pflichten zwischen Bhikkhus und Bhikkhunīs gleichberechtigt nach Seniorität erfolgen sollten.
- Regel 6: Eine zweijährige Probezeit als Sikkhamana und die höhere Ordination durch beide Orden (Bhikkhu- und Bhikkhunī-Sangha) sind erforderlich. Dies steht im Widerspruch zur direkten Ordination Mahāpajāpatīs durch den Buddha, bei der es noch keine Sikkhamana-Ordination gab. Dies deutet auf eine spätere Entwicklung dieser Regel hin.
- Regel 8: Nonnen ist es untersagt, Mönche in irgendeiner Weise zu tadeln oder zu beschimpfen. Dies steht im Widerspruch zu Suttas, in denen der Buddha Nonnen lobte, die Dhamma-Vorträge hielten, und ihre Lehren sogar als vorbildlich anerkannte.
Authentizitätsdebatte:
Wie bereits in Abschnitt 2.3 erörtert, wird die Authentizität der Garudhammas als direkte Buddha-Worte von vielen Gelehrten stark angezweifelt. Sie könnten hinzugefügt worden sein, um die Akzeptanz des Nonnenordens in einer patriarchalischen Gesellschaft zu erleichtern oder um gesellschaftliche Normen zu beschwichtigen. Bhikkhu Analayo merkt an, dass sie zwar in allen Vinayas vorhanden sind, ihre Historizität aber „eher zweifelhaft“ ist.
Die Garudhammas, trotz ihrer kontroversen Natur und wissenschaftlicher Zweifel an ihrer direkten Herkunft vom Buddha, sind in allen Vinaya-Traditionen vorhanden. Dies deutet darauf hin, dass sie keine zufälligen Hinzufügungen waren, sondern eine historische Funktion erfüllten. Ihre Auferlegung, sei es durch den Buddha, um „gesellschaftliche Normen zu beschwichtigen“, oder durch spätere monastische Kompilatoren, um „mehr Akzeptanz“ für den Bhikkhunī-Orden zu ermöglichen, kann als eine pragmatische Aushandlung zwischen den revolutionären Idealen des Dhamma und den tief verwurzelten patriarchalischen Machtstrukturen der alten indischen Gesellschaft verstanden werden. Es war eine Überlebensstrategie in einem feindseligen sozialen Umfeld. Diese Regeln, obwohl scheinbar diskriminierend, könnten ein notwendiger Kompromiss gewesen sein, um die Existenz des Bhikkhunī-Ordens überhaupt zu sichern, wenn auch auf Kosten der vollen Gleichheit. Diese Perspektive fügt ihrer Interpretation eine Schicht der Komplexität hinzu, die über eine einfache „gut gegen schlecht“-Dichotomie hinausgeht und die sozio-politischen Realitäten der frühen buddhistischen Gemeinschaft anerkennt.
5.3 Hierarchie und Unterordnung
Die Bhikkhunī-Sangha wurde etwa sieben bis acht Jahre nach der Bhikkhu-Sangha gegründet. Diese zeitliche Differenz führte zu einer strukturellen Unterordnung, die manchmal als Beziehung zwischen „jüngeren Schwestern und älteren Brüdern“ interpretiert wird, nicht als „Meister und Sklaven“. Anfangs gab es Tendenzen, dass Mönche von Nonnen erwarteten, Reinigungs- und andere häusliche Aufgaben zu übernehmen, ähnlich den Geschlechterrollen in der Laiengesellschaft. Der Buddha schritt jedoch ein und erließ Regeln, die Mönchen untersagten, Nonnen für solche Aufgaben auszunutzen. Er stellte auch sicher, dass Gaben und Roben gleichmäßig zwischen beiden Sanghas aufgeteilt wurden, um die Gleichberechtigung in der Versorgung zu gewährleisten.
Die zeitliche Lücke zwischen der Gründung des Bhikkhu- und Bhikkhunī-Ordens ist eine direkte Ursache für die anfängliche hierarchische Struktur. Diese Entwicklung zeigt, dass jede religiöse Bewegung, wenn sie sich formalisiert und expandiert, oft bestehende gesellschaftliche Machtdynamiken übernimmt oder sich an diese anpasst. Die Tatsache, dass Mönche anfänglich von Nonnen erwarteten, häusliche Aufgaben zu übernehmen, zeigt, dass selbst innerhalb des monastischen Umfelds vorbestehende Geschlechterrollen aus der Laiengesellschaft auf die neue Gemeinschaft übertragen wurden. Buddhas Intervention, um dies zu korrigieren, zeigt einen Gegen-Trend des aktiven Widerstands gegen solche Auferlegungen. Die anfängliche Notwendigkeit solcher Regeln unterstreicht die inhärenten Herausforderungen, einen egalitären Orden in einer patriarchalischen Welt zu etablieren. Dies impliziert, dass, während der Buddha nach Gleichheit strebte, der Prozess der Institutionalisierung und die anschließende Kompilation des Vinaya durch überwiegend männliche Mönche zur Kodifizierung bestimmter hierarchischer Elemente führten.
