DN 29 – Pāsādika Sutta

DN Lehrreden Erklärungen
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Analyse der Pāsādika Sutta (DN 29): Die erfreuende Lehrrede über die vollkommene Lehre

Die Kernaussage und Bedeutung der Lehrrede

Was geschieht mit einer spirituellen Bewegung, wenn ihr charismatischer Gründer stirbt? Diese Frage ist so alt wie die menschliche Suche nach Sinn und hat unzählige Gemeinschaften vor eine Zerreißprobe gestellt. Oftmals zerfallen sie in Streit, Verwirrung und Fraktionsbildung. Genau ein solches Szenario bildet den dramatischen Auftakt zur Pāsādika Sutta, einer der tiefgründigsten Lehrreden des Buddha über die Natur einer authentischen und beständigen Heilslehre.

Die Lehrrede beginnt mit einer beunruhigenden Nachricht: Nigaṇṭha Nātaputta, der historische Mahavira und Führer der Jainas, ist soeben verstorben. Seine Gemeinschaft, die er zu Lebzeiten zusammenhielt, ist augenblicklich in Chaos und bitteren Streit verfallen. [cite_start]Seine Anhänger, so wird es dem Buddha berichtet, „stachen einander mit den Waffen des Mundes nieder“[cite: 1]. Diese eindringliche Metapher beschreibt eine Situation, in der doktrinäre Auseinandersetzungen so verletzend und destruktiv werden wie physische Gewalt. Ausgehend von diesem realen Ereignis entfaltet der Buddha eine zeitlose Analyse der zentralen Frage: Was unterscheidet einen verlässlichen, zur Befreiung führenden spirituellen Pfad von einem, der in Verwirrung und Konflikt mündet? Wie kann eine Lehre so beschaffen sein, dass sie die Integrität und Wirksamkeit über den Tod ihres Gründers hinaus bewahrt?

Die Pāsādika Sutta ist die direkte und umfassende Antwort des Buddha auf diese Fragen. [cite_start]Sie ist weit mehr als nur eine Kritik an einer rivalisierenden Schule; sie ist eine proaktive und konstruktive Charta für die Stabilität und Langlebigkeit seines eigenen Dhamma-Vinaya, der Lehre und Disziplin[cite: 3]. [cite_start]Sie liefert eine Blaupause für eine spirituelle Tradition, die in sich geschlossen, vollständig und autark ist – „in jeder Hinsicht vollendet, ohne etwas Fehlendes und ohne etwas Überflüssiges“ [cite: 3] – und darauf ausgelegt, zum Wohl vieler Wesen für lange Zeit zu bestehen. Der Titel selbst, Pāsādika Sutta – „Die erfreuende“ oder „vertrauenerweckende Lehrrede“ – weist auf das beabsichtigte Ergebnis hin. Das Pāli-Wort pasāda bezeichnet ein Gefühl von heiterer Gelassenheit, freudiger Klarheit und tiefem, begründetem Vertrauen. Die gesamte Lehrrede ist so aufgebaut, dass sie den Zuhörer von einem Zustand des potenziellen Zweifels – angesichts des Scheiterns anderer Systeme – zu einem Zustand des unerschütterlichen Vertrauens in einen Weg führt, der sich durch seine Klarheit, Vollständigkeit und praktische Wirksamkeit auszeichnet.

Steckbrief der Lehrrede

Die folgende Tabelle bietet eine schnelle Übersicht über die wichtigsten Eckdaten der Lehrrede und dient der unmittelbaren Orientierung innerhalb des Pāli-Kanons.

Merkmal Information
Pāli-Titel: Pāsādika Sutta
Sutta-Nummer: DN 29
Sammlung: Dīgha Nikāya (Sammlung der langen Lehrreden)
Deutscher Titel: Die erfreuende Lehrrede (auch: Die erhebende/vertrauenerweckende Lehrrede)
Kernthema(s): „Kriterien einer vollkommenen Lehre, Stabilität der Sangha, die 37 Erleuchtungsglieder (bodhipakkhiyā dhammā), die Natur eines Tathāgata, Umgang mit spekulativen Ansichten.“

