AN 11.15 – Mettānisaṃsa Sutta

AN Lehrreden Erklärungen
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Analyse des Mettā Sutta (AN 11.15): Die elf Segnungen der liebenden Güte

Die transformative Kraft des Herzens und die Früchte der Praxis

Einleitung: Die Kraft einer einfachen Liste

Im Herzen des buddhistischen Pfades liegt eine zutiefst praktische Frage, die sich jeder Übende stellt: „Warum sollte ich diese Anstrengung auf mich nehmen? Was sind die greifbaren, erfahrbaren Ergebnisse meiner Praxis?“ Der Buddha, als meisterhafter Lehrer, beantwortet diese Frage nicht mit vagen Versprechungen, sondern mit klaren, überprüfbaren Zusagen. Eine der prägnantesten und ermutigendsten dieser Zusagen findet sich im Mettā Sutta des Aṅguttara Nikāya. Diese Lehrrede entfaltet sich als eine einfache Liste von elf Punkten, doch hinter dieser schlichten Form verbirgt sich eine tiefgreifende Lehre über die transformative Kraft des Herzens. Sie ist ein Versprechen, dass die Kultivierung von Wohlwollen und Freundlichkeit keine abstrakte Tugend ist, sondern eine Praxis, die Früchte trägt – Früchte, die von unmittelbarem inneren Frieden bis hin zu den höchsten spirituellen Zielen reichen.

Es ist wichtig, diese Lehrrede von einer anderen, bekannteren zu unterscheiden, die ebenfalls als „Mettā Sutta“ bekannt ist. Die berühmtere Version, die oft als Schutzrezitation gesungen wird, findet sich im Suttanipāta (Sn 1.8) und im Khuddakapāṭha (Khp 9) und wird genauer als Karaṇīyamettā Sutta bezeichnet. Diese Lehrrede legt dar, was getan werden sollte (karaṇīyam), und gibt somit die ethische Grundlage und die schrittweise Methode zur Entfaltung von liebender Güte – sie ist das „Wie“ der Praxis. Die hier analysierte Lehrrede, AN 11.15, die auch Mettānisaṁsa Sutta genannt wird, beschreibt hingegen die ānisaṁsa – die Vorteile, Früchte und Segnungen, die aus der Praxis erwachsen. Sie ist das „Warum“. Gemeinsam bilden diese beiden Lehrreden ein vollständiges Lehrmodul: eine liefert die praktische Anleitung, die andere die tiefgreifende Motivation.

Das Mettā Sutta aus der Angereihten Sammlung ist somit weit mehr als nur eine Aufzählung. Es ist eine Quelle unermesslicher Ermutigung. Es versichert dem Praktizierenden, dass keine Anstrengung zur Läuterung des Geistes jemals vergeblich ist. Jeder Moment, der der Entwicklung von liebender Güte gewidmet wird, ist eine Investition, die sich in diesem Leben und darüber hinaus auszahlt und den Weg zu tieferem Frieden und letztendlicher Befreiung ebnet.

Steckbrief der Lehrrede

Diese Tabelle dient als Orientierungshilfe, um die Lehrrede präzise im Pāli-Kanon zu verorten. Die Kenntnis dieser Daten hilft, die Lehrrede in verschiedenen Übersetzungen und Editionen zu finden und ihren strukturellen Kontext zu verstehen. Die Klärung der unterschiedlichen Nummerierungen ist besonders wichtig, da sie in verschiedenen Sammlungen variieren kann und so Verwirrung vermieden wird.

Merkmal Detail
Pāli-Titel: Mettā Sutta (Lehrrede über die liebende Güte) oder Mettānisaṁsa Sutta (Lehrrede über die Vorteile der liebenden Güte)
Sutta-Nummer: AN 11.15 (nach der Zählung von Bhikkhu Bodhi/Sujato und den meisten modernen Editionen). In älteren Editionen wie der der Pali Text Society (PTS) oder auf manchen Webseiten wird sie als AN 11.16 geführt.
Sammlung: Aṅguttara Nikāya (Angereihte Sammlung)
Buch: Ekādasaka Nipāta (Das Buch der Elfer)
Vagga (Kapitel): Anussativagga (Kapitel über die Achtsamen Betrachtungen/Erinnerungen)
Deutscher Titel: Die Lehrrede über die Vorteile der liebenden Güte
Kernthema(s): Mettā (liebende Güte), Cetovimutti (Befreiung des Herzens), die vier Brahmavihāras (göttliche Verweilungszustände), Kamma (Handlung) und seine Früchte, Voraussetzungen für Samādhi (Konzentration).“

