Bewusstsein (Viññāṇa)

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Viññāṇa (Bewusstsein): Ein Schlüsselbegriff im frühen Buddhismus und seine Verankerung im Palikanon

Das dynamische Erkennen im Kontext buddhistischer Lehre verstehen

1. Einleitung: Viññāṇa – Ein Schlüsselbegriff im frühen Buddhismus

Das Verständnis zentraler Begriffe aus der Sprache Pali, der Sprache, in der die ältesten buddhistischen Lehrreden (Suttas) überliefert sind, ist für ein tieferes Eindringen in die Lehre des Buddha unerlässlich. Viele deutsche Übersetzungen können die Nuancen und die spezifische Bedeutung dieser Begriffe nur unzureichend wiedergeben. Ziel dieses Berichts ist es, den Pali-Begriff Viññāṇa, oft mit „Bewusstsein“ übersetzt, näher zu beleuchten, seine Bedeutung im Kontext des frühen Buddhismus zu erklären und aufzuzeigen, in welchen wichtigen Lehrkonzepten er eine Rolle spielt. Vor allem aber sollen konkrete Lehrreden aus den Sammlungen des Palikanon benannt werden, die diesen Begriff zentral behandeln und Suchenden so einen direkten Zugang zu den Quellen ermöglichen.

Viññāṇa ist ein solcher zentraler, aber auch vielschichtiger Begriff. Seine Untersuchung öffnet Türen zum Verständnis buddhistischer Kernlehren wie dem Entstehen von Leiden (dukkha) und dem Pfad zur Befreiung (nibbāna). Es umfasst weit mehr als das, was im westlichen Sprachgebrauch gemeinhin unter „Bewusstsein“ verstanden wird, und seine korrekte Einordnung ist entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden.

2. Was ist Viññāṇa? Definition und Erklärung

Kernbedeutungen

Die Übersetzung von Viññāṇa ist vielfältig und kontextabhängig. Gängige Übertragungen ins Deutsche sind „Bewusstsein“, „Erkennen“, „Unterscheiden“, aber auch „Lebenskraft“ oder einfach „Geist“. Diese Bandbreite deutet bereits auf die Komplexität des Begriffs hin.

Etymologisch wird Viññāṇa oft als eine Zusammensetzung aus dem Präfix vi- und dem Nomen ñāṇa (Wissen, Erkenntnis) analysiert. Vi- kann hier die Bedeutung von „geteilt“, „unterscheidend“, „spezifisch“ oder auch „intensivierend“ haben. Viññāṇa bezeichnet somit oft ein unterscheidendes Erkennen oder ein spezifisches Bewusstsein, das in Relation zu Objekten entsteht. Es ist die grundlegende Fähigkeit des Geistes, Sinneseindrücke (wie Farben, Töne) und mentale Objekte (wie Gedanken, Gefühle) zu erkennen und voneinander zu unterscheiden.

Eine prägnante funktionale Definition findet sich im Mahāvedalla Sutta (MN 43). Dort erklärt der Ehrwürdige Sāriputta, dass Viññāṇa dadurch charakterisiert ist, dass es erkennt (vijānāti). Auf die Frage, was es erkennt, antwortet er: „Es erkennt Angenehmes, es erkennt Unangenehmes, es erkennt weder Angenehmes noch Unangenehmes“ (Sukhantipi vijānāti, dukkhantipi vijānāti, adukkhamasukhantipi vijānāti). Viññāṇa ist also untrennbar mit der Bewertung von Erfahrung in Bezug auf ihren Gefühlston verbunden.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen (Citta, Mano)

Im Palikanon werden neben Viññāṇa auch die Begriffe Citta und Mano verwendet, um mentale Phänomene zu beschreiben. Diese drei Begriffe werden manchmal synonym gebraucht, haben aber oft unterschiedliche Bedeutungsschwerpunkte, je nach Lehrkontext. Eine klare Abgrenzung ist wichtig:

  • Viññāṇa wird häufig im Kontext der Sinneswahrnehmung (im Rahmen der sechs Sinnestore, Saḷāyatana) und der Analyse der Daseinsfaktoren (im Rahmen der fünf Aggregate, Khandhas) verwendet. Es betont das spezifische Bewusstsein, das durch den Kontakt eines Sinnesorgans mit seinem Objekt entsteht.
  • Mano bezieht sich oft auf den Geist als sechstes Sinnesorgan (manāyatana oder manindriya), das mentale Objekte (dhammā) wie Gedanken, Erinnerungen oder Konzepte erkennt. Mano steht auch häufig für den Aspekt des Geistes, der mentale Handlungen (manokamma) initiiert, im Gegensatz zu körperlichen oder verbalen Handlungen.
  • Citta bezeichnet oft den Geist im weiteren Sinne, einschließlich emotionaler und volitionaler Aspekte (Gefühle, Stimmungen, Absichten, Geisteszustände). Es ist das „Herz“ im psychologischen Sinn und das primäre Objekt der Geisteskultivierung (bhāvanā) auf dem buddhistischen Pfad zur Befreiung.

Die Verwendung dieser unterschiedlichen Begriffe deutet weniger auf separate mentale Einheiten hin, sondern vielmehr darauf, dass verschiedene Funktionen oder Aspekte der mentalen Aktivität in unterschiedlichen Lehrzusammenhängen betont werden. Viññāṇa hebt die Funktion des Erkennens im Wahrnehmungsprozess hervor, Mano die Funktion des Denkens und mentalen Handelns, und Citta die affektive und zu kultivierende Dimension des Geistes. Diese funktionale Differenzierung steht im Einklang mit der buddhistischen Betonung von Prozessen gegenüber statischen Wesenheiten, wie sie in der Lehre vom Nicht-Selbst (anattā) zum Ausdruck kommt.

Die sechs Arten des Viññāṇa (Sinnesbewusstsein)

Ein Kernpunkt der Lehre über Viññāṇa ist, dass es nicht unabhängig oder aus sich selbst heraus existiert, sondern immer in Abhängigkeit von Bedingungen entsteht. Konkret entsteht Bewusstsein durch das Zusammentreffen dreier Faktoren: einer inneren Sinnesgrundlage (ajjhattika-āyatana), einem äußeren Sinnesobjekt (bāhira-āyatana) und der daraus resultierenden spezifischen Bewusstseinsart. Der Buddha betont dies nachdrücklich im Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta (MN 38): „Ohne Bedingung gibt es kein Entstehen von Bewusstsein“ (aññatra paccayā natthi viññāṇassa sambhavo).

Es gibt sechs Arten von Sinnesbewusstsein, entsprechend den sechs Sinnestoren:

Innere Sinnesgrundlage (Āyatana) Äußeres Objekt (Ārammaṇa) Entstehendes Bewusstsein (Viññāṇa)
Auge (Cakkhu) Sichtbares Objekt (Rūpa) Sehbewusstsein (Cakkhu-viññāṇa)
Ohr (Sota) Ton (Sadda) Hörbewusstsein (Sota-viññāṇa)
Nase (Ghāna) Geruch (Gandha) Riechbewusstsein (Ghāna-viññāṇa)
Zunge (Jivhā) Geschmack (Rasa) Schmeckbewusstsein (Jivhā-viññāṇa)
Körper (Kāya) Berührung (Phoṭṭhabba) Körperbewusstsein (Kāya-viññāṇa)
Geist (Mano) Mentales Objekt (Dhamma) Geistbewusstsein (Mano-viññāṇa)

Diese Tabelle verdeutlicht das Prinzip der Abhängigkeit: So wie Feuer nur brennt, wenn Brennstoff vorhanden ist (ein Vergleich, den der Buddha in MN 38 verwendet), so entsteht Bewusstsein nur, wenn die entsprechenden Bedingungen zusammenkommen.

Viññāṇa als dynamischer Prozess, nicht als ewige Seele

Entgegen manchen Vorstellungen ist Viññāṇa im frühen Buddhismus keine unveränderliche, ewige Seele oder ein Selbst (attā), das von einem Leben zum nächsten wandert. Der Palikanon betont durchgehend die drei Daseinsmerkmale (tilakkhaṇa) auch für das Bewusstsein: Es ist vergänglich (anicca), dem Leiden unterworfen (dukkha) und ohne einen festen, unabhängigen Wesenskern (anattā).

