
Analyse des Kandarakasutta (MN 51): Der Weg, der weder sich selbst noch andere quält
Eine Landkarte zur Befreiung: Die Analyse der vier spirituellen Wege und die Kunst der Harmlosigkeit.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Kernaussage und Bedeutung der Lehrrede
- Steckbrief der Lehrrede
- Kontext: Warum wurde diese Lehrrede gehalten?
- Die Kerninhalte: Eine strukturierte Zusammenfassung
- Analyse und Bedeutung für die heutige Praxis
- Fazit: Die zeitlose Weisheit des Kandarakasutta
- Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Einleitung: Die Kernaussage und Bedeutung der Lehrrede
Was ist der wahre, heilsame Weg spiritueller Praxis? Ist es extreme Enthaltsamkeit, die den Körper an seine Grenzen treibt? Ist es ein Leben, das anderen dient, aber dabei vielleicht unbewusst schadet? Oder gibt es einen Weg, der zu tiefem, unerschütterlichem Frieden führt, ohne sich selbst oder irgendein anderes Wesen zu verletzen? Diese fundamentalen Fragen stehen im Zentrum vieler spiritueller Traditionen und auch im Leben unzähliger Suchender heute. Das Kandarakasutta ist die definitive und tiefgründige Antwort des Buddha auf genau diese Fragen. In dieser Lehrrede präsentiert er eine klare Taxonomie spiritueller Lebensweisen, indem er systematisch schädliche und ineffektive Ansätze demontiert, um schließlich den „Mittleren Weg“ als die einzige wirklich wirksame und von Mitgefühl getragene Option zu enthüllen.
Die besondere Bedeutung dieser Lehrrede liegt in ihrer außergewöhnlichen Vollständigkeit. Sie ist nicht nur eine philosophische Abhandlung, sondern eine der detailliertesten schrittweisen Beschreibungen des gesamten buddhistischen Übungsweges (anupubbasikkhā), die in einer einzigen Rede zu finden ist. Sie ist eine praktische Landkarte, die den Weg von einem gewöhnlichen, oft verstrickten Geisteszustand bis zur vollständigen Befreiung aufzeigt. Eingeleitet wird diese tiefgreifende Lehre durch eine unvergessliche Beobachtung über den Kontrast zwischen der „Verschlungenheit der Menschen“ und der „Offenheit der Tiere“, ein Schlüsselthema, das die Notwendigkeit für diesen klaren Pfad unterstreicht.
Steckbrief der Lehrrede
Die folgende Tabelle bietet eine übersichtliche Zusammenfassung der wichtigsten Eckdaten dieser Lehrrede.
Attribut | Information |
---|---|
Pāli-Titel | Kandarakasutta |
Sutta-Nummer | MN 51 (Majjhima Nikāya 51) |
Sammlung | Majjhima Nikāya (Die Mittlere Sammlung der Lehrreden) |
Deutscher Titel | Die Lehrrede an Kandaraka |
Ort | In Campā, am Ufer des Gaggarā-Sees |
Hauptfiguren | Der Buddha; Kandaraka, der Wanderasket; Pessa, der Sohn eines Elefantenführers |
Kernthema(s) | Die vier Arten von Personen, Kritik an extremer Askese, der stufenweise Übungsweg (anupubbasikkhā), der Mittlere Weg, Achtsamkeit (sati), die Komplexität des menschlichen Geistes (manussagahana). |
Kontext: Warum wurde diese Lehrrede gehalten?
Die Lehrrede entfaltet sich in einer lebendigen Szenerie in der Stadt Campā, wo der Buddha mit einer großen Gemeinschaft von Mönchen verweilt. Die Atmosphäre ist von einer tiefen, spürbaren Stille geprägt. In diese Stille treten zwei sehr unterschiedliche Besucher: Kandaraka, ein Wanderasket, der einer anderen religiösen Tradition angehört, und Pessa, der Sohn eines Elefantenführers und ein Laienanhänger des Buddha.
Kandaraka, der Asket, ist sofort von der außergewöhnlichen Disziplin und der vollkommenen Ruhe der Mönchsversammlung beeindruckt. Er vergleicht sie mit den oft lauten und unruhigen Versammlungen, die er aus seinem eigenen Umfeld kennt. Er zollt dem Buddha höchsten Respekt und erklärt, dass kein Buddha der Vergangenheit oder Zukunft die Gemeinschaft besser zu einem rechten Wandel führen könnte, als der Buddha es in der Gegenwart tut. Diese Lobrede etabliert von Beginn an eine Atmosphäre des Respekts und der Anerkennung für die Lehre des Buddha.
