5. Übelwollen (Byāpāda)

5. Übelwollen (Byāpāda)
5. Übelwollen (Byāpāda)
5. Übelwollen (Byāpāda)

Den Geist von Übelwollen ( Byāpāda ) befreien: Eine Einführung und Wegweiser durch die Lehrreden

Einblicke in das zweite Hindernis und dessen Überwindung

Einleitung: Den Geist von Übelwollen ( Byāpāda ) befreien

Der Buddhismus lehrt einen Weg zur Befreiung von Leiden (Dukkha) und zur Verwirklichung eines tiefen inneren Friedens, bekannt als Nibbāna. Ein zentrales Element auf diesem Weg ist die Kultivierung des Geistes, was die Überwindung von hinderlichen Geisteszuständen einschließt. Einer der prominentesten dieser Zustände ist Byāpāda, im Deutschen meist als „Übelwollen“, „Groll“ oder „Feindseligkeit“ übersetzt. Byāpāda stellt ein signifikantes Hindernis für geistige Klarheit, Mitgefühl und Weisheit dar und blockiert somit den Fortschritt auf dem buddhistischen Pfad.

Dieser Bericht verfolgt das Ziel, ein klares Verständnis des Pali-Begriffs Byāpāda zu vermitteln. Er definiert den Begriff, erläutert seine Bedeutung im Kontext zentraler buddhistischer Konzepte – insbesondere der Fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni) – und grenzt ihn von verwandten Begriffen ab. Darüber hinaus werden spezifische Lehrreden (Suttas) aus den Sammlungen des Palikanons vorgestellt, die Byāpāda thematisieren und Wege zu seiner Überwindung aufzeigen. Die Verweise auf die Lehrreden basieren primär auf der Online-Ressource SuttaCentral.net, um interessierten Lesern ein tieferes Studium der Originaltexte zu ermöglichen.

Das Verständnis und die Überwindung negativer Geisteszustände wie Byāpāda sind keine rein theoretischen Übungen, sondern wesentliche Aspekte der buddhistischen Praxis. Indem wir lernen, Übelwollen zu erkennen, seine Ursachen zu verstehen und heilsame Gegenmittel zu kultivieren, können wir unseren Geist schrittweise von dieser Belastung befreien und uns einem Zustand von innerer Ruhe, Klarheit und umfassendem Wohlwollen annähern. Dieser Bericht soll als strukturierter Leitfaden dienen, um sowohl Anfängern als auch Lesern mit Vorkenntnissen einen fundierten Zugang zu diesem wichtigen Thema zu ermöglichen.

Was ist Byāpāda ? Definition und Erklärung

2.1 Definition und Kernbedeutung

Der Pali-Begriff Byāpāda (byāpāda) bezeichnet einen spezifischen unheilsamen Geisteszustand. Im Deutschen wird er üblicherweise mit Begriffen wie Übelwollen, Böswilligkeit, Groll, Feindseligkeit oder auch Hass übersetzt. Im Kern beschreibt Byāpāda eine mentale Ausrichtung, die von Abneigung, Feindseligkeit, Ressentiment und dem Wunsch geprägt ist, anderen Schaden zuzufügen oder sie leiden zu sehen. Es handelt sich nicht um eine passive Unzufriedenheit oder bloße Abneigung, sondern um eine aktive Form der Negativität, die sich gegen Lebewesen, aber auch gegen unangenehme Situationen oder Objekte richten kann. Es ist eine Form des Widerstands gegen die Realität, eine Ablehnung dessen, was als unangenehm oder unerwünscht empfunden wird.

Die etymologische Herleitung des Wortes aus vy-ā-pad (was „gegen etwas gehen/schreiten“ bedeuten kann) deutet auf diese aktive, oppositionelle Natur hin. Byāpāda ist somit mehr als nur ein Gefühl; es ist eine intentionale Haltung, ein mentaler Akt des „Dagegen-Seins“, der den Geist vergiftet und zu unheilsamen Handlungen führen kann. Dieser aktive Charakter erklärt, warum Byāpāda als so hinderlich für die geistige Entwicklung betrachtet wird: Es stößt den Geist aktiv von Zuständen der Ruhe, Konzentration und Weisheit weg.