Kontext: Die numerische Lehrmethode des Aṅguttara Nikāya

Die Aṅguttara Nikāya, oder „Angereihte Sammlung“, besitzt eine einzigartige Struktur innerhalb des Pāli-Kanons. Ihr Name bedeutet wörtlich „Sammlung der um einen Faktor ansteigenden Glieder“, was ihr Organisationsprinzip perfekt beschreibt. Die Tausenden von kurzen Lehrreden sind nicht thematisch, sondern numerisch geordnet. Die Sammlung beginnt mit dem Ekaka Nipāta (Buch der Einer), das Lehrreden über einzelne Punkte enthält, geht weiter zum Duka Nipāta (Buch der Zweier), das Lehren über Paare von Dingen behandelt (wie z. B. Ruhe und Einsicht), und setzt sich so fort bis zum Ekādasaka Nipāta (Buch der Elfer), das Lehrreden mit elf Lehrpunkten versammelt, zu dem auch unser Mettā Sutta gehört.

Auf den ersten Blick mag diese Struktur pedantisch erscheinen, doch sie offenbart bei näherer Betrachtung eine tiefe pädagogische Weisheit. In der Zeit des Buddha, einer vorwiegend oralen Kultur, in der die Lehren auswendig gelernt und weitergegeben wurden, diente diese numerische Gliederung als eine äußerst effektive mnemotechnische Hilfe. Sie ermöglichte es den Mönchen und Nonnen, die Lehren präzise zu memorieren und abzurufen. Für den Praktizierenden bietet sie zudem einen klaren und stabilen Rahmen für die Kontemplation. Eine nummerierte Liste lädt dazu ein, jeden Punkt systematisch zu untersuchen, seine Bedeutung zu ergründen und die Beziehung der Punkte untereinander zu verstehen.

Die tiefste kontextuelle Einsicht ergibt sich jedoch aus der Platzierung des Mettā Sutta im Anussativagga, dem „Kapitel über die Achtsamen Betrachtungen“ oder „Erinnerungen“. Dieses Kapitel gruppiert zentrale meditative Praktiken, die auf einer kontinuierlichen, achtsamen Vergegenwärtigung eines bestimmten Themas beruhen. Zu diesen Anussati-Praktiken gehören typischerweise die Betrachtung der Qualitäten des Buddha (Buddhānussati), der Lehre (Dhammānussati), der Gemeinschaft der Erwachten (Saṅghānussati), der eigenen Tugendhaftigkeit (Sīlānussati), der Großzügigkeit (Cāgānussati) und der Götter (Devatānussati). Indem die kanonischen Herausgeber die Kultivierung von Mettā in diese erhabene Gruppe einreihen, machen sie eine tiefgreifende Aussage: Die Praxis der liebenden Güte ist nicht nur das Erzeugen eines flüchtigen, positiven Gefühls. Sie ist eine Form der Anussati – ein beständiges, achtsames Zurückkehren zum und Verweilen im Zustand des Wohlwollens, bis dieser zur stabilen, grundlegenden Qualität des Geistes wird. Dies erhebt Mettā von einem einfachen Gefühl zu einer fundamentalen meditativen Disziplin zur Läuterung und Sammlung des Geistes.

Die Kerninhalte: Die elf Vorteile der liebenden Güte

Bevor der Buddha die elf Segnungen aufzählt, stellt er eine entscheidende Bedingung voran. Diese Vorteile sind nicht die Früchte einer oberflächlichen oder gelegentlichen Praxis. Sie sind das Ergebnis einer tiefen und beständigen Verwirklichung. Der Buddha sagt: „Mönche, wenn die Herzensbefreiung durch liebende Güte gepflegt, entwickelt, häufig geübt, zu einem Fahrzeug und zu einer Grundlage gemacht, aufrechterhalten, gefestigt und richtig unternommen wurde, können elf Vorteile erwartet werden.“ (Mettāya, bhikkhave, cetovimuttiyā āsevitāya bhāvitāya bahulīkatāya yānīkatāya vatthukatāya anuṭṭhitāya paricitāya susamāraddhāya ekādasānisaṁsā pāṭikaṅkhā.). Diese kraftvolle Einleitung setzt einen hohen Standard und betont, dass Mettā zu einem integralen Bestandteil des eigenen Seins werden muss, zu einem „Fahrzeug“ (yāna), das uns durch das Leben trägt, und zu einer „Grundlage“ (vatthu), auf der unser Geist ruht. Die elf Vorteile entfalten sich nicht als eine zufällige Liste, sondern folgen einer inneren Logik. Sie beginnen im innersten Erleben des Praktizierenden und strahlen von dort nach außen – in die soziale Welt, in den Bereich des Schutzes, in die Tiefe der Meditation und schließlich in die kosmische Dimension von Tod und Wiedergeburt.