Der entscheidende Anstoß für die Kernthematik der Rede kommt jedoch von Pessa, dem Laien. Nachdem der Buddha kurz die Praxis der Vier Grundlagen der Achtsamkeit (cattāro satipaṭṭhānā) erwähnt hat, macht Pessa eine scharfsinnige und tiefgründige Beobachtung: „Denn die Menschen sind eine Verschlungenheit, Herr, während ein Tier ganz offen ist“ (Gahanañhetaṁ, bhante, yadidaṁ manussā; uttānakañhetaṁ, bhante, yadidaṁ pasavo). Er führt aus, dass er einen Elefanten im Training innerhalb kürzester Zeit durchschauen kann; das Tier zeigt all seine Tricks und Täuschungen offen. Menschen hingegen können mit dem Körper eines tun, mit der Sprache etwas anderes sagen, während ihr Geist wiederum ganz woanders ist.
Diese Beobachtung ist weit mehr als eine beiläufige Bemerkung. Sie benennt das zentrale psychologische Problem, für das der Rest der Lehrrede die Lösung darstellt: das manussagahana, das „menschliche Gewirr“ oder die „Verschlungenheit“. Es beschreibt die innere Komplexität und die mangelnde Übereinstimmung zwischen unserer Innenwelt (Gedanken, Absichten) und unserem äußeren Ausdruck (Rede, Handlungen). Die detaillierte Darlegung des stufenweisen Übungsweges durch den Buddha ist die direkte Antwort auf dieses Problem. Wären die Menschen einfach und transparent, wäre ein derart rigoroses und systematisches Training vielleicht nicht nötig. Der Pfad ist also exakt darauf ausgelegt, dieses innere Gewirr zu entknoten und Harmonie und Integrität in Denken, Sprechen und Handeln zu bringen.
Die Szene endet mit einem ergreifenden Moment. Nachdem der Buddha die vier Arten von Personen vorgestellt hat, erklärt Pessa seine Zustimmung, muss dann aber aufgrund von Geschäftigkeit aufbrechen, bevor der Buddha die Lehre im Detail ausführen kann. Der Buddha bemerkt daraufhin, dass Pessa, wäre er geblieben, großen Nutzen erfahren hätte – die Kommentare legen nahe, dass er den Stromeintritt, die erste Stufe der Heiligkeit, erlangt hätte. Pessas Abreise ist eine realistische und tragische Darstellung dessen, wie oft wir tiefgreifende Gelegenheiten aufgrund alltäglicher Verpflichtungen verpassen. Es ist eine kraftvolle Lektion über die Wirkungsweise von kamma und verdeutlicht, dass spirituelle Reife und die passende Gelegenheit zusammenkommen müssen, und dass die persönliche Anstrengung, zu bleiben und zuzuhören, von entscheidender Bedeutung ist.
Die Kerninhalte: Eine strukturierte Zusammenfassung
Das Herzstück der Lehrrede ist die detaillierte Analyse der vier Arten von Personen, die der Buddha auf Bitten der Mönche nach Pessas Aufbruch vornimmt. Diese Klassifizierung dient als scharfsinniges Werkzeug zur Beurteilung jeglicher Lebens- und Praxisweise.
Die vierfache Unterscheidung: Ein Raster für spirituelle Praxis
Der Buddha stellt zunächst sein analytisches Raster vor, das die Welt der spirituellen und ethischen Bestrebungen in vier Kategorien einteilt:
- Eine Person, die sich selbst quält (attantapo) und der Praxis der Selbstquälerei ergeben ist.
- Eine Person, die andere quält (parantapo) und der Praxis der Quälerei anderer ergeben ist.
- Eine Person, die sowohl sich selbst als auch andere quält.
- Eine Person, die weder sich selbst noch andere quält (nevattantapo na parantapo).
Dieses Schema ist ein zutiefst pragmatisches Instrument. Es bewertet jeden Weg nicht nach dogmatischen oder metaphysischen Kriterien, sondern nach dem einfachen und universell verständlichen Maßstab von Leid und Nicht-Leid, von Schaden und Nutzen. Pessa erkennt dies sofort und lehnt die ersten drei Typen ab, da sie dem universellen Wunsch aller Wesen nach Glück und ihrer Abneigung gegen Schmerz widersprechen.