Die Vorstellung eines identischen Bewusstseins, das den Kreislauf der Wiedergeburten (saṃsāra) durchläuft (tadevidaṁ viññāṇaṁ sandhāvati saṁsarati, nāññaṁ), wird im Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta (MN 38) explizit als eine gefährliche Irrlehre (pāpakaṁ diṭṭhigataṁ) zurückgewiesen, die der Mönch Sāti vertrat. Stattdessen wird Viññāṇa als ein sich ständig wandelnder, momenthafter Prozess beschrieben – ein Bewusstseinsstrom (viññāṇasota, erwähnt in DN 28), der von Moment zu Moment neu entsteht und vergeht, abhängig von Bedingungen. Ein bekanntes Gleichnis vergleicht diesen Prozess mit einem Affen, der sich im Wald von Ast zu Ast schwingt, einen loslässt und den nächsten ergreift, oder mit dem unaufhörlichen Fließen eines Flusses.

Verschiedene Aspekte und Typen von Viññāṇa

Innerhalb der Lehre werden manchmal verschiedene Aspekte oder Funktionen von Viññāṇa unterschieden, um seine Rolle in spezifischen Prozessen zu verdeutlichen:

  • Kamma-Viññāṇa vs. Vipāka-Viññāṇa: Manchmal wird unterschieden zwischen Bewusstsein, das durch willentliche Handlungen (kamma) geprägt ist und zukünftige Wirkungen schafft (kamma-viññāṇa), und dem Bewusstsein, das als Resultat (vipāka) vergangener Handlungen auftritt und sich als reines Erleben oder Gewahrsein manifestiert (vipāka-viññāṇa).
  • Paṭisandhi-Viññāṇa: Das „Wiederverbindungsbewusstsein“, das im Moment der Empfängnis die Verbindung zwischen einer vergangenen und einer neuen Existenz herstellt. Es trägt die Prägungen vergangener Handlungen (kamma) in das neue Leben.
  • Viññāṇa als Nährstoff (Āhāra): Viññāṇa wird als einer der vier „Nährstoffe“ betrachtet, die das Dasein aufrechterhalten. Es erhält insbesondere die mentalen und körperlichen Prozesse (nāmarūpa) bei der Empfängnis und während des Lebens.
  • Viññāṇaṭṭhiti: Die „Verweilzustände“ oder „Grundlagen“ des Bewusstseins. Die Texte beschreiben sieben solcher Zustände, die verschiedene Ebenen der Existenz charakterisieren, von menschlichen und himmlischen Welten bis zu den formlosen Bereichen.

3. Viññāṇa in zentralen Lehrkonzepten

Viññāṇa ist keine isolierte Größe, sondern integraler Bestandteil zentraler buddhistischer Lehrgebäude, die das Entstehen der Erfahrung und des Leidens erklären.

Viññāṇa als eines der Fünf Aggregate (Pañca Khandhā)

Die fünf Aggregate (Pali: khandhā; Skt.: skandhā) sind die Bausteine, aus denen sich nach buddhistischer Analyse die empirische Persönlichkeit zusammensetzt. Viññāṇa ist das fünfte dieser Aggregate:

  1. Form/Körperlichkeit (Rūpa)
  2. Gefühl (Vedanā)
  3. Wahrnehmung (Saññā)
  4. Geistesformationen/Willensregungen (Saṅkhārā)
  5. Bewusstsein (Viññāṇa)

Innerhalb dieser Analyse repräsentiert Viññāṇa den grundlegenden Akt des Gewahrseins oder Erkennens der anderen vier Aggregate sowie der externen Sinnesobjekte. Es ist nicht als übergeordnete Kontrollinstanz zu verstehen, sondern als ein gleichberechtigter Teil dieses Bündels von Prozessen, der selbst von den anderen Aggregaten abhängig ist und diese wiederum bedingt.

Das Leiden (dukkha) entsteht nach der ersten Edlen Wahrheit nicht durch die Aggregate selbst, sondern durch das Anhaften (upādāna) an ihnen. Die „fünf Aggregate des Anhaftens“ (pañcupādānakkhandhā) sind Leiden. Wer sich mit seinem Bewusstsein identifiziert („Das bin ich“, „Das ist mein“), leidet unter Angst und Enttäuschung, wenn dieses sich – seiner vergänglichen Natur gemäß – verändert.