1–3: Innerer Frieden – Die Befriedung des Geistes

  • Man schläft gut (sukhaṃ supati).
  • Man wacht gut auf (sukhaṃ paṭibujjhati).
  • Man hat keine schlechten Träume (na pāpakaṃ supinaṃ passati).

Die ersten Früchte der Mettā-Praxis manifestieren sich im intimsten Bereich unseres Lebens: im Schlaf. Dies ist eine direkte psycho-physiologische Konsequenz der Überwindung des zweiten der Fünf Hindernisse (nīvaraṇa), nämlich des Übelwollens (byāpāda). Groll, Ärger, Hass und Reizbarkeit sind Zustände, die den Geist erhitzen und in Aufruhr versetzen. Ein solcher Geist findet keine Ruhe. Er grübelt, plant, erinnert sich an Verletzungen und ist ständig in einem Zustand der Anspannung. Dieser mentale Lärm wird mit ins Bett genommen und stört das Einschlafen, die Qualität des Schlafs und die Inhalte der Träume. Ein Geist, der hingegen systematisch in liebender Güte gebadet wird, kühlt ab. Die Feuer des Grolls erlöschen. Das Herz wird weich und weit. Ein solcher Geist ist von Natur aus friedlich und gelassen. Er kann mühelos in einen tiefen, erholsamen Schlaf gleiten, frei von den Albträumen, die oft aus den ungelösten Konflikten des Tages geboren werden, und erwacht erfrischt und mit einem klaren, ruhigen Geist.

4–5: Harmonie mit der Welt – Die Ausstrahlung von Wohlwollen

  • Man ist den Menschen lieb (manussānaṃ piyo hoti).
  • Man ist den nicht-menschlichen Wesen lieb (amanussānaṃ piyo hoti).

Nach der Befriedung des eigenen Inneren strahlt die Wirkung von Mettā nach außen und verändert die Beziehung zur Welt. Dies ist eine tiefgründige Lehre über Kamma (Handlung) in Aktion. Unsere Gedanken sind geistige Handlungen, die unsere Worte und körperlichen Taten färben. Ein Geist, der von Groll und Urteil geprägt ist, führt zu scharfen Worten, ungeduldigen Gesten und einer konfrontativen Haltung, die bei anderen ganz natürlich Widerstand und Abneigung hervorruft. Ein Mensch, dessen Geist jedoch in Mettā verweilt, strahlt eine spürbare Wärme und Freundlichkeit aus. Seine Worte sind sanft, sein Handeln ist geduldig und sein gesamtes Wesen ist von einer annehmenden Offenheit geprägt. Diese heilsame Ausstrahlung provoziert keine Feindseligkeit und lädt andere zur Verbindung ein. Menschen fühlen sich in der Gegenwart einer solchen Person wohl und sicher. Die Erweiterung auf amanussa – nicht-menschliche Wesen, was im buddhistischen Kontext Tiere, aber auch Naturgeister und andere unsichtbare Wesen (Devas, Nāgas) umfasst – unterstreicht die universelle Reichweite dieser geistigen Qualität. Es ist die Lehre, dass unser Geisteszustand eine subtile, aber reale Wirkung auf das gesamte Netz des Lebens hat. Die Geschichte des Buddha, der wilde Tiere durch die Kraft seiner liebenden Güte besänftigte, ist ein klassisches Beispiel für dieses Prinzip.

6–7: Göttlicher und weltlicher Schutz – Die Rüstung der Güte

  • Die Götter (devatā) beschützen einen.
  • Weder Feuer, noch Gift, noch Waffen können einem schaden (nāssa aggi vā visaṃ vā satthaṃ vā kamati).

