
Die Drei Schulungen (Ti-sikkhā) im frühen Buddhismus
Ein Leitfaden zu Ethik, Geistesschulung und Weisheit
Inhaltsverzeichnis
- Ti-sikkhā: Die Drei Schulungen – Eine grundlegende Definition
- Sīla-sikkhā: Die Schulung in Sittlichkeit (Ethik)
- Samādhi-sikkhā: Die Schulung in Geistessammlung (Konzentration)
- Paññā-sikkhā: Die Schulung in Weisheit (Einsicht)
- Lehrreden aus dem Pāli-Kanon zur Ti-sikkhā
- Schlussfolgerung: Ein ganzheitlicher Übungsweg
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Der Pfad zur Befreiung
Der buddhistische Pfad zur Befreiung vom Leiden ist ein systematischer Übungsweg, der im Pāli-Kanon, der ältesten überlieferten Sammlung der Lehrreden des Buddha, detailliert beschrieben wird. Ein zentrales Konzept dieses Pfades sind die Drei Schulungen (Ti-sikkhā). Diese Schulungen bilden das Herzstück der buddhistischen Praxis und sind für alle, die das Erwachen anstreben, unerlässlich. Sie bieten einen strukturierten Rahmen für die Entwicklung von Geist und Charakter. Der Weg, den der Buddha lehrte, ist nicht primär eine Philosophie zum bloßen Studieren, sondern ein praktisches System zur Kultivierung des gesamten Wesens. Die anfängliche Auffassung von sikkhā als rein intellektuelles „Lernen“ greift zu kurz. Die umfassendere Bedeutung des Pāli-Begriffs, der auch „gutes Verhalten oder Tugend“ und „diszipliniertes Verhalten“ umfasst, verdeutlicht, dass es um eine tiefgreifende, persönliche Transformation geht, die ethische, mentale und spirituelle Aspekte integriert. Diese „Bildung“ im buddhistischen Sinne zielt auf eine innere Umgestaltung ab, die zu Exzellenz und Wohlbefinden führt.
Ti-sikkhā: Die Drei Schulungen – Eine grundlegende Definition
Der Pāli-Begriff Ti-sikkhā (Sanskrit: triśikṣā) bedeutet wörtlich „Drei Schulungen“ oder „Dreifaches Training“. Es handelt sich um ein umfassendes System der Selbstkultivierung, das auf die Transformation des Individuums abzielt. Die drei Bestandteile sind:
- Sittlichkeit (Sīla-sikkhā): Die Schulung in ethischem Verhalten und moralischer Disziplin.
- Geistessammlung (Samādhi-sikkhā): Die Schulung in Konzentration und geistiger Stabilität.
- Weisheit (Paññā-sikkhā): Die Schulung in befreiender Einsicht und Erkenntnis.
Diese Drei Schulungen sind keine isolierten oder streng sequenziellen Schritte, sondern untrennbar miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Sie werden oft als „Teil derselben Frucht“ beschrieben, die sich gegenseitig verstärken. Die Vorstellung, dass diese Schulungen einen verstärkenden Kreislauf bilden, zeigt, dass bereits kleine Fortschritte in einem Bereich positive Auswirkungen auf die anderen haben können. Beispielsweise verbessert eine vertiefte Sittlichkeit die Bedingungen für die Konzentration, und eine klarere Konzentration ermöglicht tiefere Einsichten, die wiederum die Motivation zur Einhaltung der Sittlichkeit stärken. Dies ist eine ermutigende Perspektive für Praktizierende, da es den Pfad als einen dynamischen und sich selbst verstärkenden Prozess darstellt, anstatt als eine starre Abfolge von Stufen, die vollständig gemeistert werden müssen, bevor man zur nächsten übergeht. Sīla bildet die notwendige moralische Grundlage für die Entwicklung von Samādhi, da ein unruhiger Geist, der durch unethisches Verhalten belastet ist, keine tiefe Konzentration erreichen kann. Ein gut entwickelter Samādhi wiederum ist die Voraussetzung für die Entfaltung von Paññā, da ein klarer, stabiler Geist die Realität unverzerrt sehen kann.