Der Selbstquäler (attantapo): Die Sackgasse der extremen Askese
Der Buddha beschreibt diesen ersten Typus mit drastischen Details, die die Praktiken einiger seiner asketischen Zeitgenossen widerspiegeln. Diese Person widmet sich der extremen Kasteiung: Sie lebt nackt, praktiziert schmerzhafte Körperhaltungen wie ständiges Stehen oder Hocken, schläft auf einem Bett aus Dornen, reißt sich Haare und Bart aus und unterzieht sich extremen Fastenritualen. Die Analyse deckt den fundamentalen Irrtum dieser Praxis auf: die Überzeugung, dass die Zufügung von Schmerz auf den physischen Körper, der als minderwertig oder sündhaft angesehen wird, zu spiritueller Reinigung führt. Der Buddha, der diese Praktiken in seiner eigenen Suche selbst erprobt und als nutzlos verworfen hatte, lehnt diesen Weg ab, weil er auf Gewalt gegen sich selbst basiert und nicht zur Befreiung vom Leiden, sondern nur zu dessen Vermehrung führt.
Der andere Quälende (parantapo): Der Weg des schädlichen Handelns
Die zweite Kategorie beschreibt eine Person, deren Lebensunterhalt oder Handeln direkt auf dem Schaden anderer Wesen beruht. Als Beispiele werden Berufe wie Metzger, Jäger, Fischer, Henker oder Räuber genannt. Diese Definition erweitert die Kritik vom rein „spirituellen“ Bereich auf die alltägliche Ethik und den rechten Lebenserwerb (ājīva). Sie stellt klar, dass jede Handlung oder jeder Beruf, der auf dem Leid anderer aufbaut, ein Irrweg ist, unabhängig von den persönlichen Motiven oder Überzeugungen. Dies unterstreicht die untrennbare Verbindung von Ethik und spirituellem Fortschritt im Buddhismus. Es sind die schädlichen Handlungen, die verurteilt werden, nicht die Person als solche, denn selbst Menschen mit einer solchen Vergangenheit, wie der Mörder Aṅgulimāla, konnten durch eine Änderung ihres Weges die Befreiung erlangen.
Der, der sich selbst und andere quält: Wenn Ritual auf Gewalt trifft
Dieser dritte Typus verkörpert eine Kombination der ersten beiden Irrwege. Das Sutta zeichnet das Bild eines Königs oder reichen Brahmanen, der ein großes Tieropfer durchführt. Er unterzieht sich persönlichen Entbehrungen – er schläft auf dem nackten Boden, trägt ein raues Fell und fastet –, während er gleichzeitig die massenhafte Tötung von Tieren für das Ritual anordnet. Seine Diener und Arbeiter führen diese Befehle unter Angst und mit Tränen in den Augen aus. Dies ist eine scharfe Kritik an religiösem Ritualismus, der von Mitgefühl losgelöst ist. Er vereint die Trugschlüsse beider vorheriger Typen: den Glauben an die Wirksamkeit der Selbstkasteiung und die völlige Missachtung des Leidens anderer. Es zeigt, wie selbst gut gemeinte religiöse Handlungen zutiefst schädlich werden können, wenn ihnen Weisheit und Empathie fehlen.
Der vierte Mensch: Der Weg, der weder sich selbst noch andere quält
Im scharfen Kontrast zu den ersten drei Wegen steht der vierte Mensch. Dieser wird als jemand beschrieben, der „schon in diesem Leben wunschlos, erloschen und kühl geworden ist und Glück erfährt, da er selbst heilig geworden ist“ (diṭṭheva dhamme nicchāto nibbuto sītibhūto sukhapaṭisaṁvedī brahmabhūtena attanā viharati). Der Ausdruck brahmabhūtena attanā („selbst zu Brahmā geworden“) ist hier von entscheidender Bedeutung. In den brahmanischen Traditionen zur Zeit des Buddha bezog sich dieser Begriff auf eine metaphysische Vereinigung mit der ultimativen Realität, dem Brahman. Der Buddha greift diesen hoch angesehenen Begriff auf, aber er definiert ihn vollständig neu. In seiner Lehre bezeichnet brahmabhūta keinen metaphysischen Zustand, sondern einen psychologischen und ethischen. Es ist das Endresultat des stufenweisen Übungsweges. Es beschreibt den Geist eines Erwachten (Arahant) – einen Geist, der „erloschen“ (nibbuto) und „abgekühlt“ (sītibhūto) ist, weil die Feuer von Gier, Hass und Verblendung darin für immer erloschen sind. Dies ist ein meisterhaftes Beispiel für die geschickte Lehrmethode des Buddha (upāya-kosalla), bei der er vertraute Sprache verwendet, um seine Zuhörer zu einem neuen, praktischen und erfahrbaren Verständnis zu führen.
Der stufenweise Übungsweg (anupubbasikkhā): Eine vollständige Landkarte zur Befreiung
Der Rest der Lehrrede ist eine detaillierte Ausführung, wie man dieser vierte Mensch wird. Der Buddha legt eine vollständige, systematische Trainingsanleitung vor.