2.2 Abgrenzung: Byāpāda, Dosa und Vihiṃsā

Im Palikanon tauchen neben Byāpāda weitere Begriffe auf, die negative, ablehnende Geisteszustände beschreiben, insbesondere Dosa und Vihiṃsā. Obwohl sie eng verwandt sind und sich in ihrer Bedeutung überschneiden können, gibt es wichtige Nuancen.

  • Dosa (Hass, Abneigung, Zorn): Dosa wird oft als eine der drei unheilsamen Wurzeln (akusala-mūla) genannt, zusammen mit Gier (lobha) und Verblendung (moha). Es repräsentiert die grundlegende Energie der Abneigung in all ihren Formen, von leichter Irritation und Ärger bis hin zu tiefem Hass und Wut. Dosa ist die Wurzel, die unheilsames Denken, Sprechen und Handeln nährt. Byāpāda wird in einigen Kontexten als Synonym oder als eine spezifische, gerichtete Manifestation von Dosa betrachtet. Man kann sagen, Dosa ist die grundlegende negative Emotion oder Energie, während Byāpāda eine ihrer Ausdrucksformen ist, oft als gezielte Feindseligkeit oder Groll gegenüber einem bestimmten Objekt oder einer Person.
  • Vihiṃsā (Grausamkeit, Schädigungsabsicht): Vihiṃsā bezieht sich spezifischer auf die Absicht oder den Wunsch, anderen aktiv Schaden zuzufügen, sie zu quälen, zu verletzen oder zu unterdrücken. Während Byāpāda den Wunsch nach dem Unglück oder sogar der Vernichtung des anderen beinhalten kann, betont Vihiṃsā stärker den Aspekt der aktiven, grausamen Handlung oder Absicht des Schädigens. Byāpāda (als übelwollender Gedanke) und Vihiṃsā (als grausamer Gedanke) werden zusammen mit dem sinnlich-begehrenden Gedanken (kāma-vitakka) als die drei Arten der „falschen Absicht“ (micchā-saṅkappa) genannt, dem Gegenteil der Rechten Absicht auf dem Edlen Achtfachen Pfad.

Die Unterscheidung dieser Begriffe verdeutlicht verschiedene Facetten der Abneigung: Dosa als die tief verwurzelte Emotion, Byāpāda als der gerichtete mentale Zustand des Übelwollens (der oft auf die Negation oder Vernichtung des Objekts abzielt und ein zentrales Hindernis darstellt) und Vihiṃsā als die spezifische Absicht, aktiv Leid zu verursachen (oft mit dem Ziel der Unterdrückung oder Verletzung). Dieses Verständnis hilft dabei, die passenden Gegenmittel gezielt anzuwenden: Mettā (Liebende Güte) wirkt direkt dem Übelwollen von Byāpāda entgegen, während Karuṇā (Mitgefühl) besonders der Grausamkeit von Vihiṃsā entgegenwirkt.

Die folgende Tabelle fasst die Kernbedeutungen und Kontexte zusammen:

Begriff (Term) Kernbedeutung (Core Meaning) Kontext/Funktion (Context/Function) Gegenmittel (Antidote)
Dosa Hass, Abneigung, Zorn (grundlegende Emotion/Energie) Eine der 3 unheilsamen Wurzeln (akusala-mūla); treibt unheilsames Karma an. Weisheit (Paññā), Nicht-Hass (Adosa)
Byāpāda Übelwollen, Groll, Feindseligkeit (gerichtete Absicht/Zustand) Eines der 5 Hindernisse (nīvaraṇa); blockiert Konzentration & Weisheit; zielt auf Unglück/Vernichtung ab. Liebende Güte (Mettā), Nicht-Übelwollen (Abyāpāda)
Vihiṃsā Grausamkeit, Schädigungsabsicht (aktiver Wunsch zu verletzen) Teil falscher Absicht (micchā-saṅkappa); zielt auf aktives Verletzen/Unterdrücken ab. Mitgefühl (Karuṇā), Nicht-Schädigen (Avihiṃsā)