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Drei Schulungen:
Pāli-Begriff | Deutsche Übersetzung | Kernaspekt |
---|---|---|
Sīla-sikkhā | Schulung in Sittlichkeit/Ethik | Rechtes Verhalten (Körper & Sprache) |
Samādhi-sikkhā | Schulung in Geistessammlung/Konzentration | Geistestraining (Klarheit & Stille) |
Paññā-sikkhā | Schulung in Weisheit/Einsicht | Entwicklung von Einsicht in die wahre Natur der Realität |
Sīla-sikkhā: Die Schulung in Sittlichkeit (Ethik)
Sīla (Sanskrit: śīla) ist die erste der Drei Schulungen und bezeichnet die Kultivierung von ethischem Verhalten, Moral und Tugend. Es ist die bewusste Anstrengung, unheilsame Handlungen (körperlich und verbal) zu unterlassen und stattdessen heilsame Qualitäten zu entwickeln. Dieses moralische Training hilft Individuen, sich von unheilsamem Verhalten fernzuhalten und heilsame Qualitäten zu kultivieren. Sīla bildet das Fundament des gesamten buddhistischen Pfades. Ohne eine solide ethische Grundlage ist es schwierig, Fortschritte in der Geistessammlung und Weisheit zu erzielen, da ein unethisches Leben zu innerer Unruhe und Reue führt. Ethisch und rein zu leben ist sowohl die Grundlage des buddhistischen Pfades als auch sein Ergebnis. Dies deutet darauf hin, dass Sīla nicht nur eine anfängliche Bedingung ist, sondern sich mit fortschreitender Praxis vertieft und verfeinert. Je mehr sich ein Praktizierender auf sein Herz einstimmt und seinen Körper vollständig spürt, desto klarer wird sein ethisches Verhalten. Dies zeigt, dass Sīla nicht nur eine Pflicht, sondern eine Quelle des Wohlbefindens ist, da das Tun des Guten sich gut anfühlt. Die positiven Rückmeldungen des Kamma werden sofort spürbar, was den Praktizierenden auf seinem Weg bestärkt.
Die praktische Umsetzung von Sīla findet sich in drei Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades wieder:
- Rechte Rede (sammā-vācā): Dies bedeutet, auf Lügen, Verleumdung, grobe Rede und sinnloses Geschwätz zu verzichten und stattdessen wahrhaftig, freundlich, versöhnlich und bedeutungsvoll zu sprechen, was Verständnis und Harmonie fördert.
- Rechtes Handeln (sammā-kammanta): Dies umfasst das Unterlassen von Töten, Stehlen und sexuellem Fehlverhalten.
- Rechter Lebenserwerb (sammā-ājīva): Dies bezieht sich darauf, den Lebensunterhalt auf ehrliche, ethische und nicht-schädigende Weise zu verdienen, indem man Berufe meidet, die anderen Lebewesen oder der Umwelt Schaden zufügen (z.B. Handel mit Waffen, Lebewesen, Fleisch, Alkohol, Giften).
Die grundlegenden Prinzipien der Sittlichkeit für Laien sind in den Fünf Silas (Panca Sīla) verankert, die das Unterlassen von Töten, Stehlen, sexuellem Fehlverhalten, Lügen und dem Konsum von berauschenden Mitteln umfassen. Zwei entscheidende innere Qualitäten, die die Moral stärken, sind hiri (moralische Scham oder Gewissenhaftigkeit, die Scheu vor schlechten Taten aus Respekt vor sich selbst) und ottappa (moralische Furcht oder Besorgnis, die Angst vor den negativen Konsequenzen unethischen Handelns für sich und andere). Die Betonung dieser inneren Motivationen zeigt, dass es nicht nur darum geht, Bestrafung zu vermeiden, sondern ein tiefes Gefühl der Selbstachtung und des Mitgefühls für andere zu entwickeln, das unheilsame Handlungen unerträglich macht. Dies macht Sīla zu einer integralen, verinnerlichten Qualität, nicht nur zu einer Verhaltensnorm.
Samādhi-sikkhā: Die Schulung in Geistessammlung (Konzentration)
Samādhi (Sanskrit: samādhi) ist die zweite der Drei Schulungen und bezieht sich auf die Kultivierung von Geistessammlung, Konzentration und geistiger Stabilität. Es ist die Fähigkeit, den Geist auf ein einziges Objekt zu fokussieren und in einem Zustand der Ruhe, Klarheit und Einpunktigkeit zu verweilen. Samādhi bildet die Grundlage der buddhistischen Meditation und ist der entscheidende Schritt, um den Geist für die tiefere Einsicht der Weisheit vorzubereiten.