Diese beiden Punkte sind für ein modernes, säkulares Verständnis oft die herausforderndsten. Sie können auf zwei komplementären Ebenen verstanden werden. Die erste ist die traditionelle, karmisch-metaphysische Ebene. Aus dieser Perspektive erzeugt ein Mensch von großer Tugend und einem reinen Herzen ein kraftvolles Feld positiver Energie. Wohlwollende, nicht-menschliche Wesen (devatā) werden von dieser Reinheit angezogen und bieten ihren Schutz an, ähnlich wie Eltern ihre Kinder beschützen. Die Unverletzlichkeit durch äußere Gefahren wie Feuer, Gift oder Waffen wird als die außergewöhnliche Frucht eines überaus mächtigen, heilsamen Kammas gesehen, das durch die intensive Kultivierung von Mettā angesammelt wurde. Die Kommentare erzählen Geschichten von Praktizierenden, die durch die Kraft ihrer Mettā auf wundersame Weise gerettet wurden. Die zweite Ebene ist eine psychologisch-pragmatische Interpretation. Ein Geist, der von Mettā durchdrungen ist, ist wach, klar und frei von Paranoia und Aggression. Eine solche Person strahlt keine Feindseligkeit aus und ist daher weniger wahrscheinlich das Ziel von Angriffen. Ihre ruhige und gelassene Art kann potenziell gewalttätige Situationen deeskalieren, bevor sie eskalieren. Darüber hinaus führt die geistige Klarheit zu einer erhöhten Achtsamkeit und einem besseren Situationsbewusstsein, was die Wahrscheinlichkeit verringert, versehentlich in gefährliche Lagen zu geraten (z. B. unachtsam mit Feuer umzugehen oder vergiftete Nahrung zu sich zu nehmen). In diesem Licht ist der Schutz keine magische Intervention, sondern die natürliche Konsequenz eines hoch entwickelten, friedvollen und bewussten Geisteszustandes.

8: Geistige Klarheit – Die Grundlage für Samādhi

  • Der Geist sammelt sich schnell (tuvaṭaṃ cittaṃ samādhiyati).

Dieser achte Vorteil ist der Dreh- und Angelpunkt für jeden, der den meditativen Pfad ernsthaft beschreitet. Er enthüllt die entscheidende Rolle von Mettā für die Befreiung des Geistes. Der Weg zur Weisheit (paññā), die das Leiden beendet, führt über die Entwicklung von tiefer Konzentration und geistiger Sammlung (samādhi). Der Hauptgrund, warum der Geist unruhig und zerstreut ist und nicht in samādhi eintreten kann, sind die Fünf Hindernisse. Das zweite dieser Hindernisse, das Übelwollen (byāpāda), ist ein mächtiger Störfaktor, der den Geist vergiftet und zersplittert. Der Buddha lehrt an anderer Stelle explizit, dass das direkte Gegenmittel zum Hindernis des Übelwollens die „Herzensbefreiung durch liebende Güte“ (mettā cetovimutti) ist. Dieser Punkt macht unmissverständlich klar: Mettā ist keine optionale „Wohlfühl-Übung“ für nebenbei. Sie ist ein fundamentales und unverzichtbares Werkzeug zur Geistesschulung. Sie reinigt den Geist von den toxischen Qualitäten des Hasses und der Abneigung und schafft so die notwendige Voraussetzung für Stille, Klarheit und Sammlung. Ein Geist, der durch Mettā weich, offen und frei von Groll ist, kann sich mühelos und schnell sammeln. Mettā ist somit der Schlüssel, der das Tor zu den tiefen meditativen Zuständen (jhāna) und der daraus erwachsenden Einsicht (vipassanā) aufschließt.

9: Äußere Ausstrahlung – Wenn der Geist den Körper formt

  • Der Gesichtsausdruck ist heiter und klar (mukhavaṇṇo vippasīdati).

