
Vimutta und Vimutti: Befreite Wesen und die Formen der Befreiung im frühen Buddhismus
Ein Überblick über Cetovimutti, Paññāvimutti und Ubhatobhāgavimutti
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Vimutti – Das Ziel der Befreiung im frühen Buddhismus
Im Herzen der Lehre des Buddha steht das Konzept der Vimutti, der Befreiung. Sie gilt als das höchste Ziel (paramā vimutti) und die eigentliche Essenz (vimuttisāra) des buddhistischen Pfades. Wie es in den Lehrreden heißt, hat die gesamte Lehre und Lebensweise nur einen Geschmack: den Geschmack der Freiheit. Vimutti ist nicht nur ein fernes Ideal, sondern der zentrale Angelpunkt, um den sich die gesamte buddhistische Praxis und Doktrin dreht. Sie bildet das „Herzholz“ (sāra) und den Kulminationspunkt (pariyosāna) des spirituellen Lebens, wie es insbesondere für die unerschütterliche Geistesbefreiung (akuppā cetovimutti) beschrieben wird.
Eng verbunden mit Vimutti ist der Begriff Vimutta. Als Partizip Perfekt Passiv des Verbs vimuccati (sich befreien) bezeichnet Vimutta das Wesen, das diesen Zustand der Befreiung erreicht hat – das befreite, erlöste, emanzipierte Individuum. Das Verständnis dessen, was Befreiung bedeutet (Vimutti), und wer als befreit gilt (Vimutta), ist für Praktizierende von entscheidender Bedeutung, da es die Richtung weist und die Motivation für den Weg liefert. Die beiden Begriffe beleuchten sich gegenseitig: Um zu verstehen, wer befreit ist, muss man verstehen, wovon und wodurch Befreiung erlangt wird, und umgekehrt.
Dieser Bericht beleuchtet die Bedeutung von Vimutta und Vimutti, erklärt die zentralen Formen der Befreiung, verweist auf Schlüssel-Lehrreden im Palikanon und stellt verwandte Konzepte vor, um interessierten Lesern einen fundierten Zugang zu diesem Kernaspekt des frühen Buddhismus zu ermöglichen.
Was bedeutet Vimutti? Definition und Kontext
Der Pali-Begriff Vimutti leitet sich etymologisch vom Präfix vi- und der Verbalwurzel √muc ab, die „befreien“ oder „loslassen“ bedeutet, ergänzt um das Suffix -ti, das ein abstraktes Nomen bildet. Die Grundbedeutung ist daher „Loslösung“, „Befreiung“, „Erlösung“ oder „Emanzipation“. Das Präfix vi- kann dabei eine Intensivierung oder Vollständigkeit andeuten, im Sinne einer „vollständigen Befreiung“.
Die Definitionen in den Texten und Wörterbüchern weisen auf eine doppelte Dynamik hin: Befreiung ist immer eine Befreiung von etwas und zugleich eine Befreiung durch etwas. Man befreit sich von den Fesseln des Leidens (dukkha), den mentalen Trieben oder Befleckungen (āsava, kilesa), insbesondere Gier (rāga), Hass (dosa) und Verblendung (moha), sowie vom Kreislauf der Wiedergeburten (saṃsāra). Diese Befreiung geschieht jedoch nicht passiv, sondern aktiv durch die Kultivierung spezifischer geistiger Qualitäten und Praktiken, vor allem durch Konzentration (samādhi oder samatha) und Weisheit (paññā oder vipassanā). Vimutti beschreibt somit sowohl den aktiven Prozess des Sich-Befreiens als auch den erreichten Endzustand der Freiheit.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Vimutti kein monolithischer Begriff ist. Die Texte unterscheiden klar zwischen verschiedenen Ebenen und Arten der Befreiung. Das Spektrum reicht von temporären Zuständen geistiger Erleichterung und Freiheit von Hindernissen (sāmāyika vimutti), die beispielsweise während tiefer Meditation (jhāna) erfahren werden können, bis hin zur endgültigen, unerschütterlichen und unwiderruflichen Befreiung (akuppā vimutti), die mit der Arahantschaft, dem vollendeten Zustand im frühen Buddhismus, gleichzusetzen ist. Diese Unterscheidung ist wesentlich, um die verschiedenen Kontexte, in denen Vimutti erwähnt wird, korrekt einordnen zu können.