Die Praxis von Samādhi wird durch drei Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades entwickelt:
- Rechtes Bemühen (sammā-vāyāma): Die Anstrengung, unheilsame Geisteszustände zu verhindern und zu überwinden sowie heilsame Geisteszustände zu entwickeln und aufrechtzuerhalten.
- Rechte Achtsamkeit (sammā-sati): Die bewusste und ununterbrochene Präsenz im Hier und Jetzt, das aufmerksame Beobachten von Körper, Gefühlen, Geist und Geistobjekten.
- Rechte Sammlung (sammā-samādhi): Die Entwicklung tiefer Konzentrationszustände, die als Jhānas bekannt sind und zu einem Zustand innerer Ruhe und Klarheit führen.
Die Schulung in Samādhi beginnt oft mit der Sinnesbeherrschung (indriya-saṃvara), dem „Hüten der Sinnespforten“. Dies bedeutet, die Aufmerksamkeit bewusst zu lenken und nicht von äußeren Sinneseindrücken überwältigt zu werden, indem man ihre wahre Natur (z.B. Vergänglichkeit) reflektiert. Ein zentrales Ziel ist die Überwindung der Fünf Hemmnisse (pañca-nīvaraṇa): Sinnliches Begehren, Übelwollen, Trägheit und Starrheit, Ruhelosigkeit und Gewissensbisse, sowie skeptischer Zweifel. Sobald diese Hemmnisse überwunden sind, kann der Geist tiefe Sammlung erlangen und in die Jhānas eintreten. Die Praxis der Einsiedelei (raho,gata paṭisallāna) oder das regelmäßige Verbringen von stiller Zeit in Abgeschiedenheit wird als wichtiger Aspekt der Geistesschulung hervorgehoben.
Samādhi dient als Brücke zwischen Sittlichkeit und Weisheit. Wenn man Weisheit kultivieren möchte, ist ein gewisses Maß an mentaler Fokussierung erforderlich, und diese mentale Fokussierung kann nur aus einem förderlichen Umfeld moralischer Tugend entstehen. Sīla oder tugendhaftes Leben ist die Basis für Samādhi, und nur wenn Samādhi gut entwickelt ist, kann man Paññā entfalten. Ohne diese Verbindung würden Sīla und Paññā als getrennte, vielleicht sogar widersprüchliche Konzepte erscheinen – Ethik als äußeres Verhalten und Weisheit als innere Erkenntnis. Die Erkenntnis, dass Samādhi die mentale Disziplin und Ruhe schafft, die es dem Geist ermöglicht, die tiefsten Wahrheiten zu erforschen, macht den Pfad kohärent. Es ist die Verfeinerung des Geistes, die durch Sīla ermöglicht wird und die wiederum die Grundlage für Paññā legt. Die Jhānas, die als Höhepunkt der Samādhi-Praxis gelten, sind zwar raffinierte Erfahrungen, aber nicht das endgültige Ziel Nibbāna. Für Laien ist es wichtig zu verstehen, dass Jhānas mächtige Werkzeuge sind, die den Geist für die Einsicht in die wahre Natur der Realität vorbereiten, aber selbst noch bedingte Phänomene sind. Dies hilft, eine ausgewogene Perspektive zu bewahren und den Fokus auf die Entwicklung von Paññā als eigentliches Ziel zu lenken.
Paññā-sikkhā: Die Schulung in Weisheit (Einsicht)
Paññā (Sanskrit: prajñā) ist die dritte und höchste der Drei Schulungen und bezeichnet die Entwicklung von Weisheit oder Einsicht. Es ist die Fähigkeit, die Realität so zu sehen, wie sie wirklich ist, frei von Illusionen und Verblendungen. Paññā ist das einzigartige, definierende Prinzip des Buddhismus und der Schlüssel zur vollständigen Befreiung (Nibbāna), da sie die Wurzel des Leidens – die Unwissenheit (avijjā) – durchschneidet.
Die Kultivierung von Paññā manifestiert sich in zwei Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades:
- Rechte Ansicht (sammā-diṭṭhi): Das korrekte Verständnis der Vier Edlen Wahrheiten (Leiden, Ursprung des Leidens, Beendigung des Leidens, Pfad zur Beendigung des Leidens) und des Bedingten Entstehens (paṭicca samuppāda). Es ist die fundamentale Erkenntnis, die den gesamten Pfad leitet.