Dieser Vorteil illustriert auf wunderschöne Weise das buddhistische Verständnis der untrennbaren Verbindung von Geist und Körper (nāma-rūpa). Der innere Zustand des Geistes (citta) prägt unweigerlich den physischen Ausdruck (rūpa). Chronischer Ärger, Groll und Stress zeichnen sich buchstäblich in die Gesichtszüge ein und führen zu einem verhärteten, angespannten Ausdruck. Im Gegensatz dazu führt ein Geist, der beständig in den heilsamen Qualitäten von Mettā verweilt – frei von den „Befleckungen“ der Gier, des Hasses und der Verblendung –, zu einer Entspannung des gesamten Systems. Diese innere Heiterkeit und Reinheit strahlt nach außen und manifestiert sich als ein klarer, leuchtender und friedvoller Gesichtsausdruck. Es ist das sichtbare Zeichen eines Herzens, das mit sich und der Welt im Reinen ist.

10: Ein friedvoller Übergang – Unverwirrt sterben

  • Man stirbt unverwirrt (asammūḷho kālaṃ karoti).

Im buddhistischen Denken ist der Zustand des Geistes im Moment des Todes von außerordentlicher Bedeutung, da er die Bedingungen für die unmittelbar folgende Existenz maßgeblich beeinflusst. Ein Leben, das der Kultivierung von Mettā gewidmet war, schafft eine tiefe geistige Gewohnheit des Friedens, der Akzeptanz und des Wohlwollens. Wenn der Moment des Todes naht, ist ein solcher Geist gut trainiert. Er ist weniger anfällig für die Panik, die Angst, den Groll oder das Bedauern, die den Geist vieler Menschen im Angesicht des Todes ergreifen und verwirren können. Stattdessen kann er dem großen Übergang mit Klarheit, Achtsamkeit und Fassung begegnen. Unverwirrt zu sterben bedeutet, den letzten Moment des Lebens bewusst zu erleben, loslassen zu können und den Übergang mit einem friedvollen Herzen zu vollziehen. Dies ist vielleicht das größte Geschenk, das man sich selbst am Ende des Lebens machen kann.

11: Eine glückliche Wiedergeburt – Das Brahma-Reich als Ziel

  • Wenn man nicht Höheres durchdringt, gelangt man in die Brahma-Welt (uttari appaṭivijjhanto brahmalokūpago hoti).

Dieser letzte Vorteil ist ein Meisterstück der psychologischen und pädagogischen Brillanz des Buddha. Das endgültige Ziel des Pfades ist Nibbāna, das vollständige Erlöschen des Leidens und das Ende des Kreislaufs der Wiedergeburten. Für viele Praktizierende mag dieses Ziel jedoch unendlich fern und in diesem Leben unerreichbar erscheinen, was zu Entmutigung führen kann. Hier bietet der Buddha eine kraftvolle Zusicherung. Er erklärt, dass die karmische Kraft einer tief entwickelten Mettā-Praxis – insbesondere wenn sie die Ebene der meditativen Vertiefungen (jhāna) erreicht – so gewaltig ist, dass sie selbst dann, wenn das höchste Ziel noch nicht erreicht wird, ein außerordentlich positives Ergebnis garantiert: die Wiedergeburt in den Brahma-Welten. Dies ist keine bloße Trostpreis. Die Brahma-Welten sind erhabene, nicht-sinnliche Daseinsbereiche, die von unermesslichem Frieden, Glückseligkeit und Langlebigkeit geprägt sind. Eine Wiedergeburt dort ist das Ergebnis eines extrem reinen und kraftvollen Geisteszustandes. Dieser elfte Vorteil fungiert als ultimatives „Sicherheitsnetz“. Er versichert dem Praktizierenden, dass seine Anstrengung niemals umsonst ist. Selbst wenn Nibbāna in diesem Leben verfehlt wird, sichert die Praxis der Mettā eine äußerst günstige zukünftige Existenz – eine ideale Plattform, von der aus der Weg zur endgültigen Befreiung mit Leichtigkeit fortgesetzt werden kann. Dies verwandelt die Praxis von einem Alles-oder-Nichts-Unterfangen in eine garantierte, positive Investition in die eigene langfristige spirituelle Reise.

Analyse und Bedeutung für die heutige Praxis

Die zeitlose Relevanz des Mettā Sutta liegt in seiner zentralen Botschaft: Unser innerer emotionaler Zustand ist keine passive Gegebenheit, der wir ausgeliefert sind, sondern eine aktive, schöpferische Kraft. Jeder Gedanke ist eine Handlung (kamma), die unsere Wahrnehmung, unsere Beziehungen und letztlich unsere Realität formt. Mettā ist das wirksamste Werkzeug, das uns der Buddha an die Hand gibt, um unsere innere Welt bewusst zu gestalten – um sie von einem Schlachtfeld der Reaktivität, des Konflikts und des Stresses in einen Ort des proaktiven Wohlwollens, der Resilienz und des Friedens zu verwandeln.