Die Hauptformen der Befreiung
Der Palikanon unterscheidet hauptsächlich zwei grundlegende Arten der Befreiung, die oft gemeinsam genannt werden, aber unterschiedliche Aspekte des Befreiungsprozesses und -zustandes hervorheben: Cetovimutti und Paññāvimutti. Eine dritte Kategorie, Ubhatobhāgavimutti, beschreibt eine Person, die beide Aspekte in höchstem Maße verkörpert.
Cetovimutti (Befreiung des Herzens/Geistes)
Cetovimutti wird oft mit „Befreiung des Herzens“ oder „Befreiung des Geistes“ übersetzt. Sie steht in engem Zusammenhang mit der Praxis der Geistesruhe und Konzentration (samatha oder samādhi). Ihr primäres Ziel ist die Befreiung von emotionalen Befleckungen, insbesondere von Gier und Leidenschaft (rāga).
Cetovimutti kann in zwei Hauptformen auftreten:
- Temporäre Cetovimutti (sāmāyika): Dies ist eine vorübergehende Befreiung, die durch meditative Zustände erreicht wird. Dazu gehören die meditativen Vertiefungen (jhāna) und die Praxis der vier „Göttlichen Verweilungszustände“ (brahmavihāra: liebende Güte – mettā, Mitgefühl – karuṇā, Mitfreude – muditā und Gleichmut – upekkhā). Diese Zustände unterdrücken zeitweise die fünf Hindernisse (nīvaraṇa) und andere negative Geisteszustände wie Ärger oder Unruhe. Die Texte beschreiben spezifische temporäre Befreiungen wie die „grenzenlose Geistesbefreiung“ (appamāṇā cetovimutti, erreicht durch die brahmavihāras), die „Befreiung durch die Sphäre des Nichts“ (ākiñcaññā cetovimutti), die „zeichenlose Geistesbefreiung“ (animittā cetovimutti), die „Leerheits-Geistesbefreiung“ (suññatā cetovimutti) und die „weder-schmerzhafte-noch-angenehme Geistesbefreiung“ (adukkhamasukha cetovimutti, erreicht im vierten jhāna). Obwohl diese Zustände angenehm und wertvoll sind, sind sie vergänglich. Die Texte warnen sogar davor, dass Anhaftung an diese temporären Befreiungen (santa cetovimutti) den Fortschritt zur endgültigen Erlösung behindern kann, vergleichbar mit einer Hand, die an einem harzigen Ast kleben bleibt. Selbst eine Person mit unmoralischem Lebenswandel kann unter bestimmten Umständen kurzzeitig solche Erfahrungen machen.
- Endgültige Cetovimutti (akuppa): Im höchsten Sinne bezeichnet Cetovimutti die unerschütterliche, permanente Befreiung des Geistes, die Teil der Arahantschaft ist. In dieser Bedeutung wird sie oft untrennbar mit Paññāvimutti verbunden, in der Standardformel anāsavaṃ cetovimuttiṃ paññāvimuttiṃ – „die von den Trieben freie Geistesbefreiung und Befreiung durch Weisheit“. Hier repräsentiert Cetovimutti den Aspekt der Befreiung von Gier und anderen emotionalen Befleckungen, der durch die auf dem Pfad entwickelte Konzentration erreicht wird.
Paññāvimutti (Befreiung durch Weisheit)
Paññāvimutti bedeutet „Befreiung durch Weisheit“ oder „Befreiung durch Einsicht“. Sie ist das Ergebnis der Entwicklung von paññā (Weisheit, tiefes Verstehen) durch die Praxis der Einsichtsmeditation (vipassanā). Ihr Kern ist die Befreiung von der fundamentalsten Wurzel des Leidens: der Unwissenheit (avijjā).