- Rechtes Denken / Rechte Absicht (sammā-saṅkappa): Die Entwicklung von Absichten, die auf Entsagung (Verzicht auf Sinnesfreuden), Wohlwollen (Nicht-Hass) und Gewaltlosigkeit (Nicht-Schädigung) basieren.
Die Entwicklung von Paññā beinhaltet das direkte Erfassen der Drei Daseinsmerkmale (ti-lakkhaṇa), die allen bedingten Phänomenen innewohnen:
- Anicca (Vergänglichkeit): Die Erkenntnis, dass alles, was entsteht, auch vergeht und sich ständig verändert.
- Dukkha (Leiden/Unzufriedenheit): Das Verständnis, dass alle bedingte Existenz, aufgrund ihrer Vergänglichkeit, letztlich unbefriedigend ist.
- Anattā (Nicht-Selbst): Die Einsicht, dass es kein dauerhaftes, unveränderliches „Ich“ oder eine feste Seele gibt, weder im Körper noch im Geist.
Diese Einsichten werden primär durch Vipassanā-Meditation (Einsichtsmeditation) entwickelt, die auf der Grundlage eines gesammelten Geistes (Samādhi) die Phänomene von Geist und Materie (Nāma-rūpa) direkt beobachtet und ihre wahre Natur durchdringt. Das ultimative Ziel der Paññā-sikkhā ist die vollständige Befreiung von den Geistesverunreinigungen (āsavas) – Gier, Hass und Verblendung – und die Verwirklichung der „Geistesbefreiung und Weisheitsbefreiung“ (cetovimutti paññāvimutti) in diesem Leben, was zum Nibbāna führt. Mit zunehmender Weisheit wird Liebe müheloser und Hass unhaltbar, was die untrennbare Verbindung von Weisheit und Mitgefühl unterstreicht.
Es wird betont, dass Sīla und Samādhi in vielen religiösen Glaubensrichtungen vorhanden sein können, aber nicht ausreichen, um das Leiden vollständig zu beenden. Paññā ist das einzigartige, definierende Prinzip des Buddhismus und der Schlüssel zur Erleuchtung. Dies verdeutlicht, dass die spezifische Art der Weisheit im Buddhismus, die auf der Einsicht in die Drei Daseinsmerkmale und die Vier Edlen Wahrheiten basiert, den Pfad des Buddha von anderen Wegen unterscheidet und zur endgültigen Befreiung führt. Für den Laien ist es wichtig zu verstehen, dass Buddhismus mehr ist als nur „gut sein“ oder „ruhig werden“. Diese sind zwar notwendig und universell wertvoll, aber die einzigartige buddhistische Lehre liegt in der tiefen, transformierenden Einsicht, die die grundlegenden Ursachen des Leidens beseitigt. Diese Einsicht ist nicht nur intellektuell, sondern eine direkte Erfahrung, die zur vollständigen Befreiung führt und den Kern der buddhistischen Lehre von der Erlösung ausmacht. Die Beobachtung, dass „je klarer wir sehen, desto müheloser die Liebe wird und desto unhaltbarer der Hass“, stellt eine direkte kausale Verbindung zwischen der Entwicklung von Paññā und der Entfaltung von Qualitäten wie mettā (Liebende-Güte) und karuṇā (Mitgefühl) her. Dies legt nahe, dass wahre, tiefgehende Weisheit unweigerlich zur Auflösung von negativen Emotionen wie Hass führt und ein grenzenloses Mitgefühl entstehen lässt. Dies zeigt, dass die buddhistische Befreiung nicht egoistisch ist, sondern eine natürliche Ausdehnung des Herzens bewirkt, die sowohl dem Individuum als auch der Welt zugutekommt. Es ist eine wichtige Implikation, die die ethische Dimension der Weisheit hervorhebt.
Lehrreden aus dem Pāli-Kanon zur Ti-sikkhā
Die hier aufgeführten Lehrreden sind exemplarisch und beleuchten die Ti-sikkhā auf unterschiedliche Weise. Es ist zu beachten, dass viele Suttas die drei Schulungen implizit behandeln, auch wenn der Begriff Ti-sikkhā nicht immer explizit genannt wird. Alle Referenzen beziehen sich auf die Übersetzungen auf SuttaCentral.net.