Das Khandha Saṃyutta (SN 22) im Samyutta Nikāya ist diesem Thema gewidmet. Es enthält eine Fülle von Lehrreden, die die fünf Aggregate, einschließlich Viññāṇa, detailliert analysieren, ihre Merkmale der Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Nicht-Selbsthaftigkeit aufzeigen und zur Entwicklung von Einsicht und Loslösung anleiten.

Viññāṇa im Bedingten Entstehen (Paṭiccasamuppāda)

Das Bedingte Entstehen (Pali: paṭiccasamuppāda; Skt.: pratītyasamutpāda) ist die zentrale buddhistische Lehre über die Entstehung des Leidens in Abhängigkeit von Ursachen und Bedingungen. In der Standardformulierung mit zwölf Gliedern ist Viññāṇa das dritte Glied:

  1. Unwissenheit (Avijjā)
  2. Geistesformationen (Saṅkhārā)
  3. Bewusstsein (Viññāṇa)
  4. Geist-Körper (Nāmarūpa)
  5. Sechs Sinnesgrundlagen (Saḷāyatana)
  6. Kontakt (Phassa)
  7. Gefühl (Vedanā)
  8. Durst/Begehren (Taṇhā)
  9. Anhaften (Upādāna)
  10. Werden/Existenz (Bhava)
  11. Geburt (Jāti)
  12. Altern und Tod, Kummer, Klagen, Schmerz, Trauer, Verzweiflung (Jarāmaraṇaṁ sokaparidevadukkhadomanassupāyāsā)

Die Kernaussagen lauten: „Bedingt durch Geistesformationen entsteht Bewusstsein“ (saṅkhāra paccayā viññāṇaṁ) und „Bedingt durch Bewusstsein entsteht Geist-Körper“ (viññāṇa paccayā nāmarūpaṁ).

In diesem Kontext fungiert Viññāṇa als das Bindeglied, das die durch vergangene willentliche Handlungen geformten Tendenzen und Prägungen (saṅkhārā) aufnimmt und die Grundlage für die Entstehung einer neuen psychophysischen Existenz (nāmarūpa) bildet – sei es im Prozess der Wiedergeburt oder von Moment zu Moment. Es ist die „regenerative Kraft“ oder „Lebenskraft“, die den Übergang und die Kontinuität ermöglicht.

Besonders betont wird die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Viññāṇa und Nāmarūpa. Im Mahānidāna Sutta (DN 15) wird dies mit dem Bild zweier Schilfbündel illustriert, die sich gegenseitig stützen: Das eine kann ohne das andere nicht stehen. Ohne das Bewusstsein, das bei der Empfängnis in den Mutterschoß „herabsteigt“ (okkamati), kann sich der Geist-Körper-Organismus nicht entwickeln. Gerade diese Funktion im Paṭiccasamuppāda zeigt, wie der Buddhismus Kontinuität erklärt, ohne ein festes, transmigrierendes Selbst (attā) postulieren zu müssen. Es ist nicht eine Seele, die wandert, sondern der Prozess des bedingt entstehenden Bewusstseins, der durch karmische Impulse (saṅkhāra) angetrieben wird und eine neue Manifestation (nāmarūpa) hervorbringt. Viññāṇa ist hier der dynamische Träger dieser bedingten Kontinuität, was die Lehre von anattā stützt und vertieft.

Das Nidāna Saṃyutta (SN 12) im Samyutta Nikāya ist die primäre Quelle für die detaillierte Darlegung des Bedingten Entstehens und seiner einzelnen Glieder, einschließlich der Rolle von Viññāṇa.

Viññāṇa und die Sechs Sinnesbereiche (Saḷāyatana)

Die sechs inneren und sechs äußeren Sinnesbereiche (saḷāyatana) bilden die Schnittstelle zwischen dem Subjekt und der Welt. Wie bereits unter Punkt 2 erläutert, entsteht das spezifische Sinnesbewusstsein (cakkhu-viññāṇa, sota-viññāṇa etc.) erst durch den Kontakt (phassa) zwischen der jeweiligen inneren Sinnesgrundlage (Auge, Ohr etc.) und dem entsprechenden äußeren Objekt (Form, Ton etc.).