Byāpāda im Kontext: Die Fünf Hindernisse ( pañca nīvaraṇāni )

3.1 Die Fünf Hindernisse als mentale Blockaden

Der Begriff Byāpāda gewinnt besondere Bedeutung durch seine Einordnung als eines der Fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni). Diese Hindernisse sind zentrale Konzepte in der buddhistischen Lehre über die Geistesschulung und Meditation. Das Pali-Wort nīvaraṇa bedeutet wörtlich „Bedeckung“, „Schleier“ oder „Hindernis“. Die fünf Hindernisse sind Geisteszustände, die den Geist bedecken oder umhüllen und dadurch seine Klarheit trüben und den Fortschritt auf dem Weg blockieren. Sie verhindern das Erreichen tieferer Konzentration (samādhi), das Entwickeln von Einsicht (vipassanā) und das Erlangen meditativer Vertiefungen (jhāna). Der Buddha bezeichnete sie als „Verderbnisse des Geistes, die die Weisheit schwächen“ (cetaso upakkilese paññāya dubbalīkaraṇe).

Die Fünf Hindernisse sind:

  1. Sinnesbegehren (Kāmacchanda): Das Verlangen nach angenehmen Sinneserfahrungen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen).
  2. Übelwollen (Byāpāda): Feindseligkeit, Groll, Hass und Abneigung gegenüber Personen, Objekten oder Situationen.
  3. Trägheit und Mattheit (Thīna-middha): Geistige Dumpfheit, Antriebslosigkeit und körperliche Schwere, die zu Lethargie führen.
  4. Unruhe und Sorge (Uddhacca-kukkucca): Geistige Zerstreutheit, Rastlosigkeit und quälende Reue oder Sorgen über Vergangenes oder Zukünftiges.
  5. Skeptischer Zweifel (Vicikicchā): Lähmender Zweifel an sich selbst, am Weg oder am Lehrer, der das Vertrauen und die Entschlossenheit untergräbt.

Das Auftreten dieser Hindernisse im Geist ist ein klares Signal dafür, dass der Geist sich in einem unheilsamen Zustand befindet. Er ist dann nicht klar, nicht ruhig und nicht aufnahmefähig für tiefere Einsichten. Das Erkennen der Hindernisse, wenn sie präsent sind, ist daher ein wesentlicher erster Schritt in der Meditationspraxis und im Alltag, um sie bewusst loslassen und heilsame Geisteszustände kultivieren zu können.

3.2 Die Rolle des Übelwollens ( Byāpāda )

Als zweites der Fünf Hindernisse repräsentiert Byāpāda die spezifische Blockade, die durch feindselige und ablehnende Geisteszustände entsteht. Wenn Byāpāda den Geist beherrscht, wird dieser unruhig, aufgewühlt und unfähig, innere Ruhe zu finden. Es verhindert das Aufkommen von Wohlwollen, Freundlichkeit und Mitgefühl gegenüber anderen. Der Geist ist dann wie kochendes, sprudelndes Wasser, in dem sich nichts klar spiegeln kann – ein Gleichnis, das die aufwühlende und sichtbehindernde Natur des Übelwollens verdeutlicht. Ein anderes Gleichnis vergleicht Byāpāda mit einer Krankheit, die den Körper schwächt und Wohlbefinden verhindert.

Byāpāda nährt negative Gedankenmuster, fördert das Suchen nach Fehlern bei anderen und kann zu verbaler oder körperlicher Aggression führen. Es ist eine destruktive Energie, die den Geist verzehrt und Frieden unmöglich macht. Oft steht Byāpāda in engem Zusammenhang mit dem ersten Hindernis, dem Sinnesbegehren (Kāmacchanda). Übelwollen und Ärger entstehen häufig dann, wenn unsere Wünsche frustriert werden, wenn wir nicht bekommen, was wir begehren, oder wenn wir mit Hindernissen konfrontiert sind, die der Erfüllung unserer Wünsche im Wege stehen.