Dīgha Nikāya (DN)
Der Dīgha Nikāya, die Sammlung der langen Lehrreden, enthält tiefgehende Darlegungen, die die Grundlagen der Ti-sikkhā umfassen.
DN 2: Sāmaññaphala Sutta – Die Früchte des kontemplativen Lebens
Diese Lehrrede ist eine der bedeutendsten des Pāli-Kanons und beschreibt detailliert die schrittweise Entwicklung eines Mönchs von der Sittlichkeit (Sīla) über die Geistessammlung (Samādhi) bis zur Weisheit (Paññā). König Ajātasattu fragt den Buddha nach den sichtbaren Früchten des kontemplativen Lebens, woraufhin der Buddha den gesamten Pfad darlegt, beginnend mit den Tugendregeln, über die Entwicklung der Konzentration bis hin zur Verwirklichung der Befreiung. Obwohl der Begriff Ti-sikkhā in seiner dreigliedrigen Form nicht explizit im Titel genannt wird, ist die gesamte Struktur der Entfaltung des Pfades in diesem Sutta eine detaillierte und umfassende Darstellung der Sīla-, Samādhi- und Paññā-Abschnitte des Übungsweges. Es zeigt auf, wie moralisches Verhalten zu innerer Ruhe und diese wiederum zu befreiender Einsicht führt. (Quelle)
DN 16: Mahāparinibbāna Sutta – Die Lehrrede vom großen Verlöschen
Diese längste Lehrrede des Pāli-Kanons schildert die letzten Monate und den Tod des Buddha. Sie enthält seine letzten Anweisungen an die Mönche und Laien, darunter eine Zusammenfassung der Essenz seiner Lehre. Im Abschnitt 4.3 (PTS D ii. 123) wird die Essenz des Dhamma als „Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit, und die unvergleichliche Befreiung“ (Sīlaṃ samādhi paññā ca, vimutti ca anuttarā) zusammengefasst. Dieses Sutta unterstreicht die zentrale Bedeutung der Ti-sikkhā als Kern der buddhistischen Lehre bis zum Ende des Buddha-Lebens. Es zeigt, dass diese drei Schulungen die Quintessenz des gesamten Pfades darstellen. (Quelle)
Während DN 2 den Verlauf des Pfades von Sittlichkeit zu Konzentration und Weisheit detailliert beschreibt, verwendet es den expliziten Begriff „Ti-sikkhā“ nicht im Titel oder als Hauptgliederungspunkt. DN 16 hingegen fasst die Lehre explizit mit den Begriffen Sīla, Samādhi und Paññā zusammen. Dies legt nahe, dass die Konzepte der drei Schulungen von Anfang an zentral waren, ihre formale Gruppierung und Benennung als „Ti-sikkhā“ jedoch in verschiedenen Lehrreden unterschiedlich explizit gehandhabt wurde. Für den interessierten Laien ist es wichtig zu verstehen, dass die Prinzipien der Ti-sikkhā im gesamten Kanon präsent sind, auch wenn der genaue Pāli-Begriff nicht immer verwendet wird. Dies hilft, die Lehren des Buddha als ein kohärentes Ganzes zu sehen, anstatt nur nach expliziten Erwähnungen zu suchen. Es zeigt auch die Tiefe und Durchdringung dieser fundamentalen Prinzipien im Dhamma.
Majjhima Nikāya (MN)
Der Majjhima Nikāya, die Sammlung der mittleren Lehrreden, bietet ebenfalls wichtige Suttas, die die Ti-sikkhā detailliert behandeln.