- Glaube und Entsagung (Saddhā & Pabbajjā): Der Weg beginnt, wenn ein Mensch die Lehre (Dhamma) von einem Erwachten hört, Vertrauen (saddhā) fasst und die Begrenztheit und den „Staub“ des weltlichen Lebens erkennt. Er wählt das „offene“ Leben eines Entsagenden und verlässt das Zuhause.
- Die Vollkommenheit der Tugend (Sīla-sampadā): Dies ist das unerschütterliche Fundament. Der Praktizierende verpflichtet sich zu einer umfassenden ethischen Lebensführung. Dazu gehört das Unterlassen von Töten, Stehlen, sexuellem Fehlverhalten und schädlicher Rede (Lügen, Verleumdung, harte Worte, leeres Gerede). Es umfasst auch breitere ethische Regeln wie das Nicht-Schädigen von Pflanzen, das Nicht-Annehmen von Geld und das Meiden von unheilsamen Berufen. So wird ein Leben der Harmlosigkeit etabliert.
- Zufriedenheit und Zügelung der Sinne (Santuṭṭhi & Indriya-saṃvara): Der Praktizierende ist mit den grundlegendsten Notwendigkeiten zufrieden – einer Robe zum Schutz des Körpers und einer Almosenschale zur Stillung des Hungers. Das Sutta verwendet hier das wunderschöne Gleichnis des Vogels, der, wohin er auch fliegt, nur seine Flügel als Last trägt. Diese Zufriedenheit unterstützt die Praxis der Bewachung der Sinnestore (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Körper, Geist). Beim Kontakt mit Sinnesobjekten achtet der Praktizierende darauf, nicht von deren Merkmalen ergriffen zu werden, um das Aufsteigen unheilsamer Geisteszustände wie Gier und Kummer zu verhindern.
- Achtsamkeit und klares Verstehen (Sati-sampajañña): Darauf aufbauend entwickelt der Praktizierende ein ununterbrochenes Gewahrsein für alle körperlichen Aktivitäten: beim Gehen, Stehen, Sitzen, Essen, Sprechen und Schweigen. Dies ist Achtsamkeit in Aktion, die den gesamten Alltag in ein Übungsfeld verwandelt.
- Das Aufgeben der Fünf Hindernisse (Pañca-nīvaraṇa-pahāna): Ausgestattet mit Tugend, Sinnenzügelung und Achtsamkeit sucht der Praktizierende die Einsamkeit auf. Dort arbeitet er aktiv daran, den Geist von den Fünf Hindernissen zu reinigen: Sinnenlust, Übelwollen, Trägheit und Mattheit, Unruhe und Sorge sowie skeptischer Zweifel.
- Die Vertiefungen (Jhāna): Mit einem von den Hindernissen befreiten, klaren und freudvollen Geist kann der Praktizierende in die meditativen Vertiefungen (jhānas) eintreten. Diese werden als Zustände zunehmend tieferer Konzentration, Ruhe und Gleichmut beschrieben, die eine stabile Plattform für tiefere Einsicht schaffen.
- Die Drei Höheren Wissensarten (Tevijjā) und Befreiung: Auf der Grundlage des stabilen und reinen Geistes der vierten Vertiefung entwickelt der Praktizierende die drei höheren Wissensarten, die zur Befreiung führen:
- Das Wissen um die eigenen früheren Existenzen (pubbenivāsānussati-ñāṇa).
- Das „göttliche Auge“, mit dem das Vergehen und Wiedererscheinen von Wesen entsprechend ihres Karmas gesehen wird (dibbacakkhu-ñāṇa).
- Das Wissen von der Zerstörung der Triebe (āsavakkhaya-ñāṇa): Dies ist der Höhepunkt des Weges. Der Praktizierende erkennt und versteht aus eigener Erfahrung die Vier Edlen Wahrheiten und sieht direkt, wie die geistigen Triebe oder „Einflüsse“ (āsava – der Trieb der sinnlichen Begierde, der Trieb des Werdens und der Trieb der Unwissenheit) entstehen und vergehen. Mit diesem direkten Sehen wird der Geist befreit. Der Erwachte weiß: „Geburt ist zerstört, das heilige Leben ist gelebt, was zu tun war, ist getan, es gibt kein Zurück mehr in irgendeinen Seinszustand“.