Im Gegensatz zum „Hinziehen“ des Begehrens (Kāmacchanda) ist Byāpāda ein aktives „Wegstoßen“ von der Realität. Es ist eine Form der Ablehnung dessen, was ist, ein Widerstand gegen unangenehme Erfahrungen oder unliebsame Personen. Diese innere Haltung des Konflikts mit der Realität erklärt die enorme Störkraft von Byāpāda sowohl in der Meditation als auch im täglichen Leben. Es verbraucht mentale Energie in Negativität und verhindert die Entwicklung von Akzeptanz, Gelassenheit und innerem Frieden.

Das Gegenmittel: Mettā (Liebende Güte) und Abyāpāda (Nicht-Übelwollen)

Die buddhistische Lehre beschreibt nicht nur die Hindernisse, sondern zeigt auch klare Wege auf, ihnen entgegenzuwirken. Für Byāpāda sind dies vor allem die Kultivierung von Mettā (Liebende Güte) und die Entwicklung von Abyāpāda (Nicht-Übelwollen) als Teil der Rechten Absicht.

4.1 Mettā als Kultivierung von Wohlwollen

Das direkteste und wichtigste Gegenmittel gegen Byāpāda ist die Entwicklung von Mettā, was meist mit Liebender Güte oder allumfassendem Wohlwollen übersetzt wird. Mettā ist definiert als der aufrichtige Wunsch nach dem Wohl und Glück aller Lebewesen, ohne Ausnahme, ohne Anhaftung und frei von eigennützigen Motiven. Es ist eine grundlegende Haltung der Freundlichkeit, Akzeptanz und des Wohlwollens.

Die Praxis der Mettā-bhāvanā (Meditation der Liebenden Güte) ist eine systematische Methode zur Kultivierung dieser Qualität. Typischerweise beginnt man damit, Mettā für sich selbst zu entwickeln, da Selbstakzeptanz und Selbstmitgefühl die Basis für echtes Wohlwollen gegenüber anderen bilden. Von sich selbst ausgehend, wird der Kreis des Wohlwollens schrittweise erweitert: auf geliebte Personen, neutrale Personen, schwierige Personen und schließlich auf alle Wesen im Universum. Mettā ist eine der vier Brahma-vihāras (Göttliche Verweilungszustände), zusammen mit Mitgefühl (Karuṇā), Mitfreude (Muditā) und Gleichmut (Upekkhā).

Die Kultivierung von Mettā wirkt Byāpāda aktiv entgegen. Sie ersetzt Gefühle von Feindseligkeit, Groll und Hass durch Freundlichkeit, Geduld und Akzeptanz. Indem man bewusst eine Geisteshaltung des Wohlwollens einnimmt und stärkt, schafft man ein inneres Umfeld, in dem Übelwollen nur schwer entstehen und bestehen kann. Mettā ist dabei keine passive Sentimentalität, sondern eine aktive Geistesschulung (bhāvanā), die Beharrlichkeit und Geschick erfordert. Sie zielt darauf ab, die gewohnheitsmäßigen Reaktionsmuster des Geistes von Abneigung hin zu Wohlwollen umzuformen und so die innere Landschaft grundlegend zu verändern.

4.2 Abyāpāda als Teil der Rechten Absicht

Neben der Kultivierung von Mettā spielt auch Abyāpāda – das Freisein von Übelwollen oder Groll – eine entscheidende Rolle. Abyāpāda ist ein zentraler Bestandteil der Rechten Absicht (sammā-saṅkappa), dem zweiten Glied des Edlen Achtfachen Pfades.