Der Titel Pāsādika Sutta ist dabei mehr als nur eine Bezeichnung; er beschreibt die Funktion der Lehrrede. [cite_start]Obwohl ihr Inhalt hochgradig analytisch ist und systematisch erfolgreiche von gescheiterten spirituellen Systemen unterscheidet[cite: 3], ist das Endresultat kein trockenes intellektuelles Wissen. Vielmehr zielt der Buddha darauf ab, durch diese klare und rationale Darlegung einen ganz bestimmten emotionalen und kognitiven Zustand im Hörer hervorzurufen. Indem er die Gründe für die Zuverlässigkeit des Dhamma präzise darlegt, soll ein tiefes, unerschütterliches und freudiges Vertrauen (pasāda) entstehen. Die Lehrrede ist somit ein Instrument, das dazu dient, den Praktizierenden in seinem Glauben zu bestärken und ihm eine heitere Zuversicht zu schenken, dass er sich auf einem authentischen und wirksamen Pfad befindet.

Kontext: Warum wurde diese Lehrrede gehalten?

Die Umstände, die zu dieser Lehrrede führten, sind im Text genau überliefert und von entscheidender Bedeutung für ihr Verständnis. [cite_start]Der Novize Cunda (sāmaṇuddesa Cunda), der die Regenzeitklausur in der Stadt Pāvā verbracht hatte, kehrt zurück und sucht den ehrwürdigen Ānanda auf[cite: 2]. [cite_start]Er überbringt die Nachricht vom Tod des Nigaṇṭha Nātaputta und beschreibt die unmittelbaren Folgen: die bittere Spaltung und die heftigen Auseinandersetzungen, die unter seinen Anhängern ausgebrochen sind[cite: 1]. [cite_start]Ānanda, der engste Vertraute des Buddha, erkennt sofort die Tragweite dieser Information und beschließt, Cunda zum Buddha zu bringen, der zu dieser Zeit im Mango-Hain der Familie Vedhañña im Land der Sakyer weilt[cite: 2].

Die Reaktion des Buddha ist bemerkenswert. Er zeigt weder Überraschung noch Schadenfreude über die Schwierigkeiten einer rivalisierenden Schule. Stattdessen nutzt er die Gelegenheit für eine tiefgreifende Lehranalyse. [cite_start]Er adressiert damit eine Kernangst jeder spirituellen Bewegung: die Frage nach Kontinuität und Integrität nach dem Tod des Gründers[cite: 3]. [cite_start]Dieses Thema stellt die Pāsādika Sutta in eine Reihe mit anderen wichtigen Lehrreden aus der späten Lebensphase des Buddha, insbesondere der Mahāparinibbāna Sutta (DN 16), in der er seine letzten Anweisungen für die Bewahrung und Weitergabe des Dhamma gibt[cite: 3].

Die Lehrrede ist somit ein Akt der proaktiven und weitsichtigen „Nachlassverwaltung“. [cite_start]Das Schisma bei den Jainas wird als vorhersagbares Ergebnis einer fehlerhaften Grundlage dargestellt – einer Lehre, die „schlecht erklärt… und von jemandem verkündet wurde, der kein vollständig erwachter Buddha ist“[cite: 9]. Der Buddha reagiert nicht nur auf die Nachricht, er verwendet sie als Fallstudie, um seine eigene Gemeinschaft präventiv gegen ein ähnliches Schicksal zu „impfen“. Indem er die Kriterien für einen erfolgreichen Pfad darlegt und den Kern seiner Lehre unmissverständlich definiert, gibt er seinen Schülern die Werkzeuge an die Hand, um die Gesundheit der Sangha selbst zu diagnostizieren und sich gegen doktrinäre Verfälschungen zu schützen, lange nachdem er selbst nicht mehr da sein würde. Dies enthüllt den Buddha nicht nur als spirituellen Meister, sondern auch als pragmatischen und mitfühlenden Gemeinschaftsführer, der sich um das langfristige Wohlergehen seiner Anhänger sorgt.

Die Kerninhalte: Eine strukturierte Zusammenfassung

Dieser Abschnitt bildet den Hauptteil der Webseite und schlüsselt die Argumentationskette der Lehrrede logisch auf.