Analyse und Bedeutung für die heutige Praxis
Die Lehren des Kandarakasutta sind nicht nur historische Beschreibungen, sondern zeitlose Analysen psychologischer und verhaltensbezogener Muster, die heute so relevant sind wie zur Zeit des Buddha. Die vier Typen von Personen lassen sich leicht in modernen Kontexten wiederfinden:
- Der Selbstquäler manifestiert sich in der modernen „Hustle Culture“, in Workaholismus, zwanghaften Fitnessregimen oder extremen Diäten, bei denen der Selbstwert an die Bestrafung von Körper und Geist geknüpft wird, um ein Idealbild oder maximale Produktivität zu erreichen. Es ist die destruktive Anwendung der „Ohne Fleiß kein Preis“-Mentalität.
- Der andere Quälende zeigt sich in ausbeuterischen Geschäftspraktiken, umweltschädigenden Industrien, der Entwicklung süchtig machender Produkte oder in Karrieren, die auf Desinformation und gesellschaftlicher Spaltung basieren.
- Der sich selbst und andere Quälende findet sich in Anführern oder Ideologien wieder, die von ihren Anhängern extreme Opfer verlangen (Selbstquälerei) für eine Sache, die Außenstehenden schadet (Quälerei anderer). Beispiele reichen von fanatischen Bewegungen bis hin zu hochgradig kompetitiven Unternehmenskulturen, die Mitarbeiter ausbrennen, um die Konkurrenz zu vernichten.
Das zentrale „Werkzeug“, das ein moderner Leser aus diesem Text mitnehmen kann, ist das Verständnis des Pfades als ein integriertes System. Die Lehrrede zeigt unmissverständlich, dass Ethik (sīla), Sammlung (samādhi) und Weisheit (paññā) keine voneinander getrennten Disziplinen sind, die man sich nach Belieben aussuchen kann. Sie sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen sich gegenseitig. Man kann keinen wahren inneren Frieden (samādhi) erlangen, während man ein unethisches Leben führt, das anderen schadet. Man kann keine befreiende Weisheit (paññā) entwickeln ohne einen ruhigen und stabilen Geist. Das Kandarakasutta liefert die Blaupause für diese integrierte Kultivierung.
Somit dient die Lehrrede sowohl als diagnostisches als auch als präskriptives Instrument. Das Raster der vier Personen ermöglicht eine ehrliche Selbstreflexion: „In welchen meiner Handlungen quäle ich mich selbst? Wo schade ich, vielleicht unbeabsichtigt, anderen?“ Die detaillierte Beschreibung des Weges der vierten Person ist dann die klare und umsetzbare Verschreibung. Sie ist keine vage Anweisung, „gut zu sein“, sondern eine konkrete, schrittweise Anleitung, um die heilsame Alternative zu kultivieren. Die Rede beantwortet die Frage: „Ich sehe das Problem in meinem Leben… was genau soll ich jetzt tun?“ indem sie das gesamte Training in seiner logischen Abfolge darlegt. Das macht sie zu einer unschätzbar praktischen Ressource.
Fazit: Die zeitlose Weisheit des Kandarakasutta
Das Kandarakasutta ist eine tiefgründige und von Mitgefühl durchdrungene Lehre, die spirituelle Verwirrung durchschneidet. Es verwirft entschieden Wege der Gewalt – ob nach innen oder nach außen gerichtet – und beleuchtet stattdessen einen „Mittleren Weg“ der radikalen Harmlosigkeit und des intelligenten Strebens. Indem der Buddha eine vollständige Landkarte der Reise bereitstellt, vom ersten Schritt des ethischen Lebens bis zum endgültigen Ziel der Befreiung, bietet er einen zeitlosen, praktischen und nachvollziehbaren Leitfaden für jeden, der danach strebt, die Verschlungenheit des menschlichen Herzens zu entwirren und einen Frieden zu finden, der niemandem schadet.
Referenzen & weiterführende Webseiten/Dokumente
Wir ermutigen jeden Leser, sich die Zeit zu nehmen, diese tiefgründige Lehrrede in ihrer vollen Länge zu studieren. Sie ist eine unschätzbare Quelle der Inspiration und Anleitung. Lese die vollständige Lehrrede auf SuttaCentral.
- Kandarakasutta auf SuttaCentral (mit diversen Übersetzungen)
- Kandaraka Sutta auf dhammatalks.org (Übers. Thanissaro Bhikkhu)
- The Kandaraka Sutta auf Buddhist Publication Society (PDF)
- Analyse von Piya Tan auf The Minding Centre (PDF)
- With Kandaraka auf Hillside Hermitage Sutta Translations
- To Kandaraka the Ascetic auf obo.genaud.net
- Kommentar zum Kandaraka Sutta auf majjimanikaya.wordpress.com
- Audio-Version des Sutta auf PaliAudio.com