Die Rechte Absicht umfasst drei Aspekte:

  1. Die Absicht des Entsagens (nekkhamma-saṅkappa): Die Absicht, frei von sinnlichem Begehren zu sein.
  2. Die Absicht des Nicht-Übelwollens (abyāpāda-saṅkappa): Die Absicht, frei von Groll, Hass und Feindseligkeit zu sein.
  3. Die Absicht des Nicht-Schädigens (avihiṃsā-saṅkappa): Die Absicht, frei von Grausamkeit und dem Wunsch zu verletzen zu sein.

Abyāpāda-saṅkappa ist somit der bewusste Entschluss und die willentliche Ausrichtung des Geistes, Gedanken zu kultivieren, die frei von Übelwollen sind. Dieser Pfadfaktor zielt direkt auf das Hindernis Byāpāda ab. Indem man Rechte Absicht entwickelt, schwächt man die Wurzeln des Übelwollens im eigenen Geist.

Die Einordnung von Abyāpāda in die Rechte Absicht (sammā-saṅkappa) unterstreicht einen wichtigen Punkt: Die Überwindung von Übelwollen beginnt mit einer bewussten Entscheidung und einer willentlichen Anstrengung (saṅkappa). Es geht nicht nur darum, passiv auf das Entstehen von Mettā zu warten, sondern aktiv einen Weg zu wählen, der frei von Groll und Feindseligkeit ist. Während Byāpāda oft reaktiv oder unbewusst entsteht, erfordert der Pfad zur Befreiung eine proaktive Haltung: die bewusste Erzeugung der Absicht, frei von Übelwollen zu sein. Diese Intentionalität ist der entscheidende erste Schritt, um die Energie des Geistes von Byāpāda wegzulenken und sie auf heilsame Qualitäten wie Mettā auszurichten.

Lehrreden (Suttas) zu Byāpāda im Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN)

Der Palikanon enthält zahlreiche Lehrreden, in denen Byāpāda erwähnt wird. Einige Suttas behandeln dieses Thema jedoch besonders ausführlich und bieten tiefgreifende Einsichten und praktische Anleitungen zur Überwindung von Übelwollen. Im Folgenden werden drei solcher Lehrreden aus den Sammlungen der längeren (Dīgha Nikāya) und mittleren (Majjhima Nikāya) Reden vorgestellt.

5.1 MN 21: Kakacūpama Sutta (Das Gleichnis von der Säge)

  • Quelle: Majjhima Nikāya 21, Kakacūpama Sutta – Das Gleichnis von der Säge.
  • Inhalt: In dieser eindringlichen Lehrrede ermahnt der Buddha den Mönch Moliya Phagguna, der dazu neigte, ärgerlich und aufgebracht zu reagieren, wenn Nonnen, mit denen er eng verkehrte, kritisiert wurden. Der Buddha betont, dass ein Mönch selbst angesichts von Kritik oder sogar körperlichen Angriffen sein Herz nicht von Übelwollen beeinflussen lassen sollte. Er verwendet eine Reihe kraftvoller Gleichnisse, die in dem berühmten Gleichnis von der Säge gipfeln: Selbst wenn Räuber kämen und einen mit einer zweihändigen Säge Glied für Glied zerstückelten, sollte man einen Geist bewahren, der von Mettā (Liebender Güte) erfüllt ist, frei von Ärger und Hass, und keine üblen Worte äußern. Der Buddha fordert dazu auf, den Geist so zu schulen, dass er selbst unter extremster Provokation unberührt bleibt und voller Mitgefühl verweilt. Die Rede enthält auch das Gleichnis von der geduldigen Dienerin Kāḷī, die ihre Herrin Vedehikā testet, um zu zeigen, dass wahre Sanftmut und Geduld sich erst dann erweisen, wenn man provoziert wird.
  • Relevanz: Dieses Sutta liefert die wohl radikalste und anspruchsvollste Anweisung zur Überwindung von Byāpāda und zur Kultivierung von Mettā angesichts von Beschimpfungen, Kritik und sogar brutaler Gewalt. Es setzt den höchsten Maßstab für mentale Widerstandsfähigkeit gegen Übelwollen. Die Lehrrede macht deutlich, dass die wahre Prüfung der Freiheit von Byāpāda nicht in friedlichen Umständen liegt, sondern in der Fähigkeit, selbst unter unvorstellbarem Leid und Angriffen einen Geist des Wohlwollens aufrechtzuerhalten. Die Entwicklung einer solchen unerschütterlichen Geisteshaltung, die durch keine äußere Provokation, wie extrem sie auch sein mag, ins Wanken gebracht wird, wird als das Ziel dargestellt.