Im Gegensatz zur Cetovimutti, die temporär sein kann, bezeichnet Paññāvimutti immer die endgültige, unwiderrufliche Befreiung – die Frucht der Arahantschaft (arahatta-phala). Sie resultiert direkt aus der vollständigen Zerstörung der mentalen Triebe (āsavakkhaya) durch das tiefe Verständnis der Realität, insbesondere der Vier Edlen Wahrheiten und der drei Daseinsmerkmale (anicca, dukkha, anattā).
Ein wichtiger Punkt ist, dass Paññāvimutti auch von Personen erreicht werden kann, die keine vollkommene Meisterschaft über die hohen meditativen Vertiefungen (jhāna) bis hin zu den formlosen Stufen (die sogenannten acht Befreiungen, aṭṭha vimokkha) erlangt haben. Solche Arahants, die durch reine Einsicht zur Befreiung gelangen, werden als paññāvimutta bezeichnet.
Ubhatobhāgavimutti (In beiderlei Hinsicht Befreite)
Ein Ubhatobhāgavimutta ist ein Arahant, der „in beiderlei Hinsicht befreit“ ist. Dies bedeutet, dass er oder sie nicht nur die Paññāvimutti durch die Zerstörung der Āsavas mittels Weisheit erreicht hat, sondern zusätzlich auch die volle Meisterschaft über die acht Befreiungen (aṭṭha vimokkha) besitzt. Diese acht Befreiungen umfassen die vier materiellen Vertiefungen (rūpa-jhāna), die vier immateriellen oder formlosen Vertiefungen (arūpa-jhāna) und manchmal auch die „Erlöschung von Wahrnehmung und Gefühl“ (nirodha-samāpatti). Ein solcher Arahant vereint also sowohl tiefe Konzentrationsfähigkeit und die damit verbundene temporäre Befreiung des Geistes (Cetovimutti im Sinne von jhāna-Meisterschaft) als auch die endgültige Befreiung durch Weisheit (Paññāvimutti).
Es ist entscheidend zu verstehen, dass sowohl der Paññāvimutta als auch der Ubhatobhāgavimutta vollkommene Arahants sind, die das endgültige Ziel erreicht haben und von allem Leiden befreit sind. Der Unterschied liegt nicht im Grad der Befreiung von Dukkha oder der Zerstörung der Āsavas, sondern in der Bandbreite der entwickelten meditativen Fähigkeiten, insbesondere der Meisterschaft der Jhānas.
Die folgende Tabelle fasst die Hauptunterschiede zusammen:
Typ (Pali & Deutsch) | Assoziierte Praxis | Überwundene Haupt-Befleckung | Natur | Bezug zur Arahantschaft |
---|---|---|---|---|
Cetovimutti (temporär) | Samatha (Jhāna, Brahmavihāra) | Rāga (Gier) u.a. (temporär unterdrückt) | Temporär (sāmāyika) | Vorstufe, nicht ausreichend, kann Hindernis sein |
Cetovimutti (akuppa) | Samatha (als Teil des Pfades) | Rāga (Gier) (endgültig zerstört) | Permanent (unerschütterlich) | Teil der Arahant-Befreiung (oft mit paññāvimutti) |
Paññāvimutti (Befreiung d. Weisheit) | Vipassanā (Paññā) | Avijjā (Unwissenheit) | Permanent | Definiert Arahantschaft, kann ohne volle Jhāna-Meisterschaft erreicht werden |
Ubhatobhāgavimutti (Beidseitig Befreite) | Samatha & Vipassanā | Rāga & Avijjā | Permanent | Arahant mit Jhāna-Meisterschaft (8 vimokkha) & Weisheit |
Im höchsten Sinne, bei der Beschreibung der vollendeten Arahantschaft, werden Cetovimutti und Paññāvimutti oft als untrennbares Paar genannt (anāsavaṃ cetovimuttiṃ paññāvimuttiṃ). Dies unterstreicht, dass die endgültige Befreiung beide Aspekte umfasst: die Befreiung des Herzens von emotionalen Trieben wie Gier (erreicht durch Konzentration) und die Befreiung des Geistes von der fundamentalen Unwissenheit (erreicht durch Weisheit).