Eine passende moderne Analogie ist die des Geistes als Garten. Wenn wir ihn vernachlässigen, wird er schnell von den Unkräutern des Ärgers, des Grolls, der Angst und der Selbstkritik überwuchert. Die Praxis der Mettā ist der bewusste und tägliche Akt der Gartenpflege: Wir jäten diese schädlichen mentalen Gewohnheiten und pflanzen stattdessen systematisch die Samen der Freundlichkeit, der Geduld, des Mitgefühls und der Selbstakzeptanz. Die elf in der Lehrrede beschriebenen Vorteile sind die wunderschönen Blumen und nahrhaften Früchte, die dieser gut gepflegte Garten unweigerlich hervorbringen wird.

Die Integration dieser Praxis in ein modernes Leben kann auf zwei Ebenen erfolgen:

  • Formale Praxis: In der Meditation auf dem Kissen folgt man der klassischen Struktur, die systematisch die Barrieren des Herzens auflöst. Man beginnt mit der Entwicklung von Mettā für sich selbst – ein entscheidender Schritt der Selbstliebe und -akzeptanz, ohne den wahre Liebe für andere kaum möglich ist. Von dort dehnt man das Gefühl aus auf eine respektierte Person, einen guten Freund, eine neutrale Person (wie den Kassierer im Supermarkt), eine schwierige Person (jemand, mit dem man in Konflikt steht) und schließlich auf alle Wesen ohne Ausnahme, in allen Richtungen des Universums.
  • Informelle Praxis: Die wahre Meisterschaft zeigt sich darin, Mettā vom Meditationskissen in den Alltag zu tragen. Dies kann bedeuten, einem ungeduldigen Autofahrer im Stau stillschweigend Wohlwollen zu senden, statt sich zu ärgern. Es kann bedeuten, während einer hitzigen Diskussion bei der Arbeit innerlich einen Schritt zurückzutreten und dem Gegenüber Frieden zu wünschen. Es kann bedeuten, auf beunruhigende Nachrichten nicht mit Verzweiflung, sondern mit einem Herzenswunsch für das Wohlergehen der Betroffenen zu reagieren.

Die Weisheit dieser 2500 Jahre alten Lehre findet heute eine beeindruckende Bestätigung durch die moderne Wissenschaft. Zahlreiche Studien zur „Loving-Kindness Meditation“ (LKM) haben messbare positive Effekte nachgewiesen. Dazu gehören eine Reduzierung von Stress, Angstzuständen und Symptomen von Depression und PTSD, eine Zunahme positiver Emotionen wie Freude und Dankbarkeit, eine Stärkung von Empathie und sozialen Bindungen und sogar eine Linderung von chronischen Schmerzen. Diese Konvergenz von kontemplativer Wissenschaft und empirischer Forschung unterstreicht die universelle und verifizierbare Wahrheit der Lehre des Buddha.

Fazit: Die zeitlose Weisheit des Mettā Sutta

Das Mettā Sutta (AN 11.15) ist weit mehr als eine bloße Liste von Belohnungen. Es ist ein leuchtender und zutiefst ermutigender Wegweiser, der die Logik des Herzens offenbart. Es zeigt, dass der Pfad zur Befreiung kein Weg der grimmigen Entbehrung ist, sondern einer von stetig wachsendem Glück, Frieden und Sicherheit. Der Buddha präsentiert hier mit unübertroffener Klarheit ein Gesetz von Ursache und Wirkung: Durch die bewusste und beständige Kultivierung der heilsamen Qualität der liebenden Güte können wir aktiv unser Leben, unsere Beziehungen und letztlich unser Schicksal zum Besseren wenden. Die elf Vorteile sind keine fernen Versprechen, sondern die natürlichen und unausweichlichen Früchte eines Herzens, das gelernt hat, in Freundlichkeit zu verweilen – ein Segen, den wir uns selbst und der Welt schenken können, hier und jetzt.

Die tiefste Einsicht entsteht durch das eigene Lesen und Reflektieren der Worte des Buddha. Wir ermutigen Sie, die vollständige Lehrrede zu studieren: Lesen Sie die vollständige Lehrrede auf SuttaCentral.

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