5.2 MN 7: Vatthūpama Sutta (Das Gleichnis vom Tuch)

  • Quelle: Majjhima Nikāya 7, Vatthūpama Sutta – Das Gleichnis vom Tuch (manchmal auch Vattha Sutta genannt).
  • Inhalt: Der Buddha verwendet hier das Gleichnis eines verschmutzten und fleckigen Tuchs, das, wenn es in Farbe getaucht wird, die Farbe schlecht annimmt und unrein aussieht. Genauso führt ein verunreinigter Geist zu einem unglücklichen Bestimmungsort nach dem Tod. Byāpāda (Übelwollen) wird ausdrücklich als eine der sechzehn Geistesverunreinigungen (upakkilesa) genannt, die den Geist beflecken. Diese Verunreinigungen müssen aufgegeben werden, damit der Geist rein und aufnahmefähig wird, wie ein sauberes Tuch, das bereit ist, Farbe anzunehmen. Das Aufgeben dieser Befleckungen, einschließlich des Übelwollens, führt zu unerschütterlichem Vertrauen (aveccappasāda) in den Buddha, den Dhamma (die Lehre) und den Sangha (die Gemeinschaft der Praktizierenden). Aus diesem Vertrauen entstehen Freude, Beruhigung des Körpers, Glück und schließlich Konzentration des Geistes (samādhi).
  • Relevanz: Dieses Sutta kategorisiert Byāpāda klar als eine fundamentale geistige Verunreinigung, die den spirituellen Fortschritt behindert. Es erklärt die Notwendigkeit, Übelwollen aufzugeben, um den Geist zu läutern und die Grundlage für Vertrauen, Freude und Konzentration zu schaffen. Das Gleichnis vom Tuch illustriert kraftvoll, dass Byāpāda nicht nur ein vorübergehendes Hindernis ist, sondern eine tiefsitzende Unreinheit, ein Fleck, der die Natur des Geistes selbst beeinträchtigt. Solange dieser Fleck vorhanden ist, kann der Geist die „Farbe“ heilsamer Qualitäten und der Weisheit nicht richtig aufnehmen und entfalten. Die Reinigung von solchen Befleckungen ist daher essentiell für die geistige Entwicklung.

5.3 DN 22: Mahāsatipaṭṭhāna Sutta (Die große Lehrrede von den Grundlagen der Achtsamkeit)

  • Quelle: Dīgha Nikāya 22, Mahāsatipaṭṭhāna Sutta – Die große Lehrrede über die Grundlagen der Achtsamkeit.
  • Inhalt: Dieser grundlegende Text zur Achtsamkeitspraxis beschreibt vier Bereiche der Achtsamkeitsmeditation. Der dritte Bereich ist die Betrachtung des Geistes (cittānupassanā). Hier wird der Übende angewiesen, Geisteszustände so zu erkennen, wie sie sind. Das schließt ein, einen „Geist mit Hass“ (sadosaṁ cittaṁ) als „Geist mit Hass“ zu erkennen und einen „Geist ohne Hass“ (vītadosaṁ cittaṁ) als „Geist ohne Hass“ zu erkennen.
  • Relevanz: Obwohl hier der Begriff Dosa (Hass) verwendet wird, der, wie oben erläutert, in manchen Kontexten eng mit Byāpāda verwandt ist oder als dessen Wurzel gilt, liefert dieses Sutta die praktische Anleitung, wie man das Auftauchen und Vergehen solcher negativen Zustände achtsam beobachtet, ohne von ihnen mitgerissen zu werden. Der Fokus liegt hier auf der reinen Wahrnehmung und dem nicht-identifizierten Erkennen des Zustands. Die Anweisung lautet, einfach zu wissen (pajānāti), wann Hass im Geist vorhanden ist und wann nicht. Dies ist Teil der Beobachtung des Geistes (cittānupassanā) als innerem und äußerem Phänomen, dessen Entstehen und Vergehen erkannt wird. Diese Praxis der reinen Achtsamkeit (sati) unterscheidet sich von der aktiven Kultivierung von Mettā oder dem bewussten Entschluss des Abyāpāda. Sie bildet jedoch die Grundlage: Durch das nicht-wertende Beobachten lernen wir die Natur dieser Zustände kennen und lösen die Identifikation mit ihnen auf, was eine Voraussetzung für ihre endgültige Überwindung ist.