Lehrreden (Suttas) zu Vimutti im Palikanon
Obwohl das Konzept der Befreiung (vimutti) allgegenwärtig ist, gibt es einige Lehrreden (Pali: sutta), die besonders aufschlussreich für das Verständnis dieses zentralen Themas sind. Die folgenden Beispiele stammen aus den Sammlungen der langen (Dīgha Nikāya, DN) und mittleren (Majjhima Nikāya, MN) Lehrreden sowie aus den thematisch gruppierten (Samyutta Nikāya, SN) und nummerisch geordneten (Aṅguttara Nikāya, AN) Sammlungen.
Dīgha Nikāya (DN):
- DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)
- Inhalt: Diese grundlegende Lehrrede beschreibt den stufenweisen Weg eines buddhistischen Mönchs. Beginnend mit ethischem Verhalten (sīla) führt der Weg über die Entwicklung von Konzentration (samādhi) und die Erlangung verschiedener meditativer Vertiefungen (jhāna) hin zu den höheren Wissen (vijjā). Der Höhepunkt ist die „Erkenntnis der Zerstörung der Triebe“ (āsavakkhaya-ñāṇa), welche die Einsicht in die Vier Edlen Wahrheiten und die vollständige Beseitigung der mentalen Triebe (āsava) beinhaltet. Dieser letzte Schritt ist die Verwirklichung der Befreiung (vimutti). Die berühmte Formel „Geburt ist zerstört, der heilige Wandel ist vollbracht, getan ist, was zu tun war, nichts Weiteres gibt es nach diesem Zustand“ beschreibt das Ergebnis dieser Befreiung.
- Relevanz: Zeigt vimutti als die höchste „Frucht“ (phala) des spirituellen Lebens und illustriert detailliert den praktischen Weg dorthin, der Tugend, Sammlung und Weisheit umfasst.
- DN 15: Mahānidāna Sutta (Die große Lehrrede über Ursachen)
- Inhalt: Diese Lehrrede bietet eine der detailliertesten Erklärungen der Kette des Bedingten Entstehens (paṭiccasamuppāda), sowohl in aufsteigender (Entstehung von Leiden) als auch in absteigender Reihenfolge (Erlöschen von Leiden). Sie zeigt auf, wie das Verständnis dieser Kausalitätskette zur Befreiung führt, indem die Glieder der Kette, die zur Wiedergeburt führen, durchbrochen werden. Ein Abschnitt behandelt spezifisch sieben „Stufen der Befreiung“ (vimutti) und verschiedene Grundlagen für die Selbstidentifikation, deren Überwindung zur Befreiung beiträgt.
- Relevanz: Verdeutlicht die untrennbare Verbindung zwischen dem Verständnis der Natur der Realität (als bedingt entstanden) und der Erreichung der Befreiung.
Majjhima Nikāya (MN):
- MN 43: Mahāvedalla Sutta (Große Fragen-und-Antworten-Lehrrede)
- Inhalt: Ein tiefgründiger Dialog zwischen den beiden herausragenden Schülern des Buddha, Mahākoṭṭhita und Sāriputta. Sāriputta beantwortet Fragen zu fundamentalen Konzepten wie Weisheit (paññā), Gefühl (vedanā), Wahrnehmung (saññā) und Bewusstsein (viññāṇa). Entscheidend für unser Thema ist die explizite Erklärung, wie samatha (Ruhe) zur cetovimutti (Geistesbefreiung) und vipassanā (Einsicht) zur paññāvimutti (Weisheitsbefreiung) führt. Es werden auch spezifische Befreiungszustände wie die „zeichenlose Geistesbefreiung“ (animittā cetovimutti) und die „Leerheits-Geistesbefreiung“ (suññatā cetovimutti) diskutiert, die durch Nicht-Beachtung von Zeichen bzw. Kontemplation der Leerheit erreicht werden.
- Relevanz: Eine der präzisesten und wichtigsten Quellen im Kanon zur Definition, Differenzierung und zum Verständnis der Mechanismen der verschiedenen Befreiungsarten.