Der Kontrast: Eine unvollkommene und eine vollkommene Lehre

Die Analyse des Buddha beginnt mit einer scharfen Gegenüberstellung. [cite_start]Auf der einen Seite steht ein System, das von einem nicht vollständig erwachten Lehrer (asammāsambuddha) verkündet wird[cite: 1]. [cite_start]Das Ergebnis ist eine Lehre, die als „schlecht verkündet, unerbaulich dargelegt und unwirksam zur Beruhigung der Leidenschaften“ beschrieben wird[cite: 2]. Sie führt nicht zur Befreiung, sondern zu Verwirrung und Streit. Hier macht der Buddha seine erste radikale und kontraintuitive Aussage: In einem solch fehlerhaften System ist ein Schüler, der von der Lehre abweicht, zu loben. [cite_start]Jemand, der ihr blind und pflichtbewusst folgt, ist hingegen zu kritisieren[cite: 1]. [cite_start]Die Begründung ist rein pragmatisch: Das Befolgen eines falschen Weges führt zu „viel Schlechtverdienst“ (apuñña), also zu unheilsamen Konsequenzen[cite: 1].

Auf der anderen Seite steht das vollkommene System, das von einem vollständig erwachten Buddha (sammāsambuddha) gelehrt wird. [cite_start]Seine Lehre ist „gut verkündet… befreiend, zum Frieden führend“[cite: 9]. In diesem Fall verkehrt sich das Urteil: Der Schüler, der von diesem Weg abweicht, ist tadelnswert, denn er verpasst eine kostbare Gelegenheit. [cite_start]Derjenige jedoch, der fleißig praktiziert, ist lobenswert und schafft „viel Verdienst“ (puñña)[cite: 9].

Hinter dieser scheinbar paradoxen Logik verbirgt sich ein tiefes Prinzip: die Vorrangstellung des Ziels vor blinder Loyalität. In den meisten Systemen gilt die Treue zum Lehrer und zur Doktrin als eine der höchsten Tugenden. Der Buddha stellt diese Annahme in Frage und etabliert ein höheres Kriterium: die Wirksamkeit des Pfades bei der Verwirklichung der Befreiung (vimutti). Loyalität ist demnach kein absoluter Wert an sich. Sie ist nur dann tugendhaft, wenn ihr Objekt – die Lehre – heilsam und effektiv ist. Dies überträgt eine tiefgreifende Verantwortung auf den Praktizierenden. Es genügt nicht, einfach nur zu folgen; man muss prüfen, ob der Weg selbst solide ist. Die Lehrrede fördert damit implizit kritisches Prüfen anstelle von blindem Glauben und stellt die Befreiung des Einzelnen über die bloße institutionelle Zugehörigkeit.

Das Fundament: Die Merkmale einer vollständigen Heilslehre (Brahmacariya)

Im nächsten Schritt erweitert der Buddha die Definition einer erfolgreichen Lehre. Es reicht nicht aus, einen erwachten Lehrer und eine gut verkündete Lehre zu haben. [cite_start]Damit das „heilige Leben“ (brahmacariya) wirklich vollständig ist und auf Dauer Bestand hat, bedarf es eines ganzen Ökosystems von Praktizierenden[cite: 1]. [cite_start]Der Buddha zählt die notwendigen Komponenten dieses Ökosystems auf: erfahrene ältere Mönche (therā bhikkhū), Mönche mittleren und jüngeren Standes, erfahrene ältere Nonnen (therī bhikkhunī), Nonnen mittleren und jüngeren Standes sowie sowohl zölibatär lebende als auch in der Welt stehende Laienanhänger (upāsakā) und Laienanhängerinnen (upāsikā)[cite: 1]. [cite_start]Der entscheidende Punkt ist, dass all diese Mitglieder der Gemeinschaft „erfahren, geschult, gereift, zur Sicherheit vor dem Joch gelangt, fähig, den Wahren Dhamma zu lehren“ sein müssen[cite: 1].

Darüber hinaus trifft der Buddha eine subtile, aber entscheidende Unterscheidung zwischen Erfolg und Vollendung. Eine Lehre kann äußerlich erfolgreich sein – „mächtig, wohlhabend, detailliert, bevölkerungsreich“ – und sogar „die Vormachtstellung in Bezug auf Gewinn und Status“ erlangt haben. [cite_start]Doch sie bleibt unvollständig, wenn sie kein heiliges Leben ist, das tatsächlich zur Befreiung führt[cite: 1]. Der wahre Maßstab für die Vollendung einer spirituellen Tradition ist die Existenz von erwachten Wesen, von Heiligen, die das Ziel des Pfades verwirklicht haben.