Weitere Textverweise im Palikanon

Neben den ausführlicheren Darstellungen in DN und MN finden sich auch im Samyutta Nikāya (SN) und Aṅguttara Nikāya (AN) wichtige Hinweise zu Byāpāda.

6.1 Samyutta Nikāya (SN): Das Kapitel über die Hindernisse

Im Samyutta Nikāya gibt es zwar kein eigenes Kapitel (Saṃyutta), das ausschließlich Byāpāda gewidmet ist, jedoch wird das Thema ausführlich im Kontext der Fünf Hindernisse (Nīvaraṇa) und ihrer Beziehung zu den sieben Erleuchtungsgliedern (Bojjhaṅga) behandelt.

  • Zentrales Kapitel: Das SN 46, das Bojjhaṅga Saṃyutta (Kapitel über die Erleuchtungsglieder), stellt häufig die Fünf Hindernisse den sieben Faktoren gegenüber, die zur Erleuchtung führen. Dies zeigt Byāpāda im dynamischen Zusammenspiel der Kräfte, die den Geist entweder behindern oder befreien.
  • Wichtige Lehrrede: Besonders relevant ist SN 46.51, das Āhāra Sutta (Die Lehrrede von der Nahrung). Hier erklärt der Buddha, was die Hindernisse „nährt“ (also ihr Entstehen und Wachsen begünstigt) und was sie „aushungert“ (also zu ihrem Schwinden führt). Für Byāpāda (Übelwollen) ist die Nahrung das „Zeichen des Abstoßenden“ (paṭigha-nimitta), dem man wiederholt unachtsame Aufmerksamkeit (ayoniso manasikāra) schenkt. Die Entnährung, also das, was Byāpāda zum Verschwinden bringt, ist die „Geistbefreiung durch Liebende Güte“ (mettā cetovimutti), der man achtsame Aufmerksamkeit (yoniso manasikāra) schenkt. Eine weitere Rede, SN 46.38 (Āvaraṇanīvaraṇa Sutta), beschreibt die Hindernisse explizit als „Bedeckungen“ (āvaraṇā) und „Fesseln“ (nīvaraṇā) des Geistes.
  • Relevanz: Das Bojjhaṅga Saṃyutta zeigt Byāpāda nicht isoliert, sondern im Kontext des gesamten Pfades. Es verdeutlicht die Bedingungen, die Übelwollen fördern, und benennt klar das Gegenmittel (Mettā) sowie die Notwendigkeit achtsamer Aufmerksamkeit, um es zu überwinden und stattdessen die erleuchtungsfördernden Faktoren zu stärken.

6.2 Aṅguttara Nikāya (AN): Eine relevante Lehrrede

Der Aṅguttara Nikāya, die Sammlung der nummerisch geordneten Lehrreden, enthält ebenfalls zahlreiche Stellen, die für das Verständnis von Byāpāda relevant sind.