Im Paṭiccasamuppāda sind die sechs Sinnesgrundlagen (saḷāyatana) das fünfte Glied, bedingt durch Geist-Körper (nāmarūpa paccayā saḷāyatanaṁ) und ihrerseits Bedingung für Kontakt (saḷāyatana paccayā phasso). Das Bewusstsein (Viññāṇa) als drittes Glied ist somit die notwendige Voraussetzung dafür, dass sich überhaupt ein Organismus mit Sinnesfähigkeiten (nāmarūpa -> saḷāyatana) entwickeln kann, durch den dann weiteres, spezifisches Sinnesbewusstsein durch Kontakt mit der Außenwelt entsteht.

Hier zeigt sich eine doppelte Rolle von Viññāṇa im Wahrnehmungsprozess:

(a) Es fungiert als das grundlegende, existenzverbindende Bewusstsein (das 3. Glied im Paṭiccasamuppāda, oft als paṭisandhi-viññāṇa interpretiert), das die Entstehung des psychophysischen Organismus mit seinen Sinnesfähigkeiten (nāmarūpa und saḷāyatana) überhaupt erst ermöglicht.
(b) Es manifestiert sich als das spezifische Sinnesbewusstsein (z.B. Sehbewusstsein), das dann als Ergebnis des Kontakts (phassa) über diese entstandenen Sinnesorgane mit der Außenwelt auftritt.

Diese Unterscheidung verdeutlicht die Komplexität des Begriffs und die verschiedenen Ebenen, auf denen Bewusstsein im buddhistischen Modell operiert.

4. Ausgewählte Lehrreden (Suttas) zu Viññāṇa

Für ein vertieftes Verständnis von Viññāṇa ist das Studium der Originaltexte unerlässlich. Im Folgenden werden einige zentrale Lehrreden aus den Sammlungen Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN) sowie relevante Kapitel (Saṃyuttas) aus dem Samyutta Nikāya (SN) und Hinweise zum Aṅguttara Nikāya (AN) genannt. Als Hauptquelle dient SuttaCentral.net.

Aus Dīgha Nikāya (DN) und Majjhima Nikāya (MN)

  • MN 38: Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta (Die große Lehrrede über die Vernichtung des Durstes)
    Inhalt: Widerlegt die falsche Ansicht des Mönchs Sāti, ein unverändertes Bewusstsein würde wandern. Betont die abhängige Entstehung von Viññāṇa (wie Feuer und Brennstoff). Nennt Viññāṇa auch als einen der vier Nährstoffe (āhāra).
    Bedeutung: Grundlegend für das Verständnis von Viññāṇa als bedingter Prozess und für die Ablehnung einer ewigen Seele (anattā).
    Quelle: MN 38, Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta
  • MN 43: Mahāvedalla Sutta (Die große Frage-und-Antwort-Lehrrede)
    Inhalt: Definiert Viññāṇa klar über seine Funktion des Erkennens (vijānāti) von Gefühlen. Diskutiert das Verhältnis von Weisheit (paññā, zu entwickeln) und Bewusstsein (viññāṇa, zu durchdringen).
    Bedeutung: Liefert präzise funktionale Definition und grenzt Viññāṇa von Weisheit ab.
    Quelle: MN 43, Mahāvedalla Sutta
  • DN 15: Mahānidāna Sutta (Die große Lehrrede über die Ursachen)
    Inhalt: Detaillierte Erklärung des Bedingten Entstehens mit Fokus auf die wechselseitige Abhängigkeit von Bewusstsein (viññāṇa) und Geist-Körper (nāmarūpa). Illustriert durch das Gleichnis der Schilfbündel.
    Bedeutung: Essentiell zum Verständnis der fundamentalen Rolle von Viññāṇa für die psychophysische Existenz.
    Quelle: DN 15, Mahānidāna Sutta

Hinweis auf Samyutta Nikāya (SN)

Für das Thema Viññāṇa sind besonders zwei Kapitel (Saṃyuttas) relevant:

  • SN 12: Nidāna Saṃyutta (Kapitel über Bedingtes Entstehen)
    Relevanz: Hauptquelle für den Paṭiccasamuppāda. Zahlreiche Suttas erläutern die Rolle von Viññāṇa als drittes Glied. SN 12.2 (Vibhaṅga Sutta) enthält die Standarddefinition der sechs Arten des Sinnesbewusstseins.
    Quelle: SN 12, Nidāna Saṃyutta
  • SN 22: Khandha Saṃyutta (Kapitel über die Aggregate)
    Relevanz: Widmet sich den fünf Aggregaten. Unzählige Lehrreden analysieren Viññāṇa als fünftes Aggregat, betonen seine Vergänglichkeit (anicca), Leidhaftigkeit (dukkha) und Nicht-Selbst-Natur (anattā). Ziel ist die Loslösung vom Anhaften. SN 22.48 (Khandha Sutta) definiert die Aggregate, SN 22.26 (Assāda Sutta) erklärt Befriedigung, Gefahr und Entrinnen.
    Quelle: SN 22, Khandha Saṃyutta

Hinweis auf Aṅguttara Nikāya (AN)

Der Aṅguttara Nikāya (AN) ist numerisch geordnet. Relevante Aussagen finden sich verstreut:

  • Konzept der Viññāṇaṭṭhiti: In AN 7.41 werden die sieben „Verweilzustände“ des Bewusstseins beschrieben, die verschiedene Daseinsebenen charakterisieren.
    Quelle: AN 7.41, Viññāṇaṭṭhiti Sutta
  • Bekannte, aber interpretationsbedürftige Rede: AN 1.49-52 (Pabhassara Sutta)
    Inhalt: Sprechen von einem „leuchtenden Geist“ (pabhassara citta), der von „hinzutretenden Befleckungen“ verunreinigt sei.
    Diskussion: Wird oft (aber problematisch) als Hinweis auf eine inhärent reine Natur des Geistes interpretiert. Dies widerspricht potenziell der Lehre von anicca und anattā für Viññāṇa. Wahrscheinlicher ist die Betonung der Potenzialität zur Reinigung.
    Quelle: AN 1.49-52, Pabhassara Sutta

5. Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Viññāṇa im frühen Buddhismus keinen statischen Wesenskern, keine ewige Seele oder ein unabhängiges Selbst bezeichnet. Es ist vielmehr ein zentraler, dynamischer und bedingt entstehender Prozess des Erkennens und Gewahrseins. Viññāṇa ist untrennbar mit den sechs Sinnen, den anderen vier mentalen Aggregaten (nāma) und dem Körper (rūpa) sowie mit dem kausalen Prozess des Bedingten Entstehens (Paṭiccasamuppāda) verbunden. Es ist das Bewusstsein, das durch Sinneskontakt entsteht, und zugleich das Bewusstsein, das als Träger karmischer Prägungen die Kontinuität von Moment zu Moment und über Wiedergeburten hinweg ermöglicht – ohne jedoch selbst eine beständige Entität zu sein.

Das Leiden (dukkha) entsteht nicht durch Viññāṇa an sich, sondern durch das Anhaften (upādāna) daran und die Identifikation damit („Ich bin dieses Bewusstsein“, „Dieses Bewusstsein ist mein“). Die Einsicht in die wahre Natur von Viññāṇa – seine Vergänglichkeit (anicca), seine Bedingtheit und seine Nicht-Selbst-Natur (anattā) – ist daher ein entscheidender Schritt auf dem buddhistischen Befreiungspfad. Es geht darum, das Bewusstsein und seine Funktionsweise zu durchschauen und zu verstehen (pariññeyyaṁ), wie es in MN 43 heißt. Dieses Verständnis führt zu Ernüchterung (nibbida), zum Schwinden der Gier (virāga) und schließlich zur Befreiung (vimutti) vom Anhaften und dem damit verbundenen Leiden.

Dieser Bericht konnte nur eine Einführung in die vielschichtige Bedeutung von Viññāṇa geben. Die genannten Lehrreden, insbesondere MN 38, MN 43, DN 15 sowie die Kapitel SN 12 und SN 22, bieten eine Fülle von Material für eine tiefere persönliche Auseinandersetzung. Die Online-Ressource SuttaCentral.net stellt diese und viele weitere Texte des Palikanon in verschiedenen Übersetzungen zur Verfügung und lädt zum weiteren Selbststudium ein.

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