MN 44: Cūḷavedalla Sutta – Die kleinere Lehrrede der ausführlichen Fragen und Antworten
In diesem Sutta führt die Nonne Dhammadinnā einen Dialog mit dem Laien Visākha. Sie erklärt verschiedene schwierige Fragen des Dhamma, darunter die explizite Zuordnung der Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades zu den Drei Schulungen. Dieses Sutta ist von unschätzbarem Wert, da es eine der klarsten kanonischen Darstellungen der Integration des Edlen Achtfachen Pfades in die Ti-sikkhā bietet. Es macht die abstrakten Konzepte greifbar und zeigt, wie die einzelnen Aspekte des Pfades in die umfassenderen Schulungsbereiche passen. (Quelle)
MN 117: Mahācattārīsaka Sutta – Die große Vierzig-Lehrrede
Dieses Sutta bietet eine umfassende Darstellung des Edlen Achtfachen Pfades und betont die Rolle der „Rechten Ansicht“ (sammā-diṭṭhi) als Vorläufer und treibende Kraft für den gesamten Pfad. Es beschreibt, wie die ersten sieben Faktoren des Pfades als Voraussetzungen für die „Rechte Sammlung“ (sammā-samādhi) dienen. Obwohl nicht direkt Ti-sikkhā im Titel, ist es eine tiefgehende Erklärung der Komponenten, die die drei Schulungen bilden, insbesondere die Wechselwirkung zwischen den Faktoren des Pfades und ihre Rolle bei der Entwicklung von Samādhi und Paññā. Es verdeutlicht die Interdependenz der Pfadfaktoren. (Quelle)
MN 44 und MN 117 verdeutlichen, dass der Edle Achtfache Pfad der konkrete Handlungsrahmen ist, durch den die Ti-sikkhā kultiviert werden. Die Ti-sikkhā sind die Kategorien des Trainings, während der Achtfache Pfad die spezifischen Praktiken innerhalb dieser Kategorien darstellt. Für Praktizierende ist es entscheidend, die Verbindung zwischen den abstrakten Schulungsbereichen und den konkreten Anweisungen des Buddha zu verstehen. Diese Erkenntnis hilft, die „Drei Schulungen“ nicht als vage Ideale, sondern als einen praktischen, schrittweisen Weg zu sehen. Es zeigt, dass der Buddha einen klaren Fahrplan zur Befreiung bereitgestellt hat, der durch die acht Pfadfaktoren operationalisiert wird.
Die folgende Tabelle zeigt die Zuordnung des Edlen Achtfachen Pfades zu den Drei Schulungen, wie sie insbesondere in MN 44 dargelegt wird:
Die Drei Schulungen (Ti-sikkhā) | Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades |
---|---|
Sīla (Sittlichkeit) | Rechte Rede (sammā-vācā) |
Rechtes Handeln (sammā-kammanta) | |
Rechter Lebenserwerb (sammā-ājīva) | |
Samādhi (Geistessammlung) | Rechtes Bemühen (sammā-vāyāma) |
Rechte Achtsamkeit (sammā-sati) | |
Rechte Sammlung (sammā-samādhi) | |
Paññā (Weisheit) | Rechte Ansicht (sammā-diṭṭhi) |
Rechtes Denken (sammā-saṅkappa) |
Aṅguttara Nikāya (AN)
Der Aṅguttara Nikāya, die Sammlung der numerisch geordneten Lehrreden, enthält besonders prägnante und oft zitierte Suttas zur Ti-sikkhā, die die Definitionen und die Bedeutung der einzelnen Schulungen hervorheben.
AN 3.88: Tatiyasikkhāsutta – Die dritte Lehrrede über die Schulungen
Dieses Sutta erklärt, dass die über 150 Mönchsregeln (Pāṭimokkha) alle in den drei Schulungen zusammengefasst sind. Es beschreibt auch verschiedene Stufen der Befreiung, die je nach dem Grad der Vollendung in Sittlichkeit, Sammlung und Weisheit erreicht werden, von der vollständigen Befreiung bis hin zu geringeren, aber dennoch wertvollen Errungenschaften. Es ist eine direkte und explizite Behandlung der Ti-sikkhā und ihrer umfassenden Natur, die zeigt, wie selbst die kleinsten Regeln in diesen übergeordneten Rahmen passen. Es verdeutlicht die progressive Natur des Pfades und die Wichtigkeit, alle Aspekte zu kultivieren. (Quelle)
AN 3.89: Paṭhamasikkhattayasutta – Die erste Lehrrede über die drei Schulungen
Hier werden die „höhere Sittlichkeit“ (adhisīla-sikkhā), die „höhere Geistessammlung“ (adhicitta-sikkhā) und die „höhere Weisheit“ (adhipaññā-sikkhā) detailliert definiert. Die höhere Sittlichkeit bezieht sich auf die Einhaltung des Mönchskodex, die höhere Geistessammlung auf das Erreichen der Jhānas (meditative Vertiefungen), und die höhere Weisheit auf das direkte Verständnis der Vier Edlen Wahrheiten. Dieses Sutta bietet klare, kanonische Definitionen der drei Schulungen und ihrer praktischen Manifestationen, was für das Verständnis der Begriffe unerlässlich ist. Es ist ein oft zitiertes Sutta, das die Kernaspekte prägnant zusammenfasst. (Quelle)