Damit offenbart sich die Vision des Buddha für die Sangha nicht nur als ein Klosterorden, sondern als eine vollständige soziale und spirituelle Gemeinschaft. Ein Text allein kann eine Lehre nicht bewahren; er kann missverstanden oder vergessen werden. Ein einzelner Lehrer ist ein einzelner Fehlerpunkt. Das Modell des Buddha für die Beständigkeit des Dhamma ist ein verteiltes Netzwerk kompetenter Praktizierender auf allen Ebenen der Erfahrung und in allen Lebensbereichen. Die Älteren geben die Weisheit weiter, die Mittleren erhalten die Strukturen, die Jüngeren sichern die Kontinuität, und die Laiengemeinschaft bietet die materielle Unterstützung und die Verbindung zur Welt. Dies schafft ein sich selbst erhaltendes und selbst korrigierendes System. Der Dhamma ist kein statisches Objekt, das in einem Museum aufbewahrt wird, sondern eine lebendige Weisheit, die von einer Gemeinschaft über Generationen hinweg verkörpert und weitergegeben werden muss.

Das Herzstück: Die 37 Glieder zum Erwachen als Garant der Lehre

Um genau jene doktrinären Streitigkeiten und Spaltungen zu verhindern, die er bei den Jainas beobachtet, gibt der Buddha seiner Gemeinschaft eine definitive und unmissverständliche Liste seiner Kernlehren an die Hand. [cite_start]Er weist die Mönche an, dass sie alle zusammenkommen und diese Lehren „im Einklang“ rezitieren sollen, indem sie „Bedeutung mit Bedeutung, Ausdruck mit Ausdruck“ vergleichen, damit das heilige Leben lange bestehen möge[cite: 1]. [cite_start]Diese berühmte Liste ist als die sattatiṃsa bodhipakkhiyā dhammā bekannt – die 37 Glieder oder Qualitäten, die zum Erwachen gehören[cite: 3]. Sie umfassen den gesamten Pfad und dienen als unfehlbarer Prüfstein für die Authentizität der Lehre. Die sieben Gruppen sind:

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  • Die vier Grundlagen der Achtsamkeit (cattāro satipaṭṭhānā) [cite: 355]
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  • Die vier rechten Anstrengungen (cattāro sammappadhānā) [cite: 356]
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  • Die vier Pfade zur Macht (cattāro iddhipādā) [cite: 357]
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  • Die fünf spirituellen Fähigkeiten (pañcindriyāni) [cite: 358]
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  • Die fünf spirituellen Kräfte (pañca balāni) [cite: 359]
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  • Die sieben Erleuchtungsfaktoren (satta bojjhaṅgā) [cite: 360]
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  • Der Edle Achtfache Pfad (ariyo aṭṭhaṅgiko maggo) [cite: 361]

Diese Liste ist nicht nur eine zufällige Sammlung nützlicher Praktiken. Im Kontext der Pāsādika Sutta wird sie als die vom Buddha selbst autorisierte „Verfassung“ seiner Lehre präsentiert. Vage oder unsystematische Lehren sind anfällig für persönliche Interpretationen, die unweigerlich zu Streit führen. Indem der Buddha einen klaren, strukturierten und umfassenden Rahmen des gesamten Pfades vorgibt, schafft er einen „Goldstandard“. Jede zukünftige Lehre oder Interpretation kann an diesem Rahmen überprüft werden: Steht sie im Einklang mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit? Führt sie zur Entfaltung der sieben Erleuchtungsfaktoren? Die Anweisung, diese Lehren „im Einklang“ (saṅgīti) zu rezitieren, ist die historische und praktische Grundlage der großen buddhistischen Konzile und der gemeinschaftlichen Bewahrung des Kanons. Es ist ein Schutzmechanismus gegen individualistische Verzerrungen und doktrinäre Abweichungen. Die 37 Glieder sind somit das vom Buddha gewählte Hauptinstrument zur Sicherung der Lehrreinheit und der gemeinschaftlichen Harmonie.