6. Rezeption und Interpretation durch moderne Gelehrte
Moderne Gelehrte und Praktizierende spielen eine entscheidende Rolle bei der kritischen Untersuchung und Interpretation der Rolle von Frauen im frühen Buddhismus, insbesondere im Kontext des Pali-Kanons und der Vinaya-Regeln. Ihre Arbeit trägt dazu bei, die historischen und kulturellen Einflüsse von den ursprünglichen Lehren des Buddha zu unterscheiden.
- Bhikkhu Analayo, ein prominenter Gelehrter, hat jahrelang den Pali-Kanon studiert, um Buddhas wahre Ansicht zur Ordination weiblicher Monastischer zu entschlüsseln. Seine Forschungsergebnisse legen nahe, dass auch in Fällen, in denen die Nonnenlinie ausgestorben ist, Theravada-Mönchsführer textliche Unterstützung für die volle Ordination von Frauen durch männliche Mönche finden können. Analayo hofft, dass dies die rechtliche Frage klären und die Gültigkeit solcher Ordinationen bestätigen kann. Er betrachtet die Wiederherstellung der Bhikkhunī-Ordination als entscheidend, um den „verkrüppelten Elefanten“ des Theravada-Buddhismus zu heilen und die vierfache Sangha wiederherzustellen, die der Buddha als Schlüssel zu einer gesunden Gemeinschaft beschrieb: männliche und weibliche Monastische, die gemeinsam mit männlichen und weiblichen Laienanhängern praktizieren.
- Bhikkhunī Dhammanandā, Thailands erste voll ordinierte Theravada-Nonne und Äbtissin, ist eine unermüdliche Verfechterin der spirituellen Gleichheit. Als ehemalige Professorin für Religion und Philosophie bringt sie eine einzigartige akademische und feministische Perspektive in die Diskussion ein. Sie betont, dass Erleuchtung jedem zugänglich ist, unabhängig vom Geschlecht, und dass Frauen eine wichtige Rolle bei der Veränderung der Gesellschaft spielen können. Ihre Arbeit zielt darauf ab, die Bhikkhunī-Sangha in Thailand zu etablieren und die vom Buddha selbst begründete Mission fortzusetzen.
- Karen Lang, Professorin für buddhistische Studien und indische Religionen, hat sich in ihrer Forschung intensiv mit der Rolle von Frauen im alten Indien und der Beziehung zwischen Geschlecht und religiösem Diskurs im Buddhismus auseinandergesetzt. Ihre Veröffentlichungen, wie „Women’s Roles in Ancient India“, tragen dazu bei, die sozialen Kontexte zu beleuchten, in denen sich der frühe Buddhismus entwickelte, und die Herausforderungen zu verstehen, mit denen Frauen konfrontiert waren.
Die Debatte um die Gültigkeit der Bhikkhunī-Ordination ist komplex. Während die Bhikkhunī-Linie in Ostasien (z.B. China, Taiwan) ununterbrochen existiert, ist sie in Theravada-Ländern wie Sri Lanka, Burma und Thailand über Jahrhunderte ausgestorben. Traditionalisten in diesen Ländern argumentieren oft, dass die Linie nicht rechtmäßig wiederhergestellt werden kann, da die Ordination die Anwesenheit von Nonnen aus einer ununterbrochenen Linie erfordert (das sogenannte „Huhn-und-Ei-Dilemma“ der Garudhamma). Die Tatsache, dass chinesische Nonnen eine andere Form des Vinaya befolgen (Dharmaguptaka statt Theravada), erschwert die Akzeptanz von Ordinationen, die mit ihrer Hilfe durchgeführt werden. Trotzdem gibt es wachsende Unterstützung und Bemühungen, die Linie wiederzubeleben, oft mit Beteiligung von Nonnen aus Ostasien oder durch Ordinationen, die nur von Mönchen durchgeführt werden, basierend auf Analayos textuellen Argumenten.
Der kritisch-historische Ansatz ist entscheidend, um den Pali-Kanon zu interpretieren. Er ermöglicht es, zwischen dem zeitlosen Dhamma und kulturell beeinflussten Interpolationen zu unterscheiden, insbesondere in Bezug auf die negativen Darstellungen von Frauen. Diese Forschung ist von großer Bedeutung für die moderne buddhistische Gemeinschaft, da die Wiederherstellung der vierfachen Sangha als unerlässlich für das vollständige Gedeihen des Buddhismus angesehen wird.
7. Fazit
Die Rolle von Frauen im frühen Buddhismus ist ein vielschichtiges Thema, das von tiefgreifenden gesellschaftlichen Kontrasten, revolutionären spirituellen Angeboten und komplexen textuellen Entwicklungen geprägt ist. Im vorbuddhistischen Indien waren Frauen einer ausgeprägten Unterordnung und Diskriminierung ausgesetzt, ihre Wertschätzung war primär an ihre reproduktive Rolle gebunden, und ihre eigenständige religiöse Partizipation war stark eingeschränkt. In diesem Kontext stellte Buddhas Lehre, die die Gleichheit aller Menschen in ihrem Potenzial zur Erleuchtung betonte, einen radikalen Bruch mit den vorherrschenden Normen dar.