AN 3.90: Dutiyasikkhattayasutta – Die zweite Lehrrede über die drei Schulungen
Dieses Sutta wiederholt die Definitionen von AN 3.89 und betont die Notwendigkeit von Energie, Standhaftigkeit und Entschlossenheit bei der Ausübung dieser Schulungen, um zur Befreiung zu gelangen. Es ermutigt die Praktizierenden, sich mit vollem Einsatz diesen Trainings zu widmen. Es unterstreicht den aktiven und zielgerichteten Charakter des Übungsweges und die Notwendigkeit konstanter Anstrengung. Es ist eine wichtige Erinnerung daran, dass der Pfad Engagement erfordert. (Quelle)
Die Suttas AN 3.89 und AN 3.90 verwenden konsequent das Präfix „Adhi-“ (Adhisīla-sikkhā, Adhicitta-sikkhā, Adhipaññā-sikkhā). Dies impliziert eine Kultivierung, die über gewöhnliche Moral, Konzentration oder Weisheit hinausgeht und auf die Befreiung abzielt. Zum Beispiel ist Adhicitta nicht nur irgendeine Konzentration, sondern die tiefen meditativen Zustände der Jhānas. Für den Laien ist es wichtig zu verstehen, dass diese Schulungen nicht nur die Entwicklung von allgemein anerkannten Tugenden bedeuten. Das „Höhere“ deutet darauf hin, dass es sich um eine spezialisierte, intensivierte Praxis handelt, die auf ein transzendentes Ziel (Nibbāna) ausgerichtet ist. Dies hilft, die Ernsthaftigkeit und Tiefe des buddhistischen Pfades zu vermitteln und Missverständnisse zu vermeiden, dass es sich lediglich um eine Form der Selbstverbesserung handelt.
Samyutta Nikāya (SN)
Obwohl es im Samyutta Nikāya kein eigenes Saṃyutta (Kapitel) mit dem expliziten Titel „Sikkhā Saṃyutta“ gibt, sind die Prinzipien der Drei Schulungen integraler Bestandteil vieler seiner Kapitel, insbesondere derer, die sich mit dem Edlen Achtfachen Pfad befassen.
SN 45: Maggasaṃyutta – Das Kapitel über den Pfad
Dieses Kapitel des Samyutta Nikāya widmet sich ausschließlich dem Edlen Achtfachen Pfad. Da der Achtfache Pfad direkt den Drei Schulungen zugeordnet wird (wie in MN 44 gezeigt), ist dieses Saṃyutta von zentraler Bedeutung für das Verständnis der praktischen Umsetzung der Ti-sikkhā. Es bietet eine detaillierte Auseinandersetzung mit jedem Faktor des Pfades, wodurch die einzelnen Aspekte von Sīla, Samādhi und Paññā im Detail beleuchtet werden. Es ist eine umfassende Quelle für diejenigen, die die Ti-sikkhā durch die Linse des Achtfachen Pfades studieren möchten. (Quelle)
SN 12: Nidāna Saṃyutta – Das Kapitel über das Bedingte Entstehen
Dieses Kapitel behandelt das Bedingte Entstehen (paṭicca samuppāda), eine fundamentale Lehre, die das Herzstück der buddhistischen Weisheit (Paññā) bildet. Es erklärt, wie Leiden entsteht und wie es durch das Durchschauen der Abhängigkeiten beendet werden kann. Das Verständnis des Bedingten Entstehens ist entscheidend, um die Ursachen des Leidens zu durchschauen und somit die Befreiung zu erlangen. Es ist ein tiefer Aspekt der Paññā-sikkhā und zeigt die analytische Tiefe der buddhistischen Lehre. (Quelle)
Die Tatsache, dass es kein dediziertes „Sikkhā Saṃyutta“ gibt, die Prinzipien aber in verschiedenen Saṃyuttas (wie Magga und Nidāna) zu finden sind, deutet darauf hin, dass die Ti-sikkhā nicht nur ein spezifisches Thema sind, sondern grundlegende Fäden, die das gesamte Gefüge der Lehren des Buddha durchziehen. Sie sind nicht nur ein „Thema“, sondern die eigentliche Struktur des Pfades. Für den Leser, der sich mit der Struktur der Nikāyas auskennt, könnte das Fehlen eines expliziten „Sikkhā Saṃyutta“ zunächst verwirrend sein. Die Erkenntnis, dass die Prinzipien stattdessen in den Kernlehren wie dem Achtfachen Pfad und dem Bedingten Entstehen tief verwurzelt sind, verstärkt ihre fundamentale Bedeutung. Dies ermutigt den Leser, die Ti-sikkhā als ein integratives Konzept zu betrachten, das über einzelne Suttas hinausgeht und das gesamte Dhamma durchdringt.