Die wahre Freude: Die Läuterung des Geistes gegenüber der Sinneslust

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Der Buddha antizipiert einen möglichen Vorwurf von außen: dass seine Anhänger „dem Vergnügen ergeben“ seien[cite: 1]. Er begegnet dieser Kritik nicht mit einer Verneinung, sondern mit einer meisterhaften Neudefinition. Er unterscheidet klar zwischen zwei Arten von Vergnügen. Auf der einen Seite stehen die „niederen, gewöhnlichen, unheilsamen“ Vergnügen der fünf Sinne (kāmaguṇa), die mit Gier verbunden sind, flüchtig sind und letztlich zu mehr Verstrickung und Leid führen. [cite_start]Auf der anderen Seite stehen die heilsamen, befreienden und verfeinerten Freuden, die aus den meditativen Vertiefungen (jhāna) geboren werden[cite: 3]. [cite_start]Diese führen, so der Buddha, „ausschließlich zur Ernüchterung, zur Entsagung, zum Aufhören… zur Befreiung“[cite: 1]. Die Praxis der jhāna wird hier nicht als eine grimmige Pflicht dargestellt, sondern als die Kultivierung einer überlegenen Form des Wohlbefindens, die sinnliche Vergnügen im Vergleich grob und unbefriedigend erscheinen lässt. [cite_start]Dieser Weg der heilsamen Freude ist kein Selbstzweck, sondern ein integraler Bestandteil des Pfades, der in den vier Früchten des heiligen Lebens bis hin zur vollkommenen Befreiung des Arahant gipfelt[cite: 1].

Diese strategische Neudefinition von „Vergnügen“ ist psychologisch brillant. Der buddhistische Pfad wird nicht als einer des reinen Verzichts, sondern als einer der intelligenten Substitution dargestellt. Man gibt ein geringeres, flüchtiges und problematisches Glück auf, um ein höheres, stabileres und zutiefst befreiendes Glück zu kultivieren. Der Dhamma ist somit kein Weg der Selbstkasteiung, sondern ein Weg des tiefen spirituellen Wohlbefindens, bei dem das Ziel darin besteht, das reinste und dauerhafteste Glück zu finden, das einem Menschen zugänglich ist – ein Glück, das im geläuterten Geist selbst gefunden wird, nicht in äußeren Objekten.

Der Lehrer: Die Natur des Tathāgata und die Grenzen der Spekulation

Im letzten Hauptteil der Lehrrede definiert der Buddha seine eigene Natur und die pragmatische Ausrichtung seiner Lehre. [cite_start]Er bezeichnet sich selbst als Tathāgata – wörtlich „der So-Gekommene“ oder „der die Wirklichkeit Erfahrene“[cite: 3]. Dies ist kein bloßer Ehrentitel, sondern eine Beschreibung seiner Funktion und seines Wesens: Seine Worte und Taten sind im Einklang; er lehrt, was er tut, und tut, was er lehrt. [cite_start]Er hat die Welt „erobert“, indem er sie so verstanden hat, wie sie wirklich ist[cite: 3]. Er wendet sich dann direkt den metaphysischen Spekulationen zu, die andere philosophische Schulen seiner Zeit beschäftigten: Existiert ein Tathāgata (ein Erleuchteter) nach dem Tod? [cite_start]Ist die Welt ewig?[cite: 1]. [cite_start]Der Buddha erklärt, dass er diese Punkte „unbeantwortet“ (avyākata) lässt[cite: 386]. [cite_start]Die Begründung ist rein pragmatisch: Sie sind „nicht mit dem Ziel verbunden… Sie führen nicht zur Befreiung“[cite: 1]. Was er hingegen unmissverständlich erklärt, sind die Vier Edlen Wahrheiten. Warum? [cite_start]„Weil es mit dem Ziel verbunden ist… grundlegend für das heilige Leben ist… Es führt zur Ernüchterung, zur Entsagung, zum Aufhören, zur Beruhigung, zum direkten Wissen, zum Selbsterwachen und zur Befreiung“[cite: 1]. [cite_start]Er verwirft ebenso verschiedene Ansichten über die Vergangenheit und die Zukunft als bloße Meinungen, die nicht auf direkter Erfahrung beruhen, und lehrt die Vier Grundlagen der Achtsamkeit als den Weg, um solche Ansichten zu überwinden[cite: 3].

Dieser Ansatz offenbart die zutiefst pragmatische und soteriologische (erlösungsbezogene) Natur des Dhamma. Der Buddha vergleicht sich oft mit einem Arzt. Ein guter Arzt, der einen mit einem vergifteten Pfeil angeschossenen Patienten behandelt, verschwendet keine Zeit damit, über die Herkunft des Pfeils, den Namen des Pfeilmachers oder die Holzart zu diskutieren. Sein einziger Fokus liegt darauf, den Pfeil zu entfernen und die Wunde zu heilen. In ähnlicher Weise konzentriert sich der Buddha ausschließlich auf die Heilung der Wunde des Leidens (dukkha). Spekulative Fragen über die letzte Natur des Kosmos sind wie die Diskussion über den Pfeilmacher – vielleicht interessant, aber für die dringende Aufgabe der Heilung irrelevant. Die Vier Edlen Wahrheiten sind die Diagnose, die Ursache, die Prognose und das Rezept. Die 37 Glieder sind die Medizin und die Therapie. Der Dhamma ist keine Philosophie zur Befriedigung intellektueller Neugier, sondern ein praktisches Trainingssystem zur Erlangung der Befreiung.