Die Gründung des Bhikkhunī-Ordens, maßgeblich vorangetrieben durch die unerschütterliche Entschlossenheit von Mahāpajāpatī Gotamī und die Fürsprache Ānandas, war ein bahnbrechender Schritt. Buddhas anfängliche Zurückhaltung und die Auferlegung der Acht Garudhammas spiegeln die Spannung zwischen seinen egalitären Lehren und den gesellschaftlichen Realitäten wider. Die Garudhammas, deren Authentizität als direkte Worte des Buddha von modernen Gelehrten stark angezweifelt wird, können als ein historisches Artefakt verstanden werden – ein pragmatischer Kompromiss, der möglicherweise notwendig war, um die Existenz des Nonnenordens in einer patriarchalischen Gesellschaft zu sichern.
Der Pali-Kanon selbst präsentiert eine Vielfalt von Perspektiven auf Frauen. Während Suttas wie das Soma Sutta und die Therīgāthā die spirituelle Gleichwertigkeit und die Fähigkeit von Frauen zur höchsten Befreiung eindrücklich belegen, enthalten andere Passagen scheinbar frauenfeindliche Aussagen. Eine kritisch-historische Analyse legt nahe, dass diese negativen Darstellungen oft spätere Interpolationen oder Reflexionen der gesellschaftlichen Vorurteile der monastischen Kompilatoren sind, die nach dem Tod des Buddha den Kanon formten.
Die spirituellen Errungenschaften prominenter Nonnen wie Mahāpajāpatī Gotamī, Khemā und Uppalavaṇṇā sowie die entscheidende Rolle weiblicher Laienanhängerinnen wie Visakha und Khujjuttarā dienen als empirische Belege für die Geschlechtsneutralität des Befreiungsweges und die komplementäre Funktion von Laienfrauen für das Überleben und die Verbreitung des Dhamma. Die Unterschiede in den Vinaya-Regeln zwischen Bhikkhus und Bhikkhunīs, insbesondere die höhere Anzahl der Regeln und Ausschlussdelikte für Nonnen, sind das Ergebnis einer asymmetrischen historischen Entwicklung. Dies zeigt, dass der Vinaya ein dynamisches Dokument war, das sich unter dem Einfluss gesellschaftlicher Zwänge und der Vorurteile späterer Generationen entwickelte.
Moderne Gelehrte wie Bhikkhu Analayo, Bhikkhunī Dhammanandā und Karen Lang tragen maßgeblich dazu bei, diese Komplexität zu entschlüsseln. Ihre Forschung hinterfragt traditionelle Interpretationen und beleuchtet die Notwendigkeit, die ursprüngliche Vision des Buddha von einer vollständigen „vierfachen Sangha“ wiederherzustellen. Die anhaltende Debatte um die Bhikkhunī-Ordination in verschiedenen buddhistischen Traditionen unterstreicht die Notwendigkeit eines flexiblen und historisch informierten Verständnisses des Vinaya, um die spirituelle Gleichheit in der Praxis zu verwirklichen.
Insgesamt zeigt die Analyse, dass die Rolle der Frauen im frühen Buddhismus von einem Spannungsfeld zwischen der radikal egalitären Lehre des Buddha und den vorherrschenden patriarchalischen Gesellschaftsstrukturen geprägt war. Trotz dieser Herausforderungen gelang es Frauen, eine zentrale und aktive Rolle in der frühen buddhistischen Gemeinschaft zu spielen und die höchsten spirituellen Ziele zu erreichen, was die zeitlose und universelle Relevanz des Dhamma unterstreicht. Die fortgesetzte kritische Auseinandersetzung mit den Texten und die Bemühungen zur Wiederherstellung der vollen Gleichheit sind entscheidend für die Zukunft des Buddhismus weltweit.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- Die Stellung der Frauen im Buddhismus mit besonderer Berücksichtigung ihrer Situation in Graz – Diplomarbeit
- BUDDHA’S APPROACH TOWARDS WOMEN STATUS – University of Cambridge
- (PDF) Women and Buddhism: Its Gradual Conception of Bikkhuni… – ResearchGate
- Ist der Buddhismus frauenfeindlich? – Palikanon
- Women in Buddhism Study Initiative, University of Hamburg | Lion’s Roar
- Bhikkhuni Ordination: Buddhism’s Glass Ceiling – Tricycle: The Buddhist Review
- The history of the bhikkhuni sangha – Thubten Chodron
- Mahapajapati Gotami – First Female Bhikkhuni – Buddha heads
- 8 Garudhammas – Dhamma Wiki
- Probleme bei der Wiedereinrichtung der Bhikshuni-Ordination – Study Buddhism
- Bhikkhunī – Wikipedia
- Soma Sutta – Bhikkhu Bodhi – Access to Insight
- SuttaCentral – Early Buddhist texts, translations, and parallels
- Die Frauen im frühen Buddhismus – CORE
- Dhammananda Bhikkhuni’s Dharma Talks – Dharma Seed
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