  • Wichtige Lehrrede: Eine prägnante und oft zitierte Rede ist AN 9.64, das Nīvaraṇa Sutta (Die Lehrrede über die Hindernisse). Sie listet die fünf Hindernisse, einschließlich Byāpāda, auf und gibt dann eine klare Anweisung: „Um diese fünf Hindernisse aufzugeben, ihr Mönche, sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit zu entwickeln.“ (Imesaṁ kho, bhikkhave, pañcannaṁ nīvaraṇānaṁ pahānāya cattāro satipaṭṭhānā bhāvetabbā.).
  • Bekannte Alternative: Eine weitere sehr bekannte Rede ist AN 7.64, das Kodhana Sutta (Die Lehrrede über den Zornigen). Auch wenn hier der Begriff Kodha (Zorn) im Vordergrund steht, der eng mit Byāpāda verwandt ist, beschreibt die Rede sehr eindringlich die Nachteile von Zorn und Hass. Sie illustriert, wie ein zorniger Mensch sich selbst und anderen schadet und wie er dadurch seinem Feind Freude bereitet.
  • Relevanz: AN 9.64 stellt eine direkte Verbindung her zwischen der Überwindung von Byāpāda (und den anderen Hindernissen) und der zentralen buddhistischen Praxis der Achtsamkeitsmeditation (Satipaṭṭhāna). Dies unterstreicht die Rolle der Achtsamkeit als Schlüssel zur Transformation negativer Geisteszustände. AN 7.64 liefert eine starke motivationale Grundlage, Zorn und Übelwollen aufzugeben, indem es deren destruktive Konsequenzen aufzeigt.

Zusammenfassung und Ausblick

Byāpāda, das Übelwollen oder der Groll, ist ein zentraler unheilsamer Geisteszustand im Buddhismus. Es wurde als eine aktive Form der Feindseligkeit und Ablehnung definiert, die eng mit der grundlegenden Wurzel des Hasses (Dosa) verbunden ist, sich aber von der spezifischen Absicht der Grausamkeit (Vihiṃsā) unterscheidet. Seine größte Bedeutung erlangt Byāpāda als eines der Fünf Hindernisse (pañca nīvaraṇāni), die den Geist trüben, die Konzentration stören und die Entwicklung von Weisheit blockieren. Es wirkt wie kochendes Wasser, das die Klarheit verhindert, oder wie eine Krankheit, die das Wohlbefinden untergräbt.

Die buddhistische Lehre bietet jedoch wirksame Gegenmittel: die aktive Kultivierung von Mettā (Liebender Güte) als direkter Antagonist zu Byāpāda und die bewusste Entscheidung für Abyāpāda (Nicht-Übelwollen) als Teil der Rechten Absicht auf dem Edlen Achtfachen Pfad. Die Lehrreden des Palikanons, insbesondere das Kakacūpama Sutta (MN 21) mit seinem radikalen Gleichnis von der Säge und das Vatthūpama Sutta (MN 7) mit dem Gleichnis vom Tuch, illustrieren eindrücklich die Notwendigkeit und die Methode zur Überwindung von Übelwollen. Das Mahāsatipaṭṭhāna Sutta (DN 22) lehrt die grundlegende Achtsamkeitspraxis, um Hasszustände im Geist zu erkennen. Weitere Texte im Samyutta Nikāya (besonders SN 46) und Aṅguttara Nikāya (wie AN 9.64) verdeutlichen die Bedingungen für das Entstehen und Vergehen von Byāpāda und seine Verbindung zur Achtsamkeitspraxis.

Für Praktizierende des buddhistischen Weges ist das Erkennen und Bearbeiten von Byāpāda von entscheidender Bedeutung. Es erfordert Geduld, Achtsamkeit und die beständige Kultivierung von Mettā. Die Auseinandersetzung mit Übelwollen im eigenen Geist ist keine leichte Aufgabe, aber sie ist ein unverzichtbarer Schritt hin zu innerem Frieden, Mitgefühl und letztendlicher Befreiung. Die in diesem Bericht genannten Lehrreden bieten eine reiche Quelle für Inspiration und Anleitung. Es wird empfohlen, diese Texte, die auf Plattformen wie SuttaCentral.net leicht zugänglich sind, selbst zu studieren, um ein tieferes Verständnis für die Lehren des Buddha zu gewinnen und die eigene Praxis zur Überwindung von Übelwollen zu vertiefen.

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