- MN 70: Kīṭāgiri Sutta (Lehrrede in Kīṭāgiri)
- Inhalt: In dieser Lehrrede reagiert der Buddha auf das Fehlverhalten einiger Mönche und nutzt die Gelegenheit, verschiedene Stufen von edlen Schülern (ariya-puggala) auf dem Weg zur Befreiung zu klassifizieren. Er unterscheidet sieben Typen: den „beidseitig Befreiten“ (ubhatobhāgavimutta), den „durch Weisheit Befreiten“ (paññāvimutta), den „Körperzeugen“ (kāyasakkhī), den „zur Ansicht Gelangten“ (diṭṭhippatta), den „durch Vertrauen Befreiten“ (saddhāvimutta), den „Dhamma-Folgenden“ (dhammānusārī) und den „Vertrauens-Folgenden“ (saddhānusārī). Diese Klassifizierung basiert auf dem Grad der erreichten Befreiung (Zerstörung der Fesseln) und den dabei vorherrschenden Fähigkeiten (Weisheit, Konzentration, Vertrauen). Der Buddha betont die Notwendigkeit von Bemühung (viriya) und Achtsamkeit (appamāda) für alle, die das Endziel noch nicht erreicht haben.
- Relevanz: Illustriert eindrücklich, dass der Weg zur Befreiung nicht uniform ist, sondern von unterschiedlichen Fähigkeiten und Herangehensweisen geprägt sein kann. Sie zeigt eine Hierarchie von Praktizierenden auf, die alle auf das gleiche Endziel hinarbeiten.
Samyutta Nikāya (SN):
Im Samyutta Nikāya gibt es kein spezifisches Kapitel (Saṃyutta), das ausschließlich dem Thema Vimutti gewidmet ist. Dies unterstreicht, dass Befreiung kein isoliertes Lehrstück ist, sondern das übergreifende Ergebnis, das sich aus dem Verständnis und der Praxis anderer zentraler Lehren ergibt. Das Konzept der Befreiung ist jedoch ein roter Faden, der sich durch viele Kapitel zieht, darunter:
- SN 1 (Devatā Saṃyutta): Bereits die erste Lehrrede (SN 1.1) thematisiert das „Überqueren der Flut“ – eine Metapher für die Befreiung von saṃsāra.
- SN 12 (Nidāna Saṃyutta): Behandelt das Bedingte Entstehen, dessen Verständnis als Schlüssel zur Befreiung gilt.
- SN 22 (Khandha Saṃyutta): Erklärt die Befreiung durch Einsicht in die Natur der fünf Aggregate und das Loslassen des Anhaftens daran.
- SN 35 (Saḷāyatana Saṃyutta): Fokussiert auf die Befreiung durch das Verständnis und die Nicht-Identifikation mit den sechs Sinnengrundlagen.
- SN 45 (Magga Saṃyutta): Beschreibt den Edlen Achtfachen Pfad als den Weg, der direkt zur Befreiung führt.
Aṅguttara Nikāya (AN):
- AN 2.31/32: Vijjābhāgiya Sutta (Anteile am Wissen)
- Inhalt: Diese sehr kurze, aber äußerst einflussreiche Lehrrede stellt eine klare funktionale Verbindung her: Die Entwicklung von Samatha (Geistesruhe) führt zur Entwicklung des Geistes (citta), was wiederum zur Aufgabe von Rāga (Gier/Leidenschaft) führt. Das Ergebnis ist Cetovimutti. Die Entwicklung von Vipassanā (Einsicht) führt zur Entwicklung von Paññā (Weisheit), was zur Aufgabe von Avijjā (Unwissenheit) führt. Das Ergebnis ist Paññāvimutti.
- Relevanz: Bietet eine prägnante und grundlegende Formel zum Verständnis der komplementären Rollen von Ruhe- und Einsichtsmeditation auf dem Weg zu den beiden Hauptformen der Befreiung.
- AN 10.1 & 10.2: Diese Lehrreden beschreiben den vollendeten Arahant als jemanden, der zehn Faktoren besitzt: die acht Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades, ergänzt um Sammā Ñāṇa (Rechte Erkenntnis) und Sammā Vimutti (Rechte Befreiung).
- Relevanz: Positioniert Vimutti als integralen Bestandteil und krönenden Abschluss des vollständig verwirklichten Pfades.