Schlussfolgerung: Ein ganzheitlicher Übungsweg
Die Ti-sikkhā – die Schulungen in Sittlichkeit (Sīla), Geistessammlung (Samādhi) und Weisheit (Paññā) – bilden das Herzstück des buddhistischen Übungsweges. Sie sind ein dynamisches, sich gegenseitig verstärkendes System, das zur vollständigen Befreiung von Leid führt. Dieser dreifache Ansatz ist nicht nur eine Methode zur intellektuellen Erkenntnis, sondern ein ganzheitlicher Prozess der Selbsttransformation, der moralisches Verhalten, geistige Stabilität und tiefgreifende Einsicht in die wahre Natur der Existenz umfasst. Durch die konsequente Anwendung dieser Schulungen, wie sie insbesondere im Edlen Achtfachen Pfad dargelegt sind, können Praktizierende die Geistesverunreinigungen von Gier, Hass und Verblendung überwinden und den Zustand des Nibbāna in diesem Leben verwirklichen. Die vorgestellten Lehrreden aus dem Dīgha Nikāya, Majjhima Nikāya, Aṅguttara Nikāya und Samyutta Nikāya bieten wertvolle Anleitungen und Inspiration für alle, die ihr Verständnis vertiefen und den Pfad zur Befreiung aktiv beschreiten möchten. Sie laden dazu ein, die Lehren des Buddha nicht nur zu studieren, sondern sie im eigenen Leben zu erfahren und zu verwirklichen.
Hinweis zur Pāli-Transkription: Pāli-Begriffe mit diakritischen Zeichen werden gemäß der IAST-Norm dargestellt (z.B. paññā, sīla, samādhi).
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
- SuttaCentral.net – Eine umfassende Quelle für die Lehrreden des Buddha in vielen Sprachen.
- The Role of Tisikkha as Foundation of Buddhist Character Education – ResearchGate
- Threefold Training – Lion’s Roar
- A Study Guide for Right Practice of the Three Trainings – DhammaCenter.org
- Sīla, Samādhi, Pañña – Spirit Rock Meditation Center
- Virtue, Samadhi, Wisdom – Buddhism.net
- (Ti) Sikkhā Sutta – The Minding Centre
- The Essentials of Buddha-Dhamma in Meditative Practice – Pariyatti
- Threefold Training – Wikipedia
- Sīla, Samādhi, Paññā to Paññā, Sīla, Samādhi – Pure Dhamma
- DhammaTalks.org – Sutta Übersetzungen und Vorträge von Thanissaro Bhikkhu.
- Access to Insight – Eine Sammlung von Theravada-buddhistischen Texten.
- The Samyutta Nikaya of the Pali Canon – Vipassana Fellowship
- Pali Canon Online – Eine Ressource zum Studium des Pali Kanons.
- Tatiyasikkhāsutta („Training, 3rd“) – The Empty Robot
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Fünf Übungsregeln (Pañca Sīlāni) – Laienethik im Palikanon
Tauche ein in die zeitlose Weisheit der Pañca Sīlāni, der fünf grundlegenden ethischen Regeln des Buddhismus für Laien. Dieser Bericht beleuchtet nicht nur ihre tiefere Bedeutung und praktische Anwendung im Alltag, sondern führt dich auch direkt zu den ursprünglichen Lehrreden im Palikanon. Erfahre, wie diese Prinzipien ein Fundament für Harmonie und inneren Frieden legen und welche Schätze die alten Texte für moderne Praktizierende bereithalten.