Analyse und Bedeutung für die heutige Praxis

Die Lehren der Pāsādika Sutta sind heute vielleicht relevanter denn je. In einer modernen Welt, die einem riesigen „spirituellen Marktplatz“ gleicht, bietet die Lehrrede einen klaren und zeitlosen „Leitfaden für Suchende“. Sie liefert einen Satz objektiver Kriterien, um einen spirituellen Weg, einen Lehrer oder eine Gemeinschaft zu bewerten. Ein Praktizierender kann sich die von der Sutta inspirierten Fragen stellen:

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  • Ist die Lehre klar, systematisch und in sich stimmig? [cite: 401]
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  • Führt die Praxis zu mehr Frieden, Klarheit und zur Beruhigung der Leidenschaften oder zu mehr innerem Konflikt, Verwirrung und Aufruhr? [cite: 402]
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  • Verkörpern die Mitglieder der Gemeinschaft – von den Lehrenden bis zu den Praktizierenden – die Qualitäten, die die Lehre vermitteln soll? [cite: 403]
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  • Liegt der Fokus auf praktischer, erfahrbarer Transformation oder auf dogmatischen Überzeugungen und metaphysischen Spekulationen? [cite: 404]

Eine treffende moderne Analogie für den Dhamma, wie er in dieser Lehrrede beschrieben wird, ist die eines gut dokumentierten Open-Source-Softwareprojekts für die menschliche Befreiung. [cite_start]Der Gründer: Der Buddha ist der geniale ursprüngliche Entwickler, der das Ziel – die Befreiung – vollständig verwirklicht hat[cite: 406]. [cite_start]Der Quellcode: Die 37 Glieder zum Erwachen sind der stabile, unveränderliche und zentrale Quellcode des Programms[cite: 407]. [cite_start]Die Dokumentation: Die Suttas sind die umfassende, öffentlich zugängliche und transparente Dokumentation[cite: 408]. [cite_start]Die Community: Die Sangha ist die Gemeinschaft von Entwicklern und Anwendern, die den Code pflegen, neuen Benutzern helfen und seine erfolgreiche Implementierung demonstrieren[cite: 409]. [cite_start]Das Ziel: Die „Software“ ist für einen einzigen Zweck konzipiert: das „Betriebssystem“ des Leidens zu beenden[cite: 410]. [cite_start]Ihre Wirksamkeit wird daran gemessen, ob sie dieses Ergebnis für den Anwender erzielt[cite: 411].

Das zentrale Werkzeug, das uns die Pāsādika Sutta an die Hand gibt, ist die Kultivierung von prüfendem Vertrauen. Sie lehrt uns, keinen blinden Glauben zu haben, sondern unser Vertrauen auf ein System zu setzen, das transparent ist, in der eigenen Erfahrung überprüfbar ist und nachweislich weise und mitfühlende Menschen hervorbringt.

Fazit: Die zeitlose Weisheit der Pāsādika Sutta

Die Pāsādika Sutta beginnt mit dem Chaos einer gescheiterten Lehre und endet mit dem Aufbau einer Festung des Vertrauens um eine erfolgreiche. Sie ist „erfreuend“ und „erhebend“, gerade weil sie die Angst der Ungewissheit durch die heitere Zuversicht (pasāda) ersetzt, die aus dem Verständnis der Grundlagen eines wahrhaft befreienden Pfades erwächst. Sie ist das bleibende Geschenk der Klarheit des Buddha, das seinen Anhängern über die Jahrhunderte hinweg versichert, dass der Weg zum Frieden vollständig, gut verkündet und für alle zugänglich ist, die ihn gewissenhaft praktizieren.

Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente

Die hier vorgestellte Analyse bietet einen tiefen Einblick in die Struktur und Botschaft der Lehrrede. Um die volle Kraft und Nuancierung der Worte des Buddha zu erfahren, laden wir Sie ein, den vollständigen Text selbst zu lesen.