Diese Auswahl an Lehrreden bietet einen guten Einstieg, um die verschiedenen Facetten von Vimutti – den Weg dorthin, die Analyse der Befreiungsarten, die Vielfalt der Praktizierenden und die funktionale Zuordnung der Meditationsmethoden – im Kontext der Originaltexte zu studieren.
Verwandte Schlüsselkonzepte
Das Verständnis von Vimutti wird vertieft, wenn man es im Zusammenhang mit anderen zentralen Begriffen des frühen Buddhismus betrachtet:
- Nibbāna (Sanskrit: Nirvāṇa): Dies ist das ultimative Ziel der buddhistischen Praxis, wörtlich übersetzt als „Verlöschen“ oder „Ausblasen“. Gemeint ist das Auslöschen der „drei Feuer“ von Gier (rāga), Hass (dosa) und Verblendung (moha), den Wurzeln allen Leidens. Nibbāna wird als ein unbedingter, unvergänglicher Zustand (asaṅkhata dhamma) beschrieben, der jenseits des Kreislaufs von Geburt und Tod (saṃsāra) liegt. In vielen Kontexten werden Nibbāna und die höchste, endgültige Vimutti synonym verwendet. Vimutti kann als der psychologische Zustand der Freiheit und Erlösung betrachtet werden, der die Erfahrung von Nibbāna kennzeichnet.
- Arahant: Wörtlich bedeutet Arahant „ein Würdiger“. Es ist die Bezeichnung für eine Person, die das Ziel von Nibbāna bzw. Vimutti vollständig verwirklicht hat. Ein Arahant ist dadurch definiert, dass er oder sie alle zehn Fesseln (saṃyojana), die an den Wiedergeburtskreislauf binden, durchbrochen und die mentalen Triebe (āsava) vollständig zerstört hat (khīṇāsava). Die Klassifikationen von Arahants, wie paññāvimutta und ubhatobhāgavimutta, basieren direkt auf den erreichten Formen der Vimutti und den damit verbundenen meditativen Fähigkeiten.
- Āsava (Triebe, Einflüsse, Kanker): Dies sind die tiefsten, subtilsten und hartnäckigsten mentalen Befleckungen, die den Geist binden und den Kreislauf der Wiedergeburten aufrechterhalten. Traditionell werden drei oder vier genannt: der Sinnlichkeitstrieb (kāmāsava), der Daseins- oder Werdenstrieb (bhavāsava), der Ansichtentrieb (diṭṭhāsava, oft als spätere Hinzufügung betrachtet) und der Unwissenheitstrieb (avijjāsava). Die vollständige Zerstörung dieser Āsavas (āsavakkhaya) ist das unmissverständliche Kennzeichen der endgültigen und unwiderruflichen Befreiung (vimutti) und der Arahantschaft. Die Formel anāsavaṃ cetovimuttiṃ paññāvimuttiṃ („die von den Trieben freie Geistesbefreiung und Weisheitsbefreiung“) bringt dies zum Ausdruck. Die Zerstörung der Āsavas, insbesondere der Unwissenheit (avijjā), durch Weisheit (paññā) ist der absolute Maßstab für die endgültige Befreiung. Temporäre Zustände der Geistesruhe (cetovimutti) allein reichen dafür nicht aus.
- Sammā Vimutti (Rechte Befreiung): Im Kontext des Edlen Achtfachen Pfades wird manchmal von einem zehnfachen Pfad gesprochen, der die Vollendung des Arahant beschreibt. Hier folgen auf die acht Pfadfaktoren noch Sammā Ñāṇa (Rechte Erkenntnis) und Sammā Vimutti (Rechte Befreiung). Sammā Vimutti bezeichnet die authentische, pfadgemäße und vollständige Befreiung, die das Ergebnis der erfolgreichen Kultivierung des gesamten Pfades ist.
Diese Begriffe stehen in einem engen Beziehungsgeflecht: Vimutti ist der erreichte psychologische Zustand der Freiheit, Nibbāna die ontologische Realität dieses Zustands (das Verlöschen der Ursachen), der Arahant ist die Person, die diesen Zustand verkörpert. Die Āsavas sind die spezifischen Hindernisse oder Fesseln, die überwunden werden müssen, und Sammā Vimutti bestätigt die erreichte Befreiung als die korrekte Frucht des buddhistischen Weges.
Zusammenfassung
Vimutti, die Befreiung, ist das erklärte Ziel und die Essenz der Lehre des Buddha. Der Begriff Vimutta bezeichnet das Individuum, das dieses Ziel erreicht hat. Befreiung im buddhistischen Sinne ist sowohl eine Befreiung von Leiden, Gier, Hass, Verblendung und dem Kreislauf der Wiedergeburten, als auch eine Befreiung, die aktiv durch die Entwicklung von Geistesruhe (samatha) und Einsicht (vipassanā) errungen wird.
Die Texte unterscheiden hauptsächlich zwischen Cetovimutti (Befreiung des Herzens/Geistes), die primär durch Konzentration erreicht wird und die Befreiung von emotionalen Befleckungen wie Gier (rāga) betont, und Paññāvimutti (Befreiung durch Weisheit), die durch Einsicht erlangt wird und die Befreiung von der fundamentalen Unwissenheit (avijjā) darstellt. Während Cetovimutti auch temporär sein kann (z.B. durch jhāna), bezeichnet Paññāvimutti stets die endgültige, unwiderrufliche Befreiung der Arahantschaft. Der Ubhatobhāgavimutta ist ein Arahant, der sowohl die Weisheitsbefreiung als auch die Meisterschaft tiefer meditativer Zustände erlangt hat.
Die endgültige Befreiung ist untrennbar mit der Erfahrung von Nibbāna (dem Verlöschen der Leidensursachen) und dem Zustand des Arahant (des Heiligen) verbunden. Das entscheidende Kriterium für die erreichte Befreiung ist die vollständige Zerstörung der mentalen Triebe (āsavakkhaya).
Lehrreden wie das Sāmaññaphala Sutta (DN 2), das Mahāvedalla Sutta (MN 43), das Kīṭāgiri Sutta (MN 70) und das Vijjābhāgiya Sutta (AN 2.31/32) bieten wertvolle Einblicke in den Weg, die Natur und die verschiedenen Aspekte dieser höchsten Befreiung.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Quellenverzeichnis (Auswahl Relevanter Lehrreden):
- Dīgha Nikāya (DN):
- DN 2: Sāmaññaphala Sutta (Die Früchte des Asketenlebens)
- DN 15: Mahānidāna Sutta (Die große Lehrrede über Ursachen)
- Majjhima Nikāya (MN):
- MN 43: Mahāvedalla Sutta (Große Fragen-und-Antworten-Lehrrede)
- MN 70: Kīṭāgiri Sutta (Lehrrede in Kīṭāgiri)
- Aṅguttara Nikāya (AN):
- AN 2.31-32: Vijjābhāgiya Sutta (Anteile am Wissen)
- AN 10.1: Cunda Sutta
- AN 10.2: Paṭhama Cetanā Sutta (Erste Lehrrede über Absicht)
Ausgewählte Referenzen (Web):
- Types of Vimutti – The Open Buddhist University
- Definitions for: vimutti – SuttaCentral
- The Buddh’s Instuction – Suttavāda Foundation
- What is the difference between panna vimutti and ceto vimutti? – Buddhism Stack Exchange
- Definitions for: vimuttaṃ – SuttaCentral
- Vimutta, Vi-muca-ta: 4 definitions
- Vimutti, Ceto Vimutti, Vi-muca-ti, Vimuttī: 7 definitions
- vimutti – Dictionary – Buddhistdoor Global
- vimutti – Definition and Meaning – Pāli Dictionary
- mutti and vimutti – Dhamma Wheel Buddhist Forum
- Vijjabhagiya Sutta (AN 2.32) – Buddha Vacana
- vimutti.pdf – Universität Hamburg
- Types of Liberation (vimutti) in Theravada Buddhism – drarisworld – WordPress.com
- 4.25 Ceto,vimutti, paññā,vimutti – The Minding Centre
- Pannavimutti, Panna-vimutti, Paññāvimutti: 2 definitions
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